Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 84/2000

16. November 2000

Urteile des Gerichtshofes in den Rechtssachen C-248/98 P, C-279/98 P, C-280/98 P, C-282/98 P, C-283/98 P, C-286/98 P, C-291/98 P, C-294/98 P, C-297/98 P und C-298/98 P

DER GERICHTSHOF ENTSCHEIDET ÜBER ZEHN RECHTSMITTEL VON UNTERNEHMEN GEGEN DIE URTEILE DES GERICHTS ERSTER INSTANZ IN DEN ,,KARTON-RECHTSSACHEN"


Am 13. Juli 1994 setzte die Kommission gegen 19 Kartonhersteller wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft Geldbußen von insgesamt 131 750 000 ECU fest.

Die British Printing Industries Federation, eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, und die Fédération française du cartonnage hatten im Jahr 1990 bei der Kommission Beschwerden eingelegt.

Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die genannten Kartonhersteller von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 durch die Beteiligung an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise (Durchführung gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen, Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile, abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft) gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen hätten.

17 Unternehmen und vier finnische Firmen (Mitglieder der von der Kommission zur Verantwortung gezogenen Wirtschaftsvereinigung Finnboard) erhoben gegen diese Entscheidung Klage vor dem Gericht erster Instanz.

Dieses setzte den Gesamtbetrag der Geldbußen mit Urteilen vom 14. Mai 1998 auf 120 330 000 ECU herab.

13 Unternehmen legten beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zehn Rechtsmittel ein und beantragten die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der vom Gericht gegen sie verhängten Geldbußen.

Der Gerichtshof weist allgemein darauf hin, dass das Gericht bei der Kontrolle von Entscheidungen der Kommission, mit denen gegen Unternehmen wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln Geldbußen festgesetzt würden, über zweierlei Befugnisse verfüge. Es prüfe die Rechtmäßigkeit und insbesondere die Begründung dieser Entscheidungen. Ferner habe es zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen sei. Speziell zur Prüfung der Begründung führt der Gerichtshof aus, die Kommission müsse in ihrer Entscheidung keine Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen, auch wenn dies zur Transparenz des Verwaltungshandelns beitragen und dem Gericht die innere Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Entscheidung erleichtern könne.

CASCADES SA (FRANKREICH); Rechtssache C-279/98 P

Die von der Kommission festgesetzte und vom Gericht nicht beanstandete Geldbuße betrug 16 200 000 ECU.

Der Gerichtshof verweist die Rechtssache zur erneuten Beurteilung der Geldbuße an das Gericht zurück, da seines Erachtens die Firmen Djupafors und Van Duffel von Mitte 1986 bis zu ihrem Erwerb durch die Cascades SA im März 1989 eigenständig an der Zuwiderhandlung teilnahmen. Sie hätten ihre Tätigkeit als deren Tochtergesellschaften fortgesetzt und müßten somit selbst für ihre Zuwiderhandlungen vor ihrem Erwerb durch die Cascades SA einstehen. Das Urteil des Gerichts wird deshalb wegen eines Rechtsfehlers aufgehoben; das Gericht muss nun die Beteiligung dieser beiden Tochtergesellschaften an der festgestellten Zuwiderhandlung prüfen und die Geldbuße neu festsetzen.

MORITZ J. WEIG GMBH & CO. KG (DEUTSCHLAND); Rechtssache C-280/98 P

Die von der Kommission festgesetzte Geldbuße betrug 3 000 000 ECU und wurde vom Gericht unter Berücksichtigung der tatsächlichen Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf 2 500 000 ECU herabgesetzt. Dem Gericht zufolge hatte die Firma Weig an den ersten 22 (von insgesamt 60) Monaten der Zuwiderhandlung nicht teilgenommen. Der Gerichtshof setzt die Geldbuße auf 1 900 000 EUR herab. Es ist der Ansicht, dass das Gericht den Gleichheitsgrundsatz nicht angewendet hat. Er wendet bei diesem Unternehmen die gleiche Berechnungsmethode an, wie sie das Gericht zur Festsetzung der Geldbußen der übrigen Unternehmen verwendet hat, die mit der Kommission kooperierten (relevanter Umsatz x Prozentsatz für die Schwere der Zuwiderhandlung x Prozentsatz für die Dauer=Summe - Kooperationsminderung).

