Language of document : ECLI:EU:T:2011:118

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

24. März 2011(*)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke Linea Natura Natur hat immer Stil – Ältere Gemeinschaftsbildmarke natura selection – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Ähnlichkeit der Zeichen – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑54/09

XXXLutz Marken GmbH mit Sitz in Wels (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Pannen,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch S. Schäffner als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Natura Selection, SL mit Sitz in Barcelona (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E. Sugrañes Coca,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 28. November 2008 (Sache R 1787/2007‑2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Natura Selection, SL und der XXXLutz Marken GmbH

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten E. Moavero Milanesi sowie der Richter N. Wahl und S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 11. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 16. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 5. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund des Umstands, dass keiner der Verfahrensbeteiligten binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 9. September 2005 meldete die LN-Möbelhandels GmbH beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelte es sich um das nachstehend abgebildete Bildzeichen: Image not found

3        Die Marke wurde für folgende Waren in den Klassen 8, 14, 16, 20, 21, 24, 25 und 27 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 8: „Elektrisch betriebene Werkzeuge und Geräte, soweit in Klasse 8 enthalten, insbesondere elektrische Rasierapparate, Bartschneider, elektrische Epilierapparate und Haarschneidegeräte, Frisierstäbe, Maniküren und Pediküren“

–        Klasse 14: „Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“;

–        Klasse 16: „Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten“;

–        Klasse 20: „Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit in Klasse 20 enthalten, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildplatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffe oder aus Kunststoffen“;

–        Klasse 21: „Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edelstahl oder plattiert); rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten“;

–        Klasse 24; „Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bett- und Tischdecken“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“;

–        Klasse 27: „Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum oder andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material)“.

4        Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 10/2006 vom 6. März 2006 veröffentlicht.

5        Am 2. Juni 2006 erhob die Streithelferin, die Natura Selection, SL, gegen die Anmeldung der Marke für die oben in Randnr. 3 genannten Waren gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009) einen Widerspruch.

6        Der Widerspruch wurde auf die nachstehend wiedergegebene, unter der Nr. 2016384 eingetragene Gemeinschaftsbildmarke gestützt:

Image not found

7        Die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die ältere, dem Widerspruch zugrunde liegende Marke bezieht, gehören zu den Klassen 3, 14, 16, 20, 25, 35, 38, 39 und 42 und entsprechen in diesen Klassen folgenden Beschreibungen:

–        Klasse 3: „Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“;

–        Klasse 14: „Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“;

–        Klasse 16: „Veröffentlichungen, Zeitschriften, Zeitungen, Plakate, Faltblätter, Kataloge und Formulare“;

–        Klasse 20: „Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind, aus Holz, Kork, Rohr, Binsen, Weide, Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perlmutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststoffen“;

–        Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“;

–        Klasse 35: „Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Beratung im Bereich Franchising und geschäftliche Zusammenarbeit“;

–        Klasse 39: „Vertrieb von Waren“;

–        Klasse 42: „Betrieb von Bars, Cafeterien, Milchbars und Restaurants“.

8        Die Streithelferin stützte ihren Widerspruch auch auf verschiedene Gemeinschafts‑ und nationale Marken, insbesondere auf die für Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 25 und 35 eingetragenen Gemeinschaftsbildmarken Nrn. 2704948 und 2704922 sowie auf die notorisch bekannten, das Wort „Natura“ enthaltenden spanischen Marken für Waren der Klassen 14, 16, 20, 21, 24, 25 und 27.

9        Der Widerspruch wurde im Fall der Gemeinschaftsbildmarken Nrn. 2016384 und 2704948 auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009) gestützt und im Fall der notorisch bekannten Marken auf Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009).

10      Am 2. Mai 2007 wurde die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke auf die Klägerin, die XXXLutz Marken GmbH, übertragen.

11      Mit Entscheidung vom 26. Oktober 2007 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 für alle Waren statt, für die die Eintragung beantragt worden war, wobei sie sich ausschließlich auf den Vergleich zwischen der älteren Gemeinschaftsbildmarke natura selection (Nr. 2016384) und der angemeldeten Bildmarke Linea Natura Natur hat immer Stil stützte. Die Widerspruchsabteilung vertrat die Auffassung, die übrigen Widerspruchsgründe brauchten nicht geprüft zu werden, da dem Widerspruch für alle Waren, für die die Marke angemeldet worden sei, stattgegeben worden sei.

