Die Ermächtigung zum Betrieb eines mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten, von der Standesvertretung eines freien Berufes eingerichteten Fonds, der die Höhe seiner Beiträge und Leistungen selbst bestimmt und nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet und in dem die Pflichtmitgliedschaft vom Staat vorgeschrieben worden ist, verstößt nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft.
Das System der Zusatzrenten ist in den Niederlanden in einem Gesetz von 1972 geregelt. Nach diesem System werden Zusatzrenten im Rahmen von kollektiven Systemen verwaltet, die für einen Wirtschaftssektor, einen Beruf oder die Arbeitnehmer eines Unternehmens gelten. Die Mitgliedschaft in diesen Systemen ist vorgeschrieben.
Die Kläger, fünf Fachärzte des Krankenhauses Nijmegen, widersetzen sich seit 1996 ihrer Pflichtmitgliedschaft in dem 1973 eingerichteten Rentenfonds für Fachärzte.
Sie bringen vor, als Angestellte ihres Krankenhauses seien sie einem anderen Fonds angeschlossen, dem Betriebsrentenfonds für die Gesundheit. Seit diesem Zeitpunkt entrichten sie daher keine Beiträge mehr an den Rentenfonds für Fachärzte. Dieser richtete Zahlungsbescheide über die rückständigen Beiträge an sie. Die Ärzte griffen diese Bescheide vor dem zuständigen nationalen Gericht an, das beschlossen hat, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen nach der Vereinbarkeit der niederländischen Regelung des Rentenfonds für Fachärzte mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vorzulegen.
Der Gerichtshof weist zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung hin: Der von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eines bestimmten Wirtschaftszweigs im Rahmen eines Tarifvertrags gefasste Beschluss, in diesem Wirtschaftszweig einen einzigen Rentenfonds einzurichten, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs vorzuschreiben, falle nicht unter das im EG-Vertrag enthaltene Verbot von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen.
Für nicht im Rahmen von Tarifverträgen eingerichtete Fonds gilt dieser Ausschluss nach Ansicht des Gerichtshofes wegen ihrer Art nicht.
Das Verbot von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen sei a priori auf einen Beschluss der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des betreffenden Berufes in diesem Fonds vorzuschreiben, anwendbar.
Die Fachärzte seien Unternehmen: Sie erbrächten als selbständige Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen auf dem Markt der fachärztlichen Dienstleistungen, erhielten von ihren Patienten ein Entgelt und übernähmen die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken. Vor diesem Hintergrund sei ihre Mitgliedschaft in einem Berufszusatzrentensystem eng an die Ausübung ihrer Berufstätigkeit geknüpft.
Desgleichen könne ihre Standesvertretung u. a. deswegen als Unternehmensvereinigung angesehen werden, weil sie nicht überwiegend aus Vertretern der öffentlichen Gewalt bestehe.
Zwar schränke unter diesen Umständen der Beschluss der Fachärzte, einen Zusatzrentenfonds zu schaffen, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes ein (die Ärzte träten so nicht miteinander in Wettbewerb, um sich für diesen Teil ihrer Rente kostengünstiger zu versichern), er tue dies allerdings nicht spürbar, da die Kosten der Zusatzrente nur marginalen und mittelbaren Einfluss auf die Endkosten der von den Fachärzten angebotenen Dienstleistungen hätten.
Dieser Beschluss und aus denselben Gründen auch die Entscheidung des betroffenen Mitgliedstaats, die Pflichtmitgliedschaft in diesem System vorzuschreiben, verstießen somit nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft.
Auch der so eingerichtete Zusatzrentenfonds stelle ein Unternehmen im Sinne des EG-Vertrags dar. Denn er bestimme die Höhe der Beiträge und seine Leistungen selbst. Er arbeite nach dem Kapitalisierungsprinzip, weshalb die Erträge der von ihm getätigten Anlagen, bei denen er der Aufsicht der Versicherungskammer unterliege, die Höhe seiner Leistungen bestimme. Aus diesen Merkmale folge, dass der Fonds eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsunternehmen ausübe und ein Unternehmen sei.
Er verfüge über ein ausschließliches Recht, die Beiträge für einen Teil des Rentensystems zu erheben und zu verwalten. Daher nehme er eine beherrschende Stellung auf dem Versicherungsmarkt ein. Nach Ansicht des Gerichtshofes liegen jedoch nicht genügend Anhaltspunkte für die Feststellung vor, dass der Fonds durch die bloße Ausübung des ihm übertragenen ausschließlichen Rechts diese beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutze oder dass er nicht in der Lage sei, die Bedürfnisse der Fachärzte in diesem Bereich zu befriedigen.
Unter diesen Umständen verstößt das dem Fonds gewährte ausschließliche Recht nach Auffassung des Gerichtshofes nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher, französischer, englischer und niederländischer Sprache vor.
Der vollständige Wortlauts des Urteils wird heute ab ca. 15.00 Uhr im Internet auf der Homepage des Gerichtshofes der EG www.curia.eu.int verfügbar sein.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.