Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 58/2000

12. September 2000

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-366/98

DAS GEMEINSCHAFTSRECHT STEHT EINER REGELUNG ENTGEGEN, DIE DIE VERWENDUNG EINER EINZIGEN SPRACHE FÜR DIE ETIKETTIERUNG VON LEBENSMITTELN VORSCHREIBT


Das Gemeinschaftsrecht sieht zwar vor, dass die Etikettierung von Lebensmitteln den Käufer oder den Verbraucher nicht irreführen darf, steht aber der französischen Regelung entgegen, die die Verwendung allein der französischen Sprache für die Angaben auf den Etiketten vorschreibt.

Yannick GEFFROY arbeitet als Einkäufer des französischen CASINO-Konzerns.

Nach einer von der Direktion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung Puy-de-Dôme am 5. Juni 1996 im Hypermarché GEANT (CASINO-Konzern) in Clermont-Ferrand durchgeführten Kontrolle verhängte das Tribunal de Police Saint-Etienne gegen Herrn GEFFROY wegen Verstoßes gegen die französische Regelung über die Etikettierung von Lebensmitteln 506 Geldbußen (501 Geldbußen zu je 50 FRF und 5 Geldbußen zu je 2 000 FRF). Die Fa. CASINO wurde für zivilrechtlich haftbar erklärt.

Die Direktion für Wettbewerb stellte Folgendes fest:

Die mit dem Verfahren befasste Cour d'appel Lyon hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Frage nach der Vereinbarkeit der französischen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht über die Etikettierung und die Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür vorgelegt.

Nach dem Gemeinschaftsrecht dürfen die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, nicht geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Eigenschaften des betreffenden Lebensmittels (Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart).

Der Gerichtshof erinnert daran, dass es nicht an ihm sei, darüber zu entscheiden, ob die Etikettierung bestimmter Erzeugnisse den Verbraucher irreführe. Dies sei Sache des nationalen Gerichts. Der Gerichtshof könne diesem jedoch nützliche Hinweise für seine Entscheidung geben.

Vor diesem Hintergrund ist der Gerichtshof der Ansicht, dass der Umstand, dass die Zusammensetzung von aus Äpfeln hergestellten alkoholischen Getränken, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig unter der Bezeichnung ,,cider" hergestellt und vermarktet würden, nicht den Anforderungen der Regelung eines anderen Mitgliedstaats für die Herstellung von Cidre entspreche, an sich nicht ausreiche, um die Vermarktung dieser Getränke unter der Bezeichnung ,,cidre" in letzterem Mitgliedstaat allein mit der Begründung zu verbieten, dass diese Bezeichnung den Verbraucher irreführe.

Der Gerichtshof weist auf die Bedingungen hin, unter denen die Mitgliedstaaten die Änderung der Bezeichnung eines Lebensmittels verlangen können: Das betroffene Erzeugnis müsse nach seiner Zusammensetzung oder Herstellungsweise von den in der Gemeinschaft unter dieser Bezeichnung allgemein bekannten Waren abweichen. Bei geringfügigen Abweichungen müsse eine angemessene Etikettierung ausreichen.

Hinsichtlich der sprachlichen Anforderungen der französischen Regelung erinnert der Gerichtshof an seine bisherige Rechtsprechung, nach der das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung,

entgegenstehe.

Dagegen sei eine Regelung, die die Verwendung einer bestimmten Sprache für die Etikettierung vorsehe, aber die Verwendung einer anderen dem Käufer leicht verständlichen Sprache zulasse, gemeinschaftsrechtskonform.

Unter diesen Umständen verstoße die französische Regelung, die die Verwendung einer bestimmten Sprache für die Etikettierung von Lebensmitteln vorschreibe, ohne die Möglichkeit zuzulassen, eine andere für den Käufer leicht verständliche Sprache zu verwenden oder die Unterrichtung des Käufers durch andere Maßnahmen zu gewährleisten, gegen das Gemeinschaftsrecht.

Anm.: Der Leser sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof das Gemeinschaftsrecht auslegt, das zu der Zeit galt, als sich der Sachverhalt ereignete. Die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 79/112 sind inzwischen (durch eine Richtlinie aus dem Januar 1997) geändert worden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher, französischer, englischer, griechischer, spanischer, dänischer, schwedischer, finnischer und italienischer Sprache vor.

Der vollständige Wortlauts des Urteils wird heute ab ca. 15.00 Uhr im Internet auf der Homepage des Gerichtshofes der EG www.curia.eu.int verfügbar sein.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.