12      Am 15. November 2007 legte die Klägerin beim HABM nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009) Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

13      Mit Entscheidung vom 28. November 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung der Widerspruchsabteilung, indem sie im Wesentlichen feststellte, dass zwischen den Bildzeichen natura selection und Linea Natura Natur hat immer Stil Verwechslungsgefahr bestehe, weil zum einen die von den beiden Marken erfassten Produkte identisch oder sehr ähnlich seien und zum anderen das dominierende Element der beiden Zeichen, d. h. der Begriff „natura“, identisch sei. Die Beschwerdekammer führte aus, dass die zwischen den Zeichen bestehende visuelle, phonetische und begriffliche Ähnlichkeit durch die visuellen Unterschiede zwischen den Wort‑ und Bildbestandteilen nicht neutralisiert werde, die schwach, ohne Kennzeichnungskraft und unlesbar seien. Schließlich stellte die Beschwerdekammer fest, dass angesichts der Rechtsprechung des Gerichts zum Schutz der älteren Marke vor einer Verwechslungsgefahr eine Prüfung weder der von der älteren Marke erlangten Kennzeichnungskraft noch der übrigen älteren Rechte oder der auf Art. 8 Abs. 5 und Art. 8 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 gestützten Widerspruchsgründe erforderlich sei.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten

14      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

15      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

17      Die Klägerin führt als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 an.

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

18      Die Klägerin macht geltend, dass die in Rede stehenden Marken entgegen der Auffassung der Beschwerdekammer als Ganzes und nicht isoliert im Hinblick auf ihre einzelnen Bestandteile miteinander zu vergleichen seien.

19      Gemäß der Rechtsprechung nehme der Durchschnittsverbraucher die Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achte nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Die Verwechslungsgefahr müsse daher umfassend im Hinblick auf die Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bezug auf Bild, Klang oder Bedeutung beurteilt werden.

20      Die Beschwerdekammer habe zu Recht festgestellt, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise im vorliegenden Fall aus den Durchschnittsverbrauchern der Europäischen Union zusammensetzten.

21      In visueller Hinsicht dominiere die in zentraler Position der älteren Marke platzierte Darstellung der Erdkugel, die sich aufgrund ihrer Größe deutlich von den anderen Bestandteilen abhebe; zumindest aber sei sie ein Element, das den visuellen Gesamteindruck der älteren Marke stark beeinflussen könne. Die Auffassung der Beschwerdekammer, wonach der Durchschnittsverbraucher die abstrakte Darstellung der Erdkugel als einen Hinweis auf den internationalen Charakter der Waren und nicht als Hinweis auf deren Ursprung auffasse, sei unzutreffend und unzureichend begründet.

22      Die gewählte Schrifttype, die Farbe und die Anordnung der Bestandteile sowie die Tatsache, dass der Abstand zwischen den Worten „Linea“ und „Natura“ gering sei, seien Unterschiede, die zur Folge hätten, dass die beiden einander gegenüberstehenden Marken nicht ähnlich seien.

23      Selbst im Hinblick auf die Form bestünden zwischen den beiden Zeichen erhebliche Unterschiede. Die ältere Marke sei vertikal ausgerichtet, und ihre Umrisse hätten die Form eines vertikal ausgerichteten Rechtecks. Die angemeldete Marke sei demgegenüber horizontal ausgerichtet und habe keine Einrahmung.

24      Nach ständiger Rechtsprechung dürften zusammengesetzte Marken, die nur hinsichtlich eines Zeichenbestandteils übereinstimmten, nur dann als ähnlich beurteilt werden, wenn dieser Bestandteil das dominierende Element dieser Marken sei, so dass alle übrigen Bestandteile der genannten Marken für den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen seien. Demzufolge könne das Element „Natura“ im vorliegenden Fall für den visuellen Eindruck der älteren Marke oder der angemeldeten Marke nicht dominierend sein.

25      In phonetischer Hinsicht bildeten die Wortbestandteile „natura selection“ und „Linea Natura“ „eine eigene logische und begriffliche Einheit“ zur Bezeichnung einer Kollektion oder Produktlinie, die aus natürlichen oder naturbelassenen Materialien bestehe oder mittels eines umweltfreundlichen Verfahrens hergestellt worden oder in anderer Hinsicht umweltfreundlich sei. Deshalb gebe es keinen Grund für die Annahme, dass der Verkehr nur das Wort „natura“ im Gedächtnis behalte.

