Art. 190 EWGV verlangt, daß Entscheidungen der Kommission mit Gründen zu versehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung ausreichend sein, um dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu ermöglichen.
Der Kommissionsentscheidung zufolge meldete die deutsche Regierung am 17. Dezember 1991 eine von der Freien Hansestadt Bremen (im folgenden: Land Bremen) verschiedenen Banken zugunsten der in diesem Bundesland ansässigen Hanseatischen Industrie-Beteiligungen GmbH (HIBEG) gewährte Bürgschaft an. Durch diese Bürgschaft sollte es der in Bremen ansässigen Bremer Vulkan AG (im folgenden: BV) ermöglicht werden, von der Krupp GmbH (im folgenden: Krupp) das Unternehmen Krupp Atlas Elektronik GmbH (im folgenden: KAE), eine Tochter-gesellschaft von Krupp, zu kaufen. Am 6. Mai 1992 eröffnete die Kommission in bezug auf diese Bürgschaft das Prüfungsverfahren nach Art. 93 Abs. 2 EWG-Vertrag, zu dessen Abschluß die Entscheidung erlassen wurde.
In ihr wird folgendes ausgeführt: Zur weiteren Diversifizierung in schiffbauferne Tätigkeiten habe die BV von Krupp einen Anteil an der KAE in Höhe von 74,9 % erworben. Der Kaufpreis von 350 Mio DM sei nicht in bar gezahlt worden, sondern mit neu ausgegebenen BV-Aktien. Folgende Transaktionen seien getätigt worden:
Dies bedeute, so heißt es in der Kommissionsentscheidung, daß die BV einen Anteil an der KAE in Höhe von 74,9 % gegen Übertragung von 2,8 Mio BV-Aktien auf Krupp erworben habe. Krupp habe diese Aktien im Rahmen der GbR gegen 350 Mio DM der HIBEG eingetauscht. Zur Zeit der Transaktionen seien BV-Aktien an der Börse mit rund 80 DM pro Aktie notiert gewesen, d. h. der Gesamtwert der 2,8 Millionen Aktien habe 224 Mio DM betragen. Das Land Bremen habe die HIBEG mit einer Bürgschaft von 126 Mio DM unterstützt. Dies entspreche der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis für den KAE-Anteil und dem aktuellen Wert der Aktien. Die Bürgschaft habe somit den Verkauf der KAE an die BV ermöglicht. Die Kommission vertritt die Ansicht, diese Übernahme einer Bürgschaft durch das Land Bremen stelle (aufgrund im einzelnen dargelegter Überlegungen) eine Beihilfe zugunsten der BV dar.
Um prüfen zu können, ob die in Rede stehende Beihilfe im Sinne von Art. 92 Abs. 1 des Ver-trages den Wettbewerb verfälscht und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, untersuchte die Kommission in der angefochtenen Handlung den seinerzeitigen Tätigkeitsbereich der KAE. Sie stellte fest, daß Tätigkeitsschwerpunkt der KAE die Schiffahrts- und Verteidigungselektronik (Echolottechnik, Signal- und Datenverarbeitung) sei; auf diesem Markt habe in der Gemeinschaft Wettbewerb geherrscht, und die betreffenden Produkte seien zwischen den Mitgliedstaaten gehandelt worden. Aus statistischen Angaben zum Anteil der Ausfuhren der KAE an ihrem Gesamtumsatz wird in der angefochtenen Handlung der Schluß gezogen, daß die streitige Beihilfe den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Bereich der Schiffahrts- und Verteidigungselektronik verfälscht habe.
Schließlich untersuchte die Kommission, ob die Ausnahmebestimmungen des Art. 92 Abs. 3 des Vertrages Anwendung finden können und verneinte dies.
Demgemäß werden in Art. 1 Abs. 1 der Kommissionsentscheidung die zugunsten der BV gewährte Beihilfe von 126 Mio DM und in Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung die vom Land Bremen zugunsten der HIBEG in Form einer Bürgschaft über 126 Mio DM gewährte Beihilfe für unzulässig und für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt.
In Artikel 2 Absatz 1 wird die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, sicherzustellen, daß die der BV gewährte Beihilfe vollständig zurückgefordert und binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe der angefochtenen Handlung nach Maßgabe der nationalen Verfahren und Vorschriften voll-ständig an die HIBEG gezahlt wird. In Art. 2 Abs. 2 der angefochtenen Handlung wird die deutsche Regierung verpflichtet, die in Art. 1 Abs. 2 genannte Bürgschaft innerhalb derselben Frist aufzuheben.
