Im Vereinigten Königreich und in Schweden ansässige Rundfunksender strahlen über Satellit Programme nach Dänemark, Schweden und Norwegen aus. Im Rahmen dieser Programme haben sie verschiedene Formen von Werbesendungen übertragen, die nach dem schwedischen Gesetz über die Handelspraktiken untersagt sind.
In der Rechtssache C-34/95 handelte es sich um eine Werbung für eine Kinderzeitschrift über Dinosaurier, die von der Firma De Agostini in Serienform veröffentlicht wurde; jeder Nummer war ein Teil eines Dinosauriermodells beigefügt, das nach dem Kauf aller Nummern der Serie vollständig sein sollte. Der Konsumentombudsman beantragte beim Marknadsdomstol, die Werbung für die Zeitschrift zu untersagen oder die Firma De Agostini hilfsweise zu verpflichten, die zur Vervollständigung des Modells erforderliche Zahl von Heften anzugeben. Er beantragte ferner, die Aufstellung irreführender Behauptungen zu untersagen.
In den Rechtssachen C-35/95 und C-36/95 ging es um die Hautpflegemittel Body de Lite" und die Reinigungsmittel Astonish", für die in einem Fernsehspot geworben wurde und die der Kunde telefonisch bestellen konnte. Der Konsumentombudsman beantragte beim Marknadsdomstol im wesentlichen, TV-Shop die Ausstrahlung irreführender Werbung zu verbieten.
Der mit diesen Fragen befaßte Marknadsdomstol wollte daher vom Gerichtshof wissen, ob Artikel 30 (Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen) oder Artikel 59 (freier Dienstleistungsverkehr) EG-Vertrag oder die Richtlinie 89/552/EWG (Fernsehen ohne Grenzen") es einem Mitgliedstaat gestatten,
Nach dem schwedischen Gesetz über die Handelspraktiken kann der Marknadsdomstol eine Werbung oder Handlung untersagen, die gegen lauteres Geschäftsgebaren verstößt oder auf andere Weise gegenüber dem Verbraucher oder einem anderen Gewerbetreibenden unlauter ist. Das Gericht kann dem Gewerbetreibenden ferner aufgeben, in seine Werbung bestimmte für den Verbraucher wichtige Informationen aufzunehmen. Nach dem schwedischen Rundfunkgesetz darf eine Werbung nicht darauf gerichtet sein, die Aufmerksamkeit von Kindern zu erregen.
In der Richtlinie werden einige Grundsätze über die Werbung und ihren Inhalt aufgestellt. Sie führt eine Teilkoordinierung herbei, die andere als die Ausstrahlung von Programmen betreffende Vorschriften nicht von vornherein ausschließt. Einer nationalen Vorschrift, die die Verbraucher schützt, steht somit nichts entgegen, sofern sie keine zweite Kontrolle einführt. Im übrigen werden die Mitgliedstaaten durch eine andere Richtlinie der Gemeinschaft (84/450/EWG) mit der Bekämpfung irreführender Werbung im Interesse der Verbraucher und der Allgemeinheit betraut. Der Empfangsmitgliedstaat darf daher nicht daran gehindert werden, Maßnahmen gegenüber einem Werbetreibenden wegen einer solchen Werbung zu treffen, sofern diese Maßnahmen nicht in seinem Hoheitsgebiet die Weiterverbreitung im eigentlichen Sinne von Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat verhindern.
Stellt das nationale Gericht dagegen fest, daß das Verbot die ausländischen Erzeugnisse stärker berührt und somit unter Artikel 30 des Vertrages fällt, so muß es prüfen, ob das Verbot nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses oder zur Erreichung eines der in Artikel 36 genannten Ziele erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes stellen die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses dar, die Einschränkungen des freien Warenverkehrs rechtfertigen können.
Die Richtlinie steht einer nationalen Bestimmung, die für die im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates ansässigen Fernsehsender strengere Vorschriften festlegt, nicht entgegen. Diese Erwägung kann nicht für Fernsehsender gelten, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden.
Die Richtlinie enthält eine umfassende Regelung zum Schutz Minderjähriger im Hinblick auf Fernsehprogramme und Werbung. Der Empfangsstaat kann seine Vorschriften, die allgemein dem Schutz der Verbraucher und der Minderjährigen dienen, weiterhin anwenden, aber er darf weder die Weiterverbreitung einer Sendung aus einem anderen Mitgliedstaat verhindern noch Vorschriften anwenden, die speziell dazu dienen, den Inhalt der an Minderjährige gerichteten Fernsehwerbung zu kontrollieren. Dies würde eine zweite Kontrolle darstellen, die zu der hinzukäme, die - gemäß der Richtlinie - der Sendestaat vorzunehmen hat.
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