Language of document : ECLI:EU:C:2022:1042

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

22. Dezember 2022(*)

„Rechtsmittel – Art. 182 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Öffentlicher Dienst – Ruhegehalt – Statut der Beamten der Europäischen Union – Art. 20 des Anhangs VIII – Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung – Überlebender Ehegatte eines ehemaligen Beamten, der ein Ruhegehalt bezog – Nach dem Ausscheiden dieses Beamten aus dem Dienst geschlossene Ehe – Voraussetzung einer Mindestehedauer von fünf Jahren zum Zeitpunkt des Todes des Beamten – Art. 18 des Anhangs VIII – Vor dem Ausscheiden des Beamten aus dem Dienst geschlossene Ehe – Voraussetzung einer Mindestehedauer von nur einem Jahr – Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 20 – Grundsatz der Gleichbehandlung – Art. 21 Abs. 1 – Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters – Art. 52 Abs. 1 – Keine willkürliche oder im Hinblick auf das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel offensichtlich unangemessene Unterscheidung“

In den verbundenen Rechtssachen C‑341/21 P und C‑357/21 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 2. Juni und am 7. Juni 2021,

Europäische Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und B. Mongin als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C‑341/21 P,

andere Parteien des Verfahrens:

KM, vertreten durch Rechtsanwalt M. Müller-Trawinski,

Klägerin im ersten Rechtszug,


Europäisches Parlament, vertreten durch J. Van Pottelberge als Bevollmächtigten,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Alver und M. Bauer als Bevollmächtigte,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

und

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Alver und M. Bauer als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführer in der Rechtssache C‑357/21 P,

andere Parteien des Verfahrens:

KM, vertreten durch Rechtsanwalt M. Müller-Trawinski,

Klägerin im ersten Rechtszug,

Europäische Kommission, vertreten durch T. S. Bohr und B. Mongin als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

Europäisches Parlament, vertreten durch J. Van Pottelberge als Bevollmächtigten,

Streithelfer im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Piçarra und N. Jääskinen,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung der Parteien und des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 182 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,


folgenden

Beschluss

1        Mit ihren Rechtsmitteln begehren die Europäische Kommission (C‑341/21 P) und der Rat der Europäischen Union (C‑357/21 P) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 24. März 2021, KM/Kommission (T‑374/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:162, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung der Kommission vom 7. Oktober 2019, den Antrag von KM auf Gewährung von Hinterbliebenenversorgung abzulehnen (im Folgenden: streitige Entscheidung), aufgehoben hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        In Art. 1d des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) heißt es:

„(1)      Bei der Anwendung dieses Statuts ist jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder einer sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten.

Für die Anwendung des Statuts werden nichteheliche Partnerschaften wie Ehen behandelt, sofern die Voraussetzungen nach Anhang VII Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c) erfüllt sind.

(2)      Im Hinblick auf die effektive Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben, die bei der Umsetzung aller Aspekte des Statuts als entscheidender Faktor zu berücksichtigen ist, hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Organe der Europäischen Union nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen.

(5)      Führt eine unter das Statut fallende Person, die sich für benachteiligt hält, weil ihr gegenüber der oben ausgeführte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht eingehalten wurde, Tatsachen an, die eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung vermuten lassen, obliegt es dem Organ, nachzuweisen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Diese Bestimmung ist in Disziplinarverfahren nicht anwendbar.

