ABTEILUNG PRESSE UND INFORMATION

PRESSEMITTEILUNG NR. 12/98

10. März 1998

Urteil des Gerichtshofes der EG in der Rechtssache C-122/95

Deutschland/Rat

DISKRIMINIERUNG VON IMPORTEUREN VON BANANEN AUS BESTIMMTEN LATEINAMERIKANISCHEN LÄNDERN


Der Gerichtshof hat den Beschluß des Rates, mit dem dieser dem Rahmenabkommen über Bananen zwischen der Gemeinschaft und Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela zugestimmt hat, insoweit aufgehoben, als dieses Rahmenabkommen bestimmte Marktbeteiligte von dem Ausfuhrlizenzsystem des Abkommens befreit.

Rechtslage

Die Verordnung (EWG) Nr. 404/93 über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen ist am 1. Juli 1993 in Kraft getreten. Sie ersetzt u. a. die bisherigen nationalen Regelungen für den Handel mit Drittländern durch eine gemeinsame Regelung. Diese sieht ein jährliches Zollkontingent für die Einfuhren von Drittlandsbananen und nichttraditionellen AKP(1)-Bananen sowie die Erhebung eines Zollsatzes für die Einfuhr vor. Außerdem schafft sie ein Zollkontingent, das zu 66,5 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Drittlandsbananen und/oder nichttraditionelle AKP-Bananen vermarktet haben (Gruppe A), zu 30 v. H. für die Gruppe der Marktbeteiligten, die Gemeinschaftsbananen und/oder traditionelle AKP-Bananen vermarktet haben (Gruppe B), und zu 3,5 v. H. für in der Gemeinschaft niedergelassene Marktbeteiligte eröffnet, die ab 1992 mit der Vermarktung von anderen als Gemeinschafts- und/oder traditionellen AKP-Bananen begonnen haben (Gruppe C).

Nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung haben die südamerikanischen Erzeugerländer das neue gemeinschaftliche Einfuhrsystem für Bananen im Streitbeilegungsmechanismus des GATT angegriffen. Die Kommission der EG gelangte jedoch mit einem Teil der betroffenen Lieferstaaten (nämlich Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela) zu einer Einigung in Form eines Rahmenabkommens. In diesem Abkommen wird das gesamte Zollkontingent ab 1994 erhöht und der Zollsatz für Einfuhren im Rahmen des Kontingents gesenkt; weiter werden diesen südamerikanischen Ländern bestimmte Anteile des Kontingents zugewiesen (Länderkontingente). In Nummer 6 heißt es: "... werden die Länder, für die einzelne Anteile am Zollkontingent festgelegt sind, ermächtigt, für bis zu 70 % des ihnen zugewiesenen Kontingents spezielle Ausfuhrlizenzen auszugeben, deren Vorlage Voraussetzung für die Erteilung von Einfuhrlizenzen durch die Gemeinschaft für Marktbeteiligte der Gruppen A und C sind". Folglich unterliegennach dieser Bestimmung die Marktbeteiligten der Gruppen A und C anders als diejenigen der Gruppe B der Ausfuhrlizenzregelung.

Dieses Rahmenabkommen wurde in die Liste der Gemeinschaft für die Uruguay-Runde aufgenommen. Damit wurde das Rahmenabkommen Teil der Vereinbarung zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO). Der Rat hat das Abkommen über die WTO mit Beschluß vom 22.12.1994 gebilligt.

Die Klage

Die Bundesrepublik Deutschland (Streithelfer: Belgien) beantragt in ihrer Klage gegen den Rat (Streithelfer: Frankreich, Spanien und die Kommission), diesen Beschluß des Rates insoweit für nichtig zu erklären, als der Rat darin dem Abschluß des Rahmenabkommens über Bananen mit Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela zugestimmt hat. Die durch das Rahmenabkommen eingeführte Regelung verletze die Marktbeteiligten der Gruppen A und C in ihren Grundrechten, nämlich in ihrem Recht auf freie Berufsausübung und in ihrem Eigentumsrecht, und diskriminiere sie gegenüber Marktbeteiligten der Gruppe B. Außerdem verstoße das Abkommen gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

Das Urteil

Der Gerichtshof verwirft sämtliche Rügen der Klägerin - bis auf eine - als unbegründet. Zur Begründung beruft er sich im wesentlichen auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, über die gemeinsame Marktorganisation für Bananen.