26      Der Begriff „natura“ sei lateinischen Ursprungs und bedeute „Natur“. Diese Bedeutung werde von den maßgeblichen Verkehrskreisen verstanden, weil der Begriff in identischer oder ähnlicher Schreibweise Eingang in verschiedene europäische Sprachen gefunden habe. Die Beschwerdekammer habe daher irrig behauptet, der Begriff „natura“ werde in Spanien als ein auf „Natur“ und „natürliche Dinge“ anspielendes Phantasiewort aufgefasst. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall auf den europäischen Durchschnittsverbraucher und nicht auf den spanischen Verbraucher abzustellen.

27      Das Element „natura“ sei in den beiden fraglichen Zeichen zwar enthalten, jedoch dominiere es bei ihnen nicht, so dass diese Zeichen phonetisch nicht als ähnlich anzusehen seien.

28      Die Worte „Selection“ und „Linea“ hätten in Verbindung mit dem Wort „natura“ begrifflich dieselbe Bedeutung und spielten auf eine Zusammenstellung von Waren an, die aus natürlichen oder naturbelassenen Materialien bestünden oder mittels eines umweltfreundlichen Verfahrens hergestellt worden oder in anderer Hinsicht umweltfreundlich seien. Der Begriff „natura selection“ sei in Bezug auf die hier relevanten Waren beschreibend und könne – wie sich aus einer früheren Entscheidung der Beschwerdekammer ergebe – weder bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Zeichen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 Berücksichtigung finden noch unter den Markenschutz nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 12 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 12 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) fallen.

29      Hinsichtlich der Gesamtwürdigung der Verwechslungsgefahr stimmen nach Ansicht der Klägerin die angemeldete Marke und die ältere Marke in visueller und phonetischer Hinsicht ausschließlich in Bezug auf den Wortbestandteil „natura“ überein. Nach der Rechtsprechung könne diese Übereinstimmung nicht zur Bejahung einer visuellen und/oder phonetischen Ähnlichkeit der in Rede stehenden Zeichen führen, weil der Wortbestandteil „natura“ nicht das dominierende Element sei. Von der begrifflichen Ähnlichkeit der beiden Zeichen könne nicht auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr geschlossen werden, da dies eine Monopolisierung hochgradig freihaltebedürftiger Zeichenbestandteile zur Folge hätte.

30      Das HABM und die Streithelferin treten dem gesamten Vorbringen der Klägerin entgegen.

 Würdigung durch das Gericht

31      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Die Gefahr von Verwechslungen schließt die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Zu den älteren Marken gehören nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 207/2009) die in der Europäischen Gemeinschaft eingetragenen Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

32      Nach ständiger Rechtsprechung liegt Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr entsprechend der Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise von den in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen umfassend und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], T‑162/01, Slg. 2003, II‑2821, Randnrn. 30 bis 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, Slg. 2009, II‑43, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf einen normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, Slg. 2007, II‑449, Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer die Verwechslungsgefahr zwischen der älteren Gemeinschaftsbildmarke natura selection und der angemeldeten Marke Linea Natura Natur hat immer Stil in Bezug auf die in der Anmeldung beanspruchten Waren der Klassen 8, 14, 16, 20, 21, 24, 25 und 27 geprüft. Die Beschwerdekammer hat in Randnr. 22 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die Parteien die Feststellungen der Widerspruchsabteilung zum Vergleich der in Rede stehenden Waren nicht beanstandet hätten. Die Widerspruchsabteilung hatte laut Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass diese Waren identisch oder ähnlich seien oder miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen.

36      Ferner hat die Beschwerdekammer in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung befunden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise angesichts der Art der in Frage stehenden Waren, bei denen es sich um solche des täglichen Bedarfs handelt, und des Umstands, dass die ältere Marke eine Gemeinschaftsmarke sei, aus den europäischen Durchschnittsverbrauchern bestünden, was die Klägerin ebenfalls nicht bestritten hat.

 Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen

37      Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Hinblick auf die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bezug auf Bild, Klang oder Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Dieser nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken bedeutet nicht, dass nur ein Bestandteil einer komplexen Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der maßgeblichen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. Urteil HABM/Shaker, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann nur dann für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteile des Gerichtshofs HABM/Shaker, Randnr. 42, und vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn schon dieser Bestandteil allein geeignet ist, das Bild dieser Marke, das die angesprochenen Verkehrskreise im Gedächtnis behalten, so zu prägen, dass alle übrigen Bestandteile der Marke in dem durch diese hervorgerufenen Gesamteindruck zu vernachlässigen sind (Urteil Nestlé/HABM, Randnr. 43).

39      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass bei der älteren Marke der Begriff „natura“ dominiere und dass die Darstellung der Erdkugel geringe Kennzeichnungskraft habe, weil sie im Handel häufig verwendet werde, um den internationalen Charakter von Waren hervorzuheben.

40      Die Klägerin bestreitet, dass das Element „natura“ das dominierende Element sei und die beiden einander gegenüberstehenden Marken unterscheide, und hält die Darstellung der Erdkugel in der älteren Marke für das dominierende Element, weil sie in der Mitte des Zeichens angebracht sei und sich durch ihre Größe von den anderen Elementen, aus denen die Marke bestehe, deutlich abhebe. Die Auffassung, dass die Darstellung der Erdkugel als ein Hinweis auf den internationalen Charakter der in Rede stehenden Waren aufgefasst werde, sei unzutreffend.

–       Zur visuellen Ähnlichkeit

41      Nach der Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Bestandteil oder mehrere bestimmte Bestandteile einer zusammengesetzten Marke dominierend sind, die Eigenschaften jedes einzelnen dieser Bestandteile insbesondere in der Weise zu berücksichtigen, dass sie mit den Eigenschaften der anderen Bestandteile verglichen werden. In zweiter Linie kann auch auf die jeweilige Rolle der einzelnen Bestandteile bei der Gesamtgestaltung der zusammengesetzten Marke abgestellt werden (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM – Hukla Germany [MATRATZEN], T‑6/01, Slg. 2002, II‑4335, Randnr. 35, und vom 13. Dezember 2007, Cabrera Sánchez/HABM – Industrias Cárnicas Valle [el charcutero artesano], T‑242/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 47).

42      Es ist somit zu prüfen, ob sich das Wortelement in dem von den Marken jeweils hervorgerufenen Gesamteindruck als das dominierende Element durchsetzt.

43      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass in einem Zeichen, das sowohl aus Bildelementen als auch aus Wortelementen besteht, nicht stets das Wortelement automatisch als das dominierende Element anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Simonds Farsons Cisk/HABM – Spa Monopole [KINJI by SPA], T‑3/04, Slg. 2005, II‑4837, Randnr. 45). In einer zusammengesetzten Marke kann nämlich das Wortelement den gleichen Rang wie das Bildelement haben (Urteil el charcutero artesano, Randnr. 55; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002, Vedial/HABM – France Distribution [HUBERT], T‑110/01, Slg. 2002, II‑5275, Randnr. 53). Der Gerichtshof hat diese Beurteilung mit Urteil vom 12. Oktober 2004, Vedial/HABM (C‑106/03 P, Slg. 2004, I‑9573), insofern bestätigt, als er keinerlei Beanstandung gegen sie vorgebracht hat.

44      Zweitens bedeutet die geringe Unterscheidungskraft eines Elements einer zusammengesetzten Marke nicht zwangsläufig, dass es nicht ein beherrschendes Element sein kann, da es sich insbesondere durch seine Position im Zeichen oder seine Größe der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und in sein Gedächtnis einprägen kann (Urteile des Gerichts vom 13. Juli 2004, AVEX/HABM – Ahlers (a), T‑115/02, Slg. 2004, II‑2907, Randnr. 20, und vom 13. Dezember 2007, Xentral/HABM – Pages jaunes [PAGESJAUNES.COM], T‑134/06, Slg. 2007, II‑5213, Randnr. 54).

45      Im vorliegenden Fall besteht die ältere Bildmarke aus einer abstrakten Darstellung der Erdkugel in Schwarzweiß, die etwa die Hälfte der Gesamtfläche des Zeichens ausmacht und durch zwei vertikale Linien und die in Kleinbuchstaben über bzw. unter der Erdkugel geschriebenen zwei Worte „natura“ und „selection“ eingerahmt ist, die ein vertikal ausgerichtetes Rechteck bilden.

