Language of document : ECLI:EU:T:2010:185

Rechtssache T‑237/08

Abadía Retuerta, SA

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke CUVÉE PALOMAR – Absolutes Eintragungshindernis – Weinmarken, die geografische Angaben enthalten – TRIPS-Übereinkommen – Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

Leitsätze des Urteils

1.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken, die eine geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, durch die Weine oder Spirituosen gekennzeichnet werden, in Bezug auf Weine oder Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben – Begriff

(TRIPS-Übereinkommen, Art. 23; Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. j)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken, die eine geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, durch die Weine oder Spirituosen gekennzeichnet werden, in Bezug auf Weine oder Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben

(Verordnungen Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. j, und Nr. 1493/1999, Art. 52)

3.      Landwirtschaft – Gemeinsame Marktorganisation – Wein – Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete – Gemeinschaftlicher Schutz von geografischen Angaben – Voraussetzungen

(Verordnung Nr. 1493/1999 des Rates, Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 1 und Art. 54 Abs. 4 und 5)

4.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken, die eine geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, durch die Weine oder Spirituosen gekennzeichnet werden, in Bezug auf Weine oder Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben – Irreführender Charakter – Verwechslungsgefahr – Unerheblichkeit

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. j)

5.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken, die eine geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, durch die Weine oder Spirituosen gekennzeichnet werden, in Bezug auf Weine oder Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben – Bestimmte oder unbestimmte Artikel – Unerheblichkeit

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. j)

6.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Absolute Eintragungshindernisse – Marken, die eine geografische Angabe enthalten oder aus ihr bestehen, durch die Weine oder Spirituosen gekennzeichnet werden, in Bezug auf Weine oder Spirituosen, die diesen Ursprung nicht haben – Der breiten Öffentlichkeit oder den beteiligten Verkehrskreisen unbekannter Name, der unter eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung fällt – Polysemischer Charakter – Unerheblichkeit

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 7 Abs. 1 Buchst. j)

1.      Die Bestimmungen des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) haben zwar keine unmittelbare Wirkung, doch ist das Markenrecht – einschließlich Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke – im Rahmen des Möglichen nach dem Wortlaut und dem Zweck dieses Übereinkommens auszulegen.

Der in Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 enthaltene Ausdruck „geografische Angabe, durch die Weine gekennzeichnet werden“ weicht in der französischen Fassung von dem im Art. 23 des TRIPS-Übereinkommens ab. Es gibt jedoch zwei weitere verbindliche Sprachen gemäß der Schlussakte über die Ergebnisse der Multilateralen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde, die in Französisch, Englisch und Spanisch abgefasst ist. So heißt es in der englischen Fassung sowohl in Art. 23 des TRIPS-Übereinkommens als auch in Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 „geographical indication identifying wines“. In der spanischen Fassung heißt es in Art. 23 des TRIPS-Übereinkommens „indicación geográfica que identifique vinos“ und in Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 „indicación geográfica que identifique el vino“. Folglich bezieht sich Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 auf geografische Angaben, durch die Weine gekennzeichnet werden, und nicht auf geografische Angaben „destinées à identifier les vins [zur Kennzeichnung von Weinen]“.

(vgl. Randnrn. 67-72)

2.      Das für „Weine“ der Klasse 33 des Abkommens von Nizza angemeldete Wortzeichen CUVÉE PALOMAR fällt aufgrund der bestehenden kontrollierten Ursprungsbezeichnung „valencia“ unter das absolute Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke.

Gemäß dem spanischen Recht besteht das durch die kontrollierte Ursprungsbezeichnung „valencia“ geschützte Anbaugebiet insbesondere aus dem Untergebiet Clariano, das u. a. eine Gemeinde des Namens el Palomar umfasst.

Der Name el Palomar stellt mithin eine geografische Angabe für einen Qualitätswein b. A. im Sinne der spanischen Rechtsvorschriften und damit des Art. 52 der Verordnung Nr. 1493/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein dar, wonach der Name eines bestimmten Anbaugebiets oder einer Gemeinde, wenn ihn ein Mitgliedstaat einem Qualitätswein b. A. zuweist, nicht zur Bezeichnung von Erzeugnissen des Weinsektors verwendet werden darf, die nicht aus diesem Anbaugebiet stammen und/oder denen dieser Name nicht nach den geltenden gemeinschaftlichen und einzelstaatlichen Vorschriften zugewiesen wurde.