(6)      Jede Einschränkung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist unter Angabe von objektiven und vertretbaren Gründen zu rechtfertigen; dabei sind die legitimen Ziele von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik zu berücksichtigen. Diese Ziele können insbesondere die Festsetzung eines bestimmten Alters für den Eintritt in den Ruhestand und eines Mindestalters für den Bezug des Ruhegehalts rechtfertigen.“

3        Art. 35 des Statuts bestimmt:

„Der Beamte befindet sich in einer der nachstehend aufgeführten dienstrechtlichen Stellungen:

a)      aktiver Dienst,

b)      Abordnung,

c)      Urlaub aus persönlichen Gründen,

d)      einstweiliger Ruhestand,

e)      Beurlaubung zum Wehrdienst,

f)      Elternurlaub und Urlaub aus familiären Gründen,

g)      Urlaub im dienstlichen Interesse.“

4        Art. 47 des Statuts lautet:

„Der Beamte scheidet endgültig aus dem Dienst aus durch:

a)      Entlassung auf Antrag,

b)      Entlassung von Amts wegen,

c)      Stellenenthebung aus dienstlichen Gründen,

d)      Entlassung wegen unzulänglicher fachlicher Leistungen,

e)      Entfernung aus dem Dienst,

f)      Versetzung in den Ruhestand,

g)      Tod.“

5        Art. 52 Abs. 1 und 2 des Statuts sieht vor:

„Unbeschadet der Regelung in Artikel 50 wird der Beamte in den Ruhestand versetzt

a)      von Amts wegen am letzten Tag des Monats, in dem er das 66. Lebensjahr vollendet hat, oder

b)      auf seinen Antrag am letzten Tag des Monats, für den die Versetzung in den Ruhestand beantragt wurde, wenn der Beamte das Ruhestandsalter erreicht hat oder wenn er zwischen der Vollendung des 58. Lebensjahres und dem Ruhestandsalter steht und die Voraussetzungen für die sofortige Ruhegehaltszahlung gemäß Anhang VIII Artikel 9 erfüllt. Artikel 48 Absatz 2 Satz 2 ist sinngemäß anzuwenden.

Der Beamte kann auf seinen Antrag hin bis zu seinem 67. Lebensjahr weiterarbeiten, wenn die Anstellungsbehörde der Ansicht ist, dass der Antrag im dienstlichen Interesse gerechtfertigt ist, oder in Ausnahmefällen bis zu seinem 70. Lebensjahr; in diesem Fall wird der Beamte am letzten Tag des Monats, in dem er dieses Alter erreicht, automatisch in den Ruhestand versetzt.“

6        In Art. 1 Abs. 2 Buchst. c von Anhang VII des Statuts heißt es:

„Anspruch auf die Haushaltszulage hat:

c)      der Beamte, der als fester Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eingetragen ist, sofern

i)      das Paar eine von einem Mitgliedstaat oder einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats anerkannte Urkunde vorlegt, die die nichteheliche Lebensgemeinschaft bescheinigt,

ii)      kein Partner in einer ehelichen oder einer anderen nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt,

iii)      zwischen den Partnern keines der folgenden Verwandtschaftsverhältnisse besteht: Elternteil, Kind, Großelternteil, Enkel, Bruder, Schwester, Tante, Onkel, Neffe, Nichte, Schwiegersohn, Schwiegertochter,

iv)      das Paar nicht in einem Mitgliedstaat eine gesetzliche Ehe schließen kann; für die Zwecke dieser Ziffer gilt, dass ein Paar dann eine gesetzliche Ehe schließen kann, wenn beide Partner alle nach dem Recht eines Mitgliedstaats notwendigen Bedingungen für die Eheschließung eines solchen Paares erfüllen;

…“

7        Anhang VIII („Versorgungsordnung“) des Statuts enthält u. a. ein Kapitel 4 („Hinterbliebenenversorgung“), das die Art. 17 bis 29 dieses Anhangs umfasst. Art. 17 lautet:

„Der überlebende Ehegatte eines Beamten, der sich bei seinem Tod in einer der dienstrechtlichen Stellungen nach Artikel 35 des Statuts befand, erhält, sofern die Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat, vorbehaltlich des Artikels 1 Absatz 1 und des Artikels 22 eine Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 v. H. des Ruhegehalts, das an den Beamten gezahlt worden wäre, wenn er – ohne Voraussetzung einer Mindestdienstzeit oder eines Mindestalters – im Zeitpunkt seines Todes hierauf Anspruch gehabt hätte.

