Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 59/2000

14. September 2000

Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-238/98 und C-16/99

Hugo Fernando HOCSMAN gegen Ministre de l'Emploi et de la Solidarité (Rechtssache C-238/98)
Jeff ERPELDING gegen Ministre de la Santé (Rechtssache C-16/99)

DER GERICHTSHOF ERGÄNZT SEINE RECHTSPRECHUNG ZUR GEGENSEITIGEN ANERKENNUNG DER ARZTDIPLOME ZWISCHEN DEN MITGLIEDSTAATEN


Der Gerichtshof prüft die Situation eines Gemeinschaftsangehörigen, der in Argentinien ein Arztdiplom erworben hat und in Frankreich tätig sein will, sowie die Situation eines luxemburgischen Arztes, der seine Ausbildung in Österreich absolviert hat.

Der ursprünglich argentinische Staatsangehörige HOCSMAN ist Inhaber eines 1976 von der Universität Buenos Aires (Argentinien) ausgestellten Diploms eines Doktors der Medizin. Er ist auch Inhaber eines 1982 von der Universität Barcelona (Spanien) ausgestellten Diploms eines Facharztes für Urologie. Herr Hocsman erwarb 1986 die spanische Staatsangehörigkeit und ist seit 1998 französischer Staatsbürger. Das argentinische Diplom von Herrn Hocsman wurde 1980 als dem spanischen Hochschulabschluss in Medizin und Chirurgie gleichwertig anerkannt. Herr Hocsman konnte damit in Spanien den Arztberuf ausüben und eine Facharztausbildung absolvieren. Wie sich aus mehreren Bescheinigungen ergibt, war Herr Hocsman eine Reihe von Jahren in Spanien tätig. Seit 1990 nahm er als Mitarbeiter oder beigeordneter Assistent in verschiedenen französischen Krankenhäusern die Aufgaben eines Facharztes für urologische Chirurgie wahr.

Am 27. Juni 1997 versagte der französische Minister für Beschäftigung und Solidarität Herrn Hocsman seine Zulassung zur nationalen ärztlichen Standesorganisation mit der Begründung, dass sein argentinisches Diplom nach französischem Recht nicht zur Ausübung des Arztberufs in Frankreich berechtige.

Der luxemburgische Staatsangehörige ERPELDING ist seit 1985 Inhaber eines von der Universität Innsbruck (Österreich) verliehenen Arztdiploms. Dieses Diplom wurde am 11. April 1986 vom luxemburgischen Bildungsministerium anerkannt. Der luxemburgische Gesundheitsminister erlaubte Herrn Erpelding am 29. August 1991 ebenfalls, in Luxemburg den Beruf eines Facharztes für Innere Medizin auszuüben, da Letzterer am 10. April 1991 von den zuständigen österreichischen Behörden die Genehmigung zur Ausübung dieser Facharzttätigkeit erhalten hatte. Die österreichischen Behörden erteilten Herrn Erpelding das Diplom eines Facharztes für Innere Medizin - Teilgebiet Kardiologie.

Am 25. April 1997 versagte der luxemburgische Gesundheitsminister Herrn Erpelding das Führen der Bezeichnung eines Facharztes für Kardiologie, da diese Disziplin als Fachrichtung nicht von den österreichischen Behörden anerkannt sei. Die luxemburgischen Behörden könnten nämlich die Diplome nur in ihrer Originalfassung anerkennen, und die von Herrn Erpelding genannte Fachrichtung (Kardiologie) sei als solche vom Ausbildungsstaat des Betroffenen nicht anerkannt.

Die mit den Rechtsstreitigkeiten befassten nationalen Gerichte (im Fall Hocsman: Tribunal administratif Châlons-en-Champagne; im Fall Erpelding: Tribunal administratif de Luxembourg) haben dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen nach verschiedenen Aspekten der Gemeinschaftsvorschriften über die Anerkennung der Diplome vorgelegt.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass mit den Harmonisierungsrichtlinien über die gegenseitige Anerkennung u. a. der ärztlichen Diplome ein System habe eingeführt werden sollen, das die Mitgliedstaaten zur Anerkennung der Gleichwertigkeit bestimmter Diplome verpflichte und ihnen untersage, von den Betroffenen die Einhaltung anderer Bedingungen zu verlangen als die, die in den einschlägigen Richtlinien festgelegt seien.

Eine solche gegenseitige Anerkennung mache es überflüssig, dass die Aufnahmemitgliedstaaten im Falle von Personen, die die in den Anerkennungsrichtlinien angeführten Bedingungen erfüllten, für die Anerkennung ihrer Diplome eventuell auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zurückgriffen, die dieser für Sachverhalte entwickelt habe, die nicht von der Richtlinie erfasst würden.

Nach dieser Rechtsprechung müssen die nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Arztdiploms befasst sind,

Der Gerichtshof betont, dass diese Rechtsprechung einen den Grundfreiheiten des Vertrages innewohnenden Grundsatz zum Ausdruck bringe.

Der Gerichtshof ist somit zu dem Ergebnis gekommen, dass das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht prüfen müsse, ob das von Herrn Hocsman erworbene Diplom als dem entsprechenden französischen Diplom gleichwertig anzuerkennen sei: Insbesondere sei zu prüfen, ob die Anerkennung des argentinischen Diploms von Herrn Hocsman in Spanien als dem spanischen Hochschulabschluss in Medizin und Chirurgie gleichwertig auf der Grundlage von Kriterien erfolgt sei, die mit denjenigen vergleichbar seien, die im Rahmen der Richtlinie 93/16 den Mitgliedstaaten gewährleisten sollten, dass sie auf die Qualität der von anderen Mitgliedstaaten erteilten Arztdiplome vertrauen könnten.

Im Übrigen hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Recht, im Aufnahmemitgliedstaat die Bezeichnung Arzt oder Facharzt (in der Sprache und entsprechend der Nomenklatur dieses Staates) zu führen, zwangsläufig die logische Folge der gegenseitigen Anerkennung der Diplome aufgrund der Gemeinschaftsrichtlinie sei. Dieses Recht setze jedoch voraus, dass das betreffende Diplom im Verzeichnis der Diplome in der Gemeinschaftsrichtlinie enthalten sei. Dies treffe für das Diplom von Herrn Erpelding nicht zu, da die Fachrichtung Kardiologie als solche in Österreich nicht bestehe. Der Gerichtshof ist somit zu dem Ergebnis gekommen, dass die Richtlinie dahin auszulegen sei, dass sie den Ärzten das Recht zuerkenne, ihre Ausbildungsbezeichnung und gegebenenfalls deren Abkürzung in der Sprache des Heimat- oder Herkunftsstaates zu führen, wobei der Aufnahmestaat im Übrigen berechtigt bleibe, das Führen der betreffenden Bezeichnung in einer anderen Sprache zu genehmigen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in dänischer, deutscher, englischer, finnischer, schwedischer, italienischer und spanischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr Homepage des Gerichtshofes der EG im Internet www.curia.eu.int

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.