Language of document : ECLI:EU:T:2024:46

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

31. Januar 2024(*)

„Unionsmarke – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Wortmarke IU International University of Applied Sciences – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2017/1001 – Begründungspflicht – Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001“

In der Rechtssache T‑188/23,

IU Internationale Hochschule GmbH mit Sitz in Erfurt (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin A. Heise,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch D. Hanf als Bevollmächtigten,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli, der Richterin V. Tomljenović und des Richters R. Norkus (Berichterstatter),

Kanzler: V. Di Bucci,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und der Entscheidung gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die IU Internationale Hochschule GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 14. Februar 2023 (Sache R 1951/2022-1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Am 22. Juni 2021 wurde dem EUIPO die Benennung der Europäischen Union für die von der Klägerin angemeldete internationale Registrierung der Wortmarke IU International University of Applied Sciences mitgeteilt.

3        Die Marke wurde u. a. für folgende Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 41: „Erziehung; Ausbildung; Fort- und Weiterbildung; Organisation, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren und Workshops, Schulungen, Konferenzen und Kongressen [Ausbildung] und Studiengängen; Durchführung von Ausstellungen und Multimediapräsentationen [Erziehung, Ausbildung]; Organisation und Durchführung von Fernstudienprogrammen und Programmen im Rahmen des E‑Learnings; Erstellen, Herausgabe, Veröffentlichung und Bereitstellung von Druckereierzeugnissen und von Lehr- und Seminarunterlagen, jeweils auch in elektronischer Form [nicht herunterladbar]; Ausarbeitung und Veröffentlichung von Lehrprogrammen [Konzepten] und Weiterbildungskonzepten, auch im Rahmen des E‑Learning und für Fernstudien- und Fernweiterbildungsprogramme; Informationsdienste, nämlich Auskünfte über Veranstaltungen [Erziehung, Ausbildung]; Bereitstellung von Online-Videos, Audio‑Inhalten, Vodcasts und Podcasts [nicht herunterladbar]; Bereitstellung von Portalen im Internet für Studierende und Lehrkräfte und für die Aus‑, Fort‑ und Weiterbildung“;

–        Klasse 42: „Wissenschaftliche Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Hosting von Plattformen im Internet für Studierende und Lehrkräfte und für die Aus‑, Fort‑ und Weiterbildung; Interaktives Hosting zur Ermöglichung der Online-Veröffentlichung und gemeinsamen Nutzung von Inhalten durch den Benutzer, insbesondere Lehrende und Studierende“.

4        Mit Entscheidung vom 21. September 2022 wies der Prüfer die Markenanmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) in Bezug auf diese Dienstleistungen zurück.

5        Am 5. Oktober 2022 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers Beschwerde beim EUIPO ein.

6        Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer die Beschwerde u. a. mit der Begründung zurück, dass die angemeldete Marke beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 sei. Sie war insbesondere der Auffassung, dass der Ausdruck „International University of Applied Sciences“ für die in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibend sei. Die Buchstabengruppe „iu“ werde von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Akronym des Ausdrucks „International University“ wahrgenommen, da sie ihm unmittelbar vorausgehe.

7        Da die angemeldete Marke eine rein beschreibende Angabe sei, fehle ihr auch jede Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001.

 Anträge der Parteien

8        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

9        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin im Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

10      Die Klägerin stützt ihre Klage im Wesentlichen auf drei Klagegründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c, zweitens auf einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und drittens auf einen Verstoß gegen Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001.

11      Da der dritte Klagegrund Rügen betrifft, mit denen ein Begründungsmangel geltend gemacht wird, und die ersten beiden Klagegründe die sachliche Richtigkeit dieser Begründung in Frage stellen, ist zunächst der dritte Klagegrund zu prüfen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001

12      Die Klägerin rügt, dass die angefochtene Entscheidung aus zwei Gründen an einem Begründungsmangel leide. Zum einen habe die Beschwerdekammer festgestellt, dass es keinen Grund für die maßgeblichen Verkehrskreise gebe, die Buchstabengruppe „iu“ nicht als Akronym für „international university“ im Ausdruck „international university of applied sciences“ wahrzunehmen, ohne Tatsachen geprüft zu haben, die gegen eine solche Wahrnehmung sprächen. Zum anderen habe die Beschwerdekammer keine individuelle Prüfung jeder einzelnen in Rede stehenden Dienstleistung vorgenommen, bevor sie festgestellt habe, dass die angemeldete Marke für alle diese Dienstleistungen darauf hinweise, dass sie von einer Universität für Studierende aus verschiedenen Ländern erbracht würden.