STORA KOPPARBERGS BERGSLAGS AB (SCHWEDEN); Rechtssache C-286/98 P

Die von der Kommission festgesetzte Geldbuße betrug 11 250 000 ECU. Der Gerichtshof verweist die Rechtssache zur Neufestsetzung der Geldbuße an das Gericht erster Instanz zurück. Er weist darauf hin, dass die eigene Rechtspersönlichkeit einer Tochtergesellschaft noch nicht ausschließe, dass ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden könne; dies gelte insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimme, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolge. Das rechtswidrige Verhalten von Tochtergesellschaften, die während der Zuwiderhandlung erworben würden, könne der Muttergesellschaft jedoch vor der Übernahme der Kontrolle nicht zugerechnet werden; Stora habe die Firmen Feldmühle und CBC erst im September 1990 übernommen, so dass die Verantwortung für ihre Handlungen der juristischen Person aufzuerlegen sei, die ihren Betrieb in der Zeit vor ihrem Erwerb durch Stora geleitet habe.

SARRIÓ SA (SPANIEN); Rechtssache C-291/98 P

Die von der Kommission festgesetzte Geldbuße betrug 15 500 000 ECU. Das Gericht erster Instanz änderte sie auf 14 000 000 ECU ab, da die Firma Prat Carton, eine Tochtergesellschaft von Sarrió, nur an einigen Bestandteilen der Zuwiderhandlung teilgenommen habe. Der Gerichtshof setzt die Geldbuße auf 13 750 000 EUR herab. Seines Erachtens wurde von der Methode, anhand der alle Geldbußen der in die Zuwiderhandlung verwickelten Unternehmen berechnet wurden, ohne nähere Begründung abgewichen. Die Geldbuße müsse deshalb um 250 000 EUR herabgesetzt werden.

NV KONINKLIJKE KNP BT (NIEDERLANDE); Rechtssache C-248/98 P

Die von der Kommission festgesetzte Geldbuße betrug 3 000 000 ECU und wurde vom Gericht erster Instanz auf 2 700 000 ECU abgeändert. Der Gerichtshof setzt die Geldbuße auf 2 600 000 EUR herab. Damit zieht er die Konsequenzen für die Höhe der Geldbuße, die sich daraus ergeben, dass das Gericht nicht auf das Vorbringen von KNP eingegangen ist, ihr könne die Verantwortung für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft Badische Kartonfabrik erst ab deren Erwerb, d. h. ab dem 1. Januar 1987, auferlegt werden.

Die Rechtsmittel in den Rechtssachen C-282/98 P (ENSO ESPAÑOLA SA, SPANIEN), C-283/98 P (MO OCH DOMSJÖ AB, SCHWEDEN), C-294/98 P (METSÄ-SERLA OYJ, UPM-KYMMENE OYJ, TAMROCK OY und KYRO OYJ ABP, FINNLAND), C-297/98 P (SCA HOLDING LTD, VEREINIGTES KÖNIGREICH) und C-298/98 P (METSÄ-SERLA SALES OY, FINNLAND) werden dagegen zurückgewiesen, da es diesen Unternehmen nicht gelungen ist, Fehler in den Ausführungen des Gerichts erster Instanz nachzuweisen. Die Höhe ihrer Geldbußen bleibt deshalb unverändert.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument ist in deutscher, englischer und französischer Sprache verfügbar.

Der vollständige Wortlaut des Urteils wird heute ab etwa 15.00 Uhr über unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int verfügbar sein.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.