Language of document : ECLI:EU:T:2023:437

URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

26. Juli 2023(*)

„Schiedsklausel – Rahmenprogramm für Forschung und Innovation ‚Horizont 2020‘ (2014-2020) – Projekt ‚aDvanced sOcial enGineering And vulNerability Assessment Framework (Dogana)‘ – Finanzhilfevereinbarung – Nichtigkeitsklage – Endgültiger Rechnungsprüfungsbericht – Zahlungsaufforderung – Nicht mit einer Klage anfechtbare Handlungen – Handlungen in einem rein vertraglichen Rahmen, von dem sie nicht zu trennen sind – Unzulässigkeit – Bestimmung der beklagten Partei – Unzuständigkeit – Personalkosten – Prämien, die anhand von kommerziellen Zielen berechnet werden – Fehlende Förderfähigkeit – Vertrauensschutz“

In der Rechtssache T‑222/22,

Engineering – Ingegneria Informatica SpA mit Sitz in Rom (Italien), vertreten durch Rechtsanwälte S. Villata, L. Montevecchi und C. Oncia,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch M. Ilkova und S. Romoli als Bevollmächtigte,

und

Europäische Exekutivagentur für die Forschung (REA), vertreten durch S. Payan-Lagrou und V. Canetti als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt D. Gullo,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk (Berichterstatterin), des Richters E. Buttigieg und der Richterin B. Ricziová,

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere

–        der Einrede, die die Kommission nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts mit am 6. Juli 2022 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesondertem Schriftsatz erhoben hat,

–        der bei der Kanzlei des Gerichts am 22. August 2022 eingegangenen Stellungnahme der Klägerin zu dieser Einrede,

aufgrund des Umstands, dass weder die Klägerin noch die REA innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt haben, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach den Art. 263 und 272 AEUV begehrt die Klägerin, die Engineering – Ingegneria Informatica SpA, im Wesentlichen zum einen die Aufhebung mehrerer Handlungen der Europäischen Kommission und der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung (REA) in Bezug auf die Finanzhilfevereinbarung Nr. 653618 (im Folgenden: Finanzhilfevereinbarung) betreffend das Projekt „aDvanced sOcial enGineering And vulNerability Assessment Framework (Dogana)“ (Bewertungsrahmen für fortschrittliches Social Engineering und Schwachstellenanalyse) (im Folgenden: Projekt) und zum anderen die Feststellung der Förderfähigkeit bestimmter Kosten auf der Grundlage dieser Vereinbarung und folglich der fehlenden Berechtigung der Kommission und der REA, die diesen Kosten entsprechenden Beträge zurückzufordern.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gesellschaft, die in der Forschung und Entwicklung im Technologiesektor tätig ist.

3        Die REA ist eine Exekutivagentur, die zur Verwaltung der Programme der Europäischen Union im Bereich der Forschung eingerichtet wurde. Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 58/2003 des Rates vom 19. Dezember 2002 zur Festlegung des Statuts der Exekutivagenturen, die mit bestimmten Aufgaben bei der Verwaltung von Gemeinschaftsprogrammen beauftragt werden (ABl. 2003, L 11, S. 1), besitzt sie Rechtspersönlichkeit, genießt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts- und Geschäftsfähigkeit und ist insbesondere vor Gericht parteifähig.

 Finanzhilfevereinbarung

4        Im Kontext des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ (2014-2020) (im Folgenden: Rahmenprogramm Horizont 2020) schlossen die Engineering International Belgium SA als Koordinatorin sowie andere Begünstigte auf der einen Seite und die REA auf der anderen Seite am 28. April 2015 die Finanzhilfevereinbarung. Kraft zweier im Dezember 2017 und im März 2018 geschlossener Änderungsverträge wurde die Klägerin mit Wirkung vom 5. Juli 2017 als Begünstigte aufgenommen und löste Engineering International Belgium mit Wirkung vom 15. Dezember 2017 als Koordinatorin ab.

5        Art. 2 der Finanzhilfevereinbarung sieht die Gewährung einer Finanzhilfe für das Projekt vor (im Folgenden: Finanzhilfe). Gemäß Art. 3 dieser Vereinbarung sollte die Durchführung dieses Projekts am 1. September 2015 beginnen und 36 Monate dauern.

6        Gemäß Art. 5.2 der Finanzhilfevereinbarung umfasst die Finanzhilfe insbesondere die Erstattung von 70 % der förderfähigen Kosten der Begünstigten, bei denen es sich um gewinnorientierte Rechtspersonen handelt. Diese förderfähigen Kosten beinhalten insbesondere erstens „direkte Personalkosten“ und zweitens „indirekte Kosten“, die pauschal berechnet werden. Die „direkten Personalkosten“ sind ihrerseits in zwei Kategorien unterteilt, nämlich zum einen die „tatsächlich angefallenen Kosten“ oder „tatsächlichen Kosten“ und zum anderen die „Einheitskosten“, die auf der Grundlage eines Betrags pro Einheit, der vom Begünstigten in Übereinstimmung mit seinen üblichen Kostenrechnungsverfahren berechnet werden, bestimmt.

7        Gemäß Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Finanzhilfevereinbarung sind die tatsächlichen Kosten unter der Voraussetzung förderfähig, dass sie „in Verbindung mit [dem Projekt] angefallen und für [dessen] Durchführung erforderlich“ sind.

8        Nach Art. 6.2 Punkt A.1 der Finanzhilfevereinbarung „[sind] Personalkosten förderfähig …, wenn sie mit Personal zusammenhängen, das auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags (oder eines gleichwertigen Dienstverhältnisses) für den Begünstigten tätig und [dem Projekt] zugeteilt ist“. Sodann wird im selben Artikel ausgeführt, dass die Personalkosten „auf Gehälter …, Sozialabgaben, Steuern und weitere in die Vergütung eingehende Aufwendungen begrenzt sein [müssen], sofern sie gesetzlich vorgeschrieben oder auf der Grundlage des Arbeitsvertrags (oder eines gleichwertigen Dienstverhältnisses) vorgesehen sind“.

9        Art. 6.5 der Finanzhilfevereinbarung enthält eine Definition und Aufzählung der nicht förderfähigen Kosten. Art. 6.5 Buchst. a nennt insbesondere die „Kosten, die nicht die [in den Art. 6.1 bis 6.4 dieser Vereinbarung] genannten Bedingungen erfüllen“, im Besonderen die „Kosten in Bezug auf Kapitalrenditen“ unter Ziff. i.

10      Art. 6.6 der Finanzhilfevereinbarung sieht vor, dass geltend gemachte Kosten, die nicht förderfähig sind, abgelehnt werden.

11      Gemäß Art. 22.1.3 der Finanzhilfevereinbarung können die REA oder die Kommission Rechnungsprüfungen bezüglich der ordnungsgemäßen Durchführung der Maßnahme sowie der Einhaltung der Pflichten aus dieser Vereinbarung durchführen. Danach werden ein Entwurf des Rechnungsprüfungsberichts und anschließend ein Rechnungsprüfungsbericht abgefasst und dem Begünstigten förmlich mitgeteilt.

12      Art. 22.5.1 der Finanzhilfevereinbarung sieht vor, dass Feststellungen aus Rechnungsprüfungen insbesondere zur Ablehnung nicht förderfähiger Kosten führen können. Ebenfalls nach Art. 22.5.1 können die Rechnungsprüfungen, wenn systembedingte oder wiederkehrende Fehler festgestellt werden, auch zu Konsequenzen bei anderen Finanzhilfen führen, die unter vergleichbaren Bedingungen gewährt wurden, indem die Feststellungen aus dieser Finanzhilfe auf andere Finanzhilfen übertragen werden.

13      Art. 42.1 der Finanzhilfevereinbarung bestimmt, dass die REA alle nicht förderfähigen Kosten ablehnt, insbesondere nach Rechnungsprüfungen.

