Die Ausnahme von dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Festsetzung des Rentenalters ist nicht auf eine vorzeitige Alterspension anwendbar, wie sie den österreichischen Landwirten bei Erwerbsunfähigkeit gewährt wird
Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit verbietet jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere bei der Berechnung der Leistungen.
Die Mitgliedstaaten können jedoch nicht nur die Festsetzung des Rentenalters für die Gewährung der Altersrente, sondern auch etwaige Auswirkungen daraus auf andere Leistungen von der Anwendung dieses Grundsatzes ausschließen.
Das österreichische Recht trifft seit 1996 eine unterschiedliche Regelung für männliche und weibliche Landwirte. Der Versicherte hat nach Vollendung des 57. Lebensjahres, die Versicherte nach Vollendung des 55. Lebensjahres unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die vorzeitige Gewährung einer Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit.
Herr Buchner und andere Landwirte männlichen Geschlechts beantragten die vorzeitige Zahlung einer Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit, obwohl sie noch nicht 57 Jahre alt waren. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern lehnte diese Anträge ab.
Der in letzter Instanz angerufene Oberste Gerichtshof setzte das Verfahren aus und legte dem Gerichtshof Fragen nach der Vereinbarkeit der österreichischen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht vor.
Der Gerichtshof stellt zunächst fest, daß die fragliche Leistung diskriminierenden Charakter habe, da das Mindestalter für ihre Gewährung für Männer und Frauen unterschiedlich sei.
Es stelle sich die Frage, ob die Leistung eine Leistung bei Invalidität oder eine Altersrente sei.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Begriff der Altersrente angesichts der wesentlichen Bedeutung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen eng auszulegen.
Zwar sei die Gewährung der Leistung vom Erreichen eines bestimmten Alters abhängig; sie werde jedoch nur Personen gewährt, die infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande seien, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Deshalb sei zu prüfen, ob es sich bei der Festsetzung einer für Männer und Frauen unterschiedlichen Altersgrenze für die Gewährung der betreffenden Leistung um eine Auswirkung des für den Bezug der Altersrente festgesetzten Rentenalters handele.
Der Gerichtshof erinnert daran, daß Diskriminierungen nur dann objektiv akzeptabel seien, wenn sie erforderlich seien, um zu verhindern, daß das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährdet werde, oder um die Kohärenz zwischen dem System der Altersrenten und dem der anderen Leistungen zu gewährleisten.
Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, daß Österreich nicht genug Argumente dafür vorgebracht habe, daß zwischen den betroffenen Systemen der sozialen Sicherheit eine gegenseitige finanzielle Abhängigkeit bestehe. Jedenfalls könne eine rein haushaltsmäßige Zielsetzung als solche eine Diskriminierung eines der beiden Geschlechter nicht rechtfertigen.
Auch bestehe kein direkter Zusammenhang zwischen dem Mindestalter für den Bezug der Leistung bei Invalidität und dem gesetzlichen Rentenalter, da das Mindestalter für die Entstehung des Anspruchs auf die vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit für Frauen auf 55 Jahre, d. h. fünf Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, für Männer dagegen auf 57 Jahre, d. h. acht Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter, festgesetzt worden sei.
Die diskriminierende Unterscheidung zwischen Männern und Frauen ist somit nach Auffassung des Gerichtshofes nicht notwendig mit dem unterschiedlichen Rentenalter für Männer und Frauen verbunden. Sie falle daher nicht unter die Ausnahme in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie.
Schließlich begrenzt der Gerichtshof entgegen dem Antrag Österreichs, das vom Vereinigten Königreich unterstützt wird, die zeitlichen Wirkungen seines Urteils nicht. Österreich habe bei Erlaß der fraglichen Regelung die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu diesem Punkt gekannt. Zudem rechtfertigten die finanziellen Konsequenzen, die sich aus seinem Urteil ergeben könnten, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des Urteils.
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