Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 26/00

4. April 2000

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-465/98

Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e. V. / Adolf Darbo AG

DER GERICHTSHOF ENTSCHEIDET ÜBER DIE VERWENDUNG DER ANGABE "NATURREIN" FÜR EINE ERDBEERKONFITÜRE


Da Gartenfrüchte zwangsläufig der Umweltverschmutzung und Pestiziden ausgesetzt sind, steht die EG-Etikettierungsrichtlinie der Verwendung der Angabe "naturrein" für eine Erdbeerkonfitüre mit sehr geringen Blei-, Cadmium- und Pestizidrückständen nicht entgegen

Die Firma Darbo stellt in Österreich eine Erdbeerkonfitüre her, die sie dort und in Deutschland unter der Marke "d'arbo naturrein" und mit der Bezeichnung "Garten Erdbeer" vertreibt.

Das Etikett des Konfitürenglases enthält Angaben über die Zusammensetzung der Konfitüre.

Es weist insbesondere darauf hin, daß das Geliermittel Pektin als Zutat verwendet wurde. Dabei handelt es sich um einen Extrakt mit verdünnten Säuren vorwiegend aus den inneren Anteilen von Zitrusfruchtschalen, Obttrestern oder Zuckerrübenschnitzeln.

Nach in Deutschland durchgeführten Untersuchungen enthält die Konfitüre außerdem als Spuren oder Rückstände weniger als 0,01 mg/kg Blei, 0,008 mg/kg Cadmium, 0,016 mg/kg Procymidon (Pestizid) und 0,005 mg/kg Vinclozolin (Pestizid).

Der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe e. V. klagt vor den deutschen Gerichten (nach Abweisung der Klage durch das Landgericht Köln nunmehr vor dem Oberlandesgericht Köln als Berufungsinstanz) auf Unterlassung der Nennung von "naturrein" auf dem Etikett der Konfitüre "d'arbo". Er macht geltend, das Geliermittel Pektin sei ein Zusatzstoff, den der Verbraucher wegen der Angabe "naturrein" in der Konfitüre nicht erwarte. Diese Angabe könne den Verbraucher irreführen, weil sowohl die Luft als auch das Erdreich, aus dem die Früchte stammten, mit Schadstoffen belastet seien. Auch wegen der in der Konfitüre enthaltenen Rückstände von Blei, Cadmium und Pestiziden dürfe sie nicht als "naturrein" bezeichnet werden.

Das Oberlandesgericht Köln hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Frage vorgelegt, ob die Etikettierungsrichtlinie 79/112/EWG der Verwendung der Angabe "naturrein" für eine Erdbeerkonfitüre entgegensteht, die das Geliermittel Pektin sowie Blei-, Cadmium- und Pestizidspuren oder -rückstände in den oben genannten Mengen enthalte.

Nach der Antwort des Gerichtshofes steht die Richtlinie nicht der Angabe "naturrein" für eine Erdbeerkonfitüre entgegen, die das Geliermittel Pektin sowie Spuren oder Rückstände von Blei, Cadmium und Pestiziden in folgenden Mengen enthält: 0,01 mg/kg Blei, 0,008 mg/kg Cadmium, 0,016 mg/kg Procymidon und 0,005 mg/kg Vinclozolin.

Die Richtlinie solle jede Täuschung von Verbrauchern verhindern. Dabei sei es Sache des zuständigen nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob eine Bezeichnung, eine Marke oder eine Werbung irreführend sein könne, wofür es auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen habe.

Das Vorhandensein von Pektin sei im Einklang mit der Richtlinie auf dem Etikett der Verpackung angegeben. Es sei davon auszugehen, daß Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung von Erzeugnissen richteten, zunächst das Zutatenverzeichnis läsen, dessen Angabe vorgeschrieben sei. Unter diesen Umständen könne die Angabe "naturrein" auf dem Etikett einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher nicht irreführen. Pektin gehöre außerdem zu den für "Konfitüre extra" zugelassenen Stoffen.

Die Rückstände von Blei, Cadmium und Pestiziden stellten keine Zutaten zum Lebensmittel dar; ihre Angabe sei daher nicht obligatorisch. Infolge der Verschmutzung von Luft und Wasser seien insbesondere Blei und Cadmium in der natürlichen Umwelt vorhanden. Da Gartenfrüchte in der natürlichen Umwelt angebaut würden, seien sie zwangsläufig den dort vorhandenen Schadstoffen ausgesetzt. Selbst wenn in Einzelfällen Verbraucher diese Tatsachen nicht beachten und somit irregeführt werden sollten, sei diese Gefahr gering und könne deshalb ein Hemmnis für den freien Warenverkehr nicht rechtfertigen. Das gleiche gelte hinsichtlich des Vorhandenseins von Pestizidspuren oder -rückständen in der Konfitüre "d'arbo". Denn die Verwendung von Pestiziden, selbst durch Privatleute, sei eines der gebräuchlichsten Mittel zur Bekämpfung von Schadorganismen bei Obst und Gemüse. Somit schließe der «natürliche» Anbau von Gartenerdbeeren jedenfalls nicht aus, daß auf ihnen Pestizidrückstände vorhanden seien.

Was die Mengen dieser Rückstände betreffe, so entsprächen die in der Konfitüre "d'arbo" enthaltenen Blei- und Cadmiumrückstände im einen Fall einem Fünfzigstel und im anderen einem Fünfundzwanzigstel des nach deutschem Recht zulässigen Höchstwertes. Die in der Konfitüre enthaltenen Rückstände der Pestizide Procymidon und Vinclozolin entsprächen dem dreihundertzwölften und dem tausendsten Teil der nach den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zulässigen Höchstwerte.

Vor diesem Hintergrund gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, daß trotz des Vorhandenseins von Spuren oder Rückständen von Blei, Cadmium und Pestiziden in der Konfitüre "d'arbo" die Angabe "naturrein" auf dem Verpackungsetikett nicht dazu geeignet sei, den Verbraucher über die Merkmale des Lebensmittels irrezuführen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher und französischer Sprache vor.

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