Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 47/2000

29. Juni 2000

Urteil des Gerichts in der Rechtssache T-7/99

Medici Grimm KG / Rat der Europäischen Union

MEDICI GRIMM ERREICHT TEILNICHTIGERKLÄRUNG EINER AUF IHRE EINFUHREN VON HANDTASCHEN AUS LEDER MIT URSPRUNG IN CHINA ANGEWANDTEN ANTIDUMPINGVERORDNUNG


Das Gericht wirft dem Rat vor, einer Überprüfungsverordnung im Rahmen eines Antidumpingverfahrens keine Rückwirkung verliehen zu haben

Die Medici Grimm KG ist eine Gesellschaft deutschen Rechts. Sie schloß mit der Lucci Creaton Ltd, einer in Hong Kong ansässigen Gesellschaft mit Produktionsstätten in China, einen Vertrag über die Herstellung von Handtaschen. Diese Produkte werden aus Leder und anderen von Medici Grimm gelieferten Materialien hergestellt.

Auf eine Beschwerde des «European Committee for Leather Goods Industries/Comité européen des industries de la maroquinerie» (CEDIM) veröffentlichte die Kommission am 4. Mai 1996 eine Bekanntmachung über die Einleitung eines Antidumpingverfahrens betreffend die Einfuhren von Handtaschen mit Ursprung in der Volksrepublik China in die Europäische Union. Dementsprechend wurde ein Untersuchungsverfahren eingeleitet, an dem sich weder Medici Grimm noch Lucci Creaton beteiligten.

Nach Abschluß des Verfahrens führte der Rat am 3. August 1997 einen Antidumpingzoll von bis zu 38 % auf die Einfuhren von Handtaschen aus Leder mit Ursprung in China ein.

Am 13. September 1997 forderte die Kommission die mit Dumpingzöllen belegten Hersteller/Ausführer zur Vorlage neuer Beweise auf, die die Einleitung einer Interimsüberprüfung der auf sie anwendbaren Antidumpingmaßnahmen rechtfertigen könnten. Diese Überprüfung konnte zu einer Änderung der zu entrichtenden Zölle führen. Die Kommission wählte dazu den gleichen Untersuchungszeitraum wie bei der Ausgangsuntersuchung.

In ihrer Eigenschaft als Herstellerin/Ausführerin kam Lucci Creaton dieser Aufforderung nach und übermittelte die von der Kommission verlangten Informationen.

Sie nahm diese Interimsüberprüfung zum Anlaß, von der Kommission die Rückzahlung der seit dem 3. August 1997 gezahlten Antidumpingzölle zu verlangen, die sie ihrer Ansicht nach nicht hätte zahlen müssen, da sie zu keinem Zeitpunkt während des festgelegten Untersuchungszeitraums Dumping betrieben habe. Sie wies darauf hin, daß eine solche Rückzahlung dadurch möglich sei, daß der Verordnung, die nach der Interimsüberprüfung erlassen werde, Rückwirkung verliehen werde.

Am 3. November 1998 erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission eine neue Verordnung, die u. a. auch Medici Grimm betraf. Aus dieser Verordnung ergibt sich, daß hinsichtlich der Geschäfte zwischen Medici Grimm und Lucci Creaton während des Untersuchungszeitraums bis zum 3. August 1997 kein Dumping festgestellt wurde und Medici Grimm daher Anspruch auf eine individuelle Dumpingspanne von 0 % hat. Der Rat wies jedoch die Forderung des Unternehmens zurück. Seiner Ansicht nach konnte die Interimsüberprüfung nämlich nur Wirkung für die Zukunft haben. Der verlangten Rückwirkung wurde daher in der neuen Verordnung nicht Rechnung getragen.

Infolgedessen hat Medici Grimm beim Gericht beantragt, die Verordnung des Rates wegen Ablehnung ihrer Rückwirkung für nichtig zu erklären. Medici Grimm hat im übrigen bei den deutschen Zollbehörden Antrag auf Rückzahlung der seit August 1997 erhaltenen Beträge (in Höhe von 1 046 675 DM und 409 777,34 DM) gestellt.

Nach Auffassung des Gerichts gab es keine neuen Umstände, die die Einleitung der Überprüfung durch die Kommission am 13. September 1997 hätten rechtfertigen können; der einzige Zweck dieses Verfahrens sei es gewesen, den Firmen, die sich an dem ursprünglichen Verfahren nicht beteiligt hätten, das zum Erlaß der am 3. August 1997 in Kraft getretenen Verordnung geführt habe, eine individuelle Behandlung zuteil werden zu lassen.

Entgegen seinem Vorbringen habe der Rat somit das ursprüngliche Verfahren in Wirklichkeit wiedereröffnet und nicht eine neue Überprüfung vorgenommen. Wenn Lucci Creaton während der Ausgangsuntersuchung kein Dumping gegenüber der Gemeinschaft betrieben habe, hätten daher von Anfang an die für eine Verzollung der Ausfuhren erforderlichen Voraussetzungen gefehlt.

Die Organe seien also verpflichtet, alle Konsequenzen aus diesen Feststellungen zu ziehen, und da Lucci Creaton während des Untersuchungszeitraums kein Dumping betrieben habe, hätte der Rat dieser Schlußfolgerung Rückwirkung verleihen müssen.

Im übrigen könne sich der Rat nicht hinter der zukunftsgerichteten Natur der Überprüfungsverordnung verschanzen, um eine rückwirkende Anwendung dieser neuen Verordnung, mit der das Fehlen von Dumping festgestellt wird, abzulehnen, und Medici Grimm somit allein deswegen bestrafen, weil sie sich nicht an der Ausgangsuntersuchung beteiligt habe (was im übrigen fakultativ gewesen sei).

Hinweis: Gegen diese Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet. Dieses Dokument liegt in französischer, englischer und deutscher Sprache vor.

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