Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 4/99

28. Januar 1998

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-77/97

Österreichische Unilever GmbH / Smithkline Beecham Markenartikel GmbH

DIE ÖSTERREICHISCHEN RECHTSVORSCHRIFTEN ÜBER DIE VERMARKTUNG KOSMETISCHER MITTEL VERSTOSSEN GEGEN GEMEINSCHAFTSRECHT


Die Unternehmen Österreichische Unilever GmbH und Smithkline Beecham Markenartikel GmbH vertreiben Zahnpflegemittel in Österreich. Smithkline vertreibt dort die Zahncremes "Odol - Med 3 (Samtweiß)", die auch in Deutschland vertrieben werden, wo sie hergestellt werden. Auf den Zahncremetuben und in Fernseh-Werbespots weist Smithkline darauf hin, daß «Odol - Med 3 (Samtweiß)» eine Vorsorge gegen Parodontose darstelle, eine Dreifachprophylaxe enthalte oder bilde, eine Dreifachvorsorge gegen Karies, Zahnbelag und Parodontose begründe und den Zahnbelag entferne oder die Neubildung von Zahnstein verhindere.

Unter Berufung auf die österreichischen Rechtsvorschriften beantragt Unilever beim Handelsgericht Wien, ihrem Wettbewerber Smithkline aufzugeben, diese Hinweise zu unterlassen. Nach der österreichischen Regelung (aufgrund des Lebensmittelgesetzes ergangene Kosmetikverordnung) kann nämlich ein kosmetisches Mittel als solches nur dann rechtmäßig in den Verkehr gebracht und dafür geworben werden, wenn es die in einer erschöpfenden Liste aufgezählten zulässigen pharmakologischen Stoffe enthält. Die Hersteller kosmetischer Mittel, die Wirkstoffe enthalten, die in dieser österreichischen Regelung nicht aufgeführt sind, können für die Verwendung dieser Stoffe eine besondere, drei Jahre gültige Genehmigung beantragen.

Unilever beruft sich auf diese Liste und macht geltend, die Zahncreme "Odol - Med 3 (Samtweiß)" enthalte keinen der Stoffe, die als die Bildung von Zahnstein oder die Entstehung von Parodontose verhindernd aufgeführt seien. Smithkline habe auch keine besondere Genehmigung zur Verwendung anderer Stoffe, mit denen das gleiche Ergebnis erzielt werden könne. Daher seien die Hinweise, wonach diese Zahncreme die Bildung von Zahnstein und das Entstehen von Parodontose verhindere, unrichtig und irreführend.

Smithkline stützt sich auf den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des freien Warenverkehrs und rügt, daß die österreichischen Rechtsvorschriften geeignet seien, den zwischenstaatlichen Handel zu behindern. Mit der Gemeinschaftsrichtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel sei nämlich eine vollständige Harmonisierung auf diesem Gebiet durchgeführt worden. Die Mitgliedstaaten dürften das Inverkehrbringen eines Erzeugnisses, das den Vorschriften dieser Richtlinie und deren Anhängen (die Richtlinie enthält keine Liste ausdrücklich zugelassener Stoffe, sondern nur eine Aufzählung verbotener Stoffe) entspreche, nicht ablehnen, verbieten oder beschränken.

Das angerufene österreichische Gericht fragt, ob die nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht (Grundsatz des freien Warenverkehs und Richtlinie über kosmetische Mittel) vereinbar ist.

Der Gerichtshof erinnert daran, daß die Richtlinie tatsächlich eine abschließende Harmonisierung der nationalen Bestimmungen über die Verpackung und Etikettierung kosmetischer Mittel herbeigeführt habe. Er stellt sodann fest, daß die in der österreichischen Regelung enthaltene Liste nicht alle Wirkstoffe nenne, die geeignet seien, die Bildung von Zahnstein oder die Entstehung von Parodontose zu verhindern. Demnach könne die Werbung für bestimmte Zahncremes in Österreich verboten werden, auch ohne daß sie für die Verbraucher irreführend wäre. Die Notwendigkeit, eine solche Genehmigung einzuholen, die dazu noch zeitlich beschränkt wäre, stellt nach Auffassung des Gerichtshofes jedoch ein Hindernis für den freien Verkehr mit dem betreffenden Erzeugnis dar, das in keiner Weise gerechtfertigt wäre. Der Schutz der Verbraucher, der Gesundheit und der Lauterkeit des Handelsverkehrs könne nämlich durch weniger beschränkende Maßnahmen als den automatischen Ausschluß der Werbung gewährleistet werden (etwa durch die Verpflichtung des Herstellers oder des Händlers, in Zweifelsfällen die Richtigkeit der Werbeaussagen nachzuweisen).

Demgemäß antwortet der Gerichtshof auf die Frage des Handelsgerichts Wien, daß die Gemeinschaftsrichtlinie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach für ein kosmetisches Mittel deshalb nicht geworben werden darf, weil in der Zusammensetzung des Erzeugnisses die in der nationalen Regelung aufgezählten Wirkstoffe nicht enthalten sind und das betreffende Unternehmen keine Genehmigung zur Verwendung anderer Stoffe erhalten hat.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher und französischer Sprache vor.

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