14      Art. 44.1 der Finanzhilfevereinbarung sieht vor, dass die REA alle Beträge einzieht, die im Rahmen der Vereinbarung zu Unrecht gezahlt wurden. Art. 44.1.3 dieser Vereinbarung, der bei Wiedereinziehung von Beträgen nach der Restbetragszahlung anwendbar ist, bestimmt im Wesentlichen, dass die REA dem Begünstigten ein Vorabinformationsschreiben, dann ein Bestätigungsschreiben und eine Zahlungsaufforderung zustellt. Bleibt die Zahlung aus, kann die REA eine Verrechnung vornehmen, rechtliche Schritte einleiten oder einen vollstreckbaren Beschluss gemäß Art. 299 AEUV erlassen.

15      Art. 57.1 der Finanzhilfevereinbarung sieht vor, dass die Vereinbarung dem geltenden Unionsrecht unterliegt, erforderlichenfalls ergänzt durch das belgische Recht.

16      Nach Art. 57.2 der Finanzhilfevereinbarung ist für Streitigkeiten über die Auslegung, Anwendung oder Gültigkeit der Vereinbarung gemäß Art. 272 AEUV allein das Gericht oder, als Berufungsinstanz, der Gerichtshof zuständig.

17      In Erfüllung der Finanzhilfevereinbarung erhielt die Klägerin auf der Grundlage eines geltend gemachten Betrags förderfähiger Kosten in Höhe von 343 101,72 Euro und eines Erstattungssatzes in Höhe von 70 % von der REA eine Finanzhilfe in Höhe von 240 171,21 Euro.

 Rechnungsprüfungsverfahren

18      Im Lauf des Jahres 2021 führte die Kommission eine Rechnungsprüfung bezüglich dreier von der Klägerin im Kontext des Rahmenprogramms Horizont 2020 geschlossener Finanzhilfevereinbarungen durch, darunter die streitgegenständliche Finanzhilfevereinbarung. Was letztere Vereinbarung anbelangt, bezog sich die Rechnungsprüfung auf den Zeitraum vom 1. September 2015 bis 31. August 2018.

19      Am 30. Juni 2021 übermittelte die Kommission der Klägerin einen Entwurf des Rechnungsprüfungsberichts.

20      Mit Schreiben vom 21. Dezember 2021 (im Folgenden: Abschlussschreiben) und einem endgültigen Rechnungsprüfungsbericht vom selben Tag informierte die Kommission die Klägerin über die endgültigen Ergebnisse der Rechnungsprüfung.

21      Bei der Rechnungsprüfung nahm die Kommission mehrere Anpassungen der nach der Finanzhilfevereinbarung förderfähigen Kosten vor.

22      Insbesondere waren nach Ansicht der Kommission bestimmte Prämien oder Provisionen (im Folgenden: streitgegenständliche Prämien), die zwei Mitarbeitern der Klägerin (im Folgenden: die beiden betroffenen Mitarbeiter) gezahlt und von dieser als Personalkosten geltend gemacht worden waren, an die Erreichung verschiedener kommerzieller Ziele geknüpft. Hieraus schloss sie, dass die diesen Prämien entsprechenden Kosten nicht in Verbindung mit dem Projekt angefallen und für die Durchführung dieses Projekts nicht erforderlich seien, so dass sie die in Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen und in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung für das Rahmenprogramm Horizont 2020 (im Folgenden: kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung) näher erläuterten Förderbedingungen nicht erfüllten. Folglich erachtete sie die streitigen Prämien in Höhe von 14 758,03 Euro als nicht förderfähig und nahm daher eine Anpassung vor.

23      Infolgedessen und unter Berücksichtigung der verschiedenen, entweder zugunsten der REA oder zugunsten der Klägerin vorgenommenen Anpassungen reduzierte die Kommission den Gesamtbetrag der nach der Finanzhilfevereinbarung förderfähigen Kosten um 12 927,34 Euro.

24      Ferner vertrat die Kommission die Auffassung, dass bestimmte im Lauf der Rechnungsprüfung festgestellte Fehler potenziell systembedingt oder wiederkehrend seien. Daher leitete sie ein Verfahren zur Übertragung der Feststellungen auf andere Finanzhilfen gemäß Art. 22.5.1 der Finanzhilfevereinbarung ein.

25      Allerdings informierte die Kommission die Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2022 (im Folgenden: Hinweisschreiben), dass sie die Feststellungen aus der Rechnungsprüfung nur auf die laufenden Finanzhilfen übertragen und die nicht geprüften Zeiträume oder Finanzhilfen von der Übertragung ausgenommen hatte. Dabei wies sie darauf hin, dass diese Beschränkung der Übertragung ausnahmsweise zugelassen worden war, weil die vorangegangenen Rechnungsprüfungen die fehlende Förderfähigkeit der streitigen, auf geschäftlichen Zielen basierenden Prämien in den vorangegangenen Rechnungsprüfungen nicht festgestellt worden sei.

 Wiedereinziehungsverfahren

26      Mit „Vorabinformationsschreiben“ vom 17. Januar 2022 informierte die REA die Klägerin, dass sie auf der Grundlage der Rechnungsprüfung der Kommission und unter Berücksichtigung des Erstattungssatzes in Höhe von 70 % einen Betrag von 9 049,14 Euro einzuziehen beabsichtige.

27      Mit Schreiben vom 23. Februar 2022 an die Klägerin (im Folgenden: Bestätigungsschreiben) bestätigte die REA die Einziehung des Betrags von 9 049,14 Euro. Diesem Schreiben war eine vom selben Tag datierende Zahlungsaufforderung der REA über diesen Betrag (im Folgenden: Zahlungsaufforderung) beigefügt.

 Anträge der Parteien

28      Die Klägerin beantragt,

–        festzustellen, dass die Handlungen der Kommission und der REA, insbesondere das Abschlussschreiben, der endgültige Rechnungsprüfungsbericht, das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderung „nichtig, rechtswidrig, für nichtig erklärt und unwirksam“ sind;

–        festzustellen, dass die von den förderfähigen Kosten ausgeschlossenen Beträge förderfähig sind, sie einen Anspruch hat, dass diese Beträge bei der Bestimmung des Betrags der Finanzhilfe berücksichtigt werden, und die Kommission nicht berechtigt ist, diese Beträge zurückzufordern;

–        der Kommission und der REA die Kosten aufzuerlegen.

29      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit die Klage gegen sie gerichtet ist;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

30      Die REA beantragt,

–        die Klage als ganz oder teilweise unzulässig oder jedenfalls als vollumfänglich unbegründet abzuweisen, soweit die Klage gegen sie gerichtet ist;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

 Gegenstand und Umfang der Klage

31      Aus dem Wortlaut und Inhalt der gesamten Schriftsätze der Klägerin, insbesondere aus der Bezeichnung der Klage und den Präzisierungen in der Erwiderung sowie dem Umstand, dass die Kommission das Rechnungsprüfungsverfahren geführt hat, während die REA das Wiedereinziehungsverfahren geführt hat, ergibt sich, dass die Klägerin sinngemäß beantragt,

–        zum einen, mit ihrem ersten Antrag nach Art. 263 AEUV: die ihr gegenüber erfolgten Handlungen der Kommission und der REA, insbesondere das Abschlussschreiben, den endgültigen Rechnungsprüfungsbericht, das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderung, für nichtig zu erklären, soweit sie die Durchführung der Finanzhilfevereinbarung betreffen;

–        zum anderen mit ihrem zweiten, auf Art. 272 AEUV gestützten Klageantrag: festzustellen, dass die streitigen Prämien förderfähig sind und die Kommission und infolgedessen die REA daher nicht berechtigt sind, die diesen Prämien entsprechenden Beträge zurückzufordern.

 Zuständigkeit des Gerichts und Zulässigkeit der Klage

 Anträge nach Art. 263 AEUV

32      Die Kommission erhebt eine Einrede gemäß Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts, in deren Rahmen sie insbesondere einwendet, die Anträge der Klägerin auf Nichtigerklärung seien unzulässig. Sie macht im Wesentlichen geltend, der Antrag richte sich erstens gegen Handlungen, die in vertraglichem Rahmen erfolgt seien und weder zwingende rechtliche Wirkung entfalteten noch die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzten. Außerdem seien manche dieser Handlungen, namentlich das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderungen, von der REA vorgenommen worden, so dass die Kommission insoweit nicht passivlegitimiert sei. Zweitens genüge die Klage den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d und e der Verfahrensordnung nicht, da sie die rechtliche Begründung der Klage nicht klar darstelle und zu dem Klagebegehren, festzustellen, dass die angefochtenen Handlungen „nichtig, rechtswidrig, für nichtig erklärt und unwirksam“ seien, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Ausführungen enthalte.

