PRESSEMITTEILUNG N. 36/02
1) Société Ravil gegen Société Bellon Import und
Société SPA Biraghi 2) Consorzio del Prosciutto di Parma und Salumificio
S. Rita SPA.gegen Asda Stores Limited und Hygrade Foods Limited
GENERALANWALT ALBER ÄUSSERT SICH ZUM UMFANG DES DURCH
DIE URSPRUNGSBEZEICHNUNGEN PROSCIUTTO DI PARMA UND GRANA PADANO GEWÄHRTEN
SCHUTZES
Für Ursprungsbezeichnungen, die schon vor Inkrafttreten dieser Verordnung
in den verschiedenen Mitgliedstaaten geschützt waren, bestand die Möglichkeit,
sie in einem vereinfachten Verfahren eintragen zu lassen. Auf diesem Wege wurden
durch Erlass der Verordnung 1107/96 auch die in Italien geschützten Ursprungsbezeichnungen
Prosciutto di Parma und Grana padano in das von der
Kommission geführte Verzeichnis eingetragen. Die Spezifikationen dieser
Ursprungsbezeichnungen sehen unter Verweis auf die italienischen Regelungen
vor, dass das Schneiden des Schinkens bzw. das Reiben des Käses und das
Verpacken im jeweiligen Erzeugungsgebiet erfolgen müssen.
Die Asda Stores Limited verkauft in ihren Supermärkten in England als
.Parmaschinken bezeichneten, abgepackten Schinken. Sie bezieht diese Ware
von der Hygrade Foods Limited, die ihrerseits den Schinken von der in Italien
ansässigen Firma Cesare Fiorucci SpA erwirbt. . Der Schinken wird - entbeint
- in das Vereinigte Königreich eingeführt und von Hygrade in Scheiben
geschnitten und abgepackt.
Im November 1997 stellte das Consorzio del Prosciutto di Parma bei den englischen
Gerichten einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Das in der Folge in letzter
Instanz angerufene House of Lords setzte das Verfahren aus und wandte sich an
den Gerichtshof der EG.
Die Firma Ravil mit Sitz in Frankreich hat im Juli 1990 vom Konsortium .Grana
padano eine .Lizenz für den Vertrieb von geriebenem Grana padano
in Frankreich unter der Bezeichnung .Grana padano râpé frais
erworben. Seither hat sie Laibe von .Grana padano aus Italien importiert,
in Frankreich gerieben und vertrieben.
Die Firma Biraghi mit Sitz in Italien stellt dort Käse her und vermarktet
unter anderem auch .Grana padano. Die Firmen Bellon Import und Biraghi
France sind beide in Frankreich ansässig und Exklusivimporteure der Waren
der Firma Biraghi für Frankreich. Sie haben beim Tribunal de commerce de
Marseille Klage gegen Ravil erhoben.
Die in letzter Instanz angerufene Cour de Cassation hat das Verfahren ausgesetzt
und sich ebenfalls an den EuGH gewandt.
In beiden Rechtssachen geht es im Wesentlichen darum, ob durch die erwähnten
gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen
1) das in-Scheiben-Schneiden und Verpacken von Parmaschinken im Erzeugungsgebiet
2) bzw. das Reiben und Verpacken von Grana-padano-Käse im Erzeugungsgebiet
geschützt werden kann.
Generalanwalt Alber trägt heute seine Schlussanträge vor.
Die Ansicht des Generalanwalts ist für den Gerichtshof nicht bindend. Seine Aufgabe ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung für die Rechtssachen vorzuschlagen, mit denen er befasst ist. |
Des weiteren prüft der Generalanwalt, ob die Verordnung aus dem Jahre
1996, soweit sie die Bedingungen des Schneidens von Parmaschinken und Reibens
von Grana padano im Erzeugungsgebiet schützt, gegen den Grundsatz des freien
Warenverkehrs verstossen.
Nachdem er eine Beschränkung des freien Warenverkehrs festgestellt hat,
prüft er, ob diese aus Gründen des Schutzes des gewerblichen Eigentums
gerechtfertigt sein könnte. Ursprungsbezeichnungen gehören zum gewerblichen
Eigentum. Eine Rechtfertigung läge vor, wenn das Schneiden bzw. Reiben
im Erzeugungsgebiet für den Erhalt verkehrswesentlicher Eigenschaften,
die der Schinken bzw. Käse bei der Herstellung erworben hat, unerlässlich
wäre.
Der Generalanwalt bestätigt das Vorbringen der Kläger, dass für
das Schneiden bzw. Reiben eine besondere Sachkompetenz erforderlich ist; allerdings
betont er, dass dieses know how durchaus auch außerhalb des Erzeugungsgebiets
angewandt werden kann: so könnten Menschen,die an der Herstellung und Verarbeitung
eines Produkts mitwirken, sich das entsprechende Fachwissen im Erzeugungsgebiet
aneignen oder Fachleute könnten aus dem Erzeugungsgebiet abwandern.
Entsprechendes gilt nach Meinung des Generalanwalts auch für die technologische
Ausstattung der mit dem Schneiden bzw. Reiben betrauten Betriebe.
Schließlich verweist der Generalanwalt darauf, dass es nach den Spezifikationen
zulässig ist, den Schinken auch als Ganzes zum Schneiden durch, in der
Regel nicht im Parma-Gebiet geschulte, Einzelhändler in einem anderen Mitgliedstaat
zu verkaufen, die den Schinken normalerweise nicht vor den Augen des Kunden
schneiden, der folglich das auf dem Schinken angebrachte Qualitätssiegel
überhaupt nicht wahrnimmt (sei es durch die Entfernung oder die Tatsache,
dass das Siegel gar nicht mehr oder nur teilweise vorhanden ist, weil ein großer
Teil davon aufgeschnitten ist). Ebenso darf auch der Käse im Ganzen ausgeführt
werden und vom Verbraucher selbst gerieben werden.
Der Generalanwalt kommt somit zu dem Ergebnis, dass das Schneiden bzw. Reiben
und Verpacken nicht als eine Maßnahme angesehen werden kann, die dem Schutz
verkehrswesentlicher Eigenschaften des Schinkens bzw. des Käses dient.
Somit ist nach Meinung des Generalanwalts die EG-Verordnung aus dem Jahre
1996 insoweit für ungültig zu erklären,
als sie die geschützte Ursprungsbezeichnung Prosciutto di Parma
Schinken vorbehält, der im Parma-Gebiet geschnitten und verpackt wurde
bzw. die geschützte Ursprungsbezeichnung Grana padano Käse
vorbehält, der in seinem Erzeugungsgebiet gerieben und verpackt wurde.
Hinweis: Die Richter des Gerichtshofes der EG beginnen nun ihre Beratung
in dieser Rechtssache. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in französischer, deutscher, englischer
und italienischer Sprache vor. Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlussanträge konsultieren
Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet
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Phalippou, |