Die in Absatz 1 vorgesehene Dauer der Ehe bleibt außer Betracht, sofern aus der Ehe oder aus einer früheren Ehe des Beamten ein oder mehrere Kinder hervorgegangen sind und der überlebende Ehegatte für diese Kinder sorgt oder gesorgt hat oder wenn der Tod des Beamten auf ein Gebrechen oder eine Erkrankung, die er sich anlässlich der Ausübung seines Amtes zugezogen hat, oder auf einen Unfall zurückzuführen ist.“

8        Art. 18 von Anhang VIII des Statuts lautet:

„Der überlebende Ehegatte des ehemaligen Beamten, der ein Ruhegehalt bezog, hat vorbehaltlich des Artikels 22 und sofern die Ehe vor dem Ausscheiden aus dem Dienst geschlossen worden war und mindestens ein Jahr bestand, Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 v. H. des Ruhegehalts, das der ehemalige Beamte am Tag seines Todes bezog. Die Hinterbliebenenversorgung beträgt mindestens 35 v. H. des letzten Grundgehalts, darf aber keinesfalls höher als das Ruhegehalt sein, das der ehemalige Beamte am Tag seines Todes bezog.

Die Dauer der Ehe bleibt außer Betracht, sofern aus einer Ehe, die der Beamte vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst eingegangen ist, ein oder mehrere Kinder hervorgegangen sind und der überlebende Ehegatte für diese Kinder sorgt oder gesorgt hat.“

9        Art. 19 von Anhang VIII des Statuts sieht vor:

„Der überlebende Ehegatte eines ehemaligen Beamten, der Invalidengeld bezogen hat, hat vorbehaltlich des Artikels 22 dieses Anhangs Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung in Höhe von 60 v. H. des Invalidengelds, das der ehemalige Beamte am Tag seines Todes bezog, sofern er im Zeitpunkt der Zuerkennung des Invalidengelds mit dem ehemaligen Beamten verheiratet war.

Die Hinterbliebenenversorgung muss mindestens 35 v. H. des letzten Grundgehalts betragen, darf aber keinesfalls höher als das Invalidengeld sein, das der ehemalige Beamte am Tag seines Todes bezog.“

10      Art. 20 von Anhang VIII des Statuts lautet:

„Die in den Artikeln 17a, 18, 18a und 19 vorgesehene Dauer der Ehe bleibt außer Betracht, sofern die Ehe mit dem Beamten, auch wenn sie nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst geschlossen wurde, mindestens fünf Jahre gedauert hat.“

11      Art. 27 von Anhang VIII des Statuts hat folgenden Wortlaut:

„Der geschiedene Ehegatte eines Beamten oder ehemaligen Beamten hat Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung nach den Vorschriften dieses Kapitels, sofern er nachweisen kann, dass er für sich selbst beim Tod seines früheren Ehegatten Anspruch auf eine Unterhaltszahlung zu dessen Lasten hatte, die entweder durch richterliche Entscheidung oder durch amtlich eingetragene und rechtswirksame Vereinbarung zwischen den ehemaligen Ehegatten festgelegt wurde.

Die Hinterbliebenenversorgung darf jedoch die Unterhaltszahlung, die zum Zeitpunkt des Todes des früheren Ehegatten geleistet wurde, nicht übersteigen, wobei Letztere nach den Modalitäten des Artikels 82 des Statuts aktualisiert wird.

Der Anspruch des geschiedenen Ehegatten erlischt, wenn er vor dem Tod seines früheren Ehegatten eine neue Ehe eingeht. Geht er nach dessen Tod eine neue Ehe ein, so findet Artikel 26 auf ihn Anwendung.“

 Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten und streitige Entscheidung

12      Im Jahr 2004 schloss die Klägerin, KM, mit einem Beamten eines Unionsorgans in Deutschland einen notariellen Partnerschaftsvertrag, der sodann in Brüssel (Belgien) als Erklärung über das gesetzliche Zusammenwohnen beurkundet wurde. Im Jahr 2016 wurde dieser Beamte in den Ruhestand versetzt.

