Gesellschaften können sich bei einer Kapitalerhöhung gegenüber einer nationalen Regelung über die Erhebung indirekter Steuern, die kein bloßes Entgelt für die Dienstleistung von im Beamtenverhältnis stehenden Notaren darstellen, unmittelbar auf das Gemeinschaftsrecht berufen
Nach der portugiesischen Notarordnung müssen bestimmte Rechtsgeschäfte, z. B. Änderungen von Handelsgesellschaften, öffentlich beurkundet werden: Sie müssen in einer notariellen Urkunde festgestellt werden. Die Notargebührenordnung legt die Höhe der dafür geschuldeten Vergütung des Notars fest: Ein Teil ihres Gehalts ist veränderlich und vom Wert des betreffenden Rechtsgeschäfts abhängig.
Die Notare sind in Portugal Staatsbeamte. Der Staat kommt für den festen Anteil ihrer Vergütung wie bei allen anderen Beamten auf. Die Notare entrichten einen Teil der von ihnen erhobenen Gebühren an eine Kasse, die mit der Vergütung der Notare, ihrer Ausbildung und anderen Kosten (Kauf von Einrichtungsgegenständen, andere Kosten auf dem Gebiet der Rechtspflege u. a.) betraut ist.
Modelo, eine Kapitalgesellschaft, beschloß, ihr Kapital von 7 240 000 000 PTE auf 14 000 000 000 PTE zu erhöhen, ihre Firma zu ändern und ihren Sitz zu verlegen. Für die dafür vorgenommene öffentliche Beurkundung mußte sie Gebühren in Höhe von 21 006 000 PTE zahlen.
Modelo stellt die Vereinbarkeit der portugiesischen Regelung mit der Richtlinie betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in Frage.
Das Supremo Tribunal Administrativo, das mit der Rechtssache nach Abweisung der Klage in der ersten Instanz befaßt ist, legt dem Gerichtshof verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Die Gebühren, die Beamte für die notarielle Beurkundung erheben und die teilweise dem Staat für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben zugute kommen, stellen nach Auffassung des Gerichtshofes eine Abgabe im Sinne der Richtlinie dar.
Der Gerichtshof stellt fest, daß das Gemeinschaftsrecht abgesehen von der Gesellschaftsteuer Steuern auf die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Förmlichkeit, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann, verbietet.
Nach Auffassung des Gerichtshofes sind nach der Richtlinie die unter diesen Umständen erhobenen Gebühren grundsätzlich verboten.
Der Gerichtshof prüft schließlich die in der Richtlinie vorgesehene Ausnahme, wonach Abgaben mit Gebührencharakter zulässig sind, die allein auf der Grundlage der Kosten der erbrachten Dienstleistung berechnet werden. Diese Ausnahme ist nach Auffassung des Gerichtshofes auf die Gebühren im vorliegenden Fall nicht anwendbar: Eine für eine notarielle Beurkundung einer Kapitalerhöhung, Firmenänderung oder Sitzverlegung entrichtete Abgabe, deren Höhe proportional zu dem gezeichneten Nennkapital steigt, stellt keine Vergütung dar, die nach dem geltenden Gemeinschaftsrecht erhoben werden kann.
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