13      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

14      Nach Art. 94 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2017/1001 sind die Entscheidungen des EUIPO mit Gründen zu versehen. Diese Verpflichtung hat denselben Umfang wie jene, die sich aus Art. 296 Abs. 2 AEUV ergibt, der verlangt, dass die Begründung die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, ohne dass es erforderlich wäre, alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte zu nennen, wobei die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts diesen Erfordernissen genügt, nicht nur anhand des entsprechenden Wortlauts, sondern auch anhand des Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 28. Juni 2018, EUIPO/Puma, C‑564/16 P, EU:C:2018:509, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Bei der Verpflichtung, Entscheidungen zu begründen, handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der sachlichen Richtigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen diese Entscheidung beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, zureichend sein kann (vgl. Urteil vom 20. Februar 2013, Langguth Erben/HABM [MEDINET], T‑378/11, EU:T:2013:83, Rn. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Was die Verpflichtung der zuständigen Behörde betrifft, die Ablehnung der Eintragung einer Marke für jede der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, zu begründen, so kann sich die zuständige Behörde auf eine pauschale Begründung für alle betroffenen Waren und Dienstleistungen beschränken, wenn dasselbe Eintragungshindernis einer Kategorie oder einer Gruppe von Waren oder Dienstleistungen entgegengehalten wird (vgl. Urteil vom 17. Mai 2017, EUIPO/Deluxe Entertainment Services Group, C‑437/15 P, EU:C:2017:380, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt jedoch nur für Waren und Dienstleistungen, die einen so direkten und konkreten Zusammenhang untereinander aufweisen, dass sie eine hinreichend homogene Kategorie oder Gruppe von Waren oder Dienstleistungen bilden (vgl. Urteil vom 17. Mai 2017, EUIPO/Deluxe Entertainment Services Group, C‑437/15 P, EU:C:2017:380, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17      Im vorliegenden Fall ist zunächst zum Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe keine Tatsachen geprüft, die die Feststellung zuließen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Buchstabengruppe „iu“ nicht als Akronym von „international university“ im Ausdruck „international university of applied sciences“ auffassen könnten, festzustellen, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung zur Wahrnehmung der angemeldeten Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise klar und eindeutig ist und ausreichend erscheint, um es der Klägerin zu ermöglichen, die Erwägungen der Beschwerdekammer zu verstehen und zu beanstanden, und es dem Unionsrichter zu ermöglichen, seine Kontrolle auszuüben. Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass diese Erwägungen an einem Begründungsmangel leiden.

18      Sodann ist zum Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe keine individuelle Prüfung jeder einzelnen in Rede stehenden Dienstleistungen vorgenommen, bevor sie festgestellt habe, dass die angemeldete Marke für alle diese Dienstleistungen darauf hinweise, dass sie von einer Universität für Studierende aus verschiedenen Ländern erbracht würden, festzustellen, dass die Klägerin nicht geltend macht, dass diese Dienstleistungen nicht von einer Universität für internationale Studierende erbracht werden könnten. Außerdem führte die Beschwerdekammer in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung aus, dass „[d]ie Dienstleistungen, die Gegenstand der Beschwerde sind, … verschiedene Dienstleistungen der Bildung, Ausbildung und damit zusammenhängender Informationen in Klasse 41 sowie wissenschaftliche Dienstleistungen, Forschungs- und Hosting-Dienstleistungen von Plattformen in Klasse 42“ betreffen, und in Rn. 13 dieser Entscheidung, dass diese Dienstleistungen von einer hochrangigen Bildungseinrichtung erbracht werden könnten, die Studierenden aus verschiedenen Ländern offenstehe. Die Klägerin wendet sich jedoch weder gegen diese Beurteilungen der Beschwerdekammer noch macht sie geltend, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen keinen so direkten und konkreten Zusammenhang untereinander aufweisen, dass sie eine hinreichend homogene Kategorie oder Gruppe von Dienstleistungen bilden und sich die zuständige Behörde daher auf eine pauschale Begründung beschränken kann.

19      Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Beschwerdekammer nach der oben in Rn. 16 angeführten Rechtsprechung auf eine pauschale Begründung für alle in Rede stehenden Dienstleistungen beschränken durfte.