13      Im Jahr 2017 heirateten der Beamte und KM. Der Beamte starb weniger als fünf Jahre nach dem Zeitpunkt der Eheschließung.

14      KM stellte in ihrer Eigenschaft als überlebende Ehegattin eines ehemaligen Unionsbeamten einen Antrag auf Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung nach Kapitel 4 von Anhang VIII des Statuts.

15      Das Amt für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO) der Kommission lehnte den Antrag von KM mit der streitigen Entscheidung ab und führte zur Begründung aus, sie erfülle die in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehenen Voraussetzungen für den Bezug einer Hinterbliebenenversorgung nicht, da ihre Ehe mit dem verstorbenen Beamten, die nach dessen Ausscheiden aus dem Dienst eingegangen worden sei, weniger als fünf Jahre gedauert habe.

16      Die von KM dagegen eingelegte Beschwerde wurde zurückgewiesen.

 Klage und angefochtenes Urteil

17      Mit Klageschrift, die am 15. Juni 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob KM Klage auf Aufhebung der sie betreffenden streitigen Entscheidung.

18      Das Europäische Parlament und der Rat wurden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen.

19      KM stützte ihre Klage u. a. auf einen Klagegrund, mit dem sie im Wesentlichen die Rechtswidrigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts rügte, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.

20      Das Gericht stellte zu diesem Klagegrund fest, dass im Rahmen der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung die von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts erfasste Situation des überlebenden Ehegatten eines ehemaligen Unionsbeamten, der vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst die Ehe geschlossen habe, und die von Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts erfasste Situation des überlebenden Ehegatten eines ehemaligen Beamten, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst die Ehe geschlossen habe, vergleichbar seien. Es liege eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte je nach dem Zeitpunkt der Eheschließung vor, denn dem überlebenden Ehegatten werde die Hinterbliebenenversorgung im Rahmen von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts gewährt, sofern die Ehe mindestens ein Jahr bestanden habe, und im Rahmen von Art. 20 dieses Anhangs, sofern sie mindestens fünf Jahre bestanden habe. Diese Ungleichbehandlung führe dazu, dass der überlebende Ehegatte eines ehemaligen Beamten, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst die Ehe geschlossen habe, gegenüber dem überlebenden Ehegatten eines ehemaligen Beamten, der vor seinem Ausscheiden geheiratet habe, benachteiligt werde. Ferner liege eine mittelbar auf dem Alter des ehemaligen Beamten zum Zeitpunkt der Eheschließung beruhende Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte vor.

21      Die durch Art. 20 von Anhang VIII des Statuts eingeführte Ungleichbehandlung sei im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) gesetzlich vorgesehen; zu prüfen sei, ob sie durch ein Ziel von allgemeinem Interesse gerechtfertigt werden könne und im Hinblick auf das verfolgte Ziel, insbesondere unter Berücksichtigung der in Rn. 42 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung, verhältnismäßig sei.

22      Insoweit sei hinsichtlich des im Allgemeininteresse liegenden Ziels der Betrugsprävention zwar anzuerkennen, dass die in einer Mindestehedauer bestehende Voraussetzung für die Eröffnung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung sicherstellen könne, dass die Eheschließung nicht ausschließlich auf Erwägungen beruhe, die – wie z. B. rein finanzielle Erwägungen oder Erwägungen im Zusammenhang mit der Erlangung eines Aufenthaltsrechts – nichts mit einem gemeinsamen Lebensentwurf zu tun hätten. Es sei jedoch unvernünftig, anzunehmen, dass die in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Voraussetzung einer Mindestehedauer von fünf Jahren – die mithin fünfmal länger sei als die in Art. 18 dieses Anhangs vorgesehene Dauer und von der es keine Ausnahme bei Vorlage objektiver Beweise für das Nichtvorliegen eines Betrugs gebe – erforderlich sein könnte, um das Ziel der Betrugsbekämpfung zu erreichen.

