Frau Grant ist Angestellte der South West Trains Ltd; nach ihrem Arbeitsvertrag werden den Beschäftigten Freifahrten oder Fahrten zum ermäßigten Tarif auf dem Streckennetz dieser Gesellschaft gewährt. Diese Vergünstigungen werden auf die Ehepartner oder auf die Lebensgefährten des anderen Geschlechts der Arbeitnehmer, sofern seit über zwei Jahren eine ernsthafte Beziehung besteht, ausgedehnt.
Der Antrag von Frau Grant auf Fahrtvergünstigungen für ihre Lebenspartnerin wurde mit der Begründung abgelehnt, daß solche Vergünstigungen nur für den Ehepartner oder einen Lebenspartner des anderen Geschlechts gewährt werden könnten.
Frau Grant erhob daher Klage beim Industrial Tribunal Southampton (Vereinigtes Königreich) und trug vor, die Verweigerung der Vergünstigungen stelle eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, die gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Bereich des gleichen Entgelts für Männer und Frauen verstoße. Das Industrial Tribunal legte
dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung dieser Bestimmungen vor, die dahin gingen, ob die Weigerung eines Arbeitgebers, eine Fahrtvergünstigung für den Lebensgefährten des gleichen Geschlechts, mit dem der Arbeitnehmer eine feste Beziehung unterhält, zu gewähren, eine nach dem Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung darstellt, wenn eine solche Vergünstigung für den Ehepartner des Arbeitnehmers oder den Lebensgefährten des anderen Geschlechts, mit dem der Arbeitnehmer eine feste nichteheliche Beziehung unterhält, gewährt wird.
Der Gerichtshof hat diese Frage in drei Schritten untersucht.
Er hat zunächst geprüft, ob die Beschränkung der Fahrtvergünstigungen auf Ehepartner und Lebensgefährten des anderen Geschlechts eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts des Arbeitnehmers darstellt. Er hat dazu ausgeführt, daß die Fahrtvergünstigungen einem männlichen Arbeitnehmer, wenn er mit einer Person des gleichen Geschlechts zusammenlebe, ebenso verweigert würden wie einer Arbeitnehmerin, die mit einer Person des gleichen Geschlechts zusammenlebe. Somit könne diese Voraussetzung nicht als eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts betrachtet werden, da sie für die weiblichen wie für die männlichen Arbeitnehmer in gleicher Weise gelte.
Sodann hat der Gerichtshof geprüft, ob das Gemeinschaftsrecht verlangt, daß feste Beziehungen zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts von den Arbeitgebern den Beziehungen zwischen Verheirateten oder festen nichtehelichen Beziehungen zwischen Personen verschiedenen Geschlechts gleichgestellt werden. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Gemeinschaft bisher keine Vorschriften erlassen habe, die eine solche Gleichstellung vornähmen, und daß das nationale Recht der Mitgliedstaaten insoweit ganz unterschiedliche Bestimmungen aufweise. Er hat außerdem darauf hingewiesen, daß die Europäische Kommission für Menschenrechte daran festhalte, daß dauerhafte homosexuelle Beziehungen trotz der heutigen Entwicklung der Mentalitäten gegenüber der Homosexualität nicht unter das durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens fielen. Er ist daher zu dem Ergebnis gelangt, daß beim gegenwärtigen Stand des Rechts innnerhalb der Gemeinschaft die festen Beziehungen zwischen Lebensgefährten des gleichen Geschlechts den Beziehungen zwischen Ehepartnern oder Lebensgefährten verschiedenen Geschlechts nicht gleichgestellt seien. Nur der Gesetzgeber könne gegebenenfalls Maßnahmen treffen, die einen Einfluß auf diese Lage haben könnten.
Schließlich hat der Gerichtshof geprüft, ob im Licht seiner Rechtsprechung sowie bestimmter völkerrechtlicher Übereinkünfte eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung einer nach den Gemeinschaftsbestimmungen verbotenen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gleichgestellt werden kann. Aufgrund dieser Prüfung ist er zu dem Ergebnis gelangt, daß das Gemeinschaftsrecht bei seinem gegenwärtigen Stand eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht erfasse.
Der Gerichtshof hat jedoch darauf hingewiesen, daß der Vertrag von Amsterdam dem Rat die Möglichkeit eröffne, auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments bestimmte Vorkehrungen zur Beseitigung verschiedener Formen von Diskriminierungen, insbesondere derjenigen aufgrund der sexuellen Ausrichtung, zu treffen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet http://curia.eu.int. Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler - Tel.: (00352) 4303-3255; Fax: (00352) 4303-2734.