Die Kommission hätte die Prüfung der Finanzierung der öffentlichen Fernsehkanäle durch den Staat fortsetzen müssen
Die SIC ist eine Handelsgesellschaft, die seit 1992 einen der wichtigsten privaten Fernsehkanäle in Portugal betreibt, der ausschließlich mit Werbeeinnahmen finanziert wird.
Die RTP ist die Betreiberin der öffentlichen portugiesischen Fernsehkanäle. Sie wird durch die Einnahmen aus der in ihren Kanälen ausgestrahlten Werbung und staatliche Mittelzuweisungen finanziert, die ihr jährlich für ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährt werden. Von 1992 bis 1995 machte der Betrag der öffentlichen Zuschüsse zwischen 15 % und 18 % der jährlichen Einnahmen der RTP aus.
1993 und 1996 erhob die SIC bei der Kommission Beschwerden gegen die Mittelzuweisungen an die RTP und andere zu deren Gunsten getroffene Maßnahmen, da sie der Auffassung war, daß es sich um staatliche Beihilfen handele, die den Wettbewerb verfälschten und deshalb der Kommission vorab hätten gemeldet und von dieser genehmigt werden müssen.
Am 7. November 1996 erließ die Kommission eine Entscheidung, mit der sie feststellte, daß die von der SIC in ihrer ersten Beschwerde von 1993 beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Gemeinschaftsrechts darstellten.
Am 3. März 1997 erhob die SIC beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission. Sie wandte sich gegen die Qualifizierung der beanstandeten Maßnahmen und rügte insbesondere, daß die Kommission dadurch gegen das Verfahren der Prüfung der staatlichen Beihilfen verstoßen habe, daß sie die Entscheidung erlassen habe, ohne die Stellungnahmen der Konkurrenten der RTP einzuholen.
Nach dem Gemeinschaftsrecht kann nämlich die Kommission die Vorprüfung derartiger Maßnahmen (erste Phase des Verfahrens) nur dann durch eine günstige Entscheidung abschließen, wenn sie zu der Überzeugung gelangt ist, daß es sich nicht um staatliche Beihilfen handelt oder aber um Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Stößt die Kommission dagegen nach dieser ersten Prüfung auf ernste Schwierigkeiten bei der Beurteilung der fraglichen Maßnahmen, so muß sie ein förmliches Verfahren einleiten (zweite Phase), in dem die betroffenen Dritten Stellungnahmen abgeben können.
Das Gericht hat zunächst festgestellt, daß die Kommission nach Abschluß der ersten Phase des Verfahrens eine Entscheidung erlassen habe, in der sie die von der SIC beanstandeten Maßnahmen günstig beurteilt habe; sodann hat es geprüft, ob die Kommission bei ihrer Prüfung auf ernste Schwierigkeiten gestoßen sei, die die Einleitung der zweiten Phase des Verfahrens gerechtfertigt hätten.
Die jährlichen Mittelzuweisungen des portugiesischen Staates an die RTP hätten der Begünstigten nach der Entscheidung selbst einen finanziellen Vorteil verschafft, womit sie das entscheidende Kriterium für den Begriff der Beihilfe erfüllten. Zu den möglichen Auswirkungen dieses Vorteils auf die Wettbewerbsbedingungen führt das Gericht aus, die RTP sei ein öffentlicher Betreiber, der auf dem Werbemarkt tätig sei und somit mit den anderen Fernsehbetreibern in direktem Wettbewerb stehe. Folglich könne die Auffassung der Kommission, daß es sich nicht um staatliche Beihilfen handele, zumindest zu ernsten Schwierigkeiten führen.
Selbst wenn diese Maßnahmen so dargestellt worden wären, daß sie bezweckten, die durch die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der RTP bedingten Mehrkosten auszugleichen, so hätte dieser Umstand doch keine Auswirkungen auf die Qualifizierung als staatliche Beihilfe. Er könne lediglich von der Kommission berücksichtigt werden, wenn sie Beihilfen unter den in den besonderen Vorschriften des Vertrages festgelegten Voraussetzungen genehmige.
Zu den übrigen beanstandeten Maßnahmen (Steuerbefreiungen, Zahlungserleichterungen, Zahlungsaufschub für die der portugiesischen Sozialversicherung von der RTP geschuldeten Beträge und Verzicht auf die Beitreibung der damit zusammenhängenden Geldbußen und Zinsen) führt das Gericht aus, nach dem Akteninhalt habe die Kommission bei Abschluß der Vorprüfung auch insoweit vor ernsten Beurteilungsschwierigkeiten gestanden.
Außerdem ist das Gericht der Auffassung, daß die Dauer der Vorprüfung, die ungefähr drei Jahre betragen hat, weit über die normale Dauer einer ersten Prüfung hinausgehe. Sie sei im Zusammenhang mit den übrigen im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen eine Bestätigung dafür, daß ernste Beurteilungsschwierigkeiten bestanden hätten, die die Einleitung der zweiten Phase des Prüfungsverfahrens erforderlich gemacht hätten, um den betroffenen Dritten eine Stellungnahme zu ermöglichen.
Aus diesen Gründen erklärt das Gericht die Entscheidung der Kommission für nichtig.
Anmerkung: Das Gericht hat in seinen Urteilen vom 15. September 1998 in der Rechtssache Gestevisión Telecinco/Kommission und vom 3. Juni 1999 in der Rechtssache TF1/Kommission, in denen es um Beschwerden ging, mit denen das Vorliegen staatlicher Beihilfen zugunsten der Betreiber der öffentlichen Fernsehanstalten in Spanien und Frankreich geltend gemacht wurde, die Untätigkeit der Kommission festgestellt, die keine Entscheidung über vergleichbare Maßnahmen erlassen hatte.
Hinweis: Gegen diese Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet. Dieses Dokument ist in allen Amtssprachen verfügbar.
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