46      Die angemeldete Marke besteht aus einem horizontal ausgerichteten Rechteck von heller Farbe, in dem in Fett- und Kursivdruck, in grün und unterstrichen die Worte „Linea Natura“ stehen. Das Element „Natur hat immer Stil“ bildet, in kleinen Buchstaben, eine Verlängerung der Unterstreichung der Worte „Linea Natura“.

47      Das Wortelement „natura“ ist entgegen der Feststellung der Beschwerdekammer in Randnr. 25 der angefochtenen Entscheidung aufgrund der einzelnen Bildelemente, aus denen sich die ältere Bildmarke zusammensetzt, und der Position, die sie in dem Zeichen einnehmen, nicht das dominierende Element der genannten Marke.

48      Ebenso ist entgegen den Schlussfolgerungen der Beschwerdekammer, wonach die Darstellung der Erdkugel auf einen internationalen Charakter hinweise und daher nur geringe Unterscheidungskraft habe, festzustellen, dass die Art der Darstellung der Erdkugel zusammen mit dem Wortelement „natura“ beim Verbraucher eher die Vorstellung vom Planeten Erde hervorruft, d. h. von etwas Natürlichem, das aus der Erde hervorgegangen ist. Außerdem darf die Erdkugel aufgrund ihrer zentralen Platzierung in der Marke, ihrer Größe im Verhältnis zu den übrigen Elementen, aus denen sich das genannte Zeichen zusammensetzt, und der etwas naiven Art ihrer Darstellung bei einem visuellen Vergleich der beiden Zeichen nicht außer Acht bleiben.

49      Selbst wenn die abstrakte Darstellung der Erdkugel nur geringe Unterscheidungskraft haben sollte, wäre dies im Übrigen kein Grund, sie bei einem visuellen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen außer Acht zu lassen. Die abstrakte Darstellung der Erdkugel kann sich zwar – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – nicht der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und seinem Gedächtnis einprägen und dabei die übrigen Elemente, aus denen sich die ältere Marke zusammensetzt, in den Schatten stellen. Ihre angeblich geringe Unterscheidungskraft könnte aber durch ihre zentrale Platzierung in der älteren Marke ausgeglichen werden, die ihr das gleiche Gewicht wie das des Wortbestandteils der genannten Marke verleihen würde.

50      Daher hätte, wie die Klägerin geltend gemacht hat und entgegen der von der Beschwerdekammer durchgeführten Prüfung, dem visuellen Zeichenvergleich die Gesamtheit der Bild‑ und Wortelemente der Zeichen zugrunde gelegt werden müssen.

51      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob der somit von der Beschwerdekammer begangene Fehler einen Einfluss auf die von ihr durchgeführte Prüfung hatte.

52      Nach der Rechtsprechung reicht die Tatsache, dass die beiden einander gegenüberstehenden Marken ähnliche Wortelemente enthalten, als solche nicht aus, um auf das Vorliegen einer visuellen Ähnlichkeit dieser Marken zu schließen, denn das Vorhandensein von Bildelementen in spezieller Gestaltung kann einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 9. Juli 2003, Laboratorios RTB/HABM – Giorgio Beverly Hills [GIORGIO AIRE], T‑156/01, Slg. 2003, II‑2789, Randnrn. 73 und 74, und KINJI by SPA, Randnr. 48).

53      Die einander gegenüberstehenden Zeichen sind zwar in Bezug auf Form, Farben, die verwendete Schrift und die Wortelemente, aus denen sie sich zusammensetzen, sowie deren Platzierung in den Zeichen unterschiedlich. Trotz dieser Unterschiede ergibt sich jedoch bei einem Vergleich der Zeichen eine Ähnlichkeit der Wortelemente „natura selection“ und „Linea Natura“, denen der Begriff „natura“ gemein ist. Unter den Wortelementen hat dieser nämlich in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, die von den einander gegenüberstehenden Zeichen erfasst werden, die größte Unterscheidungskraft, denn er weckt die Vorstellung von etwas Natürlichem oder Umweltfreundlichem, das aus der Natur oder der Erde hervorgegangen ist, und eine derartige Vorstellung ist nicht geeignet, ein Merkmal der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu bezeichnen. Demgegenüber hebt sich das unter der Bezeichnung „Linea Natura“ platzierte und mit viel kleineren Buchstaben geschriebene Wortelement „Natur hat immer Stil“ kaum von der Gesamtheit der Anmeldemarke ab und trägt daher nichts zur Unterscheidung bei. Demnach reichen entgegen dem Vorbringen der Klägerin diese Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen nicht aus, um das in diesen Zeichen vorhandene gemeinsame Wortelement „natura“ auszugleichen.

