Die schwedischen Rechtsvorschriften, die eine automatische Bevorzugung von Frauen beim Zugang zum öffentlichen Dienst auch dann vorsehen, wenn ihre Qualifikation nicht der von Männern entspricht, verstoßen gegen das Gemeinschaftsrecht. Der Gerichtshof weist darauf hin, daß eine Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation - die zur Herstellung eines Gleichgewichts diene - nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, sofern eine objektive Beurteilung jeder einzelnen Bewerbung gewährleistet sei.
Am 3. Juni 1996 schrieb die Universität Göteborg eine Professur für Hydrosphärologie aus. In der Ausschreibung hieß es, daß die Besetzung dieser Stelle zur Förderung der Gleichheit der Geschlechter im Arbeitsleben beitragen solle und daß eine positive Diskriminierung gemäß den schwedischen Rechtsvorschriften in Betracht kommen könne.
Die Jury, die dem Rektor der Universität einen Bewerber zur Ernennung vorschlagen sollte, setzte nach Prüfung der Bewerbungen Frau Destouni auf den ersten, Herrn Anderson auf den zweiten und Frau Fogelqvist auf den dritten Platz. Bei dieser Auswahl wurden sowohl die wissenschaftlichen Qualifikationen als auch die Anforderungen der schwedischen Rechtsvorschriften über positive Diskriminierung berücksichtigt.
Nach diesen Rechtsvorschriften ist bei der Ernennung von Professoren einem Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang einzuräumen, sofern dies erforderlich ist, damit ein Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts ausgewählt wird, und sofern der Unterschied zwischen den Qualifikationen nicht so groß ist, daß sich daraus ein Verstoß gegen das Erfordernis der Sachgerechtigkeit bei der Einstellung ergeben würde.
Nachdem Frau Destouni, bei deren Auswahl die Jury ausdrücklich festgestellt hatte, daß kein Verstoß gegen das Erfordernis der Sachgerechtigkeit vorliege, ihre Bewerbung zurückgezogen hatte, vertrat die vom Rektor erneut zu Rate gezogene Jury die Ansicht, daß der Unterschied zwischen der Qualifikation der beiden anderen Bewerber erheblich sei.
Am 18. November 1997 berief der Rektor gleichwohl Frau Fogelqvist auf den Lehrstuhl.
Gegen diese Entscheidung legten Herr Anderson und Frau Abrahamsson, die sich beide erfolglos beworben hatten, Beschwerde ein.
Der Beschwerdeausschuß in Hochschulangelegenheiten fragt den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach der Vereinbarkeit der schwedischen Rechtsvorschriften mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen.
Der Gerichtshof weist zunächst auf seine frühere Rechtsprechung hin, wonach eine Maßnahme, nach der weibliche Bewerber in Bereichen des öffentlichen Dienstes, in denen Frauen unterrepräsentiert seien, vorrangig befördert werden sollten, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei,
Er stellt sodann fest, daß die schwedischen Rechtsvorschriften es erlaubten, einem Bewerber des unterrepräsentierten Geschlechts Vorrang einzuräumen, der zwar hinreichend qualifiziert sei, aber nicht die gleiche Qualifikation wie Bewerber des anderen Geschlechts besitze.
Die Beurteilung der Qualifikationen im fraglichen Auswahlverfahren beruhe nicht auf klaren und eindeutigen Kriterien (wie Dienstalter, Lebensalter, Zeitpunkt der letzten Beförderung, Familienstand oder Einkommen des Partners oder der Partnerin). Die Gefahr einer willkürlichen Beurteilung der Qualifikation der Bewerber werde daher nicht durch die Heranziehung transparenter Kriterien beseitigt.
Die betreffende Regelung räume Bewerbern des unterrepräsentierten Geschlechts automatisch Vorrang ein, wenn diese hinreichend qualifiziert seien; die einzige Einschränkung bestehe darin, daß der Unterschied zwischen den Qualifikationen der Bewerber verschiedenen Geschlechts nicht so groß sein dürfe, daß sich daraus ein Verstoß gegen das Erfordernis der Sachgerechtigkeit bei der Einstellung ergeben würde.
Die nach den schwedischen Rechtsvorschriften vorgesehene Auswahlmethode stehe folglich nicht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht; die Auswahl beruhe letztlich allein auf der Zugehörigkeit zum unterrepräsentierten Geschlecht, da die Bewerbungen nicht Gegenstand einer objektiven Beurteilung seien, bei der die besondere persönliche Lage aller Bewerber berücksichtigt werde. Überdies stehe die gewählte Methode zu dem verfolgten Ziel außer Verhältnis.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, französischer und schwedischer Sprache vor.
Der vollständige Wortlaut des Urteils wird heute ab etwa 15.00 Uhr auf der Homepage des Gerichtshofes im Internet www.curia.eu.int verfügbar sein.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler, Tel.: (00352) 4303-3255, Fax: (00352) 4303-2734.