23      Somit verstoße Art. 20 von Anhang VIII des Statuts gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Daher sei der von KM erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit stattzugeben, und die streitige Entscheidung sei aufzuheben.

 Anträge der Parteien in den Rechtsmittelverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

24      Mit ihrem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑341/21 P beantragt die Kommission,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        die Klage abzuweisen;

–        KM die im ersten Rechtszug und im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens entstandenen Kosten aufzuerlegen.

25      Mit seinem Rechtsmittel in der Rechtssache C‑357/21 P beantragt der Rat,

–        dem Rechtsmittel stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den Rechtsstreit endgültig zu entscheiden und die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        KM die im ersten Rechtszug und im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens entstandenen Kosten aufzuerlegen.

26      Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. September 2021 sind die vorliegenden Rechtssachen bis zur Verkündung des Urteils in den verbundenen Rechtssachen C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P ausgesetzt worden. Nach der Verkündung des Urteils vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a. (C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557), ist das Verfahren durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 19. Juli 2022 fortgesetzt worden.

27      Gemäß Art. 54 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hat der Präsident des Gerichtshofs am 1. September 2022 die Rechtssachen C‑341/21 P und C‑357/21 P zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Urteil verbunden.

 Zu den Rechtsmitteln

 Zur Anwendung von Art. 182 der Verfahrensordnung

28      Nach Art. 182 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn er bereits über eine oder mehrere Rechtsfragen entschieden hat, die mit den durch die Rechtsmittel- oder Anschlussrechtsmittelgründe aufgeworfenen übereinstimmen, und er das Rechtsmittel oder Anschlussrechtsmittel für offensichtlich begründet hält, es auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung der Parteien und des Generalanwalts durch mit Gründen versehenen Beschluss, der einen Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung enthält, für offensichtlich begründet erklären.

29      Die Kommission und KM haben keine Einwände gegen die Anwendung dieses Artikels erhoben. Der Rat ist der Aufforderung des Gerichtshofs, sich hierzu zu äußern, nicht nachgekommen.

30      Die im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen geltend gemachten Rechtsmittelgründe werfen Rechtsfragen auf, die mit denen übereinstimmen, über die der Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a. (C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557), entschieden hat. Folglich ist Art. 182 der Verfahrensordnung in den vorliegenden Rechtssachen anzuwenden.

 Zur Begründetheit

31      Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel in der Rechtssache C‑341/21 P auf drei Rechtsmittelgründe, und zwar erstens auf einen Rechtsfehler in Bezug auf die Kriterien für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vom Unionsgesetzgeber getroffenen Entscheidungen sowie einen Verstoß gegen die Begründungspflicht, zweitens auf einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Diskriminierungsverbots und drittens auf einen Rechtsfehler bei der Auslegung von Art. 52 Abs. 1 der Charta sowie mehrere Verstöße gegen die Begründungspflicht.

32      Der Rat stützt sein Rechtsmittel in der Rechtssache C‑357/21 P auf drei Rechtsmittelgründe, und zwar erstens auf Rechtsfehler in Bezug auf das Vorliegen einer Ungleichbehandlung, zweitens auf Rechtsfehler in Bezug auf den Umfang der gerichtlichen Kontrolle der vom Unionsgesetzgeber getroffenen Entscheidungen durch das Gericht und drittens auf Rechtsfehler hinsichtlich der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung.

 Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und zum zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C341/21 P sowie zum ersten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C357/21 P

–       Vorbringen der Parteien

33      Mit diesen Rechtsmittelgründen bzw. ihren Teilen machen die Kommission und der Rat geltend, das Gericht habe im angefochtenen Urteil den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot rechtsfehlerhaft ausgelegt, indem es zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass eine Ungleichbehandlung vorliege, weil die von den Art. 18 und 20 des Anhangs VIII des Statuts erfassten Situationen vergleichbar seien und auf diese vergleichbaren Situationen unterschiedliche Regelungen angewandt würden.

