ABTEILUNG PRESSE UND INFORMATION

PRESSEMITTEILUNG Nr. 75/97

4. Dezember 1997

Urteil des Gerichtshofes in dem Vorabentscheidungsverfahren C-97/96

Verband deutscher Daihatsu-Händler e.V./ Daihatsu Deutschland GmbH

Eine nationale Vorschrift, die verhindert, daß jedermann gerichtlich die Offenlegung der Jahresbilanzen einer Gesellschaft verlangen kann, verstößt gegen Gemeinschaftsrecht.

Der Gerichtshof äußert sich zu § 335 des deutschen Handelsgesetzbuches in Bezug auf die Verhängung von Zwangsgeld gegenüber einer Gesellschaft, damit diese ihre Pflicht zur Bilanzoffenlegung erfüllt.


Der Verband hat gerichtlich den Antrag gestellt, der Daihatsu Deutschland GmbH, der deutschen Generalimporteurin für Daihatsu-Fahrzeuge, unter Androhung von Zwangsmaßnahmen aufzugeben, ihre Jahresbilanzen vorzulegen, die seit 1989 nicht mehr offengelegt wurden. Nach deutschem Recht kann das zuständige Gericht unter Androhung von Zwangsgeld einer Gesellschaft auferlegen, ihre Pflicht zur Offenlegung ihrer Bilanz zu erfüllen; das Gerichtsverfahren kann allerdings nur auf Antrag eines Gesellschafters, eines Gläubigers oder des Betriebsrates der Gesellschaft eingeleitet werden. Der Verband gehört jedoch zu keiner dieser Personengruppen. Deshalb haben die angerufenen deutschen Gerichte den Antrag abgelehnt.

Das inzwischen befaßte Oberlandesgericht Düsseldorf ist jedoch der Ansicht, daß die deutsche Vorschrift eine Gemeinschaftsrichtlinie über Schutzbestimmungen, die den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, nicht korrekt umsetzt. Die Richtlinie von 1968 verpflichtet nämlich die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, daß Gesellschaften ihren Pflichten auf dem Gebiet der Offenlegung des Jahresabschlusses nicht nachkommen.

Das Oberlandesgericht hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Auslegung der Richtlinie ersucht.

Der Gerichtshof der EG führt aus, die Richtlinie sei Bestandteil des im EG-Vertrag vorgesehenen allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, das auch für Gesellschaften gelte. In diesem Rahmen sei im Vertrag selbst vom Ziel des Schutzes der Interessen "Dritter"die Rede, ohne daß insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden. Somit könne dieser Begriff nicht auf die Gläubiger der Gesellschaft beschränkt werden.

Nach der Richtlinie diene die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennten oder kennen könnten. Demnach sei eine nationale Vorschrift wie die deutsche, die unter "Dritten" nur solche verstehe, die zur Gesellschaft in vertraglicher Beziehung stünden, zu eng.

Der Gerichtshof weist allerdings daraufhin, daß nach ständiger Rechtsprechung eine Gemeinschaftsrichtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen einzelnen begründen könne, so daß ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich sei. Das hindere aber nicht die etwaige Anwendbarkeit des Grundsatzes, wonach das Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten zum Ersatz des Schadens verpflichte, der dem einzelnen durch die unterlassene oder unrichtige Umsetzung einer Richtlinie enstanden sei.

Ausschließlich zur Verwendung durch die Medien bestimmt - nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet - verfügbar in französisch und deutsch.

Wegen einer Kopie des Urteils konsultieren Sie bitte die Homepage des Gerichtshofes und des und des Gerichts 1. Instanz der EG http://www.curia.eu.int oder wenden sich an Frau Dr.Ulrike Städtler Tel. (352) 4303-3255, Fax (352) 4303-2500.