33      Ohne eine förmliche Unzulässigkeitseinrede im Sinne von Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu erheben, beantragt die REA ebenfalls, aus ähnlichen Gründen wie die Kommission, die Anträge auf Nichtigerklärung für unzulässig zu erklären. Insbesondere macht sie im Wesentlichen zum einen geltend, die Klägerin beantrage die Nichtigerklärung von Handlungen, die als vertraglicher Natur und nicht als hoheitliche Regelungen zu qualifizieren seien, zum anderen entspreche die Klage nicht den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung, weil sie die zur Begründung des Nichtigerklärungsbegehrens geltend gemachten Gründe nicht darstelle.

34      Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Kommission und der REA entgegen und vertritt die Auffassung, ihre Anträge auf Nichtigerklärung seien zulässig.

35      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von Rechtsnatur und Form allgemein gegen alle Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, die dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren, eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV statthaft ist (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 9; vgl. ferner Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Eine anfechtbare Handlung liegt in dieser Hinsicht grundsätzlich nur bei Maßnahmen vor, die den Standpunkt eines Organs, einer Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens endgültig festlegen und verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, nicht aber bei Zwischenmaßnahmen, die die abschließende Entscheidung vorbereiten sollen (Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, EU:C:1981:264, Rn. 10, und vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission, C‑521/06 P, EU:C:2008:422, Rn. 42).

37      Außerdem kann bei Vorliegen eines Vertrags, der die klagende Partei an ein Organ, eine Einrichtung oder sonstige Stelle der Union bindet, eine Klage nach Art. 263 AEUV nur dann bei den Unionsgerichten anhängig gemacht werden, wenn die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll, die außerhalb der vertraglichen Beziehung, die die Parteien bindet, angesiedelt sind und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse voraussetzen, die dem vertragschließenden Organ bzw. der vertragsschließenden Einrichtung oder Stelle als Verwaltungsbehörde übertragen worden sind (Urteile vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 20, vom 28. Februar 2019, Alfamicro/Kommission, C‑14/18 P, EU:C:2019:159, Rn. 50, und vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 65).

38      Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die verschiedenen angefochtenen Handlungen allesamt im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung erfolgt sind, wovon sie sich nicht trennen lassen.

39      Denn zum einen sind die Handlungen der Kommission, insbesondere das Abschlussschreiben und der endgültige Rechnungsprüfungsbericht, auf die vertraglichen Bestimmungen der Art. 22.1.3 und 22.5.1 der Finanzhilfevereinbarung gestützt, aus denen sich ergibt, dass die Kommission Rechnungsprüfungen durchführen kann, die zur Ablehnung nicht förderfähiger Kosten führen können (siehe oben, Rn. 11 und 12).

40      Zum anderen sind die Handlungen der REA, insbesondere das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderung, auf die Art. 42.1 und 44 der Finanzhilfevereinbarung gestützt, aus denen sich ergibt, dass diese Agentur nach einer Rechnungsprüfung die nicht förderfähigen Kosten ablehnt und alle zu Unrecht gezahlten Beträge von dem Begünstigten einzieht (siehe oben, Rn. 13 und 14).

41      Ferner lässt nichts in den Akten den Schluss zu, dass die Kommission und die REA unter Einsatz ihrer Befugnisse als öffentliche Behörde gehandelt haben.

42      Zum einen verpflichten die Handlungen der Kommission, insbesondere das Abschlussschreiben und der endgültige Rechnungsprüfungsbericht die Klägerin weder, irgendeinen Betrag zurückzuzahlen, noch fordern sie sie auch nur dazu auf und ändern daher ihre Rechtsstellung nicht.

43      Zudem ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder aus dem Wortlaut der Schriftstücke der Kommission noch aus ihrem Kontext, dass diese die Absicht verfolgt hat, die REA zu verpflichten, sich den Schlussfolgerungen des endgültigen Rechnungsprüfungsberichts anzuschließen, und ihr zu untersagen, hiervon abzuweichen. So heißt es in dem endgültigen Rechnungsprüfungsbericht, dieser habe zum Ziel, eine „unabhängige Meinung“ dazu zum Ausdruck zu bringen, ob die Kosten, die die Finanzhilfe veranlasst hätten, tatsächlich entstanden und förderfähig seien. Das Abschlussschreiben beschränke sich ausdrücklich darauf, die Klägerin über die Ergebnisse der Rechnungsprüfung zu informieren; eine endgültige Aussage im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen der Rechnungsprüfung werde damit nicht getroffen, denn die REA müsse diese Auswirkungen noch analysieren und die Klägerin hierüber informieren.

44      Hieraus folgt, dass es sich bei den Handlungen der Kommission, insbesondere dem Abschlussschreiben und dem endgültigen Rechnungsprüfungsbericht um Zwischenmaßnahmen handelt, die selbst noch keine verbindlichen Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin oder der REA erzeugen (vgl. entsprechend Beschlüsse vom 8. Februar 2010, Alisei/Kommission, T‑481/08, EU:T:2010:32, Rn. 67 und 75, sowie vom 9. Juni 2016, IREPA/Kommission und Rechnungshof, T‑825/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:345, Rn. 30). Erst recht liegt hierin keine Ausübung hoheitlicher Befugnisse.

45      Zum anderen beschränken sich die Handlungen der REA, insbesondere das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderung, darauf, die Klägerin zur Zahlung des Betrags von 9 049,14 Euro aufzufordern und sie darüber zu informieren, dass die REA diesen Betrag bei ausbleibender Zahlung einziehen wird, beispielsweise durch Verrechnung oder den Erlass eines vollstreckbaren Beschlusses gemäß Art. 299 AEUV.

46      Der Gerichtshof hat klargestellt, dass eine Zahlungsaufforderung oder eine Mahnung, in denen auf den Fälligkeitszeitpunkt sowie die Zahlungsbedingungen einer vertraglichen Forderung hingewiesen wird, einem vollstreckbaren Titel als solchem nicht gleichgesetzt werden können, selbst wenn sie das Vollstreckungsverfahren nach Art. 299 AEUV als einen möglichen Weg der Einziehung für den Fall nennen, dass der Schuldner nicht zum festgelegten Fälligkeitszeitpunkt erfüllen sollte. Folglich sollen eine Zahlungsaufforderung oder eine Mahnung keine Rechtswirkungen erzeugen, die ihren Ursprung in der Ausübung hoheitlicher Befugnisse haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 23 und 24, vom 28. Februar 2019, Alfamicro/Kommission, C‑14/18 P, EU:C:2019:159, Rn. 52, und vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 66).

47      Hieraus folgt, dass auch in den Handlungen der REA, insbesondere dem Bestätigungsschreiben und der Zahlungsaufforderung, keine Ausübung hoheitlicher Befugnisse liegt.

48      Unter diesen Umständen ist eine Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV gegen die angefochtenen Handlungen nicht statthaft.

49      Mithin ist der Nichtigkeitsantrag der Klägerin gemäß der Einrede der Unzulässigkeit und den Unzulässigkeitsgründen, die insoweit von der Kommission bzw. der REA erhoben wurden, als unzulässig zurückzuweisen. Somit erübrigt sich eine Prüfung, ob, wie von diesen argumentiert, die Anträge darüber hinaus den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d und e der Verfahrensordnung nicht genügen.

 Antrag nach Art. 272 AEUV gegen die Kommission

50      Mit ihrer auf Art. 130 der Verfahrensordnung gestützten Einrede macht die Kommission geltend, die auf der Grundlage von Art. 272 AEUV gegen sie gerichteten Anträge seien „unzulässig“. Da sie nicht Partei der Finanzhilfevereinbarung sei, fehle ihr die Passivlegitimation.

