Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 65/2000

26. September 2000

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-23/99

Kommission der Europäischen Gemeinschaften / Französische Republik

IN DEN MITGLIEDSTAATEN RECHTMÄSSIG HERGESTELLTE UND VERTRIEBENE KRAFTFAHRZEUGERSATZTEILE MÜSSEN INNNERHALB DER GEMEINSCHAFT FREI ZIRKULIEREN DÜRFEN


Der französische Code de la propriété intellectuelle (Gesetz über geistiges Eigentum), der ein Verfahren der zollamtlichen Zurückhaltung auf Antrag der Hersteller zum Schutz ihrer Marken vorsieht, ist mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar

Die European Automobile Panel Association führte bei der Kommission Beschwerde über das Verhalten der französischen Zollbehörden, die an der spanisch-französischen Grenze Ersatzteile von Kraftfahrzeugen französischer Marken zurückhielten, die in Spanien hergestellt worden waren und insbesondere in Italien vertrieben werden sollten.

Die französische Regelung (Gesetz über geistiges Eigentum) sieht ein Verfahren der zollamtlichen Zurückhaltung von mutmaßlich nachgeahmten Waren auf schriftlichen Antrag des Inhabers des geschützten Rechts vor. Die französische Cour de cassation hat dazu mehrmals entschieden, dass durch von einem Dritten hergestellte Kfz-Ersatzteile, die sich in Frankreich lediglich im Verkehr befinden, das Recht des Eigentümers der betreffenden Marke oder des betreffenden Modells beeinträchtigt wird, und zwar auch dann, wenn diese Waren in einem Mitgliedstaat (z. B. Spanien) rechtmäßig hergestellt worden sind, um in einem anderen Mitgliedstaat (z. B. Italien) rechtmäßig vertrieben zu werden.

Die Kommission hat beantragt, Frankreich wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über den freien Warenverkehr zu verurteilen.

Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass eine solche Praxis in der Tat eine Beschränkung des freien Warenverkehrs bewirke: Die Zurückhaltung der Ersatzteile bis zu einer Dauer von zehn Tagen könne nämlich den Verkehr der Waren aufhalten und sogar zu ihrer völligen Blockierung führen (falls das möglicherweise befasste Gericht deren Einziehung verfügt).

Dann prüft der Gerichtshof, ob diese Beschränkung des freien Warenverkehrs gerechtfertigt ist.

Nach Auffassung des Gerichtshofes lässt das geltende Gemeinschaftsrecht ein solches Verfahren nicht zu. Zwar könnten die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften im Bereich des Schutzes von Mustern und Modellen beibehalten, diese Maßnahmen müssten aber den EG-Vertrag und insbesondere die Bestimmungen über den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft beachten.

Der EG-Vertrag lässt Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs zu, soweit diese zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den spezifischen Gegenstand des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ausmachen.

Der Gerichtshof unterscheidet jedoch zwischen dem Inverkehrbringen einer Ware, das mit diesem spezifischen Gegenstand in Zusammenhang stehe, und der rein tatsächlichen Beförderung, bei der dies nicht der Fall sei. Er prüft, ob der Inhaber eines geschützten Modells an einem Ersatzteil die Möglichkeit hat, Dritte daran zu hindern, solche Ersatzteile ohne seine Zustimmung im Durchfuhrverkehr zu befördern. Die innergemeinschaftliche Durchfuhr bestehe darin, Waren von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu befördern und dabei das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zu durchqueren; dies impliziere - im Unterschied zur Herstellung, dem Verkauf oder der Einfuhr einer Ware- keine Nutzung der Erscheinungsform des geschützten Musters oder Modells. Die rein tatsächliche Beförderung der Waren könne daher nicht mit dem Inverkehrbringen oder dem Vertrieb der betreffenden Waren gleichgestellt werden.

Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Zurückhaltung der Waren für die Dauer von zehn Tagen gemessen an dem Zweck, ihre Herkunft und Bestimmung zu überprüfen, unverhältnismäßig sei.

Er kommt daher zu dem Ergebnis, dass die französische Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer, spanischer und italienischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr die Homepage des Gerichtshofes der EG im Internet www.curia.eu.int

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.