Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 30/99

11. Mai 1999

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-350/97

W. Monsees / Unabhängiger Verwaltungssenat für Kärnten

DIE GELTENDE ÖSTERREICHISCHE REGELUNG ÜBER DEN SCHLACHTTIERTRANSPORT VERSTÖSST GEGEN DEN EG-VERTRAG


Eine nationale Regelung, die die Gesamtdauer und Wegstrecke des Straßentransports lebender Schlachttiere beschränkt und damit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats den internationalen Transport auf der Straße praktisch unmöglich macht, kann nicht mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt werden, soweit dieser durch weniger restriktive Maßnahmen, wie die in der Richtlinie von 1995 über den Tiertransport, gewährleistet werden kann

Herr Monsees trat am 23. August 1995 in Deutschland eine Fahrt mit einer Ladung von 31 Rindern an, deren Bestimmungsort Istanbul in der Türkei war. Am folgenden Tag wurde er von den österreichischen Zollbehörden an der österreichisch-italienischen Grenze kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Gesamtdauer des Transports 23 Stunden und 15 Minuten und die gesamte zurückgelegte Entfernung mehr als 300 km.

Die zu diesem Zeitpunkt geltende österreichische Regelung stellt für Schlachttiertransporte besondere Bedingungen auf: Der Transport darf nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt werden, eine Gesamttransportdauer von sechs Stunden und eine Entfernung von 130 km darf nicht überschritten werden. Um diese Dauer und diese Entfernung überschreiten zu können, bedarf es einer Bewilligung. Wer einen Tiertransport durchführen läßt oder durchführt, der diesen Vorschriften widerspricht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 10 000 ATS bis 50 000 ATS zu bestrafen.

Gegen Herrn Monsees wurden mit Straferkenntnis vom 9. Januar 1996 eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er die transportierten Tiere nicht bis zum nächstgelegenen geeigneten Schlachtbetrieb in Österreich befördert, sondern den Transport, ohne hierfür eine Bewilligung erhalten zu haben, über die vorgeschriebene Höchstdauer und -transportstrecke hinaus fortgesetzt hat.

Herr Monsees legte gegen diese Entscheidung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein; in diesem Rahmen machte er geltend, daß der internationale Charakter des Transports der Anwendung des nationalen Rechts entgegenstehe, die dazu führen würde, daß jeder Rindertransport aus Deutschland in Richtung Osten verhindert würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Erwägung, daß die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts über den freien Warenverkehr und den Schutz transportierter Tiere abhängt, den Gerichtshof angerufen.

Der Gerichtshof führt aus, daß die Vorschriften des österreichischen Gesetzes ein Hindernis für internationale Transporte und damit eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung sowohl der Einfuhr als auch der Ausfuhr darstellt, die durch das Gemeinschaftsrecht verboten ist.

Das Gemeinschaftsrecht sieht seit 1995 genaue Bestimmungen über die Höchstdauer und die Bedingungen des Transportes, die Häufigkeit der Fütterung und Tränkung der Tiere, die Mindestruhezeiten und die Ladedichte vor. Die Mitgliedstaaten mußten diesen neuen Vorschriften bis zum 31. Dezember 1996 nachkommen.

Bis zum Inkrattreten dieser Richtlinie konnte ein Mitgliedstaat sich unmittelbar auf die Vorschriften des EG-Vertrages stützen, wonach Beschränkungen des freien Warenverkehrs aus Gründen des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt sein können, denn dieser Schutz wird vom Gemeinschaftsrecht als wesentliches Erfordernis anerkannt.

Der Gerichtshof stellt jedoch fest, daß die österreichische Regelung dazu führte, daß die Durchfuhr internationaler Straßentransporte von Schlachttieren durch Österreich beinahe unmöglich gemacht wurde. Unter Verweis auf die 1995 in diesem Bereich ergangenen Gemeinschaftsvorschriften führt der Gerichtshof aus, daß zum Schutz der Gesundheit von Tieren geeignete Maßnahmen, die den freien Warenverkehr weniger beschränkt hätten, hätten gewählt werden können.

Deshalb antwortet der Gerichtshof auf die Frage des österreichischen Gerichts, daß die Vorschriften des EG-Vertrages über den freien Warenverkehr einer nationalen Gesetzesregelung wie der in Österreich entgegenstehen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher und französischer Sprache vor.

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