Weil Frankreich bis zum Ablauf der gesetzten Frist (28. Januar 1996) keine ausreichend große Fläche im Sumpfgebiet des Poitou zum besonderen Schutzgebiet (BSG) erklärt hat, und weil es keine geeigneten Maßnahmen zur Ergänzung der Schutzbestimmungen für die bestehenden BSGe getroffen hat, wird es vom Gerichtshof wegen Vertragsverletzung verurteilt
Nach der Gemeinschaftsrichtlinie von 1979 über den Schutz der wildlebenden Vogelarten sind die Mitgliedstaaten u. a. verpflichtet, die für die Erhaltung bedrohter Wild- und Zugvogelarten in dem geographischen Meeres- und Landgebiet, in dem die Richtlinie Anwendung findet, geeignetsten Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären. Ferner haben die Mitgliedstaaten die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie erhebliche Belästigungen der Vögel in diesen Schutzgebieten zu vermeiden. (Diese Schutzmaßnahmen werden durch eine weitere Richtlinie von 1992 ergänzt, deren Inkrafttreten auf den Juni 1994 festgesetzt war.)
Die Kommission hat den Gerichtshof um die Feststellung ersucht, daß Frankreich die Vogelschutzrichtlinie mißachtet hat, weil es weder die erforderlichen besonderen Schutzmaßnahmen für die Erhaltung der Wildvögel im Sumpfgebiet des Poitou ergriffen noch geeignete Maßnahmen getroffen hat, um die Beeinträchtigung ihrer Lebensräume zu vermeiden.
Das Sumpfgebiet des Poitou ist nach Ansicht des Gerichtshofes ein Naturgebiet mit besonderer ornithologischer Bedeutung. Wie der Gerichtshof bemerkt, hat die französische Regierung selbst eingeräumt, daß sie nicht rechtzeitig eine ausreichend große Fläche im Sumpfgebiet des Poitou zum BSG erklärt hat (im April 1996 waren von einer Fläche von 77 900 Hektar, die von den französischen Behörden als Gebiet von besonderer Bedeutung für die Erhaltung der Wildvögel anerkannt worden war, 33 742 Hektar als BSG ausgewiesen).
Der Gerichtshof ist außerdem der Auffassung, daß Frankreich nicht rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der in der Region eingerichteten BSGe getroffen hat. Insbesondere reichten das französische Wassergesetz von 1962 und die Verträge des Staates mit den Landwirten, die vor allem zum Zweck der Entwicklung umweltfreundlicher Bewirtschaftungsmethoden geschlossen worden seien, nicht aus, um die Vermehrung und das Überleben der geschützten Arten sicherzustellen (das Gesetz betreffe nur die Wasserwirtschaft und die Verträge seien freiwillig).
Die französischen Behörden haben nach Auffassung des Gerichtshofes nicht alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Beeinträchtigung der im Sumpfgebiet des Poitou ausgewiesenen BSGe und eines Teils der Gebiete, die zu BSGen hätten erklärt werden müssen, zu vermeiden. Der Gerichtshof weist darauf hin, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, alles Notwendige zu tun, um die Beeinträchtigung der Lebensräume in den für die Erhaltung der Vögel geeignetsten Gebieten zu vermeiden, selbst wenn diese Gebiete nicht als BSGe ausgewiesen sind. Der Gerichtshof verfüge nicht über ausreichend Anhaltspunkte, um festzustellen, daß alle Gebiete, die zu Schutzgebieten hätten erklärt werden müssen, von Beeinträchtigungen betroffen gewesen seien. Für die eingerichteten Schutzgebiete verweist der Gerichtshof insbesondere auf eine Studie der Vogelschutzliga, nach der die Bestände der überwinternden Enten in zwei Gebieten (Bucht von Aiguillon und Pointe d'Arçay) zwischen 1986 und 1996 von 67 845 auf 16 551 zurückgegangen seien. Frankreich könne sich nicht durch den Verweis auf die Gemeinsame Agrarpolitik entlasten, die nach Darstellung der französischen Regierung in erster Linie für den Rückgang der Feuchtgebiete verantwortlich sei.
NB: Hinweis auf weitere anhängige Verfahren in bezug auf die Anwendung der Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten
Frankreich wurde bereits zweimal, mit Urteilen vom 27. April 1988 und 18. März 1999 (Mündungsgebiet der Seine), wegen Nichtumsetzung der Richtlinie verurteilt.
Außerdem sind drei weitere Klagen der Kommission gegen Frankreich anhängig.
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in französischer, englischer und deutscher Sprache vor.
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