51      Die Klägerin tritt diesem Vorbringen der Kommission entgegen; ihrer Auffassung nach kann die Kommission nach Art. 272 AEUV verklagt werden.

52      Nach ständiger Rechtsprechung können nur die Parteien eines Vertrags, der eine Schiedsklausel enthält, nach Art. 272 AEUV klagen und verklagt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 1976, Pellegrini/Kommission und Flexon‑Italia, 23/76, EU:C:1976:174, Rn. 31, und Beschluss vom 16. Juni 2021, Green Power Technologies/Kommission und Gemeinsames Unternehmen ECSEL, T‑533/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:375, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Im vorliegenden Fall enthält die Finanzhilfevereinbarung unstreitig eine Schiedsklausel, die dem Gericht die Zuständigkeit zuweist (siehe den oben in Rn. 16 genannten Art. 57.2 dieser Vereinbarung).

54      Allerdings wurde die Finanzhilfevereinbarung nur von der Klägerin und der REA unterzeichnet, die eine gegenüber der Union eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt (siehe oben, Rn. 3). Infolgedessen ist allein die REA Vertragspartnerin der Klägerin und die Kommission kann nicht als Partei der Finanzhilfevereinbarung qualifiziert werden.

55      Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Handlungen der REA, insbesondere das Bestätigungsschreiben und die Zahlungsaufforderung, auf Handlungen der Kommission, insbesondere das Abschlussschreiben und den endgültigen Rechnungsprüfungsbericht zurückgehen. Bei den Klauseln der Finanzhilfevereinbarung, die vorsehen, dass die Kommission eine Rechnungsprüfung durchführen kann (vgl. den oben in Rn. 11 genannten Art. 22.1.3 der Finanzhilfevereinbarung) und dass die REA anschließend die Konsequenzen aus dieser Rechnungsprüfung ziehen kann, insbesondere durch Ablehnung der nicht förderfähigen Kosten (siehe die oben in den Rn. 12 und 13 genannten Art. 22.5.1 und 42.1), sind Standardklauseln, die oft in Finanzhilfevereinbarungen aufgenommen werden und weder bezwecken noch bewirken, der Kommission die Stellung einer Partei der Finanzhilfevereinbarung zu verleihen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Juni 2021, Green Power Technologies/Kommission und Gemeinsames Unternehmen ECSEL, T‑533/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:375, Rn. 44 und 45).

56      Da die Kommission nicht Partei der Finanzhilfevereinbarung ist, besteht folglich keine Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung über die Klage nach Art. 272 AEUV, soweit sie gegen die Kommission gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 1976, Pellegrini/Kommission und Flexon‑Italia, 23/76, EU:C:1976:174, Rn. 31, sowie Beschluss vom 16. Juni 2021, Green Power Technologies/Kommission und Gemeinsames Unternehmen ECSEL, T‑533/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:375, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57      Mithin ist der Antrag der Klägerin nach Art. 272 AEUV, soweit er gegen die Kommission gerichtet ist, wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückzuweisen.

58      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Begründetheit der Klage nur zu prüfen ist, soweit diese nach Art. 272 AEUV erhoben worden ist und sich gegen die REA richtet.

 Zur Begründetheit des Antrags nach Art. 272 AEUV gegen die REA

59      Zur Begründung ihres Antrags nach Art. 272 AEUV gegen die REA bringt die Klägerin formell drei Klagegründe vor: Erstens seien die streitigen Prämien nicht kommerzieller Natur, zweitens liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor und drittens sei die Finanzhilfevereinbarung fehlerhaft ausgelegt worden.

60      Angesichts des Inhalts dieser drei Klagegründe, sind zuerst der erste und der dritte Klagegrund, die beide im Wesentlichen auf eine Verletzung der Finanzhilfevereinbarung gestützt sind, zusammen zu prüfen, und anschließend der zweite Klagegrund, der auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützt ist.

 Erster und dritter Klagegrund: Verletzung der Finanzhilfevereinbarung

61      Mit dem ersten und dem dritten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die streitgegenständlichen Prämien seien im Rahmen des Projekts gezahlt worden und für dessen Durchführung erforderlich gewesen, so dass sie die in Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv) der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Förderbedingungen bei einer Auslegung im Licht der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung erfüllt hätten.

62      Die REA tritt diesem Vorbringen der Klägerin entgegen.

–       Allgemeine Erwägungen

63      Zunächst ergibt sich aus den oben in den Rn. 7 und 8 zitierten vertraglichen Bestimmungen von Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv in Verbindung mit Art. 6.2 Punkt A.1 der Finanzhilfevereinbarung, dass die tatsächlichen Personalkosten und die indirekten Kosten insbesondere unter der Voraussetzung förderfähig sind, dass sie „in Verbindung mit [dem Projekt] angefallen“ und „für [dessen] Durchführung erforderlich“ sind.

64      Ferner nehmen die Klägerin und die REA auch Bezug auf die in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Erläuterungen zu den Förderbedingungen der Personalkosten. In der auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbaren Fassung vom 30. März 2015 (siehe S. 46 des genannten Musters) ist Art. 6 der von der Kommission ausgearbeiteten Allgemeinen Muster-Finanzhilfevereinbarung (im Folgenden: Allgemeine Muster-Finanzhilfevereinbarung) wie folgt kommentiert:

„… Die Auszahlung von Dividenden an Mitarbeiter (Gewinnausschüttung) ist nicht förderfähig im Sinne des Art. 6.5 Buchst. a Ziff. i [der Allgemeinen Muster-Finanzhilfevereinbarung]. (Allerdings können [Vergütungs] Zulagen, die auf der finanziellen Gesamtleistung der Organisation [beispielsweise der Rentabilität oder dem Überschuss] basieren, als variable Zulagen als förderfähig anerkannt werden, wenn sie die unten genannten Bedingungen erfüllen).

Beispiele (förderfähig):

Wenn der Gewinn der Gesellschaft am Jahresende X [Euro] (oder mehr als X %) übersteigt, erhält jeder Mitarbeiter eine Zulage in Höhe von z % seiner Grundvergütung (oder eine Festzulage in Höhe von x [Euro] als Teil seiner Bruttovergütung).

Beispiele (nicht förderfähig):

Wenn der Gewinn der Gesellschaft am Jahresende X [Euro] (oder mehr als X %) übersteigt, werden z % dieses Gewinns als zusätzliche Vergütung an die Mitarbeiter ausgeschüttet.

Vergütungsbestandteile, deren Berechnung nach kommerziellen Zielen (z. B. x [Euro] für das Erreichen eines Verkaufsziels, x % der Verkaufssumme) oder Mittelbeschaffungszielen (z. B. Prämie in Höhe von x Euro pro akquiriertem extern finanziertem Projekt, x % der externen Finanzierung) erfolgt, sind nicht förderfähig. Der Grund hierfür besteht darin, dass [diese Kosten] weder in Verbindung mit [dem betreffenden Projekt] angefallen noch für dessen Durchführung erforderlich sind.

Beispiel (nicht förderfähig wegen Anknüpfung an ein Mittelbeschaffungsziel): eine Prämie, die als Gegenleistung für die Akquise einer Finanzhilfe gezahlt wird, ist nicht förderfähig. …“

65      Die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung soll ausweislich ihrer einleitenden Hinweise die Allgemeine Muster-Finanzhilfevereinbarung erläutern und es den Verwendern ermöglichen, die auf der Grundlage dieses Musters erstellten Finanzhilfevereinbarungen zu verstehen und auszulegen. Wenngleich diesem Dokument, das veröffentlicht und allen Vertragsparteien zugänglich ist, keine bindende Wirkung zukommt, gehört es doch zu dem Rahmen, in dem die Finanzhilfevereinbarung geschlossen wurde, und ist folglich vom Gericht bei der Auslegung dieser Vereinbarung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 14. November 2017, Alfamicro/Kommission, T‑831/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:804, Rn. 68 und 104, sowie vom 13. Juli 2022, VeriGraft/Eismea, T‑457/20, EU:T:2022:457, Rn. 109).

