Abteilung Presse und Information
PRESSEMITTEILUNG N° 13/04
11. März 2004
de Lasteyrie du Saillant
DIE FRANZÖSISCHEN STEUERVORSCHRIFTEN, NACH DENEN LATENTE WERTSTEIGERUNGEN ALLEIN DESWEGEN BESTEUERT WERDEN, WEIL EIN
STEUERPFLICHTIGER SEINEN WOHNSITZ IN EINEN ANDEREN MITGLIEDSTAAT VERLEGT, BESCHRÄNKEN DIE NIEDERLASSUNGSFREIHEIT
Sie stellen eine abschreckende Ungleichbehandlung dar, die sich wegen ihrer Unverhältnismäßigkeit hinsichtlich des
verfolgten Zieles, der Steuerflucht vorzubeugen, nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses rechtfertigen lässt
Es ist zwar möglich, einen Zahlungsaufschub zu erhalten, dieser erfolgt jedoch nicht automatisch
und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft, u. a. an die Leistung von Sicherheiten
und die Benennung eines Bevollmächtigten in Frankreich.
Da der Kläger der Ansicht war, dass diese Vorschriften eine Ungleichbehandlung vorsähen, da
sie nur die Steuerpflichtigen benachteiligten, die Frankreich verlassen wollten, und dass sie hinsichtlich
des behaupteten Zieles, die Steuerflucht zu bekämpfen, unverhältnismäßig seien, beantragte er beim Conseil
d'État, das Dekret, mit dem diese Vorschriften eingeführt wurden, wegen Befugnisüberschreitung für nichtig
zu erklären.
Der Conseil d'État hat beschlossen, dem Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die französischen
Rechtsvorschriften, die zur Vorbeugung gegen die Steuerflucht eine Regelung einführen, wonach Wertsteigerungen bei
Verlegung des steuerlichen Wohnsitzes besteuert werden, mit dem im EGVertrag verankerten Grundsatz der
Niederlassungsfreiheit vereinbar sind.
Die französische Steuermaßnahme, wonach latente Wertsteigerungen bei Verlegung des Wohnsitzes besteuert werden, ist
geeignet, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken.
Zunächst weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Niederlassungsfreiheit eine der Grundfreiheiten des
Gemeinschaftsrechts darstellt, und erinnert daran, dass nach ständiger Rechtsprechung die Wahrung dieser Freiheit
es verbietet, dass ein Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat
u. a. durch Steuermaßnahmen behindert. Nach Auffassung des Gerichtshofes ist die fragliche Vorschrift
geeignet, die Ausübung dieses Rechts zu beschränken, da sie für Steuerpflichtige, die sich
in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen wollen, zumindest abschreckende Wirkung hat, denn diese Steuerpflichtigen
werden allein wegen der Verlegung ihres Wohnsitzes ins Ausland für ein noch nicht
realisiertes Einkommen steuerpflichtig und somit gegenüber einer Person, die ihren Wohnsitz in Frankreich
beibehält, benachteiligt.
Zudem hat der mögliche Zahlungsaufschub, der u. a. an die Leistung von Sicherheiten
geknüpft ist, eine beschränkende Wirkung, da der Steuerpflichtige die als Sicherheit geleisteten Vermögenswerte
nicht nutzen kann.
Eine solche Beschränkung kann nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und
mit dem EGVertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende
Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
Diese Steuermaßnahme, die allein wegen der Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat
die generelle Absicht der Steuerhinterziehung unterstellt, lässt sich nicht durch zwingende Gründe des
Allgemeininteresses rechtfertigen; sie ist hinsichtlich des verfolgten Zieles unverhältnismäßig.
Diese Vorschrift erfasst allgemein alle Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger, der wesentliche Beteiligungen
an einer körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft hält, seinen Wohnsitz aus welchem Grund auch immer ins
Ausland verlegt; sie unterstellt somit Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, die
Absicht, das französische Steuerrecht zu umgehen. Der Gerichtshof ist außerdem der Auffassung, dass
sich das verfolgte Ziel zu verhindern, dass ein Steuerpflichtiger die Zahlung der in
Frankreich auf die Wertsteigerungen zu entrichtenden Steuern umgeht durch Maßnahmen erreichen lässt, die
weniger einschneidend sind oder die Niederlassungsfreiheit weniger beschränken und sich spezifisch auf die
Gefahr einer solchen vorübergehenden Wohnsitzverlegung beziehen, indem z. B. ein Steuerpflichtiger besteuert wird,
der nach einem kurzen Aufenthalt und nach Realisierung der Wertsteigerungen nach Frankreich zurückkehrt.
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