Language of document : ECLI:EU:T:2013:424

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

12. September 2013(*)

„Gemeinschaftsmarke – Nichtigkeitsverfahren – Gemeinschaftswortmarke CASTEL – Absolutes Eintragungshindernis – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Zulässigkeit – Absolutes Eintragungshindernis, das vor der Beschwerdekammer nicht geltend gemacht wurde – Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen – Art. 76 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009“

In der Rechtssache T‑320/10

Fürstlich Castell’sches Domänenamt Albrecht Fürst zu Castell-Castell mit Sitz in Castell (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Kunze und G. Würtenberger sowie Rechtsanwältin T. Wittmann,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch P. Geroulakos und G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Castel Frères SAS mit Sitz in Blanquefort (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. von Mühlendahl und H. Hartwig,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 4. Mai 2010 (Sache R 962/2009‑2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen dem Fürstlich Castell’schen Domänenamt Albrecht Fürst zu Castell-Castell und der Castel Frères SAS

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richterin I. Labucka und des Richters S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter),

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 2. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 15. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des HABM,

aufgrund der am 10. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2012

folgendes

Urteil(1)

[nicht wiedergegeben]

 Anträge der Parteien

9        Der Kläger beantragt,

–      die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–      dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

10      Das HABM und die Streithelferin beantragen,

–      die Klage abzuweisen;

–      dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

11      In der mündlichen Verhandlung hat die Streithelferin mitgeteilt, dass sie auf die erstmals vor dem Gericht vorgelegten Anhänge I. 9 und I. 10 ihrer Klagebeantwortung verzichte.

 Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

 Zur Zulässigkeit des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. d und Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 207/2009 gerügt wird

[nicht wiedergegeben]

24      Aus der Akte des Verwaltungsverfahrens geht hervor, dass der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 207/2009 vor der Beschwerdekammer nicht vorgebracht wurde und dass er somit erstmals vor dem Gericht geltend gemacht wird.

25      Jedenfalls musste dieses absolute Eintragungshindernis entgegen dem Vorbringen des Klägers von der Beschwerdekammer im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens nicht von Amts wegen geprüft werden.

26      Nach Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 haben die Prüfer des HABM und, auf Beschwerde, seine Beschwerdekammern bei der Prüfung der absoluten Eintragungshindernisse von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln, um festzustellen, ob die angemeldete Marke unter eines der Eintragungshindernisse nach Art. 7 der Verordnung fällt. Infolgedessen können sich die zuständigen Stellen des HABM veranlasst sehen, ihre Entscheidungen auf Tatsachen zu stützen, die vom Anmelder nicht angeführt worden sind. Das HABM hat von Amts wegen den relevanten Sachverhalt zu ermitteln, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 50; Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, Develey/HABM [Form einer Plastikflasche], T‑129/04, Slg. 2006, II‑811, Randnr. 16, und vom 12. April 2011, Fuller & Thaler Asset Management/HABM [BEHAVIOURAL INDEXING und BEHAVIOURAL INDEX], T‑310/09 und T‑383/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 29).

27      Jedoch kann im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens das HABM nicht verpflichtet sein, die vom Prüfer vorgenommene Ermittlung des relevanten Sachverhalts, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt, erneut von Amts wegen durchzuführen. Aus den Bestimmungen der Art. 52 und 55 der Verordnung Nr. 207/2009 geht hervor, dass die Gemeinschaftsmarke so lange als gültig angesehen wird, bis sie vom HABM nach einem Nichtigkeitsverfahren für nichtig erklärt wird. Ihr kommt somit eine Vermutung der Gültigkeit zugute, die die logische Folge der vom HABM im Rahmen der Prüfung einer Anmeldung durchgeführten Kontrolle darstellt.

28      Diese Vermutung der Gültigkeit beschränkt die sich aus Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebende Verpflichtung des HABM, den relevanten Sachverhalt, der es zu der Feststellung veranlassen könnte, dass ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt, von Amts wegen zu ermitteln, auf die Prüfung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung, die von den Prüfern des HABM und, auf Beschwerde, von den Beschwerdekammern im Verfahren der Eintragung dieser Marke durchgeführt wurde. Da die Gültigkeit der eingetragenen Gemeinschaftsmarke vermutet wird, ist es hingegen im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens Sache des die Nichtigerklärung begehrenden Antragstellers, vor dem HABM die konkreten Gesichtspunkte darzulegen, die die Gültigkeit der Marke in Frage stellen sollen.

29      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerdekammer im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens nicht verpflichtet war, von Amts wegen den relevanten Sachverhalt zu ermitteln, der es zu der Feststellung hätte veranlassen können, dass das absolute Eintragungshindernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt.

30      Der vorliegende Klagegrund ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 4. Mai 2010 (Sache R 962/2009-2) wird aufgehoben.

2.      Das HABM trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Fürstlich Castell’schen Domänenamts Albrecht Fürst zu Castell-Castell.

3.      Die Castel Frères SAS trägt ihre eigenen Kosten.

Kanninen

Labucka

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. September 2013.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1–      Es werden nur die Randnummern wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.