Für begründet erklärt der Gerichtshof die Rüge der Verletzung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes, soweit sie die im Rahmenabkommen vorgesehene Befreiung der Marktbeteiligten der Gruppe B vom Ausfuhrlizenzsystem betrifft.

Eine Ungleichbehandlung liege darin, daß nur ein Teil der Marktbeteiligten der Gemeinschaft, die Handelsbeziehungen mit Drittländern angeknüpft haben, für deren Ausfuhren das Ausfuhrlizenzsystem gilt, der Ausfuhrlizenzpflicht unterliege. Diese Ungleichbehandlung der Marktbeteiligten der Gruppen A und C gegenüber solchen der Gruppe B sei offenkundig, da der Preis, den die ersteren, die dem Ausfuhrlizenzsystem unterlägen, für die betroffenen Drittlandsbananen zu entrichten hätten, um 33 % über dem Preis liege, den letztere zu entrichten hätten.

Rat und Kommission hätten vorgebracht, daß diese Ungleichbehandlung objektiv durch das Erfordernis gerechtfertigt sei, das Wettbewerbsgleichgewicht zwischen diesen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern wiederherzustellen.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, daß der Rat hätte nachweisen müssen, daß das Gleichgewicht, das durch die Erhöhung des Zollkontingents und die entsprechende Kürzung der Zölle, die auch den Marktbeteiligten der Gruppe B zugute kommen, gestört wurde, nur dadurch hätte wiederhergestellt werden können, daß diesen Marktbeteiligten ein wesentlicher Vorteil gewährt und damit eine neue Ungleichbehandlung zu Lasten der anderen Gruppen von Marktbeteiligten geschaffen worden wäre, die bereits bei der Einführung und Aufteilung des Zollkontingents ähnlichen Beschränkungen und Ungleichbehandlungen unterworfen worden waren. Diesen Nachweis habe der Rat nicht erbracht.

Im übrigen gestehe der Rat ausdrücklich zu, daß das Ausfuhrlizenzsystem nicht nur der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen den Gruppen von Marktbeteiligten der Gemeinschaft diene, sondern auch den Drittländern, die Vertragsparteien des Rahmenabkommens seien, eine Finanzhilfe und damit einen Ausgleich dafür gewähren solle, daß die EWG-Verordnung Nr. 404/93 den Absatz von Bananen aus diesen Ländern zugunsten der Gemeinschafts- und der AKP-Bananen beschränkt habe. Der Rat habe dem Gerichtshof jedoch nicht hinreichend dargelegt, daß die Erhöhung des Zollkontingents und seine Aufteilung auf Länderkontingente sowie die entsprechende Kürzung der Zölle nicht zum Ausgleich dafür ausgereicht hätten, daß die EWG-Verordnung Nr. 404/93 den Absatz von Bananen mit Ursprung in Drittländern, die Vertragsparteien des Rahmenabkommens seien, beschränkt habe, und daß dieses Ziel daher nur dadurch hätte erreicht werden können, daß nur ein Teil der Marktbeteiligten, die Einfuhren aus diesen Ländern vorgenommen hätten, finanziell belastet worden sei.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof den angefochtenen Beschluß des Rates vom 22.12.1994 insoweit für nichtig erklärt, als der Rat darin dem Abschluß des Rahmenabkommens über Bananen zwischen der Gemeinschaft einerseits und Costa Rica, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela andererseits zugestimmt hat und dieses Rahmenabkommen die Marktbeteiligten der Gruppe B von dem dort geschaffenen Ausfuhrlizenzsystem befreit.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Diese Pressemitteilung ist in allen Amtssprachen verfügbar..

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(1)die Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean, die das AKP-Abkommen von Lomé unterzeichnet haben