54      Die Unterscheidungskraft und der nicht beschreibende Charakter des Wortelements „natura“ sind in Anbetracht der von den fraglichen Zeichen betroffenen Waren und Dienstleistungen besonders offenkundig. Die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen der Klassen 35 und 39 und die von der Anmeldemarke erfassten Waren der Klassen 8 und 21 stehen nämlich in keinem Zusammenhang mit der Natur. Allenfalls mag, wie die Beschwerdekammer in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, das Wortelement „natura“ vermuten lassen, dass einige dieser Waren aus natürlichen Materialien gemacht sind, dass sie hautfreundlich sind oder dass das Verfahren ihrer Herstellung für die Natur ungefährlich ist, ohne dass jedoch irgendein unmittelbarer und konkreter Zusammenhang mit den fraglichen Waren hergestellt würde. Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das Wortelement „natura“ eine „normale Unterscheidungskraft“ besitze.

55      Die Klägerin wendet sich indes offenbar gegen diese Feststellung der Beschwerdekammer, indem sie geltend macht, diese sei von der Wahrnehmung des Zeichens durch das spanische Publikum als ein auf die Natur anspielendes Phantasiewort ausgegangen, nicht jedoch von der Wahrnehmung der Verbraucher in der Europäischen Union. Dieses Vorbringen ist jedoch als unbegründet zurückzuweisen. Erstens hat die Beschwerdekammer in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung nämlich nicht auf die Wahrnehmung des Wortelements „natura“ durch das spanische Publikum, sondern auf das Gebiet abgestellt, in dem der Ruf oder die Bekanntheit der Marke geltend gemacht wird, d. h. auf Spanien, wo es den Begriff „natura“ nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht gibt. In Wirklichkeit werden die maßgeblichen Verkehrskreise in Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung als „die normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aller Mitgliedstaaten“ definiert. Zweitens hat die Beschwerdekammer mit ihrer Behauptung, das Wort „natura“ gebe es in Spanien nicht und werde dort daher als ein Phantasiewort aufgefasst, das auf Natur und oder natürliche Dinge anspiele, gewiss einen Fehler begangen. Nach dem Diccionario de la Lengua Española der Real Academia Española ist der Begriff „natura“ nämlich ein Wort lateinischen Ursprungs mit der Hauptbedeutung „naturaleza“, d. h. „Natur“. Die von der Beschwerdekammer zur Unterscheidungskraft des Wortelements „natura“ getroffene Feststellung wird durch diesen Fehler jedoch nicht rechtswidrig. Die Tatsache, dass dieses Wortelement ein spanischer Ausdruck für „Natur“ ist, bedeutet nicht, dass seine Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, gering wäre. Als ein lateinisches Wort mit der Bedeutung „Natur“, das es auch im Spanischen und im Italienischen und mit einer ziemlich ähnlichen Entsprechung im Französischen und Englischen (nature) und Deutschen gibt, ist dieser Begriff geeignet, vom Durchschnittsverbraucher der Europäischen Union als eine Anspielung auf natürliche oder umweltfreundliche Dinge aufgefasst zu werden, ohne dass er, wie vorstehend in Randnr. 55 festgestellt worden ist, eine Beschreibung der Merkmale der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen ist.

56      Da zum einen die ältere Marke Bildelemente enthält, die bei einem Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen sind, insbesondere die abstrakte Darstellung der Erdkugel, und zum anderen das Wortelement „natura“ in den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen enthalten ist, ist entgegen der von der Beschwerdekammer in Randnr. 27 der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung festzustellen, dass die streitigen Zeichen eine geringe visuelle Ähnlichkeit aufweisen.

–       Zur klanglichen Ähnlichkeit

57      In klanglicher Hinsicht besitzen die Wortelemente „natura selection“ und „Linea Natura“ unbestreitbar eine gewisse Ähnlichkeit. Wie bereits vorstehend in Randnr. 53 festgestellt worden ist, ist ihnen nämlich das Wort „natura“ gemein, das in beiden Fällen gleich ausgesprochen wird.

