Das Gericht erklärt eine Richtlinie des Rates über das Verbot der Verabreichung von ß-Agonisten an Tiere, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, für gültig
Die Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH (BI Vetmedica) stellt Tierarzneimittel her, die Clenbuterol, einen ß-Agonisten, enthalten. 1995 belief sich ihr Umsatz aus dem Verkauf dieser Erzeugnisse in den Mitgliedstaaten der Union auf über 13 Millionen DM.
ß-Agonisten sind Stoffe, die zur Behandlung von Atemstörungen sowohl beim Menschen als auch bei Tieren verwendet werden. Allerdings haben sie auch anabole Wirkung, ähnlich derjenigen, die durch Wachstumshormone hervorgerufen wird. Werden sie in deutlich höheren Dosen verabreicht, als zur therapeutischen Behandlung indiziert, lösen sie eine "Umverteilungswirkung" aus, die eine Erhöhung des Verhältnisses Fleisch/Fett bei den Tieren ermöglicht. So wird geschätzt, daß der Fleischanteil bei einem Tier um 10 % bis 26 % steigen kann, während gleichzeitig sein Fettanteil um 10 % bis 30 % sinkt.
Die in der Europäischen Gemeinschaft zugelassenen ß--Agonisten werden als sichere Erzeugnisse angesehen, wenn sie zu therapeutischen Zwecken verwendet werden. Ihr Einsatz als Wachstumsfaktor (zur künstlichen Tiermast) kann jedoch zu Gefahren für die menschliche Gesundheit führen, die sich in einer Beschleunigung des Herzrhythmus, in Migränen, einer Senkung des Blutdrucks usw. äußern.
Nachdem in den Mitgliedstaaten einige Fälle von Nahrungsmittelvergiftung beobachtet worden waren, erließ der Rat 1996 eine Richtlinie über das Verbot der Verabreichung von ß-Agonisten an Tiere, die für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, mit genau festgelegten therapeutischen Ausnahmen.
C. H. Boehringer Sohn, die die Geschäftsanteile der BI Vetmedica hält, und diese haben beantragt, die Bestimmungen über das allgemeine Verbot, das für sie schwerwiegende wirtschaftliche Folgen habe, für nichtig zu erklären.
Das Gericht prüft u. a. die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Nach diesem Grundsatz dürfen Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit der betreffenden Maßnahme zulässigerweise verfolgten Ziele angemessen und erforderlich ist. Es führt aus, daß die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen dürften.
Nach Auffassung des Gerichts kann in diesem Fall die Bedeutung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele - Schutz der öffentlichen Gesundheit und Wiederherstellung des Vertrauens der Verbraucher - negative wirtschaftliche Folgen für einige Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen. Unter Berücksichtigung der zunehmenden Verwendung von ß-Agonisten für die künstliche Viehmast und der Schwierigkeit, bei Kontrollen zwischen einer solchen mißbräuchlichen und einer zulässigen Verwendung zu therapeutischen Zwecken zu unterscheiden, sei den Gemeinschaftsbehörden kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, als sie davon ausgegangen seien, daß das allgemeine Verbot dieser Stoffe unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der öffentlichen Gesundheit die am besten geeignete Lösung gewesen sei. Das Gericht betont, daß die Wahrung der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor jeder anderen Erwägung haben muß und bestätigt daher die Rechtmäßigkeit der Richtlinie.
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