66      Schließlich richtet sich die Beweislastverteilung hinsichtlich der Förderfähigkeit der der Klägerin entstandenen Kosten nach dem auf die Finanzhilfevereinbarung anwendbaren materiellen Recht und damit dem Unionsrecht, erforderlichenfalls ergänzt durch das belgische Recht (siehe oben, Rn. 15). Mangels unionsrechtlicher Bestimmungen zur Regelung der Vertragsdurchführung ist Art. 1315 des früheren belgischen Zivilgesetzbuchs anzuwenden, der auf den vorliegenden Fall zeitlich anwendbar ist. Nach dieser Vorschrift muss derjenige, der die Erfüllung einer Verpflichtung fordert, diese Verpflichtung und umgekehrt derjenige, der sich auf Befreiung beruft, die Zahlung oder die Tatsachen beweisen, die zum Erlöschen seiner Verpflichtung führten. Folglich hat die Klägerin, die einen finanziellen Beitrag der Union zu den geltend gemachten Kosten beansprucht, zu beweisen, dass diese Kosten die in der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Förderbedingungen erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 2014, Isotis/Kommission, T‑59/11, EU:T:2014:679, Rn. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 27. April 2022, Sieć Badawcza Łukasiewicz – Port Polski Ośrodek Rozwoju Technologii/Kommission, T‑4/20, EU:T:2022:242, Rn. 113 und 114 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Beschreibung des Prämiensystems der Klägerin

67      Die Klägerin hat ein Prämiensystem für ihre Mitarbeiter eingerichtet.

68      Aus der internen Dokumentation der Klägerin ergibt sich, dass der Prämienbetrag generell verschiedene Ziele berücksichtigt, wie i) die Marge eines bestimmten Auftrags, ii) den Deckungsbeitrag, iii) die Akquise neuer Aufträge, iv) die Debitorenlaufzeit v) die Anzahl der Tage, die ein Mitarbeiter für einen bestimmten Auftrag aufgewandt hat, vi) die auszustellenden Rechnungen, vii) die Einnahmen aus einem bestimmtem Auftrag und viii) das Betriebsergebnis vor Abschreibungen (EBITDA) (im Folgenden: Ziel i], Ziel ii], Ziel iii], Ziel iv], Ziel v], Ziel vi], Ziel vii] und Ziel viii]).

69      In der Praxis sind diese Ziele entweder an einen bestimmten Auftrag (Ziele i], v] und vii]), an die Tätigkeit einer Abteilung der Klägerin für einen Referenzbereich während des Jahres (Ziele ii] bis iv] und vi]) oder an die finanzielle Gesamtleistung der Klägerin oder ihres Konzerns (Ziel viii]) geknüpft. Sie gelten als erreicht, wenn ein (minimaler oder maximaler) Schwellenwert erreicht ist.

70      Grund und Höhe der Prämien werden nach Gewährungs- und Berechnungsregeln bestimmt, die in individuellen, zwischen der Klägerin und ihren Mitarbeitern verhandelten Anreizplänen definiert sind. Diese Anreizpläne sehen allgemein vor, dass eine Prämie gewährt wird, wenn eines der Ziele i) bis vii) erreicht ist, und dass sich der Bruttobetrag dieser Prämie nach den im Hinblick auf das jeweilige Ziel erzielten Ergebnissen berechnet. Gegebenenfalls werden sodann die Prämien, die sich aus den verschiedenen berücksichtigten Zielen ergeben, addiert, um eine Gesamtprämie zu erhalten. Im Fall des „verspätete Beendigung einer Nichtkonformität“ fällt eine Vertragsstrafe an. Schließlich wird ein an Ziel viii) geknüpfter Multiplikator angewandt, um die Gesamtprämie anzupassen und die dem Mitarbeiter geschuldete Prämie zu erhalten, die jedoch einen Höchstbetrag nicht überschreiten kann.

71      Was insbesondere das Projekt anbelangt, auf das sich die Finanzhilfevereinbarung bezieht, wurden die von den beiden betroffenen Mitarbeitern unterzeichneten Anreizpläne zu den Akten gereicht. Aus diesen Anreizplänen ergibt sich, dass sich die Beträge der an diese beiden Mitarbeiter ausgezahlten Prämien erstens aus der Marge eines bestimmten Auftrags (Ziel i], lediglich für einen der beiden Mitarbeiter), zweitens dem Deckungsbeitrag (Ziel ii]) und drittens dem Betriebsergebnis vor Abschreibungen (Ziel viii]) errechnen. Ferner sind die diesen beiden Mitarbeitern gewährten Prämien auf 9 450 Euro bzw. 20 250 Euro pro Jahr gedeckelt.

–       (Fehlende) Förderfähigkeit der streitigen Prämien

72      Im Rechnungsprüfungs- und im Wiedereinziehungsverfahren vertraten die Kommission und die REA im Wesentlichen die Auffassung, dass die streitigen Prämien an das Erreichen von Zielen kommerzieller Art geknüpft seien und aus diesem Grund keine förderfähigen Kosten darstellten (siehe oben, Rn. 22).

73      Vor dem Gericht erläutert die REA ihren Standpunkt insbesondere dahin näher, dass die oben in Rn. 68 aufgezählten Ziele, vor allem diejenigen, die sich auf die Marge eines bestimmten Auftrags (Ziel i]) und den Deckungsbeitrag (Ziel ii]) bezögen, der Ausübung von Tätigkeiten zuzurechnen seien, die offenkundig kommerzieller Art seien. Sie weist ferner darauf hin, dass die Höhe der streitgegenständlichen Prämien unmittelbar proportional zu den kommerziellen Zielen festgelegt sei. So würden beispielsweise die an erreichte Margen gebundenen Prämien gewährt, wenn ein Margenreferenzwert überschritten werde, indem die erreichten Margen mit einem Multiplikator multipliziert würden. Gestützt auf die in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Erläuterungen schließt die REA hieraus, dass die streitgegenständlichen Prämien in Anbetracht ihrer Eigenschaften einen kommerziellen Charakter aufwiesen und folglich keine in Verbindung mit dem Projekt angefallenen und für dessen Durchführung erforderlichen Kosten darstellten, so dass sie die in Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Förderbedingungen nicht erfüllten.

74      Die Klägerin räumt ein, dass gemäß den in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Erläuterungen Vergütungen, die nach kommerziellen Zielen berechnet werden, nicht förderfähig sind. Sie bestreitet auch die Feststellung der REA nicht, wonach die streitigen Prämien vom Erreichen bestimmter Ziele abhängig und hierzu proportional sind (siehe oben, Rn. 73).

75      Die Klägerin bestreitet jedoch den kommerziellen Charakter der streitigen Prämien. Im Wesentlichen macht sie geltend, dass diese Prämien ungeachtet ihrer fehlerhaften Einordnung als „Provisionen“ an das Erreichen kollektiver wirtschaftlicher Gesamtziele geknüpft seien, die auf Unternehmensebene oder zumindest auf der Ebene einer Unternehmensabteilung definiert würden, und nicht an das Erreichen individueller kommerzieller Ziele (insbesondere Verkaufsziele), die für die einzelnen Mitarbeiter definiert würden. Diese Prämien seien folglich „auf der finanziellen Gesamtleistung des Unternehmens basierende Zulagen“ und somit nach den in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Erläuterungen förderfähig.

76      Ferner seien die streitigen Prämien gedeckelt, so dass sie mit nicht förderfähigen „Dividenden“ im Sinne der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung nicht gleichgesetzt werden könnten.

77      Bevor die Förderfähigkeit der streitigen Prämien im Einzelnen und die Argumentation der Klägerin geprüft werden, ist Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Finanzhilfevereinbarung unter Berücksichtigung der in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung enthaltenen Erläuterungen auszulegen.

