Die Gemeinschaftsrichtlinie über den Verbraucherkredit betrifft Bürgschaftsverträge nicht.
Herr Siepert übernahm gegenüber der Berliner Kindl Brauerei AG (Brauerei) eine Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 90 000 DM für die Rückzahlung eines Darlehens, das diese einer Einzelperson zur Gründung einer Gaststätte gewährt hatte. Diese Verpflichtung stand nicht im Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit von Herrn Siepert. Im Juni 1994 will er der Brauerei mitgeteilt haben, daß er seine Bürgschaftserklärung widerrufe. Weil der Hauptschuldner seinen Verpflichtungen nicht nachkam, kündigte die Brauerei das diesem gewährte Darlehen. Auf ihre Klage hin wurde er zur Zahlung von 28 952,43 DM (nebst Zinsen) verurteilt. Herr Siepert wurde als Bürge durch Urteil vom 8. Dezember 1997 zur Zahlung desselben Betrages verurteilt.
Herr Siepert hat vor dem Landgericht Potsdam beantragt, dieses Urteil aufzuheben. Er hat geltend gemacht, daß er den Vertrag nach dem deutschen Verbraucherkreditgesetz widerrufen habe. Dieses Gesetz setzt eine Gemeinschaftsrichtlinie über diese Art von Kredit in deutsches Recht um. Das deutsche Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof gefragt, ob der Geltungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinie Bürgschaftsverträge erfasse, die zur Sicherung der Rückzahlung eines Kredits geschlossen würden, wenn weder der Bürge noch der Kreditnehmer im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit gehandelt hätten.
Der Gerichtshof stellt fest, daß dieser Vertragstyp von der Gemeinschaftsrichtlinie über den Verbraucherkredit nicht erfaßt werde.
Aus dem Wortlaut, dem Inhalt und den Zielen der Richtlinie über den Verbraucherkredit ergebe sich, daß ein Bürgschaftsvertrag nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie falle, der auf Kreditverträge, also auf Verträge beschränkt sei, bei denen «ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht». Die Richtlinie solle sicherstellen, daß die Parteien des Kreditvertrags (Kreditnehmer und Kreditgeber) umfassende Kenntnis von den Sicherheiten hätten, von denen der Abschluß des Vertrages abhänge. Mangels einer ausdrücklichen Bestimmung enthalte sie jedoch keine Regelung des Bürgschaftsvertrags. Die Ziele der Richtlinie seien zum einen die Errichtung eines gemeinsamen Verbraucherkreditmarktes und zum anderen der Schutz der Verbraucher, die solche Kredite aufnähmen. Ihre Ziele beschränkten sich daher praktisch ausschließlich auf die Unterrichtung des Hauptschuldners über den Umfang seiner Verpflichtung und sähen keinen besonderen Schutz für den Bürgen vor.
Die Gemeinschaftsrichtlinie über den Verbraucherkredit unterscheide sich somit von der Gemeinschaftsrichtlinie betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, die durch das Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Diese letztgenannte Richtlinie solle die Verbraucher schützen, indem sie ihnen ein allgemeines Recht einräume, einen Vertrag zu widerrufen, der auf Initiative des Gewerbetreibenden geschlossen worden sei, so daß der Verbraucher möglicherweise nicht alle Folgen seines Handelns habe überblicken können. Gerade aufgrund dieses allgemeinen Zieles habe der Gerichtshof zuvor entschieden, daß ein Vertrag, der einem Dritten zugute komme, und insbesondere ein Bürgschaftsvertrag, der aufgrund eines Haustürgeschäfts geschlossen worden sei, nicht ohne weiteres vom Geltungsbereich der letztgenannten Richtlinie ausgeschlossen werden könne.
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