PRESSEMITTEILUNG N. 69/03
Die Feststellung des Bestehens des Abschlussexamens an der ENSP ist ein Diplom im Sinne
des Gemeinschaftsrechts. Wenn nachgewiesen ist, das ein in einem anderen Mitgliedstaat
erworbener Befähigungsnachweis als Diplom angesehen werden kann und die beiden
Ausbildungen gleichwertig sind, darf die Aufnahme seines Inhabers nicht davon abhängig
gemacht werden, dass er die Ausbildung an dieser Schule absolviert und das
Abschlussexamen bestanden hat
Frau Burbaud focht diese Entscheidung vor den französischen Gerichten an, da sie nicht
berücksichtige, dass ihr portugiesischer Befähigungsnachweis dem von der ENSP erteilten
gleichwertig sei; diese Befähigungsnachweise seien als Diplome im Sinne der Richtlinie von
1988 über die Anerkennung der Hochschuldiplome anzusehen1. Die Cour administrative d'appel
Douai möchte vom Gerichtshof Folgendes wissen:
Welcher Natur ist das Papier, das das Bestehen des Examens an der ENSP bescheinigt: Ist es als
.Diplom im Sinne der Richtlinie anzusehen und wenn ja, wonach beurteilt sich, ob dieses
Diplom und ein von einem Angehörigen eines Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat
erworbener Befähigungsnachweis gleichwertig sind?
Sind die französischen Rechtsvorschriften, nach denen ein bereits qualifizierter Angehöriger
eines anderen Mitgliedstaats an einem Auswahlverfahren für die Aufnahme in die ENSP
teilnehmen muss, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn die als Diplome anerkannten
französischen und portugiesischen Befähigungsnachweise gleichwertig sind?
Die Feststellung des Bestehens des Abschlussexamens an der ENSP ist als Diplom
anzusehen. Ob sie und der von der Schule in Lissabon ausgestellte Befähigungsnachweis
gleichwertig sind, ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen.
Als Diplom im Sinne der Richtlinie gelten nämlich u. a. alle von der zuständigen Stelle eines
Mitgliedstaats ausgestellten Befähigungsnachweise, Prüfungszeugnisse oder Diplome, die die
Absolvierung eines mindestens dreijährigen postsekundären Ausbildungsgangs bestätigen, der
die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf erforderlichen beruflichen Voraussetzungen
vermittelt.
Der Gerichtshof prüft, ob die Beschäftigung im höheren Dienst der öffentlichen
Krankenhausverwaltung in Frankreich als reglementierter Beruf, der den Besitz eines Diploms
vorschreibt, angesehen werden kann. Nach französischem Recht ist der Zugang zu der fraglichen
Beschäftigung Personen vorbehalten, die die Ausbildung an der ENSP absolviert und ein
Abschlussexamen bestanden haben. Verlangt wird somit der Nachweis einer mindestens
dreijährigen postsekundären Ausbildung. Folglich kann die Feststellung des Bestehens des
Abschlussexamens an der ENSP, auch wenn sie nicht formell bestätigt wird und sie auf die
Ernennung der Beamtenanwärter zu Beamten auf Lebenszeit gerichtet ist, als Diplom im Sinne
der Richtlinie qualifiziert werden, das für den Zugang zu einem reglementierten Beruf
erforderlich ist.
Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob der portugiesische Befähigungsnachweis,
den Frau Burbaud besitzt, als Diplom angesehen werden kann, und wenn dem so ist, zu
untersuchen, inwieweit die beiden Ausbildungen hinsichtlich ihrer Dauer und der abgedeckten
Fächer vergleichbar sind. Sollte sich ergeben, dass es sich um Diplome handelt, die gleichwertige
Ausbildungen bescheinigen, so verstößt es nach Ansicht des Gerichtshofes gegen die Richtlinie,
wenn Frankreich den Zugang von Frau Burbaud zum Beruf eines Beamten des höheren Dienstes
in der öffentlichen Krankenhausverwaltung davon abhängig macht, dass sie die Ausbildung an
der ENSP absolviert und das Abschlussexamen bestanden hat.
Es führt zu einer mit dem EG-Vertrag nicht zu vereinbarenden Behinderung der
Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn von qualifizierten Bewerbern die Teilnahme an einem
Auswahlverfahren für die Aufnahme in die ENSP verlangt wird.
Der Gerichtshof weist darauf hin, dass bereits die Modalitäten dieser Einstellungsform, die
nicht die spezifischen Qualifikationen berücksichtigen, die Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten
im Bereich der Krankenhausverwaltung erworben haben, diese Bewerber benachteiligen und
sie davon abhalten können, von ihrem Recht auf Freizügigkeit als Arbeitnehmer Gebrauch
zu machen.
Auch wenn sich eine solche Behinderung einer durch den EG-Vertrag garantierten
grundlegenden Freiheit durch einen Zweck des Allgemeininteresses wie der Auswahl der besten
Bewerber unter möglichst objektiven Bedingungen, rechtfertigen lässt, darf sie außerdem nicht
über das zur Erreichung dieses Zwecks Erforderliche hinausgehen.
Nach Ansicht des Gerichtshofes führt es, wenn von ordnungsgemäß qualifizierten Bewerbern die
Teilnahme an einem Auswahlverfahren für die Aufnahme in die ENSP verlangt wird, zu einem
Rückstufungseffekt, der zur Erreichung des verfolgten Zwecks nicht erforderlich ist und nicht
nach den Bestimmungen des EG-Vertrags gerechtfertigt werden kann.
Dieses Dokument liegt in deutscher, englischer, französischer und portugiesischer
Sprache vor.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr
15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int
Mit Fragen wenden Sie sich bitte an Frau Isabelle Phalippou, |
1 Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16).