20      Demnach hat die Beschwerdekammer nicht gegen Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 verstoßen.

21      Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001

22      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die angemeldete Marke nicht beschreibend sei, da die Buchstabengruppe „iu“ per senicht beschreibend sei und die maßgeblichen Verkehrskreise sie nicht sofort und unmittelbar als Akronym des diese Marke bildenden Ausdrucks, nämlich „international university of applied sciences“, erkennen würden. Der Buchstabe „i“ sei keine gebräuchliche oder anerkannte Abkürzung für den Begriff „international“, der mit „int.“, „intl.“ oder „int’l“ abgekürzt werde, wie auch die Buchstabengruppe „iu“ keine bekannte Abkürzung für den Begriff „international university“ sei. Wären im vorliegenden Fall die üblichen Regeln für die Bildung von Akronymen angewandt worden, wäre die Abkürzung für „international university of applied sciences“ „IntUAS“ oder „IUAS“ gewesen.

23      Den maßgeblichen Verkehrskreisen würde eine deutliche Denkleistung abverlangt, um die der Buchstabengruppe „iu“ folgenden Wörter zu analysieren und zu schlussfolgern, dass die Buchstabengruppe nur einem Teil dieser Wörter entspreche. Die maßgeblichen Verkehrskreise hätten aber keinen Anlass, eine solche Analyse vorzunehmen, da ihnen der Bestandteil „IU“ nicht als eine im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Dienstleistungen übliche Abkürzung bekannt sei, sondern ihnen andere Abkürzungen geläufig seien.

24      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

25      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.

26      Diese Zeichen oder Angaben werden als ungeeignet angesehen, die wesentliche Funktion der Marke zu erfüllen, die darin besteht, die gewerbliche Herkunft der Ware oder der Dienstleistung zu identifizieren (Urteil vom 23. Oktober 2003, HABM/Wrigley, C‑191/01 P, EU:C:2003:579, Rn. 30).

27      Ein Zeichen fällt nur dann unter das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 vorgesehene Verbot, wenn es einen hinreichend direkten und konkreten Zusammenhang mit den fraglichen Waren oder Dienstleistungen aufweist, der es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, sofort und ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrzunehmen (vgl. Urteile vom 12. Januar 2005, Deutsche Post EURO EXPRESS/HABM [EUROPREMIUM], T‑334/03, EU:T:2005:4, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 22. Juni 2005, Metso Paper Automation/HABM [PAPERLAB], T‑19/04, EU:T:2005:247, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Der beschreibende Charakter eines Zeichens lässt sich zum einen nur in Bezug auf die betroffenen Waren oder Dienstleistungen beurteilen und zum anderen nur in Bezug darauf, was die maßgeblichen Verkehrskreise darunter verstehen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Peek & Cloppenburg/HABM [Cloppenburg], T‑379/03, EU:T:2005:373, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Im vorliegenden Fall war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen, wie sie in Rn. 3 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt sind, aus verschiedenen Dienstleistungen der Bildung, Ausbildung und damit zusammenhängender Informationen in Klasse 41 sowie aus wissenschaftlichen Dienstleistungen, Forschungs- und Hosting-Dienstleistungen von Plattformen in Klasse 42 bestünden. Sie war ferner der Auffassung, dass sich alle diese Dienstleistungen an die breite Öffentlichkeit richteten, und stützte ihre Beurteilung wie der Prüfer auf den englischsprachigen Teil dieser Öffentlichkeit.

30      Die Klägerin stellt diese Beurteilungen der Beschwerdekammer nicht in Abrede. Im Übrigen enthalten die Akten keinen Anhaltspunkt, der sie in Frage stellen könnte.

31      Die angemeldete Marke besteht aus der Buchstabengruppe „iu“, unmittelbar gefolgt von dem englischen Ausdruck „international university of applied sciences“.

32      Die Beschwerdekammer vertrat die Ansicht, dass dieser Ausdruck in Anbetracht seiner Bedeutung im Englischen für die in Rede stehenden Dienstleistungen beschreibend sei, da er die Verbraucher darüber informiere, dass diese Dienstleistungen von einer hochrangigen Bildungseinrichtung angeboten würden, die Studierenden aus verschiedenen Ländern offenstehe (für den Bestandteil „international university“) und die auf die angewandten Wissenschaften spezialisiert sei (für den Bestandteil „of applied sciences“). Die Buchstabengruppe „iu“ vermittle nicht zwangsläufig eine klare Bedeutung, wenn sie isoliert betrachtet werde, könne aber im Rahmen einer Gesamtbeurteilung der angemeldeten Marke als ein Akronym von „international university“ verstanden werden.