78      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Auszug aus der Muster-Finanzhilfevereinbarung, auf den sich die Parteien berufen und der oben in Rn. 64 wiedergegeben ist, zwei Kategorien verschiedener Kosten als nicht förderfähig ausschließt, und zwar zum einen Dividendenzahlungen und Gewinnausschüttungen an Mitarbeiter und zum anderen Vergütungszulagen, die nach kommerziellen Zielen oder Mittelbeschaffungszielen berechnet werden. Diese beiden Kostenkategorien können nicht als „in Verbindung mit [dem betreffenden Projekt] angefallene und für dessen Durchführung erforderliche Kosten“ im Sinne von Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Muster-Finanzhilfevereinbarung qualifiziert werden.

79      Hierzu ist Folgendes zu ergänzen.

80      Erstens weist die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung hinsichtlich der Dividenden- und Gewinnausschüttungen an Mitarbeiter darauf hin, dass variable oder feste Vergütungszulagen, die auf der finanziellen Gesamtleistung der Organisation basieren, gleichwohl förderfähig sein können, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen.

81      Die erste Bedingung betrifft die Berechnungsweise der Vergütungszulage. Aus den in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung genannten Beispielen ergibt sich, dass eine Vergütungszulage in Form eines Pauschalbetrags oder eines Prozentsatzes der Grundvergütung möglich ist. Diese Zulage darf hingegen nicht die Form eines bestimmten Prozentsatzes des Gewinns der Gesellschaft annehmen, denn in diesem Fall würde sie einer Dividendenausschüttung gleichkommen.

82      Die zweite Bedingung betrifft den Ausschluss von Vergütungszulagen, die nach kommerziellen Zielen oder Mittelbeschaffungszielen berechnet werden (siehe unten, Rn. 83). Hieraus folgt, worauf die REA im Wesentlichen und zu Recht hinweist, dass eine Vergütungszulage, die auf der finanziellen Gesamtleistung der Organisation basiert, nicht förderfähig ist, wenn sie zugleich auf kommerziellen Zielen oder Mittelbeschaffungszielen basiert und hiermit untrennbar verbunden ist.

83      Zweitens stellt die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung hinsichtlich nach kommerziellen Zielen oder Mittelbeschaffungszielen berechneten Vergütungszulagen klar, dass feste oder variable Prämien, die als Gegenleistung für das Erreichen solcher Ziele gewährt werden, nicht förderfähig sind. Dies ist insbesondere bei Prämien in Form eines vom Erreichen eines Verkaufsziels oder Mittelbeschaffungsziels abhängigen Pauschalbetrags oder eines bestimmten Prozentsatzes von Verkäufen oder beschafften Mitteln der Fall.

84      In dieser Hinsicht ergibt sich aus der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung nicht, dass lediglich auf der Ebene des einzelnen Mitarbeiters gesetzte Ziele als kommerzielle Ziele oder Mittelbeschaffungsziele qualifiziert werden könnten, so dass auf der Ebene der Organisation in ihrer Gesamtheit oder auf der Ebene einer ihrer Abteilungen gesetzte Ziele per definitionem keinen solchen kommerziellen Charakter aufweisen bzw. nicht als Mittelbeschaffungsziel zu qualifizieren sein könnten. Folglich sind Vergütungszulagen, die auf Zielen basieren, die auf der Ebene des Gesamtunternehmens (oder erst recht auf der Ebene einer Unternehmensabteilung) gesetzt wurden, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht unbedingt förderfähig. Vielmehr müssen die in der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung in Betracht genommenen Vergütungszulagen zunächst auf der Ebene des Gesamtunternehmens festgelegt sein, ferner auf der finanziellen Gesamtleistung dieser Organisation basieren und dürfen schließlich nicht auf kommerzielle Ziele oder Mittelbeschaffungsziele bezogen sein.

85      Im Licht dieser Erwägungen sind die Bestimmungen der Finanzhilfevereinbarung auszulegen und ist die Förderfähigkeit der streitigen Prämien zu würdigen.

86      Das von der Klägerin eingeführte Prämiensystem beruht auf zwei Arten von Zielen.

87      Die ersten sieben Ziele, die oben in Rn. 68 aufgezählt sind, werden entweder im Hinblick auf einen spezifischen Auftrag oder im Hinblick auf die Tätigkeit einer Abteilung der Klägerin während des Jahres definiert. Dies ist insbesondere bei der Marge eines bestimmten Auftrags (Ziel i]) und dem Deckungsbeitrag (Ziel ii]) der Fall, die in den Anreizplänen der beiden betroffenen Mitarbeiter genannt sind, denn die erste dieser Margen ist an einen bestimmten Auftrag geknüpft und die zweite an die Tätigkeit einer Abteilung der Klägerin während des Jahres (siehe oben, Rn. 69). Offensichtlich weisen die Ziele somit einen kommerziellen Charakter auf und sind nicht an die finanzielle Gesamtleistung der Klägerin geknüpft.

88      Zudem sind die aufgrund der ersten sieben Ziele gewährten Prämien vom Erreichen dieser Ziele abhängig und proportional hierzu. Insbesondere sind die in den Anreizplänen der beiden betroffenen Mitarbeiter genannten Prämien, die an die Marge eines bestimmten Auftrags oder den Deckungsbeitrag geknüpft sind, direkt proportional zu den erreichten Margen (siehe oben, Rn. 73 und 74).

89      Folglich weisen die basierend auf den ersten sieben Zielen gewährten Prämien sowohl aufgrund ihres Gegenstands als auch aufgrund ihrer Berechnungsweise einen kommerziellen Charakter auf.

90      Das achte und letzte oben in Rn. 68 genannte Ziel, das Betriebsergebnis vor Abschreibungen, das in den Anreizplänen der betroffenen Mitarbeiter ebenfalls ausdrücklich genannt ist, steht zwar im Zusammenhang mit der finanziellen Gesamtleistung der Klägerin und der anderen Konzerngesellschaften.

91      Unabhängig von der Frage, ob die finanziellen Leistungen der anderen Konzerngesellschaften überhaupt berücksichtigt werden dürfen, ist jedoch festzustellen, dass das Betriebsergebnis vor Abschreibungen nicht im Einklang mit der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung zur Berechnung einer eigenständigen Prämie in Form eines Pauschalbetrags oder eines bestimmten Prozentsatzes der Grundvergütung berücksichtigt wird. Vielmehr wird dieses Ziel lediglich zur Anpassung des Betrags der Prämien herangezogen, die basierend auf den ersten sieben Zielen gewährt werden (siehe oben, Rn. 70). Grund und Höhe letzterer Prämien hängen wiederum vom Erreichen kommerzieller Ziele ab (siehe oben, Rn. 89).

92      Demnach basieren die von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlten Prämien im Wesentlichen auf kommerziellen Zielen und die diesen Prämien entsprechenden Kosten sind folglich weder in Verbindung mit dem Projekt angefallen noch für die Durchführung dieses Projekts erforderlich. Somit erfüllen diese Prämien die in Art. 6.1 Buchst. a Ziff. iv der Finanzhilfevereinbarung vorgesehenen Bedingungen nicht.

93      Diese Schlussfolgerung wird durch das oben in den Rn. 75 und 76 zusammengefasste Vorbringen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

94      Erstens beruft sich die Klägerin darauf, dass die oben in Rn. 68 aufgezählten Ziele nicht an die individuelle Tätigkeit des Mitarbeiters anknüpften, sondern an Gesamtergebnisse des Unternehmens oder einer seiner Abteilungen.

95      Insoweit ergibt sich selbst unter der Annahme, dass die oben in Rn. 68 aufgezählten Ziele nicht an die individuelle Tätigkeit des Mitarbeiters anknüpfen, gleichwohl aus den oben in Rn. 84 genannten Grundsätzen, dass Ziele, die auf Unternehmens- oder Abteilungsebene gesetzt werden, kommerziellen Charakter haben können. Dies ist bei den ersten sieben Zielen der Fall (siehe oben, Rn. 87).

96      Zweitens handelt es sich nach Ansicht der Klägerin bei den oben in Rn. 68 aufgezählten Zielen nicht um „kommerzielle“ Ziele, was „Verkaufs“-Tätigkeiten von Gütern oder Dienstleistungen impliziere, sondern, weil dies vorliegend nicht gegeben sei, um „wirtschaftliche“ Ziele.