Zu folgenden Punkten rügt er (im einzelnen ausführlich dargelegte) Begründungsmängel:
Der Gerichtshof führt aus, ob es sich bei der streitigen Maßnahme um eine Beihilfe handele, hänge zunächst davon ab, ob der Gesamtwert der neuen BV-Aktien dem Wert des von der BV erworbenen Anteils von 74,9% am Stammkapital der KAE entspreche. Entsprächen die beiden Werte einander, so sei die Qualifizierung als Beihilfe abzulehnen. Sei der Gesamtwert der neuen BV-Aktien dagegen geringer als der Anteil von 74,9 % an der KAE, so sei nach der Recht-sprechung des Gerichtshofes in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände und Faktoren zu prüfen, wie sich ein privater Investor verhalten hätte, der eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolge und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lasse.
Bezüglich des ersten Prüfungsschritts ist die Kommission - anders als die Klägerinnen - der Ansicht, im vorliegenden Fall sei ausschließlich auf den Börsenkurs der BV-Aktien abzustellen. Es komme bei der Bewertung auf einen Zeitpunkt an, der innerhalb des Zeitraums der streitigen Bürgschaftsübernahme liege, d.h. in der Zeit Ende November/Anfang Dezember 1991. In diesem Zeitraum habe der Wert der BV-Aktien rund 80 DM betragen. - Hierzu stellt der Gerichtshof fest, daß die Kommission den Zeitpunkt, zu dem das Land Bremen die Übernahme der fraglichen Bürgschaft beschlossen habe, offensichtlich deshalb als maßgeblich für die streitige Bewertung angesehen habe, weil die zuständige Behörde zu diesem Zeitpunkt endgültig die Faktoren und Umstände bewertet habe, die sie zur Übernahme der Bürgschaft veranlaßt hätten. Insoweit sei die Begründung der angefochtenen Handlung ausreichend.
Bezüglich des zweiten Prüfungsschritts kamen aber - so der Gerichtshof - hier außer dem Börsen-kurs der BV-Aktien zahlreiche weitere Umstände und Faktoren in Betracht, u.a. die Entwicklung dieser Kurse in der Vergangenheit, der eigentliche Unternehmenswert der BV, der evtl. Wertzu-wachs durch das Paket von 2,8 Mio Aktien u.v.m. Statt all diese Gesichtspunkt zu prüfen, habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung lediglich ohne ausreichende Erläuterung die Ansicht vertreten, daß der Börsenkurs der einzige für die Bewertung der Aktien maßgebliche Faktor sei. Diese Auffassung sei zu formal, zu starr und zu restriktiv. Die uneingeschränkte und unbedingte Anwendung dieses Kriteriums unter Ausschluß aller anderen Faktoren führe zu einem Automatismus, der sich schwerlich mit dem marktwirtschaftlichen System und mit den wirtschaft-lichen Entscheidungen vereinbaren lasse, wie sie im vorliegenden Fall von bedeutenden Unter-nehmen, die sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten ließen, getroffen worden seien.
Die Klägerinnen machten geltend, selbst wenn die streitige Maßnahme als Beihilfe anzusehen sein sollte, hätte die Kommission ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie 90/648/EWG "über Beihilfen für den Schiffsbau" und insbesondere mit deren Art. 5 und 6 Abs. 3 prüfen müssen.
Der Gerichtshof führt dazu aus, da in der Begründung der angefochtenen Handlung an keiner Stelle auf die Anwendbarkeit der Richtlinie 90/684 eingegangen werde, sei festzustellen, daß es insoweit an jeglicher Begründung fehle.
Auch in diesem Punkt beurteilt der Gerichtshof die Kommissionsentscheidung als unzureichend begründet. Die Kommission habe sich, ohne ihre Entscheidung in diesem Punkt zu begründen, darauf beschränkt, die Situation der KAE zu prüfen. Da aber die BV als Empfängerin der angeb-lichen Beihilfe bezeichnet worden sei, hätte die Kommission prüfen müssen, inwiefern die Wettbewerbsposition der BV in den Bereichen Schiffbau, Schiffahrtselektronik und Verteidigungs-elektronik durch den Erwerb der 74,9 %-igen Beteiligung an der KAE gestärkt worden sei, wobei etliche Umstände zu berücksichtigen gewesen seien.
Der Gerichtshof stellt fest, im Text der Kommissionsentscheidung werde die HIBEG zunächst als zwischengeschaltete Instanz dargestellt, über die eine staatliche Beihilfe an deren eigentliche Empfängerin, die BV, weitergeleitet worden sei. Sie wäre demnach lediglich als Instrument des Landes Bremen tätig geworden. Im verfügenden Teil der angefochtenen Handlung (s.o. II.3.) werde die HIBEG dagegen ohne weitere Erläuterung als eigenständige Empfängerin einer gesonderten Beihilfe des Landes Bremen im Form einer Bürgschaft über 126 Mio DM bezeichnet. Die Kommission lege in keiner Weise dar, worin der Vorteil bestanden haben sollte, den die HIBEG aus der fraglichen öffentlichen Maßnahme gezogen hätte.