Die zehn Kläger sind dänische Staatsangehörige, die 1993 eine Klage erhoben haben, die die Frage betrifft, ob der dänische Ministerpräsident berechtigt war, den Vertrag über die Europäische Union zu ratifizieren; ihrer Ansicht nach verstieß der Beitritt gegen die dänische Verfassung. Die Rechtssache ist beim dänischen Højesteret anhängig.
Im Rahmen des Verfahrens vor dem Højesteret haben die Kläger vom Rat der Europäischen Union Einsicht in verschiedene in seinem Besitz befindliche Dokumente verlangt. Am 3. November 1997 entschied der Rat, ihnen die gewünschten Dokumente mit Ausnahme der Stellungnahmen der Juristischen Dienste des Rates und der Kommission zu übermitteln. Der Rat begründete seine Weigerung, ihnen die Stellungnahmen zukommen zu lassen, damit, daß diese Stellungnahmen nach ständiger Praxis nicht weitergegeben würden, da die Offenlegung der Stellungnahme des Juristischen Dienstes zu Fragen, mit denen sich der Rat befasse, das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts sowie das öffentliche Interesse daran, daß der Rat Zugang zu unabhängiger rechtlicher Beratung habe, beeinträchtigen könnte.
Die zehn dänischen Staatsangehörigen haben daraufhin am 23. Dezember 1997 beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Klage gegen den Rat erhoben. Sie beantragen die Nichtigerklärung der Entscheidung des Rates, soweit sie der Übermittlung der beiden von den Juristischen Diensten des Rates und der Kommission stammenden Dokumente entgegensteht.
Mit besonderem Schriftsatz, der am 6. Januar 1998 eingegangen ist, haben die Kläger vor allem beantragt, dem Rat im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Højesteret und den Parteien in der bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache die genannten Dokumente zu übermitteln.
Der Präsident des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften hat diesen Antrag auf einstweilige Anordnung heute zurückgewiesen.
Einem Antrag auf einstweilige Anordnung kann nur stattgegeben werden, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind; u. a. ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.
Die Kläger machen geltend, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung ganz allgemein gehalten und daher unzureichend sei. Der Richter der einstweiligen Anordnung stellt fest, daß der Rat die Einsichtnahme in die beiden Dokumente deshalb verweigert, weil es sich um Stellungnahmen der Juristischen Dienste von Gemeinschaftsorganen handelt. Daß der Rat nicht den Inhalt jedes einzelnen Dokuments geprüft hat, stellt auf den ersten Blick für sich allein keine unzureichende Begründung dar. Außerdem ist der Richter der einstweiligen Anordnung der Ansicht, daß die Begründung der Entscheidung auf den ersten Blick angesichts der Art der Dokumente, deren Übermittlung der Rat verweigert, hinreichend klar ist, so daß die Kläger nicht daran gehindert waren, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts in Frage zu stellen, und der Richter der einstweiligen Anordnung seine Beurteilung vornehmen konnte.
Außerdem berufen sich die Kläger darauf, daß die Nichtübermittlung der rechtlichen Stellungnahmen sowohl gegen den Verhaltenskodex des Rates und der Kommission von 1993 für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten beider Organe als auch gegen den Beschluß 93/731/EG des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten verstoße. Der Richter der einstweiligen Anordnung führt aus, daß die Stellungnahmen der Juristischen Dienste im wesentlichen dazu dienen, dem Organ, das einen Rechtsakt zu erlassen hat, eine Meinung über die Rechtsfragen zu bieten. Die Offenlegung derartiger Dokumente würde dazu führen, daß die Diskussion und der Gedankenaustausch innerhalb des Organs über die Rechtmäßigkeit und die Tragweite des zu erlassenden Rechtsakts öffentlich bekannt würden; aufgrund dessen könnte der Rat jedes Interesse daran verlieren, vom Juristischen Dienst schriftliche Stellungnahmen einzuholen. Mit anderen Worten scheint zumindest bei einer ersten Prüfung die Offenlegung dieser Dokumente Unsicherheit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaft schaffen und negative Folgen für die Arbeit der Gemeinschaftsorgane haben zu können. Folglich würde das öffentliche Interesse an der Beständigkeit der Rechtsordnung der Gemeinschaft und am ordnungsgemäßen Funktionieren der Organe, dessen Wahrung zweifelsohne sichergestellt werden muß, darunter leiden. Somit sind die vom Rat genannten Hinderungsgründe angesichts der besonderen Art von Dokumenten wie den beiden fraglichen Schriftstücken auf den ersten Blick auch im Hinblick auf Wortlaut und Zweck der Bestimmungen, auf die sich die Kläger berufen haben, als legitim anzusehen.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet. Diese Pressemitteilung ist in allen Amtssprachen verfügbar.
Wegen des vollständigen Wortlauts des Beschlusses in Französisch und Dänisch oder für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler, Tel.: (00352) 4303 3255, Fax: (00352) 4303 2734.