Language of document : ECLI:EU:T:2005:461

Rechtssache T-33/01

Infront WM AG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Fernsehen – Richtlinie 89/552/EWG – Richtlinie 97/36/EG – Artikel 3a – Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung – Zulässigkeit – Verletzung wesentlicher Formvorschriften“

Leitsätze des Urteils

1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlicher Rechtswirkung – Schreiben der Kommission an einen Mitgliedstaat mit der Mitteilung, dass nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 erlassene Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und demnächst veröffentlicht werden – Einbeziehung

(Artikel 230 EG; Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 3a)

2.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Unmittelbares Betroffensein – Kriterien – Entscheidung der Kommission, die die Vereinbarkeit von nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 erlassenen Maßnahmen eines Mitgliedstaats mit dem Gemeinschaftsrecht feststellt und ihre baldige Veröffentlichung vorsieht – Unmittelbares Betroffensein des Inhabers der Fernsehübertragungsrechte an den in Frage stehenden Ereignissen

(Artikel 230 Absatz 4 EG; Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 3a)

3.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Entscheidung der Kommission, die die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit von Maßnahmen eines Mitgliedstaats nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 feststellt und ihre baldige Veröffentlichung vorsieht – Klage des Inhabers der Fernsehübertragungsrechte an den in Frage stehenden Ereignissen – Zulässigkeit

(Artikel 230 Absatz 4 EG; Richtlinie 89/552 des Rates, Artikel 3a)

1.      Die Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist, sind Maßnahmen mit bindenden Rechtswirkungen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen. Die Form, in der Handlungen oder Entscheidungen ergehen, ist auf ihre Anfechtbarkeit im Wege der Nichtigkeitsklage grundsätzlich ohne Einfluss. Für die Feststellung, ob die angefochtene Handlung solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen.

Eine solche anfechtbare Handlung ist ein Schreiben der Kommission, mit dem sie einen Mitgliedstaat über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit und baldige Veröffentlichung von Maßnahmen unterrichtet, die er ihr nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36 mitgeteilt hatte.

Denn ein solches Schreiben erzeugt gegenüber den anderen Mitgliedstaaten dadurch Rechtswirkungen, dass es die Veröffentlichung der fraglichen staatlichen Maßnahmen im Amtsblatt vorsieht, die erst erfolgen darf, wenn die Kommission die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht festgestellt hat, und die den in der genannten Vorschrift festgelegten Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung auslöst.

(vgl. Randnrn. 87, 89, 92, 95, 103, 111)

2.      Ein Einzelner ist von einer Maßnahme der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG nur dann unmittelbar betroffen, wenn sich diese unmittelbar auf seine Rechtsstellung auswirkt und ihre Durchführung rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere Vorschriften angewandt werden müssen.

In einer solchen Lage befindet sich der Inhaber von Rechten zur Fernsehübertragung von Ereignissen, hinsichtlich deren die Kommission eine Entscheidung über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit und Veröffentlichung im Amtsblatt von Maßnahmen erlässt, die die Ausübung ausschließlicher Senderechte an Ereignissen mit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung regeln sollen und die ein Mitgliedstaat der Kommission nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36 mitgeteilt hat. Denn eine solche Entscheidung setzt den Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung in Gang und verpflichtet die übrigen Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten aus Artikel 3a der Richtlinie 89/552, in deren Rahmen sie insbesondere dafür Sorge tragen müssen, dass sich kein ihrer Zuständigkeit unterliegender Fernsehveranstalter, der die fraglichen Rechte erworben hat, den Maßnahmen entzieht.

(vgl. Randnrn. 130, 138-139, 142, 150)

3.      Personen, die nicht Adressaten einer Entscheidung sind, können nur dann geltend machen, sie seien im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG individuell betroffen, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.

Als von einer Entscheidung der Kommission über die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit und im Amtsblatt vorzunehmende Veröffentlichung von Maßnahmen, die ihr ein Mitgliedstaat nach Artikel 3a der Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36 mitgeteilt hat und die die Ausübung von ausschließlichen Übertragungsrechten an Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung regeln sollen, individuell betroffen anzusehen ist der Inhaber der Rechte zur Fernsehübertragung eines in diesen Maßnahmen aufgelisteten Ereignisses, wenn er diese Rechte schon vor dem Erlass der Maßnahmen und damit erst recht vor ihrer Billigung durch die Kommission erworben hat, weil die Maßnahmen ihn in der freien Verfügung über seine Rechte beschränken, indem sie deren ausschließliche Abgabe an einen Fernsehveranstalter mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, der das fragliche Ereignis in dem ersten Mitgliedstaat übertragen will, bestimmten Bedingungen unterwerfen.

(vgl. Randnrn. 142, 159, 165, 168)