58      Der Unterschied zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen, der sich zum einen aus dem am Anfang der Anmeldemarke verwendeten Wort „Linea“ und zum anderen aus dem Wort „selection“ am Ende der älteren Marke ergibt, ist nicht groß genug, um die durch das beiden Marken gemeinsame Element – das Wort „natura“ – hervorgerufene klangliche Ähnlichkeit ausschließen zu können. Gerade dieses Wortelement hat nämlich, wie bereits vorstehend in Randnr. 54 dargelegt, die größte Unterscheidungskraft. Demgegenüber werden das Element „Linea“, der spanische Begriff für „Linie“, und das Element „selection“, ein Grundwort der englischen Sprache mit der Bedeutung von „Auswahl“, im Handel häufig zur Bezeichnung einer Auswahl oder einer Produktlinie verwendet und haben daher in den Augen der Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Waren geringe Unterscheidungskraft (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 25. März 2009, L’Oréal/HABM – Spa Monopole [SPALINE], T‑21/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32).

59      Da überdies beim klanglichen Vergleich der Zeichen die Bildelemente außer Betracht bleiben, treten bestehende Gemeinsamkeiten der Zeichen hierbei stärker hervor als beim bildlichen Vergleich (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM – Petit Liberto [Fifties], T‑104/01, Slg. 2002, II‑4359, Randnr. 40).

60      Die Tatsache, dass das unterscheidungskräftige Wortelement, das Wort „Natura“, in den einander gegenüberstehenden Zeichen enthalten ist und dass die übrigen Wortelemente nur geringe Unterscheidungskraft besitzen, genügt also für die Annahme, dass die genannten Zeichen in klanglicher Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit besitzen.

–       Zur begrifflichen Ähnlichkeit

61      Nach der Rechtsprechung können die begrifflichen Unterschiede geeignet sein, die bildlichen und klanglichen Ähnlichkeiten zu neutralisieren, wenn zumindest eine der fraglichen Marken für die maßgeblichen Verkehrskreise eine eindeutige und bestimmte Bedeutung hat, so dass diese Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen können (Urteile des Gerichts vom 14. Oktober 2003, Phillips-Van Heusen/HABM – Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], T‑292/01, Slg. 2003, II‑4335, Randnr. 54, und vom 11. November 2009, REWE-Zentral/HABM – Aldi Einkauf [Clina], T‑150/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48).

62      Die Worte „Linea“ und „selection“ in Verbindung mit dem Wort „natura“ weisen im vorliegenden Fall, wie die Klägerin in ihren Schriftsätzen einräumt, eindeutig und in leicht verständlicher Weise darauf hin, dass „die so gekennzeichneten Waren Teil einer Kollektion von Waren sind, die aus natürlichen bzw. naturbelassenen Materialien bestehen oder mittels eines umweltfreundlichen Verfahrens hergestellt werden oder die sich in sonstiger Weise umweltfreundlich auswirken“. Mit dieser Aussage räumt die Klägerin implizit ein, dass die Bedeutung der einander gegenüberstehenden Zeichen aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise sehr ähnlich ist.

63      Trotzdem hält die Klägerin das Wortelement „natura selection“ für beschreibend und meint, dass beschreibende Angaben, die gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und Art. 12 Buchst b der Verordnung Nr. 40/94 nicht in den Genuss des Markenschutzes kommen sollten, daher nicht oder allenfalls in ganz eingeschränktem Umfang für die Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen zwei Zeichen berücksichtigt werden dürften.

64      Nach der Rechtsprechung fällt ein Zeichen unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 aufgestellte Verbot, wenn es einen hinreichend unmittelbaren und konkreten Zusammenhang mit den fraglichen Waren oder Dienstleistungen aufweist, der es den angesprochenen Verkehrskreisen ermöglicht, sofort und ohne weiteres Nachdenken in ihm eine Beschreibung der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale zu erkennen (Urteile des Gerichts vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, Slg. 2005, II‑2383, Randnr. 25, und vom 11. Februar 2010, Deutsche BKK/HABM [Deutsche BKK], T‑289/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34).

