Im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen einem Treibstofflieferanten und einem Tankstellenbetreiber hat das Tribunale Genua den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der italienischen Regelung über den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer, die Karzinogenen ausgesetzt sind, mit dem Gemeinschaftsrecht befragt.
Die Italiana petroli (IP) SpA liefert der Borsana SrL regelmäßig Kraftfahrzeugtreibstoff und die für den Weiterverkauf des Treibstoffs nötigen Anlagen. Borsana forderte IP auf, ihr Treibstoff mit einem möglichst niedrigen Benzolgehalt und Vorrichtungen zum Auffangen der Gase bei der Abgabe des Treibstoffs zur Verfügung zu stellen, um die Gesundheit der in den von ihr betriebenen Tankstellen Beschäftigten zu schützen. Da IP es wegen Divergenzen zwischen der italienischen Regelung und den europäischen Richtlinien nicht für möglich hielt, dieser Forderung zu entsprechen, lehnte sie die Lieferung ab und erhob beim Tribunale Genua Klage gegen Borsana auf Feststellung, daß sie nicht verpflichtet ist, die Forderungen der Borsana zu erfüllen. Das angerufene Gericht hat dem Gerichtshof daher mehrere Fragen nach der Auslegung der betreffenden Richtlinien vorgelegt.
Diese Fragen betreffen den Schutz der Arbeitnehmer gegen die Gefährdung durch Karzinogene bei der Arbeit, die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Arbeitsmitteln und schließlich den Höchstgehalt von Benzol in Treibstoff.
Was die erste Frage betrifft, so verpflichtet die Gemeinschaftsrichtlinie von 1990 den Arbeitgeber bei einer Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit der Arbeitnehmer deren Exposition gegenüber Karzinogenen zu verhindern oder so weit wie möglich zu verringern, während die italienische Regelung dem Arbeitgeber diese Verpflichtung unabhängig von der Gefahrenbewertung auferlegt.
Der Gerichtshof weist darauf hin, daß die Richtlinie Mindestvorschriften enthalte und daß die Mitgliedstaaten befugt seien, Maßnahmen zu erlassen, um die Arbeitsbedingungen stärker als nach den Gemeinschaftsvorschriften zu schützen. Eine nationale Vorschrift, die den Schutz der Arbeitnehmer verstärke, sei mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn sie nicht diskriminierend wirke und nicht die Ausübung der durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten behindere. Die betreffende italienische Regelung erfülle diese Voraussetzungen.
Was die Frage der Arbeitsmittel betrifft, so müssen die Mitgliedstaaten nach der Gemeinschaftsrichtlinie von 1989 deren Vorschriften innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umsetzen, während die Arbeitgeber nach dem italienischen Gesetz von 1994, das diese Richtlinie umsetzt, ihre Arbeitsmittel innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes anpassen müssen.
Der Gerichtshof unterstreicht, daß die Frist von vier Jahren eine Maximalfrist sei und nichts die Mitgliedstaaten daran hindere, für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie kürzere Fristen festzusetzen, solange der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werde. Im vorliegenden Fall verfügten die Mitgliedstaaten allerdings über einen weiten Ermessensspielraum bei der Festsetzung dieser Fristen, und es sei Sache des nationalen Gerichts, im vorliegenden Fall zu prüfen, ob eine Anpassungsfrist von drei Monaten gemessen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausreichend sei, insbesondere ob den Arbeitgebern dadurch nicht überhöhte Kosten entstünden.
Was schließlich den Höchstgehalt von Benzol in Treibstoff betrifft, so setzt die Gemeinschaftsrichtlinie von 1985 diesen auf 5 Vol.-% fest, während das italienische Gesetz von 1996 den zulässigen Höchstgehalt bis zum 30. Juni 1999 auf 1,4 Vol.-% und für die Zeit danach auf 1 Vol.-% festsetzt. Ferner verpflichtet die Richtlinie von 1990 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Karzinogene bei der Arbeit die Arbeitnehmer, die Verwendung solcher Stoffe zu verringern, indem sie sie durch andere, für die Gesundheit weniger gefährliche Stoffe ersetzen, "soweit dies technisch möglich ist". Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, daß das italienische Gesetz diese Verpflichtung auf die Planer von Arbeitsplätzen und -anlagen ausdehne.
Die dem Gerichtshof vorgelegte Frage ging dahin, ob diese Personen genauso wie der Arbeitgeber aufgrund der Verpflichtung zur Verringerung der Kanzerogene den Benzolgehalt auf einen Wert unterhalb des Grenzwertes von 5 Vol.-% oder der niedrigeren Grenzwerte des italienischen Gesetzes senken müssen. Der Gerichtshof hat festgestellt, daß es einem Arbeitgeber, der wie im vorliegenden Fall Borsana Tankstellen betreibe, technisch nicht möglich sei, das Benzol in dem von ihm vertriebenen Treibstoff zu ersetzen. Was die im italienischen Recht vorgesehene Verpflichtung der Planer von Arbeitsplätzen und -anlagen betreffe, den Benzolgehalt auf einen Wert unterhalb des Grenzwertes von 5 Vol.-% zu senken, so verweise das italienische Gesetz von 1994 nicht auf eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, sondern auf das italienische Recht, und diese Personen blieben unabhängig von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts an den im italienischen Recht festgesetzten niedrigeren Grenzwert gebunden. Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, daß er für die Beantwortung dieser Frage nicht zuständig sei.
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