97      Die Klägerin bringt jedoch keine überzeugende Erklärung vor, die es ermöglichen würde, den Begriff „kommerzielles Ziel“ allein auf „Verkaufs“-Tätigkeiten zu beschränken, einen hiervon zu unterscheidenden Begriff „wirtschaftlicher Ziele“ zu definieren und auf „wirtschaftlichen Zielen“ basierende Prämien, die nicht an die finanzielle Gesamtleistung der Organisation anknüpfen, als förderfähig anzusehen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung solche „wirtschaftlichen Ziele“ nicht nennt. Dort werden vielmehr nur einerseits eine Kategorie von Prämien, die unter bestimmten Bedingungen förderfähig sind – auf den finanziellen Gesamtleistungen der Organisation basierende Prämien – und andererseits zwei Kategorien von Prämien, die unter keinen Umständen förderfähig sind – Prämien, die nach kommerziellen Zielen und nach Mittelbeschaffungszielen berechnet werden – genannt.

98      Drittens macht die Klägerin geltend, dass der an einen Mitarbeiter gezahlte Prämienbetrag gedeckelt sei.

99      Allerdings ist diese Deckelung, wie von der REA zu Recht eingewandt, für die Förderfähigkeit der Prämie nicht von Belang. Eine Vergütungszulage, die nach kommerziellen Zielen berechnet wird, ist per definitionem nicht förderfähig; dies gilt unabhängig davon, wie sie berechnet wird, ob sie fest oder variabel ist und ob sie gedeckelt ist oder nicht.

100    Viertens macht die Klägerin geltend, die streitigen Prämien könnten nicht mit Dividenden, mit denen Mitarbeiter Gewinnausschüttungen der Organisation erhalten würden, gleichgesetzt werden.

101    Dieses Argument greift nicht durch. Eine Vergütungszulage, die nach kommerziellen Zielen berechnet wird, wie diejenige, die die Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlt hat, ist per definitionem nicht förderfähig; dies gilt selbst dann, wenn sie im Übrigen nicht die Eigenschaften einer Dividende aufweist.

102    Fünftens verweist die Klägerin auf eine Stellungnahme einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, wonach die von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlten Prämien förderfähig sind.

103    Diese Stellungnahme kann jedoch zum einen nicht als neutrales und unabhängiges Gutachten betrachtet werden, weil sie von der Klägerin in Auftrag gegeben wurde. Hieraus folgt, dass ihr kein unwiderlegbarer Beweiswert beigemessen werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 3. März 2011, Siemens/Kommission, T‑110/07, EU:T:2011:68, Rn. 137). Zum anderen beschränkt sich die Stellungnahme auf eine kurze Analyse des von der Klägerin eingeführten Prämiensystems und führt keinen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt an, der über die im vorliegenden Urteil bereits analysierten hinausginge.

104    Demnach hat die Klägerin die Förderfähigkeit der streitigen Prämien nicht nachgewiesen.

105    Mithin sind der erste und der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

106    Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Prüfung der von der REA geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe, wonach die Klage zum einen, was den dritten Klagegrund anbelange, den Anforderungen von Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung nicht genügt und zum anderen das oben in Rn. 96 zusammengefasste Vorbringen der Klägerin neues Vorbringen darstellt, das erstmals im Rahmen der Erwiderung erfolgt ist.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

107    Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Infragestellung der Förderfähigkeit der streitigen Prämien durch die Kommission und die REA verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Kommission habe nämlich mehrfach die Rechtmäßigkeit der Methode zur Bestimmung der förderfähigen Kosten anerkannt und die Berücksichtigung der streitigen Prämien als förderfähige Kosten akzeptiert.

108    Die REA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

109    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union bei der Durchführung eines Vertrags noch immer ihren Verpflichtungen aus der Grundrechtecharta der Europäischen Union und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 86). Daher werden die Unionsgerichte, wenn sich die Parteien in ihrem Vertrag entschließen, ihnen mittels einer Schiedsklausel die Zuständigkeit zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Vertrag zu übertragen, unabhängig von dem in diesem Vertrag vereinbarten anwendbaren Recht für die Prüfung etwaiger Verstöße gegen die Grundrechtecharta und gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts zuständig (Urteil vom 16. Juli 2020, Inclusion Alliance for Europe/Kommission, C‑378/16 P, EU:C:2020:575, Rn. 81).

110    Indem sich die Klägerin zur Begründung ihres Antrags nach Art. 272 AEUV auf eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes beruft, macht sie somit eine Verpflichtung geltend, die die Verwaltung der Union in einem vertraglichen Rahmen einzuhalten hat.

111    Ferner kann im belgischen Vertragsrecht, das vorliegend subsidiär zur Anwendung gelangt (siehe oben, Rn. 15 und 66), eine Form des Vertrauensschutzes im Rahmen der Verpflichtung der Vertragsparteien geltend gemacht werden, den Vertrag nach Treu und Glauben zu erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 2015, Synergy Hellas/Kommission, T‑106/13, EU:T:2015:860, Rn. 72 und 73, sowie vom 4. Mai 2017, Meta Group/Kommission, T‑744/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:304, Rn. 193 und 194).

112    Nach ständiger Rechtsprechung setzt das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, voraus, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen erteilt haben, die aus befugten und zuverlässigen Quellen stammen. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem keine solchen Zusicherungen erteilt wurden (vgl. Urteile vom 17. März 2011, AJD Tuna, C‑221/09, EU:C:2011:153, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 16. Juli 2020, ADR Center/Kommission, C‑584/17 P, EU:C:2020:576, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

113    Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin zum Beweis des Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes auf drei Stellungnahmen der Kommission, die nacheinander in chronologischer Reihenfolge zu prüfen sind.

114    Als Erstes bringt die Klägerin vor, dass die Kommission im Kontext des Siebten Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) (im Folgenden: Siebtes Rahmenprogramm) die zur Berechnung ihrer Personalkosten angewandte Methodik gebilligt und ihr aufgegeben hatte, jede Änderung dieser Methodik mitzuteilen.

115    Insoweit steht fest, dass die Klägerin am 17. März 2011 ein Zertifizierungsformular eingereicht hat, das die zur Berechnung ihrer Personalkosten angewandte Methodik beschreibt (im Folgenden: Methodenzertifikat). Darin ist ein System variabler Prämien dargestellt, die mittels „Anreizschreiben“ gewährt und zum einen nach den individuellen Leistungen des Mitarbeiters und zum anderen den Leistungen des Unternehmens und der Unternehmensabteilung, der der Mitarbeiter angehört, bestimmt werden.

116    Mit Schreiben vom 1. Juli 2011 (im Folgenden: Schreiben zur Billigung des Methodenzertifikats) billigte die Kommission das Methodenzertifikat. Insbesondere enthält dieses Schreiben für den Fall einer Änderung der Methodik den Hinweis, die Klägerin müsse der Kommission die vorgenommenen Änderungen anzeigen und ein neues Methodenzertifikat einreichen.

117    Allerdings betrifft das Methodenzertifikat, wie von der REA zu Recht eingewandt, das Siebte Rahmenprogramm. Ungeachtet bestehender Ähnlichkeiten und Kontinuitäten unterscheidet sich dieses Siebte Rahmenprogramm von dem Rahmenprogramm Horizont 2020, das jenes ersetzt hat und an dem das Projekt teilnimmt. Überdies weist das Schreiben zur Billigung des Methodenzertifikats darauf hin, dass dieses Zertifikat für die Dauer des Siebten Rahmenprogramms gültig ist, und sieht eine eventuelle Gültigkeitsverlängerung im Rahmen eines nachfolgenden Rahmenprogramms nicht vor. Außerdem stellt die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung (siehe S. 155 dieser Mustervereinbarung) ausdrücklich klar, dass ein im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms gebilligtes Methodenzertifikat im Kontext des Rahmenprogramms Horizont 2020 keine Gültigkeit besitzt.

