Language of document : ECLI:EU:T:2014:1061

Rechtssache T‑10/09 RENV

Formula One Licensing BV

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt

(Marken, Muster und Modelle) (HABM)

„Gemeinschaftsmarke – Widerspruchsverfahren – Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke F1-LIVE – Ältere Gemeinschaftsbildmarke F1 und nationale und internationale Wortmarken F1 Formula 1 – Relative Eintragungshindernisse – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

Leitsätze – Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 11. Dezember 2014

1.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Bildmarke F1-LIVE – Bildmarke F1 Formula 1 und Wortmarken F1

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

2.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Koexistenz älterer Marken – Zuerkennung eines gewissen Grades an Unterscheidungskraft einer nationalen Marke

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, fünfter Erwägungsgrund sowie Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 2 Buchst. a Ziff. ii; Richtlinie 2008/95 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b; Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a)

3.      Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Geringe Unterscheidungskraft der älteren Marke – Auswirkung

(Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

1.      Für die Durchschnittsverbraucher der Europäischen Union besteht die Gefahr einer Verwechslung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zum einen des Bildzeichens F1-LIVE, dessen Eintragung als Gemeinschaftsmarke für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41 des Abkommens von Nizza beantragt worden ist, und zum anderen der zuvor in Deutschland für Dienstleistungen der Klasse 41, im Vereinigten Königreich für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 38 und als internationale Marke mit Schutzwirkung für Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Ungarn für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 38 und 41 eingetragenen Wortmarken F1 sowie der zuvor für Waren und Dienstleistungen derselben Klassen eingetragenen Gemeinschaftsbildmarke F1 Formula 1.

Die einander gegenüberstehenden Marken unterscheiden sich zwar bildlich, klanglich und begrifflich in einigen Merkmalen, insgesamt besteht aber auch eine gewisse Ähnlichkeit, weil die Bildmarke, für die die Eintragung beantragt worden ist, den Wortbestandteil der älteren Marke enthält.

Daraus ergibt sich insbesondere in Anbetracht dessen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nur ein unvollkommenes Bild der fraglichen Marken im Gedächtnis behalten und deren gemeinsamer Bestandteil „f1“ somit eine gewisse Ähnlichkeit zwischen ihnen begründet, und angesichts der Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen zu berücksichtigenden Faktoren, wobei die betreffenden Waren identisch oder sehr ähnlich sind, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass für die Verbraucher die Gefahr von Verwechslungen besteht. Mit anderen Worten besteht die Gefahr, dass die Verbraucher die beiden Marken miteinander in Verbindung bringen und die angemeldete Marke wegen der identischen Wiedergabe der älteren Marke F1 als eine Abwandlung dieser Marke auffassen und daher auf ihre betriebliche Herkunft schließen.

(vgl. Rn. 29, 30, 45, 52)

2.      Es muss, um nicht gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zu verstoßen, einer nationalen Marke, auf die ein Widerspruch gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke gestützt wird, ein gewisser Grad an Unterscheidungskraft zuerkannt werden.

Daher kann nicht anerkannt werden, dass es sich bei dem gemeinsamen Bestandteil der fraglichen Marken um einen Gattungsbegriff handelt, der beschreibend ist oder keine Unterscheidungskraft hat, ohne die Gültigkeit der älteren Marke im Rahmen eines Verfahrens zur Eintragung einer Gemeinschaftsmarke in Frage zu stellen, was einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 zur Folge hat.

Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) und folglich das Gericht haben, wenn gegen die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke ein auf eine ältere nationale Marke gestützter Widerspruch eingelegt wird, zwar zu prüfen, in welcher Weise die maßgeblichen Verkehrskreise das mit dieser nationalen Marke identische Zeichen in der Anmeldemarke auffassen, und gegebenenfalls den Grad der Unterscheidungskraft dieses Zeichens zu beurteilen.

Diese Prüfungen dürfen jedoch nicht zur Feststellung fehlender Unterscheidungskraft bei einem Zeichen führen, das mit einer eingetragenen und geschützten nationalen Marke identisch ist, weil eine solche Feststellung weder mit der Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken noch mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, ausgelegt in Verbindung mit Abs. 2 Buchst. a Ziff. ii dieses Artikels, vereinbar wäre.

Diese Feststellung würde nämlich die nationalen Marken beeinträchtigen, die mit einem Zeichen identisch sind, bei dem von einer fehlenden Unterscheidungskraft ausgegangen wird, weil die Eintragung einer solchen Gemeinschaftsmarke einen Sachverhalt darstellen würde, durch den der nationale Schutz dieser Marken aufgehoben werden könnte. Mit dieser Feststellung würde demnach das durch die Verordnung Nr. 40/94 geschaffene System, das auf der in deren fünftem Erwägungsgrund erwähnten Koexistenz der Gemeinschaftsmarken und der nationalen Marken beruht, nicht beachtet, da die Gültigkeit einer internationalen oder nationalen Marke mit der Begründung fehlender Unterscheidungskraft nur im Rahmen eines im betreffenden Mitgliedstaat nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der ersten Richtlinie 89/104 und der Richtlinie 2008/95 über die Marken angestrengten Nichtigkeitsverfahrens in Frage gestellt werden kann.

(vgl. Rn. 33-37)

3.      Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zwar zu berücksichtigen, sie ist dabei aber nur einer von mehreren Faktoren. Auch bei einer älteren Marke mit schwacher Kennzeichnungskraft kann daher, insbesondere wegen einer Ähnlichkeit der Zeichen und der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, Verwechslungsgefahr bestehen.

(vgl. Rn. 49)