33      Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Beurteilung der Beschwerdekammer hinsichtlich des beschreibenden Charakters des englischen Ausdrucks „international university of applied sciences“ in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen, sondern macht im Wesentlichen geltend, dass die Buchstabengruppe „iu“ per se nicht beschreibend sei und nicht als Abkürzung oder Akronym der anderen Wörter der angemeldeten Marke angesehen werden könne, so dass die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit betrachtet für die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht beschreibend sei.

34      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass in der Rechtsprechung keine besonderen Regeln für die Bildung von Akronymen oder Abkürzungen festgelegt oder festgestellt, sondern lediglich bestimmte Gepflogenheiten in diesem Bereich zur Kenntnis genommen werden. So hat das Gericht ausgeführt, dass Konjunktionen, Präpositionen und Artikel im Allgemeinen nicht Bestandteil von Akronymen sind (Urteil vom 8. Dezember 2021, Talleres de Escoriaza/EUIPO – Salto Systems [KAAS KEYS AS A SERVICE], T‑294/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:867, Rn. 79).

35      Außerdem werden zwar manche Akronyme aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter gebildet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2008, JTEKT/HABM [IFS], T‑462/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:557, Rn. 25), andere können hingegen eine Kombination von Buchstaben oder Anfangssilben enthalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2005, BioID/HABM, C‑37/03 P, EU:C:2005:547, Rn. 69 und 70).

36      In Ermangelung klarer Regeln für die Bildung von Abkürzungen oder Akronymen werden bestimmte Wörter bei einem Akronym nicht notwendigerweise in einem einheitlichen Format abgekürzt oder darin integriert. Was insbesondere das Wort „international“ angeht, kann es zwar, wie die Klägerin darlegt, manchmal mit „int.“, „intl“ oder „int’l“ abgekürzt werden, es kann aber auch nur durch die Übernahme seines Anfangsbuchstabens in Akronyme integriert werden, wie etwa in den Akronymen weltbekannter internationaler Organisationen wie ILO für „International Labour Organisation“ (Internationale Arbeitsorganisation), IWF für „Internationaler Währungsfonds“ und IAEO für „Internationale Atomenergie-Organisation“.

37      Im vorliegenden Fall ist der Ausdruck „international university of applied sciences“ ein komplexer Ausdruck, der um das Wort „university“ herum gebildet ist. Wie die Klägerin einräumt, könnte für diesen komplexen Ausdruck das Akronym „IUAS“ stehen, das durch die Übernahme des Anfangsbuchstabens der einzelnen Wörter mit Ausnahme der Präposition „of“ gebildet würde. Dies bedeutet implizit, aber zwangsläufig, dass die Buchstabengruppe „iu“ als solche das Akronym der Wortgruppe „international university“ bilden kann. Eine solche Lesart ist umso plausibler, als „IU“, wie das EUIPO zu Recht geltend macht, ein typisches Akronym für eine international ausgerichtete Hochschule ist.

38      Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass der englischsprachige Teil der maßgeblichen Verkehrskreise die Buchstabengruppe „iu“ in der angemeldeten Marke und in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen als ein Akronym des darauf folgenden Ausdrucks „international university“ wahrnehmen könnte. Dass auch andere Akronyme oder Abkürzungen für diesen komplexen Ausdruck in seiner Gesamtheit oder für einige seiner Bestandteile denkbar oder gar bekannter sind, ist unerheblich. Es genügt nämlich, dass die Buchstabengruppe „iu“ zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen ein Akronym oder eine Abkürzung des Ausdrucks „international university“ darstellen und damit ein Merkmal der in Rede stehenden Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. September 2020, achtung!/EUIPO, C‑214/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:632, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin unterscheidet sich der vorliegende Fall nicht grundlegend von dem, in dem das Urteil vom 15. März 2012, Strigl und Securvita (C‑90/11 und C‑91/11, EU:C:2012:147), ergangen ist, obwohl die Buchstabengruppe „iu“ kein Akronym für alle nachfolgenden Wörter darstellt. Denn wie bei den Marken, um die es in diesem Urteil ging, besteht die vorliegend angemeldete Marke aus einem beschreibenden Ausdruck und einer Buchstabengruppe, die als solche nicht beschreibend ist, aber von den maßgeblichen Verkehrskreisen als Akronym oder Abkürzung der den Ausdruck bildenden Wörter wahrgenommen werden kann. Diese Buchstabengruppe nimmt im Verhältnis zu dem Ausdruck nur eine akzessorische Stellung ein und kann, auch wenn sie bei isolierter Betrachtung nicht beschreibend ist, durch ihre Kombination in der angemeldeten Marke mit einem Hauptausdruck, der als solcher beschreibend ist und als dessen Abkürzung sie wahrgenommen wird, beschreibend werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2012, Strigl und Securvita, C‑90/11 und C‑91/11, EU:C:2012:147, Rn. 38).

