PRESSEMITTEILUNG N. 99/02
Zwei britische Tabakwarenhersteller, die British American Tobacco Limited und Imperial
Tobacco Limited, stellten vor dem britischen High Court of Justice (Administrative Court) die
Verpflichtung des Vereinigten Königreichs zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht in
Frage. Dieses Gericht hat dem Gerichtshof der EG eine Frage nach der Gültigkeit und Auslegung
der Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Prüfung der Gültigkeit der Richtlinie
Der Gerichtshof prüft zunächst, ob im vorliegenden Fall diejenige Rechtsgrundlage des
EG-Vertrags herangezogen werden kann, die der Gemeinschaft die Zuständigkeit für den Erlass
von Harmonisierungsmaßnahmen zur Verwirklichung des Binnenmarktes verleiht.
Die Tabakwarenhersteller machen geltend, dass die Richtlinie nicht bezwecke, den freien
Verkehr mit Tabakerzeugnissen in der Gemeinschaft sicherzustellen, sondern der
Harmonisierung der nationalen Vorschriften über den Schutz der Gesundheit gegenüber dem
Tabakkonsum diene, wofür die Gemeinschaft nicht zuständig sei.
Der Gerichtshof stellt dazu fest, dass die bereits erlassenen gemeinschaftlichen
Harmonisierungsmaßnahmen nur auf die Herstellung und Etikettierung von Tabakwaren
begrenzte Vorschriften enthalten hätten (Richtlinie 89/622 über die Etikettierung und Richtlinie
90/239 über den Höchstgehalt an Teer in Zigaretten). Die Mitgliedstaaten hätten daher die von
diesen Richtlinien nicht erfassten Aspekte durch nationale Vorschriften frei regeln können.
Angesichts des wachsenden Bewusstseins der Öffentlichkeit von der gesundheitschädlichen
Wirkung des Tabakkonsums hätten die Mitgliedstaaten wahrscheinlich nationale Vorschriften
erlassen, um diesen Konsum wirksamer einzudämmen (durch Angaben oder Warnhinweise auf
der Verpackung) oder um die schädlichen Wirkungen zu verringern (durch neue Anforderungen
an die Zusammensetzung von Zigaretten). Einige Mitgliedstaaten hätten im Übrigen bereits
derartige Vorschriften erlassen.
Unter diesen Umständen habe eine neue Harmonisierungsrichtlinie das Entstehen von
Hindernissen für den freien Verkehr mit Tabakwaren in der Gemeinschaft verhindern können,
die sich aus dem Erlass nationaler Vorschriften ergäben, die unterschiedliche Anforderungen an
die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakwaren festlegen.
Das Verbot, in der Gemeinschaft Zigaretten, die nicht der Richtlinie entsprächen, für die Ausfuhr
in Drittländer herzustellen, trage auch zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes bei,
da sie die illegale Wiedereinfuhr oder eine Verkehrsverlagerung dieser Erzeugnisse innerhalb der
Gemeinschaft verhindern könne.
Infolgedessen diene die Richtlinie tatsächlich der Verbesserung der Bedingungen für das
Funktionieren des Binnenmarktes und habe auf der Rechtsgrundlage für die Harmonisierung
des Binnenmarktes erlassen werden können.
Zur Verhältnismäßigkeit der Harmonisierungsmaßnahmen der Richtlinie stellt der
Gerichtshof zunächst fest, dass das Herstellungsverbot für Zigaretten, die nicht die in der
Richtlinie festgelegten Höchstwerte (für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxyd) einhielten,
besonders geeignet sei, den Verkehrsverlagerungen von Zigaretten, die in der Gemeinschaft für
die Ausfuhr in Drittländer hergestellt würden, an der Quelle vorzubeugen. Solche Verlagerungen
könnten durch eine andere Maßnahme, wie die Verstärkung der Kontrollen an den Grenzen der
Gemeinschaft, nicht ebenso wirksam bekämpft werden.
Sodann führt der Gerichtshof aus, dass die Verpflichtungen gemäß der Richtlinie, auf den
Zigarettenpackungen den Gehalt an Schadstoffen anzugeben und die Warnhinweise über
die gesundheitlichen Gefahren anzubringen, nicht unverhältnismäßig seien.
Schließlich ist nach Ansicht des Gerichtshofes das Verbot, auf der Verpackung von
Tabakerzeugnissen beschreibende Merkmale zu verwenden, die besagen, dass ein
Tabakerzeugnis weniger schädlich sei als andere (z. B. "light" und "mild"), und beim
Verbraucher irrige Vorstellungen erzeugen können, geeignet sei, ein hohes Schutzniveau im
Bereich der Gesundheit zu erreichen. Dieses Verbot solle nämlich gewährleisten, dass der
Verbraucher über die Schädlichkeit von Tabakerzeugnissen objektiv unterrichtet werde. Es sei
nicht unverhältnismäßig, weil insbesondere nicht offenkundig sei, dass schon eine Regelung der
Verwendung dieser beschreibenden Merkmale ebenso wirksam eine objektive Unterrichtung des
Verbrauchers gewährleistet hätte, da diese beschreibenden Merkmale ihrer Natur nach geeignet
seien, zum Tabakkonsum anzuregen.
Was die Beachtung des Markenrechts der Tabakwarenhersteller angehe, so bleibe diesen weiterhin die Möglichkeit, trotz Fortlassung dieser beschreibenden Elemente auf der Verpackung ihre Erzeugnisse durch andere Unterscheidungszeichen zu individualisieren. Die Beschränkungen des Markenrechts als Folge des Wegfalls dieser Merkmale entspreche einem von der Gemeinschaft im Allgemeininteresse verfolgten Ziel und taste dieses Recht nicht in seinem Wesensgehalt an.
Der Gerichtshof kommt aufgrund dieser Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie nicht
ungültig sei.
Auslegung der Tragweite der Richtlinie
Gilt das Verbot bestimmter beschreibender Merkmale auf der Verpackung nur für in der
Gemeinschaft vermarktete Tabakerzeugnisse oder auch für in der Gemeinschaft für die Ausfuhr
in Drittländer verpackte Erzeugnisse?
Das Hauptziel der betreffenden Richtlinie sei, das Funktionieren des Binnenmarktes für
Tabakerzeugnisse zu verbessern, wobei ein hoher Gesundheitsschutz sichergestellt werden
solle. Unter Berücksichtigung dieses Zieles und des Wortlauts der Richtlinienbestimmungen sei
davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber das Verbot, Tabakerzeugnisse, auf deren
Verpackung unzulässige beschreibende Merkmale angebracht seien, in der Gemeinschaft zu
vermarkten, nicht auf Tabakerzeugnisse habe ausdehnen wollen, die in der Gemeinschaft für die
Vermarktung in Drittländern verpackt worden seien. Das Verbot, auf der Verpackung von
Tabakerzeugnissen beschreibende Merkmale wie die Begriffe "light" und "mild" zu
verwenden, gelte daher nur für innerhalb der Gemeinschaft vermarktete Erzeugnisse.
NB: Damit ist der Gerichtshof zum zweiten Mal um eine Entscheidung über eine Richtlinie der
Gemeinschaft zur Bekämpfung des Tabakkonsums ersucht worden. Am 5. Oktober 2000 erklärte
der Gerichtshof nämlich die Richtlinie über die Tabakwerbung für nichtig (Urteil in der
Rechtssache C-376/98, Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419). Siehe dazu
Pressemitteilung Nr. 72/00, www.curia.eu.int .
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Diese vorliegende Presseerklärung ist in allen Amtssprachen verfügbar.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr
15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Herrn Konstantin Schmidt, |