Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 29/98

30. April 1998

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-24/97

Kommission/Deutschland

Deutsche Vorschriften über die Ausweispflicht diskriminieren Bürger der anderen Mitgliedstaaten


Hält sich ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats, der nach dem Gemeinschaftsrecht Freizügigkeit genießt, in Deutschland auf, ohne einen gültigen Ausweis (Paß, Aufenthaltserlaubnis usw.) zu besitzen, so handelt er nach den deutschen Rechtsvorschriften ordnungswidrig. Diese Ordnungswidrigkeit kann bei fahrlässiger Begehungsweise mit einer Geldbuße bis zu 5 000 DM geahndet werden.

Unterläßt es ein deutscher Staatsangehöriger, für sich einen Personalausweis ausstellen zu lassen, wird diese Ordnungswidrigkeit nur bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit mit einer Geldbuße geahndet, die in der Regel höchstens 1 000 DM beträgt.

Nach Ansicht der Kommission ist die Behandlung der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten durch die deutschen Stellen gegenüber der Behandlung deutscher Staatsangehöriger diskriminierend. Mit ihrer Klage beantragt die Kommission die Feststellung, daß Deutschland durch diese Behandlung gegen seine Verpflichtungen aus dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen hat.

Die vorgeworfene Vertragsverletzung wird von der deutschen Regierung nicht bestritten.

Der Gerichtshof führt aus, daß das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat nicht verbiete, zu kontrollieren, ob die Verpflichtung zur Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis eingehalten werde, sofern er seinen eigenen Staatsangehörigen eine entsprechende Verpflichtung hinsichtlich ihres Personalausweises auferlege. Falls diese Verpflichtung nicht eingehalten werde, dürften die innerstaatlichen Stellen Sanktionen verhängen, die denen entsprächen, die bei geringfügigeren Vergehen von Inländern - wie Verstößen gegen die Ausweispflicht - gälten; Voraussetzung sei allerdings, daß keine unverhältnismäßige Sanktion vorgesehen werde, die ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schaffen würde.

Der Gerichtshof stellt fest, daß Deutschland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auf dem Gebiet der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und

des freien Dienstleistungsverkehrs verstoßen hat, daß es Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten, die sich im deutschen Hoheitsgebiet aufhalten, bei vergleichbaren Verstößen gegen die Ausweispflicht hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs und des Bußgeldrahmens in unverhältnismäßiger Weise anders behandelt als deutsche Staatsangehörige.

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