34      Sie sind der Ansicht, das Gericht habe in den Rn. 49 und 50 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Zeitpunkt der Eheschließung der einzige für die Anwendung von Art. 18 oder Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts entscheidende Gesichtspunkt sei und dass daher die von diesen Bestimmungen erfassten Situationen vergleichbar seien. Hätte das Gericht alle für diese Situationen kennzeichnenden Umstände berücksichtigt, hätte es aber feststellen müssen, dass zwischen den Beamten im aktiven Dienst und den aus dem Dienst eines Unionsorgans ausgeschiedenen Beamten ein wesentlicher und objektiver Unterschied hinsichtlich ihrer jeweiligen Rechtssituation bestehe, insbesondere im Hinblick auf die beruflichen Rechte und Pflichten, die Erstere im Gegensatz zu Letzteren nach dem Statut während ihrer gesamten Dienstzeit zu beachten hätten.

35      Im Einzelnen heben sowohl die Kommission als auch der Rat hervor, dass der im aktiven Dienst befindliche Beamte – anders als ehemalige Beamte, die nicht mehr arbeiten müssten – Beiträge zum Versorgungssystem zu leisten habe, ein über dem Ruhegehalt, das ihm gewährt werde, wenn er in den Ruhestand trete, liegendes Grundgehalt beziehe, an seinem Dienstort wohnen müsse und Anspruch auf Auslands- und Expatriierungszulage sowie auf Reisekostenerstattung habe. Außerdem bestimme Art. 18 von Anhang VIII des Statuts abweichend von dessen Art. 20, dass die Voraussetzung der Ehedauer außer Betracht bleibe, wenn in der Familie des Beamten ein Kind aus der von ihm vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst geschlossenen Ehe hervorgegangen sei; dies belege, dass sich die Situationen, die Gegenstand dieser beiden Bestimmungen seien, grundlegend voneinander unterschieden. All das zeige, dass die Situation eines ehemaligen Beamten, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst heirate, es, anders als im Fall eines Beamten, der noch während seines aktiven Dienstes heirate, nicht ohne Weiteres erfordere, dass der überlebende Ehegatte ein Ersatzeinkommen in Form der Hinterbliebenenversorgung erhalte.

36      Die Kommission fügt hinzu, die Situation der Beamten im aktiven Dienst unterscheide sich in persönlicher Hinsicht von der Situation der aus dem Dienst eines Unionsorgans ausgeschiedenen Beamten. Zum einen seien die Beamten, die unter Art. 18 von Anhang VIII des Statuts fielen, jünger als die unter dessen Art. 20 fallenden Beamten, und die geringere Lebenserwartung Letzterer erhöhe die Betrugsgefahr, so dass ein erheblicher Unterschied zwischen den von beiden Bestimmungen erfassten Situationen bestehe. Zum anderen habe eine Person, die einen Beamten vor dessen Ausscheiden aus dem Dienst geheiratet habe, ihren Ehegatten während der gesamten Ehedauer unterstützt, was anders als bei einer Person, die einen Beamten nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst heirate, die Gefahr eines Missbrauchs oder eines Betrugs unwahrscheinlich mache.

