Nach Auffassung des Generalanwalts besaß der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Zuständigkeit, die Richtlinie auf der angeführten Rechtsgrundlage zu erlassen.
Am 6. Juli 1998 wurde eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen in der Europäischen Union erlassen. Die Richtlinie enthält ein weitreichendes Verbot der Werbung und des Sponsoring für Tabakerzeugnisse. Sie wurde gemäß dem im EG-Vertrag niedergelegten Binnenmarktziel erlassen, das u.a. durch die Angleichung den innergemeinschaftlichen Handel hemmender nationaler Rechtsvorschriften verwirklicht werden soll. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, daß unterschiedliche nationale Bestimmungen den Handel mit Produkten und Dienstleistungen der Tabakwerbung und des Sponsoring für Tabakerzeugnisse beeinträchtigten.
In beiden Rechtssachen geht es darum, ob die Richtlinie nach Gemeinschaftsrecht gültig ist. In der erstgenannten Rechtssache hatte Deutschland beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der Richtlinie erhoben. Der zweiten Rechtssache lagen Klagen verschiedener Tabakunternehmen (Imperial Tobacco u. a.) im Vereinigten Königreich gegen die Richtlinie zugrunde. Das nationale Gericht legte dem Gerichtshof eine Frage zur Gültigkeit der Richtlinie vor.
Nach Auffassung Deutschlands und der genannten Tabakunternehmen hat der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Verabschiedung der Richtlinie seine Zuständigkeiten überschritten. Hierfür wurden im wesentlichen zwei Argumente ins Feld geführt: Erstens sei die Richtlinie in Wahrheit eine Maßnahme zum Schutz der Gesundheit, die sich allenfalls nebenbei auf den Binnenmarkt auswirke. Zweitens sei sie als Binnenmarktmaßnahme jedenfalls nicht rechtmäßig.
Nach Ansicht von Generalanwalt Fennelly steht im Mittelpunkt beider Rechtssachen die Frage, ob die Zuständigkeit für den Binnenmarkt für sich genommen eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Richtlinie bietet. Sei dies der Fall, so werde die Gültigkeit der Richtlinie auch nicht dadurch berührt, daß mit ihr gleichzeitig der Schutz der Gesundheit bezweckt werde.
Der Generalanwalt führt aus, daß das in der Richtlinie niedergelegte Verbot von Tabakwerbung und -sponsoring umfassend sei; außerhalb der Verkaufsstätten selbst verbiete die Richtlinie nämlich den in der Gemeinschaft tätigen Unternehmen jede an Verbraucher gerichtete Werbung. Der Generalanwalt erörtert dann die Frage, ob die Richtlinie dem Binnenmarkt zugute komme. Ihre einzige Auswirkung bestehe indessen darin, den Handel mit den Produkten und Dienstleistungen, für die sie gelte, zu verbieten. Eine Maßnahme, die eine bestimmte Wirtschaftstätigkeit nur verbiete, könne aber nach dem Gemeinschaftsrecht nicht dazu dienen, diese Tätigkeit betreffende Hindernisse auszuräumen.
Da somit nicht angenommen werden könne, daß das Werbeverbot dem Ziel des Binnenmarktes förderlich sei, habe die Gemeinschaft keine Zuständigkeit besessen, die Richtlinie auf der Grundlage der angeführten Vertragsbestimmungen zu erlassen. Der Generalanwalt schlägt dem Gerichtshof daher vor, die Richtlinie für nichtig zu erklären.
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