Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 14/99

11. März 1999

Urteile des Gerichts in den ,,Stahlträger"-Rechtssachen

DIE GELDBUSSEN IN DEN ,,STAHLTRÄGER"-RECHTSSACHEN WERDEN BESTÄTIGT


Das Gericht erster Instanz bestätigt im wesentlichen die Entscheidung der Kommission, mit der gegen den EGKS-Vertrag verstoßende Preisabsprachen, Marktaufteilungen und der Austausch vertraulicher Informationen durch Unternehmen der Stahlindustrie geahndet wurden

Die Kommission stellte mit einer Entscheidung vom 16. Februar 1994 die Beteiligung von 17 europäischen Stahlunternehmen und ihrem Wirtschaftsverband Eurofer an einer Reihe von Vereinbarungen, Beschlüssen und verabredeten Praktiken zur Festsetzung von Preisen, zur Marktaufteilung und zum Austausch vertraulicher Informationen auf dem Gemeinschaftsmarkt für die im Stahlbau benötigten Träger fest. In der gleichen Entscheidung verhängte sie gegen 14 dieser Unternehmen Geldbußen mit einem Gesamtbetrag von über 104 000 000 ECU.

Zehn Unternehmen und Eurofer beantragten beim Gericht erster Instanz die Nichtigerklärung dieser Entscheidung und, hilfsweise, die Herabsetzung ihrer Geldbuße. Die Klägerinnen machten u. a. geltend, daß ihre Verfahrensrechte verletzt und die Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrags von der Kommission falsch ausgelegt worden seien, daß die Kommission in die fraglichen Praktiken verwickelt gewesen sei und daß die Geldbußen unverhältnismäßig seien.

Diese Rechtssachen betrafen bislang noch nicht behandelte Fragen. Noch nie zuvor hatten die Gemeinschaftsgerichte über die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EGKS-Vertrags (Artikel 65) auf Unternehmen zu entscheiden. Im Rahmen der Ermittlung des Sachverhalts reichte die Kommission insgesamt etwa 11 000 ihre Entscheidung betreffende Schriftstücke ein. Dieser Aktenumfang und die Vielschichtigkeit der Rechtssachen erforderten eine eingehende Prüfung und spezielle prozeßleitende Maßnahmen. Das Gericht hat u. a. die Vorlage einer Reihe von Schriftstücken über die Kontakte zwischen der Kommission und der Stahlindustrie im maßgeblichen Zeitraum angeordnet und einige Zeugen vernommen.

In seinen elf Urteilen vom heutigen Tag hat das Gericht die meisten tatsächlichen Feststellungen der Kommission sowie die Einordnung der festgestellten Tatsachen als Zuwiderhandlungen gegen Artikel 65 EGKS-Vertrag bestätigt und zugleich einige untergeordnete Bestandteile der Entscheidung mangels Beweisen für nichtig erklärt. Es hat überdies die Vorwürfe, wonach die Kommission in diese Zuwiderhandlungen verwickelt gewesen sein soll, als unbegründet zurückgewiesen.

Das Gericht hat zwar das allgemeine Niveau der festgesetzten Geldbußen als durch die Schwere der Zuwiderhandlungen gerechtfertigt angesehen, gleichwohl aber die Ansicht vertreten, daß die Kommission die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Zuwiderhandlungen in gewissem Umfang überbewertet habe, und die Geldbußen deshalb herabgesetzt. In drei Rechtssachen ist das Gericht ferner zu dem Ergebnis gekommen, daß die Kommission den Begriff des Wiederholungsfalls nicht richtig angewandt habe, da gegen die betreffenden Unternehmen vor den hier relevanten Vorgängen noch nie wegen vergleichbarer Zuwiderhandlungen Sanktionen verhängt worden seien.

In der beigefügten Übersicht ist angegeben, welche Bußgeldbeträge von der Kommission festgesetzt wurden und welche Beträge das Gericht bestätigt hat. Das Gericht hat die Klägerinnen zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie eines Teils der Kosten der Kommission verurteilt.

N.B.: Gegen diese Urteile des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eingelegt werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht erster Instanz nicht bindet.

Dieses Dokument ist in englischer, deutscher, spanischer und französischer Sprache verfügbar.

N.B.: Wegen der Gleichartigkeit der Rechtssachen werden die Urteile ausnahmsweise nicht vollständig veröffentlicht. Der vollständige Wortlaut eines für die ,,Stahlträger"-Rechtssachen repräsentativen Urteils (Urteil in der Rechtssache T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission) wird heute ab etwa 15.00 Uhr über unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int in allen Sprachen verfügbar sein. Die übrigen Urteile werden nur in der Verfahrenssprache zur Verfügung stehen. Sie werden jedoch später auszugsweise, beschränkt auf Punkte von allgemeiner Tragweite, veröffentlicht.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.

ÜBERSICHT ÜBER DIE ,,STAHLTRÄGER"-RECHTSSACHEN

Nr. der Rechtssache

Klägerin

Land

Von der Kommission festgesetzte Geldbuße

(Ecu)

Geänderte Geldbuße

(Euros)

Herab-setzung in %

T-134/94

NMH Stahlwerke GmbH

D

150 000

110 000

26,66

T-136/94

Eurofer ASBL

-

-

-

-

T-137/94

ARBED SA

L

11 200 000

10 000 000

10,71

T-138/94

Cockerill Sambre SA

B

4 000 000

3 580 000

10,50

T-141/94

Thyssen Stahl AG

D

6 500 000

4 400 000

32,31 *

T-145/94

Unimétal SA

F

12 300 000

8 300 000

32,52 *

T-147/94

Krupp Hoesch Stahl AG

D

13 000

9 000

30,77

T-148/94

Preussag Stahl AG

D

9 500 000

8 600 000

9,47

T-151/94

British Steel plc

GB

32 000 000

20 000 000

37,50 *

T-156/94

Siderúrgica Aristrain Madrid SL

E

10 600 000

7 100 000

33,02 +

T-157/94

Empresa Nacional Siderúrgica SA

E

4 000 000

3 350 000

16,25

*Nichtigerklärung der Erhöhung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße wegen eines ,,Wiederholungsfalls"

+Die Herabsetzung der Geldbuße ist zum großen Teil auf einen der Klägerin selbst unterlaufenen Fehler bei der Berechnung des Umsatzes zurückzuführen.