Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG 67/98

10. November 1998

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-360/96

Gemeente Arnhem, Gemeente Rheden / BFI Holding BV

DER GERICHTSHOF PRÄZISIERT DEN BEGRIFF DER EINRICHTUNG DES ÖFFENTLICHEN RECHTS


Der Gerichtshof präzisiert im Rahmen einer Klage betreffend den Anwendungsbereich der Richtlinie über öffentliche Dienstleistungsaufträge, was im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art sind. Nur eine Einrichtung, die den Zweck hat, solche Aufgaben zu erfüllen, kann nämlich als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden.

Die BFI, ein Unternehmen, das auf die Abfuhr und die Behandlung von Abfällen spezialisiert ist, erhob bei den niederländischen Gerichten Klage gegen die Vergabe der Aufgaben der Abfallabfuhr in den Gemeinden Arnheim und Rheden an die Aktiengesellschaft ARA. Sie war der Auffassung, die betreffenden Gemeindebehörden hätten den Auftrag unter Beachtung der in der Gemeinschaftsrichtlinie über öffentliche Dienstleistungsaufträge ausdrücklich vorgesehenen Verfahren vergeben müssen. Der mit dem Rechtsstreit befaßte Gerechtshof Arnheim hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung der betreffenden Richtlinie vorgelegt.

In der Richtlinie sind die obligatorischen Verfahren bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vorgesehen, die die öffentlichen Auftraggeber zu beachten haben. Diese Verfahren sind jedoch auf bestimmte Aufträge nicht anwendbar, die an Stellen vergeben werden, die ihrerseits öffentliche Auftraggeber sind. Unter diese fallen gemäß der Richtlinie ausdrücklich die "Einrichtungen des öffentlichen Rechts".

Für die Entscheidung, ob die beiden niederländischen Gemeinden sich hinsichtlich der mit dem Unternehmen ARA geschlossenen Verträge auf diese Ausnahme berufen konnten, hatte der Gerichtshof festzustellen, welche Voraussetzungen vorliegen mußten, um ein Unternehmen wie die ARA als Einrichtung des öffentlichen Rechts ansehen zu können. Insbesondere hatte der Gerichtshof festzustellen, ob der Zweck der der ARA übertragenen Tätigkeiten in der Erfüllung von "im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben" im Sinne der Richtlinie bestand.

Der Gerichtshof hat festgestellt, daß die Richtlinie zwischen den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, und den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die gewerblicher Art sind, unterscheide. Nur Einrichtungen, die letztere zu erfüllen hätten, könnten als Einrichtungen des öffentlichen Rechts angesehen werden.

Der Gerichtshof hat weiter festgestellt, daß es für die Einordnung als im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, unerheblich sei, daß Privatunternehmen ebenfalls in der Lage wären, die gleichen Aufgaben zu erfüllen. Eine andere Auslegung würde den Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts seines Inhalts entleeren, da Aufgaben, die in keinem Fall von Privatunternehmen erfüllt werden könnten, kaum vorstellbar seien. Insbesondere könnten das Abholen und die Behandlung von Haushaltsabfällen vom Staat aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes als im Allgemeininteresse liegende Aufgaben im Sinne der Richtlinie angesehen werden.

Schließlich hat der Gerichtshof unter Verweisung auf seine frühere Rechtsprechung festgestellt, daß ein Unternehmen seine Eigenschaft als Einrichtung des öffentlichen Rechts behalte, auch wenn es außerdem Tätigkeiten gewerblicher Art ausübe; dies gelte erst recht dann, wenn diese Tätigkeiten von einer separaten juristischen Person, die zu derselben Gruppe gehöre, ausgeübt würden. Außerdem sei das Vorliegen von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben objektiv zu beurteilen und nicht anhand der Rechtsform der Bestimmungen, in denen diese Aufgaben genannt seien.

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