40      Dagegen unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache, in der das Urteil vom 8. Dezember 2021, KAAS KEYS AS A SERVICE (T‑294/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:867), ergangen ist. In diesem Urteil hat das Gericht u. a. zum einen festgestellt, dass der Ausdruck „keys as a service“ es den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht ermöglicht, sofort und ohne weiteres Nachdenken zu verstehen, welche Merkmale die in Rede stehenden Waren haben, so dass er nicht als beschreibend anzusehen ist. Zum anderen hat das Gericht festgestellt, dass die Buchstabengruppe „kaas“ keine beschreibende Bedeutung für die betreffenden Waren hat und von den maßgeblichen Verkehrskreisen weder als ein Akronym der Wörter „keys as a service“ noch als ein Akronym wahrgenommen wird, die einen Bezug zu diesen Waren aufweist. Das Gericht entschied daher, dass der bloße Umstand, dass „kaas“ mit den Anfangsbuchstaben der Wörter „keys as a service“ übereinstimmt, nicht zwingend zu der Schlussfolgerung führt, dass es sich um ein Akronym dieses Ausdrucks handelt. In der vorliegenden Rechtssache kann die Buchstabengruppe „iu“, wie oben in Rn. 38 festgestellt, jedoch vom englischsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise als ein Akronym des darauf folgenden Ausdrucks „international university“ aufgefasst werden, der für die fraglichen Dienstleistungen beschreibend ist.

41      In Bezug auf die von der Klägerin in Rn. 31 der Klageschrift angeführte und als Anlage A 9 vorgelegte Entscheidung des Bundespatentgerichts (Deutschland) ist darauf hinzuweisen, dass die Unionsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von Vorschriften besteht und Zielsetzungen verfolgt, die ihm eigen sind, und dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2007, Develey/HABM, C‑238/06 P, EU:C:2007:635, Rn. 65). Dennoch stellen die in den Entscheidungen nationaler Gerichte getroffenen Feststellungen, auch wenn sie einen anderen Rechtsstreit betreffen, als solche eine Tatsache dar, die, wenn sie relevant ist, vom Gericht im Rahmen seiner freien Tatsachenwürdigung berücksichtigt werden darf (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 10. Mai 2012, Rubinstein und L’Oréal/HABM, C‑100/11 P, EU:C:2012:285, Rn. 78).

42      Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Klägerin darauf, diese Entscheidung eines nationalen Gerichts als Beispiel für die Anwendung bestimmter von den Unionsgerichten aufgestellter Grundsätze im nationalen Recht zu nennen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargetan, dass die in dieser Entscheidung angeführten Tatsachen für den Nachweis, dass die angemeldete Marke nicht beschreibend sein soll, relevant sind.

43      Folglich kann die von der Klägerin vorgelegte Entscheidung des Bundespatentgerichts die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen.

44      Was schließlich den Verweis der Klägerin auf die Richtlinien des EUIPO betrifft, genügt der Hinweis, dass sie keine für die Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts verbindlichen Rechtsakte darstellen (Urteil vom 19. Dezember 2012, Leno Merken, C‑149/11, EU:C:2012:816, Rn. 48).

45      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit vom englischsprachigen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise als Kombination von Angaben oder Abkürzungen wahrgenommen werden kann, die Aufschluss über die Merkmale der in Rede stehenden Dienstleistungen geben.

46      Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

47      Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Zeichen IU International University of Applied Sciences für die in Rede stehenden Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft habe. Da das Zeichen nämlich im Hinblick auf die erfassten Dienstleistungen keine beschreibende Bedeutung habe, besitze es originäre Unterscheidungskraft.

48      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

49      Da nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 ein Zeichen bereits dann von der Eintragung als Unionsmarke ausgeschlossen ist, wenn eines der dort aufgezählten absoluten Eintragungshindernisse vorliegt, braucht die Begründetheit des zweiten Klagegrundes, mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung rügt, nicht geprüft zu werden.

50      Infolgedessen ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

51      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

52      Die Klägerin ist zwar unterlegen, das EUIPO hat ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten jedoch nur für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, ist zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die IU Internationale Hochschule GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

3.      Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) trägt seine eigenen Kosten.

Marcoulli

Tomljenović

Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 31. Januar 2024.

Der Kanzler

 

Der Präsident

V. Di Bucci

 

S. Papasavvas


*      Verfahrenssprache: Deutsch.