Association des aciéries européennes indépendantes (EISA) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, unterstützt durch Rat der Europäischen Union, Bundesrepublik Deutschland, Italienische Republik und Ilva Laminati Piani SpA
British Steel plc, unterstützt durch SSAB Svenskt Stål AB und Det Danske Stålvalseværk A/S, gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, unterstützt durch Rat der Europäischen Union, Italienische Republik, Königreich Spanien und Ilva Laminati Piani SpA
Wirtschaftsvereinigung Stahl, Thyssen Stahl AG, Preussag Stahl AG und Hoogovens Groep BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, unterstützt durch Rat der Europäischen Union, Italienische Republik und Ilva Laminati Piani SpA
Angesichts der Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Situation im Stahlsektor erließ die Kommission am 12. April 1994 im Rahmen eines Gesamtprogramms zur dauerhaften Umstrukturierung dieses Sektors und zur erheblichen Reduzierung der Produktionskapazitäten in der Gemeinschaft sechs Einzelfallentscheidungen, mit denen sie die Gewährung von Beihilfen genehmigte, die die Umstrukturierung bestimmter öffentlicher Unternehmen im Hinblick auf deren Privatisierung begleiten sollten. Mit diesen Entscheidungen wurden die Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens EKO Stahl AG und des Stahlunternehmens Sächsische Edelstahlwerke GmbH, die geplanten Beihilfen Portugals an das Stahlunternehmen Siderurgia Nacional, die Beihilfevorhaben von Spanien zugunsten des öffentlichen integrierten Stahlunternehmens Corporación de la Siderurgia Integral und des Unternehmens Sidenor sowie die Beihilfen genehmigt, die Italien an die Unternehmen des Stahlkonzerns ILVA zu gewähren beabsichtigte.
Diese Genehmigungen wurden mit Verpflichtungen versehen, die einem Nettokapazitätsabbau entsprachen, der eine dauerhafte Verringerung des derzeitigen Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Stahlmarkt der Gemeinschaft gewährleisten sollte. Die so genehmigten Beihilfen wurden auf den Mindestbetrag begrenzt, der erforderlich war, um die Lebensfähigkeit der begünstigten Unternehmen wiederherzustellen und ihre Privatisierung zu ermöglichen.
Mit den beihilfebegünstigten öffentlichen Stahlunternehmen konkurrierende Unternehmen haben beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Nichtigerklärung der Entscheidungen vom 12. April 1994 beantragt.
Nach dem EGKS-Vertrag seien staatliche Beihilfen zwar grundsätzlich untersagt (Artikel 4), doch sei die Kommission nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 des Vertrages ermächtigt, solche Beihilfen, die mit den Zielen des Vertrages vereinbar seien, ausnahmsweise zu genehmigen, um unvorhergesehenen Situationen zu begegnen. Auf diese Weise habe die Kommission mit einer allgemeinen Entscheidung den "Beihilfenkodex" erlassen, der für bestimmte Kategorien von Beihilfen eine Ausnahme vom Verbot staatlicher Beihilfen vorsehe. Später habe sie Einzelfallentscheidungen erlassen, mit denen ganz bestimmte Beihilfen, die nicht in die im Beihilfenkodex genannten Kategorien fielen, genehmigt worden seien.
Der Beihilfenkodex und die streitigen Entscheidungen seien auf dieselbe Rechtsgrundlage gestützt. Der Kodex stelle nur für die Beihilfen, die zu den darin bezeichneten Kategorien gehörten, einen verbindlichen rechtlichen Rahmen dar. Bei Beihilfen, die nicht zu den speziell von den Vorschriften des Kodex erfaßten Kategorien gehörten, könne dennoch eine individuelle Ausnahme gewährt werden, wenn die Kommission der Ansicht sei, daß solche Beihilfen zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich seien.
Das Gericht stellt sodann fest, daß die streitigen Entscheidungen mit denen staatliche Beihilfen genehmigt würden, um in einer außergewöhnlichen Krisensituation die Umstrukturierung und Privatisierung großer öffentlicher Stahlkonzerne zu ermöglichen nicht in den Anwendungsbereich des Beihilfenkodex fielen.
Vorliegend zielten die streitigen Entscheidungen darauf ab, die europäische Stahlindustrie zu rationalisieren und dafür zu sorgen, daß in Regionen, die durch Unterbeschäftigung gekennzeichnet seien, keine Unterbrechung der Beschäftigung eintrete, um eine schwere und anhaltende wirtschaftliche und soziale Krise zu verhindern. Die Entscheidungen brächten so verschiedene Ziele des Vertrages miteinander in Einklang, um wichtige Interessen zu wahren, und seien zur Erreichung der mit ihnen verfolgten Ziele erforderlich.
Daher weist das Gericht die Klagen ab.
HINWEIS: Gegen diese Entscheidungen des Gerichts kann ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden; die Rechtsmittelfrist beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung der Entscheidungen.
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Wegen zusätzlicher Informationen oder einer Kopie der Urteile wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike STÄDTLER, Tel.: (*352) 4303 3255, Fax: (*352) 4303 2500.