65      Die Beschwerdekammer hat, wie vorstehend in Randnr. 54 erwähnt, in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das Wortelement „natura“ eine „normale Unterscheidungskraft“ besitze, weil es in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend sei. Die Klägerin hat demgegenüber nichts vorgetragen, um ihre Auffassung zu untermauern, dass aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise zwischen dem Wortelement „natura selection“ der älteren Bildmarke, die das nach Ansicht der Beschwerdekammer nicht beschreibende Wort enthält, und den Waren und Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen wurde, ein unmittelbarer und konkreter Zusammenhang besteht und dass das genannte Wortelement daher für die genannten Waren und Dienstleistungen beschreibend sei.

66      Sie hat ihre Auffassung lediglich auf eine frühere Entscheidung der Beschwerdekammer des HABM gestützt. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Entscheidungen der Beschwerdekammern des HABM über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen ist daher allein auf der Grundlage dieser Verordnung und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, Slg. 2007, I‑3569, Randnr. 65, und Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE]), T‑346/04, Slg. 2005, II‑4891, Randnr. 71).

67      Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer zu Recht in Randnr. 29 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen eine begriffliche Ähnlichkeit besteht.

 Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr

68      Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert eine gewisse Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Mast-Jägermeister/HABM – Licorera Zacapaneca [VENADO mit Rahmen u. a.], T‑81/03, T‑82/03 und T‑103/03, Slg. 2006, II‑5409, Randnr. 74).

69      Die Beschwerdekammer hat die verglichenen Zeichen als sehr ähnlich angesehen, weil die visuellen Unterschiede durch ihr dominierendes Element neutralisiert würden, und hat daher in Anbetracht der starken Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken geschlossen.

70      Die Klägerin meint demgegenüber, die zwischen den beiden fraglichen Zeichen bestehenden Ähnlichkeiten könnten nicht zu der Annahme führen, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe, weil zum einen das Wortelement „natura“ in den beiden Marken nicht auf das Bestehen einer visuellen und/oder klanglichen Ähnlichkeit schließen lasse, und zum anderen die begriffliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Zeichen nicht berücksichtigt werden dürfe, da dies eine Monopolisierung hochgradig freihaltebedürftiger Zeichenbestandteile zur Folge hätte.

71      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung der streitigen Zeichen (siehe oben, Randnrn. 50, 56, 60 und 67), dass diese begrifflich sehr ähnlich sind, in klanglicher Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit und in visueller Hinsicht geringe Ähnlichkeit aufweisen. Die starke begriffliche Ähnlichkeit kann jedoch die namentlich in visueller Hinsicht zwischen den fraglichen Zeichen bestehenden Unterschiede neutralisieren, so dass diese Zeichen von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ähnlich aufgefasst werden.

72      Aus diesen Gründen ist das Bestehen einer Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen als erwiesen anzusehen und festzustellen, dass die fraglichen Waren, wie in der angefochtenen Entscheidung dargelegt wurde, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, ähnlich oder gar identisch sind.

73      Im Übrigen ist festzustellen, dass in der Bekleidungsbranche, einem der betroffenen Sektoren, häufig ein und dieselbe Marke je nach der Art der mit ihr gekennzeichneten Waren verschiedene Gestaltungen aufweist. Die Bekleidungshersteller verwenden auch üblicherweise Untermarken, d. h. von einer Hauptmarke abgeleitete und mit dieser einen gemeinsamen dominanten Bestandteil teilende Zeichen, zur Kennzeichnung ihrer verschiedenen Produktserien. Im vorliegenden Fall ist bereits darauf hingewiesen worden, dass den einander gegenüberstehenden Marken das Wort „natura“, das das Wortelement mit der größten Unterscheidungskraft ist, gemein ist. Daher könnten die Verbraucher annehmen, dass es sich bei der Anmeldemarke Linea Natura Natur hat immer Stil um eine andere Gestaltung oder eine Untermarke der Marke natura selection handelt und dass die von der Anmeldemarke erfassten Waren deshalb zu einer neuen Produktlinie gehören, die vom Inhaber der älteren Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen vertrieben wird (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 3. Juli 2003, Alejandro/HABM – Anheuser-Busch [BUDMEN], T‑129/01, Slg. 2003, II‑2251, Randnr. 57; ARTHUR ET FELICIE, Randnr. 68, und vom 16. September 2009, Zero Industry/HABM – zero Germany [zerorh+], T‑400/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 81).

74      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei festgestellt hat, dass Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 besteht. Somit ist der einzige von der Klägerin geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

75      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die XXXLutz Marken GmbH trägt die Kosten.

Moavero Milanesi

Wahl

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. März 2011.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.