Da der Name el Palomar eine geografische Angabe für einen Qualitätswein b. A. ist, stellt er folglich eine geografische Angabe, durch die Weine gekennzeichnet werden, im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 dar.

Der von der angemeldeten Marke erfasste Wein stammt nicht aus der Gemeinde el Palomar. Folglich besteht die angemeldete Marke aus einer geografischen Angabe, die einen Qualitätswein b. A. kennzeichnet, während der von der Anmeldung erfasste Wein nicht diesen Ursprung hat.

(vgl. Randnrn. 82, 86-88, 110-112)

3.      Dem durch die Verordnung Nr. 1493/1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein eingeführten gemeinschaftlichen Schutz von geografischen Angaben liegen die geografischen Angaben zugrunde, wie sie durch die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten unter Wahrung der maßgeblichen Bestimmungen dieser Verordnung festgelegt worden sind. Dieser Schutz resultiert nämlich nicht aus einem eigenständigen gemeinschaftlichen Verfahren und nicht einmal aus einem Mechanismus der Genehmigung der von den Mitgliedstaaten anerkannten geografischen Angaben in einem bindenden Gemeinschaftsrechtsakt.

Aus Art. 54 Abs. 4 und 5 der Verordnung Nr. 1493/1999 ergeben sich lediglich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der Kommission das Verzeichnis der von ihnen anerkannten Qualitätsweine b. A. unter Angabe der für ihre Erzeugung und Herstellung geltenden innerstaatlichen Vorschriften für die einzelnen Qualitätsweine b. A. zu übermitteln, und die Verpflichtung der Kommission, das Verzeichnis im Amtsblatt, Reihe C – nicht Reihe L –, zu veröffentlichen.

Daraus, dass der Schutz der geografischen Angaben auf die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgeht, folgt, dass sich die Möglichkeit der Geltendmachung von nationalen Maßnahmen, mit denen ein Mitgliedstaat den Namen eines bestimmten Gebiets, den Namen einer Gemeinde, eines Teils einer Gemeinde oder eines bestimmten Ortes gemäß Art. 52 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1493/1999 einem Qualitätswein b. A. zuweist, aus der Veröffentlichung dieser Bestimmungen im Amtsblatt des Mitgliedstaats ergibt, der sie erlässt.

(vgl. Randnrn. 97-99)

4.      Das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke findet Anwendung, ohne dass die Frage zu berücksichtigen wäre, ob durch die angemeldeten Marken eine Irreführung des Publikums möglich ist oder nicht oder ob für das Publikum durch sie im Hinblick auf die Herkunft des Erzeugnisses eine Verwechslungsgefahr besteht.

(vgl. Randnr. 120)

5.      Damit das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zur Anwendung kommt, genügt es, wenn die Marken Angaben enthalten oder aus solchen bestehen, anhand deren die fragliche geografische Angabe sicher erkennbar ist, ohne dass darauf zu achten wäre, ob etwa bestimmte oder unbestimmte Artikel dabei stehen. Etwas anderes gälte nur dann, wenn die geografische Angabe aus einem Ortsnamen bestünde, der einen mit diesem Namen fest verbundenen Artikel enthielte, der ihm eine eigene und eigenständige Bedeutung verliehe.

(vgl. Randnrn. 125-126)

6.      Da gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke die angemeldete Marke schon allein deshalb von der Eintragung ausgeschlossen werden muss, weil sie eine geografische Angabe enthält oder aus ihr besteht, durch die Weine gekennzeichnet werden, und sich auf Weine bezieht, die diesen Ursprung nicht haben, würde es folglich für die Anwendung dieses absoluten Eintragungshindernisses keinen Unterschied machen, wenn der unter eine kontrollierte Ursprungsbezeichnung fallende Name der breiten Öffentlichkeit bzw. den beteiligten Verkehrskreisen unbekannt wäre oder wenn er polysemisch wäre, wodurch sein Charakter als geografische Angabe gemindert würde.

(vgl. Randnr. 131)