118    Zweitens hat das Schreiben zur Billigung des Methodenzertifikats auch innerhalb des Siebten Rahmenprogramms selbst nur eine begrenzte Tragweite. Zum einen beschränkt sich dieses Schreiben auf den Hinweis, dass die Klägerin bei Anträgen auf Zwischenzahlungen von der Einreichung von Zwischenzertifikaten bezüglich der finanziellen Situation befreit wird. Zum anderen enthält die kommentierte Muster-Finanzhilfevereinbarung den Hinweis, dass die Billigung sich auf die üblichen Kostenrechnungsverfahren bezieht und die Kommission infolgedessen die geltend gemachten Einheitskosten nicht in Frage stellen werde. Aus den oben in Rn. 6 zusammengefassten Bestimmungen von Art. 5.2 der Finanzhilfevereinbarung ergibt sich insoweit, dass die „Einheitskosten“ eine von den „tatsächlichen Kosten“, zu denen die streitigen Prämien zählen, zu unterscheidende, eigenständige Personalkostenkategorie darstellen. Im Übrigen unterliegen die „tatsächlichen Kosten“ und nicht die „Einheitskosten“ der in Art. 6.1 Buchst. a Ziff. i dieser Vereinbarung vorgesehenen Bedingung.

119    Drittens verpflichtete das Schreiben zur Billigung des Methodenzertifikats die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen nicht, ihre Kostenstruktur beizubehalten, um die Förderfähigkeit der Kosten sicherzustellen. Vielmehr ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut dieses Schreibens als auch aus den Erläuterungen der kommentierten Muster-Finanzhilfevereinbarung, dass der Klägerin mit diesem Schreiben nur auferlegt wurde, der Kommission Änderungen ihrer Methodik anzuzeigen und gegebenenfalls ein neues Methodenzertifikat einzureichen.

120    Folglich enthielt das Schreiben zur Billigung des Methodenzertifikats keine klare und unbedingte Zusicherung dahin, dass von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlte Prämien wie die streitigen im Kontext des Rahmenprogramms Horizont 2020 und insbesondere im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung förderfähig sein würden.

121    Als Zweites macht die Klägerin geltend, dass die Kommission im Lauf einer vorangegangenen Rechnungsprüfung bezüglich der Projekte Festival, PATHway und WeLive (im Folgenden: FPW-Rechnungsprüfung) die Berücksichtigung der an die Mitarbeiter der Klägerin gezahlten Prämien als förderfähige Kosten akzeptiert habe.

122    Insoweit ist zutreffend, dass die Kommission in dem endgültigen Rechnungsprüfungsbericht vom 18. März 2018, der die FPW-Rechnungsprüfung abschloss (im Folgenden: FPW-Rechnungsprüfungsbericht), zunächst darauf hingewiesen hat, dass die in den Mitarbeiteranreizplänen der Klägerin vorgesehenen Prämien „auf der finanziellen Gesamtleistung des Unternehmens [basierten], der üblichen Vergütungspraxis für nationale Projekte [entsprachen] und folglich als Grundvergütung förderfähig [waren]“, ferner, dass sie „die Richtigkeit, Objektivität und Existenz der variablen Zulagen bestätigen konnte“, und schließlich, dass „ausreichende Nachweise für die Bestätigung der Förderfähigkeit der [diesen Zulagen entsprechenden] Kosten vorl[a]gen“.

123    Erstens betraf die FPW-Rechnungsprüfung allerdings, wie von der REA zu Recht eingewandt, andere Projekte als dasjenige, worauf sich die Finanzhilfevereinbarung bezieht.

124    Zweitens ergibt sich aus der Akte nicht, dass die Kommission im Rahmen der FPW-Rechnungsprüfung das Prämiensystem der Klägerin im Hinblick auf sämtliche Förderbedingungen, die in der auf das Projekt anwendbaren Finanzhilfevereinbarung vorgesehen sind, vertieft und erschöpfend analysiert hat. Im Gegenteil wird im FPW-Rechnungsprüfungsbericht lediglich die Förderfähigkeit der damals prüfungsgegenständlichen Prämien in sehr allgemein gehaltenen Worten bestätigt und bedauert, dass die zwischen der Klägerin und ihren Mitarbeitern verhandelten Anreizpläne von diesen Mitarbeitern nicht unterzeichnet worden waren.

125    Drittens hat die Kommission im FPW-Rechnungsprüfungsbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um einen „Ausnahmebericht“ handele, und dass „er als solcher im Normalfall keine berechtigten Erwartungen im Hinblick auf die Konformität der geltend gemachten Kosten und der angewandten Berechnungsmethoden begründen [kann]“. Ferner hat sie erklärt, dass „jede Rechnungsprüfung per definitionem eine Prüfung darstellt, die nicht erschöpfend ist und auf repräsentativen Stichproben und Beispielen basiert“, dass „jeder Rechnungsprüfung ein gewisses Risiko der Nichtfeststellung… innewohnt“, und dass folglich die „Rechnungsprüfungsberichte keine Erwartungen im Hinblick auf die Konformität der geltend gemachten Kosten und der angewandten Berechnungsmethoden begründen können“. Derartige Vorbehalte bezüglich der Tragweite des FPW-Rechnungsprüfungsberichts genügen, um eine Unsicherheit zu schaffen, die der Bildung eines berechtigten Vertrauens auf der Grundlage des Inhalts dieses Berichts entgegensteht (vgl. entsprechend Urteil vom 27. April 2022, Sieć Badawcza Łukasiewicz – Port Polski Ośrodek Rozwoju Technologii/Kommission, T‑4/20, EU:T:2022:242, Rn. 141).

126    Somit enthielt der FPW-Rechnungsprüfungsbericht keine klare und unbedingte Zusicherung dahin, dass von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gezahlte Prämien wie die streitigen förderfähig sind.

127    Als Drittes beruft sich die Klägerin darauf, dass die Kommission in dem Hinweisschreiben auf eine Übertragung der Feststellungen aus der Rechnungsprüfung auf sämtliche Finanzhilfevereinbarungen verzichtet und dies damit begründet habe, dass die fehlende Förderfähigkeit der auf kommerziellen Zielen basierenden streitigen Prämien in den vorherigen Rechnungsprüfungen nicht festgestellt worden sei (siehe oben, Rn. 25). Nach Auffassung der Klägerin ist diese Begrenzung der Übertragung der Feststellungen zum einen nicht ausreichend und zeigt zum anderen, dass sich die Kommission des offenkundigen Verstoßes gegen ihre Interessen und berechtigten Erwartungen bewusst gewesen sei.

128    Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Argument der Klägerin, die Begrenzung der Übertragung der Feststellungen aus der Rechnungsprüfung sei nicht ausreichend, für den vorliegenden Rechtsstreit vollkommen unerheblich ist. Die fehlende Förderfähigkeit der streitigen Prämien wurde im Lauf der Rechnungsprüfung selbst festgestellt, nicht bei der Übertragung der Feststellungen aus dieser Rechnungsprüfung.

129    Zum anderen macht die REA zu Recht geltend, dass die für die Klägerin günstige Entscheidung der Kommission, die Übertragung der Feststellungen aus der Rechnungsprüfung zu begrenzen, in dem der Kommission nach Art. 22.5.1 der Finanzhilfevereinbarung eingeräumten Ermessen lag, so dass aus dieser Entscheidung im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes keine Schlussfolgerung gezogen werden kann. Da das Hinweisschreiben nach dem Durchführungszeitraum des Projekts datiert, kann es jedenfalls keine rechtzeitige Zusicherung im Hinblick auf die Förderfähigkeit der streitigen Prämien darstellen.

130    Unter diesen Umständen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission ihr klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen hinsichtlich der Förderfähigkeit der streitigen Prämien erteilt hat. Infolgedessen kann die Klägerin nach der oben in Rn. 112 genannten Rechtsprechung den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht geltend machen.

131    Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

132    Mithin ist der nach Art. 272 AEUV gestellte Antrag der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen, soweit er gegen die REA gerichtet ist.

133    Nach alldem ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.

 Kosten

134    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

135    Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der Kommission und der REA ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission und der REA aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Engineering – Ingegneria Informatica SpA trägt die Kosten.

Kowalik-Bańczyk

Buttigieg

Ricziová

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juli 2023.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Italienisch.