PRESSEMITTEILUNG N. 75/02
Herr Siilin kaufte in Deutschland einen Gebrauchtwagen der Marke Mercedes
Benz, den er einige Monate später nach Finnland einführte und beim
Zollamt zur Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer anmeldete.
Das Zollamt ermittelte den zu zahlenden Betrag auf der Grundlage eines Vergleichs
dieses Fahrzeugs mit einem Neufahrzeug der gleichen Marke aus einer anderen
Modellreihe, aber mit vergleichbaren technischen Merkmalen.
Das auf die Besteuerung von Kraftfahrzeugen anwendbare finnische System umfasst:
i) die Kraftfahrzeugsteuer:
- Kennzeichnend für diese
ist die Berücksichtigung der verschiedenen Handelsstufen. Bei in Finnland
bereits zugelassenen Gebrauchtfahrzeugen wird die Steuer auf der Grundlage des
Preises berechnet, zu dem der offizielle Importeur das Neufahrzeug gekauft hat,
was seine Gewinnspanne und die etwaiger Groß- und Einzelhändler nicht
einschließt. Bei Gebrauchtfahrzeugen, die von Privatpersonen eingeführt
werden, wird die Steuer auf der Grundlage des Preises berechnet, den der Endverbraucher
für ein gleichartiges Neufahrzeug gezahlt hat, der im Allgemeinen höher
ist als der vom offiziellen Importeur gezahlte Preis.
- Bezüglich des Wertverlustes
sieht die für eingeführte Gebrauchtfahrzeuge geltende finnische Regelung
eine lineare Herabsetzung der Steuer um 0,5 % erst nach Ablauf der ersten
sechs Monate nach der Zulassung oder Inbetriebnahme des Fahrzeugs vor.
ii) eine in den nationalen Rechtsvorschriften als .Mehrwertsteuer
bezeichnete Steuer, die auf die Kraftfahrzeugsteuer erhoben wird.
Nach Zahlung des festgesetzten Betrages wandte sich Herr Siilin an die nationalen
Gerichte. Das nationale Gericht hat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
Fragen nach der Auslegung der nationalen Regelung unter Berücksichtigung
der Vorschrift des Vertrages über das Verbot jeder diskriminierenden inländischen
Abgabe und der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt.
i) Zur Regelung der Kraftfahrzeugsteuer
Der Gerichtshof verweist darauf, dass der EG-Vertrag die vollkommene Wettbewerbsneutralität
für eingeführte Waren und für bereits auf dem inländischen
Markt befindliche Waren, die ähnliche Eigenschaften hätten und den
gleichen Bedürfnissen des Verbrauchers dienten, gewährleisten solle.
Der Gerichtshof untersucht zunächst die Vereinbarkeit der Unterschiede
der Bemessungsgrundlage für die Kraftfahrzeugsteuer mit den Bestimmungen
des EG-Vertrages. Er stellt fest, dass die Steuer für Gebrauchtfahrzeuge
mit der Reststeuer zu vergleichen sei, die noch im Wert eines im Inland bereits
zugelassenen gleichartigen Gebrauchtfahrzeugs enthalten sei, d. h.,
der Steuer, die zum Zeitpunkt der Zulassung des .inländischen Gebrauchtfahrzeugs
im Neuzustand gezahlt worden sei, wobei der Wertverlust dieses Fahrzeugs zu
berücksichtigen sei. Dies bedeute, dass der Steuerwert in beiden
Fällen in gleicher Weise bestimmt werden müsse.
Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn das im Inland bereits
zugelassene gleichartige Gebrauchtfahrzeug im Neuzustand auf einer Handelsstufe
besteuert worden sei, auf der sein Wert geringer gewesen sei.
Infolgedessen verstoße eine Regelung, die zu diesen Steuerunterschieden
führen könne, gegen den EG-Vertrag.
Zum Wertverlust der Fahrzeuge stellt der Gerichtshof fest, dass die
finnische Regelung dem tatsächlichen Wertverlust des Gebrauchtfahrzeugs
nicht Rechnung trage, da dieser Wertverlust nicht linear sei, insbesondere nicht
in den ersten Jahren, in denen er viel höher sei als später. Eine
solche Regelung sei mit dem EG-Vertrag unvereinbar.
Eine Steuerregelung für eingeführte Gebrauchtfahrzeuge,
die dem tatsächlichen Wertverlust der Fahrzeuge auf der Grundlage allgemeiner
Kriterien Rechnung trage, sei mit dem EG-Vertrag nur vereinbar, wenn
jede diskriminierende Wirkung ausgeschlossen sei. Hierfür sei erforderlich:
- Die Kriterien für den Wertverlust, auf denen die
pauschale Berechnungsmethode beruhe, müssten veröffentlicht sein;
- der Eigentümer müsse die Möglichkeit
haben, die Anwendung einer solchen Methode anzufechten, so dass es erforderlich
sein könne, die individuellen Merkmale seines Fahrzeugs zu prüfen,
um die Steuerneutralität zu gewährleisten.
ii) Zur Anwendung der in den finnischen Rechtsvorschriften als .Mehrwertsteuer
bezeichneten Steuer, die auf die Kraftfahrzeugsteuer erhoben wird
Da die Qualifizierung als Mehrwertsteuer nicht von der Bezeichnung in den nationalen Rechtsvorschriften abhänge, sei zu prüfen, ob diese Steuer tatsächlich eine Mehrwertsteuer im Sinne der Definition in der Gemeinschaftsrichtlinie sei. Dazu verweist der Gerichtshof auf die wesentlichen Merkmale einer Mehrwertsteuer. Er ist der Ansicht, dass die finnische Steuer diese Merkmale nicht erfülle, da
- die auf die Kraftfahrzeugsteuer erhobene Steuer keine
allgemeine Steuer sei, sondern nur auf bestimmte Fahrzeuge erhoben werde,
- die Höhe dieser Steuer nicht proportional zum
Preis der Waren sei,
- diese Steuer nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe
gezahlt werde und
- mit ihr der Gesamtwert und nicht der Mehrwert besteuert
werden solle.
Infolgedessen sei die betreffende finnische Steuer keine Mehrwertsteuer
im Sinne der Gemeinschaftsrichtlinie.
Schließlich prüft der Gerichtshof, um die von dem nationalen Gericht
vorgelegte Frage zu beantworten, ob diese finnische Steuer, die auf die Kraftfahrzeugsteuer
erhoben wird, eine nach dem Vertrag unzulässige diskriminierende inländische
Abgabe ist. Der Gerichtshof geht in der gleichen Weise wie bei der vorangegangenen
Prüfung vor, so dass er zu dem Ergebnis kommt, dass die finnische Steuer,
die auf die Kraftfahrzeugsteuer erhoben wird, mit dem EG-Vertrag unvereinbar
sei, wenn der Betrag, der gemäß dieser Steuer bei der Zulassung eines
eingeführten Gebrauchtfahrzeugs erhoben werde, den Betrag der Reststeuer
übersteige, der noch im Wert eines im Inland bereits befindlichen Gebrauchtfahrzeugs
enthalten sei.
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