37      Überdies habe das Gericht in Rn. 48 des angefochtenen Urteils bei seiner Analyse zu Unrecht den Zweck der in den Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehenen Mindestehedauer außer Acht gelassen; er bestehe, wie sich aus den Rn. 87 und 88 des Urteils vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission (C‑460/18 P, EU:C:2019:1119), ergebe, darin, Erbvereinbarungen zu unterbinden und mithin zu verhindern, dass die Ehe allein mit dem Ziel geschlossen werde, eine Hinterbliebenenversorgung zu erlangen, ohne dass der Ehe tatsächliche und beständige Beziehungen zwischen den betreffenden Personen zugrunde lägen. Somit habe das Gericht dem Kriterium, wonach bei der Beurteilung der Vergleichbarkeit von Sachverhalten sämtliche sie kennzeichnenden Merkmale sowie alle für die jeweilige Stellung bei jedem der zu vergleichenden Sachverhalte geltenden Rechtsvorschriften zu berücksichtigen seien, nicht Rechnung getragen. Insbesondere habe das Gericht, indem es in dieser Randnummer des angefochtenen Urteils davon ausgegangen sei, dass eine nach dem Ausscheiden aus dem Dienst geschlossene Ehe die Lage des überlebenden Ehegatten in Bezug auf seine Vermögensrechte im Vergleich zu der Situation, die Gegenstand von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts sei, nicht wesentlich verändere – abgesehen davon, dass diese Erwägung in keiner Weise begründet worden sei –, die Gefahr außer Acht gelassen, dass eine solche Ehe den Vorwand für den Abschluss von Erbvereinbarungen bilde. Es lasse sich nämlich nicht leugnen, dass in Anbetracht der Situation des Beamten, der nach dem Ausscheiden aus dem Dienst heirate, die Betrugs- und Missbrauchsrisiken größer seien als bei einem Beamten, der davor geheiratet habe.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

38      Vorab ist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, wonach die in Art. 20 der Charta niedergelegte Gleichheit vor dem Gesetz ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, nach dem vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich und unterschiedliche Situationen nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39      Das für die Feststellung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geltende Erfordernis der Vergleichbarkeit der Situationen ist anhand aller sie kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf den Gegenstand und das Ziel des Rechtsakts, mit dem die Unterscheidung vorgenommen wird; dabei sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den der Rechtsakt fällt. Soweit sich die Situationen nicht miteinander vergleichen lassen, verstößt ihre unterschiedliche Behandlung nicht gegen die in Art. 20 der Charta garantierte Gleichheit vor dem Gesetz (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40      Im Licht dieser Rechtsprechung ist das Vorbringen der Kommission und des Rates zu prüfen, wonach das Gericht im angefochtenen Urteil zu Unrecht den Schluss gezogen habe, dass die von den Bestimmungen der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts erfassten Situationen vergleichbar seien und dass diese vergleichbaren Situationen nach Maßgabe des Zeitpunkts der Eheschließung ungleich behandelt würden.

41      Insoweit hat das Gericht in den Rn. 44, 45 und 48 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts, sofern die Voraussetzung der Mindestehedauer eingehalten werde, die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung an den überlebenden Ehegatten ausschließlich nach der Rechtsnatur der Bindungen zwischen ihm und dem verstorbenen Ehegatten bezweckten. Das Gericht hat ferner darauf hingewiesen, dass diese Bestimmungen dem überlebenden Ehegatten ein Ersatzeinkommen verschaffen sollten, das den Verlust der Einkünfte des verstorbenen Ehegatten, eines ehemaligen Beamten, der sich vor seinem Tod nicht mehr im aktiven Dienst befunden habe, teilweise ausgleichen solle.

42      Das Gericht ist daher im Wesentlichen davon ausgegangen, dass der Gegenstand und das Ziel dieser beiden Bestimmungen von Anhang VIII des Statuts im Hinblick auf die oben in Rn. 39 angeführte Rechtsprechung, auf die das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils selbst hingewiesen hat, weitgehend übereinstimmten. Das Hauptmerkmal der jeweiligen Hinterbliebenenversorgung bestehe in der Rechtsnatur der Bindungen zwischen dem überlebenden Ehegatten als der Person, der diese Bestimmungen einen Anspruch verschafften, und dem verstorbenen ehemaligen Beamten. Der einzige Unterschied bei der Anwendung der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts liege in der geforderten Mindestdauer der Ehe, die ihrerseits vom Zeitpunkt der Eheschließung nach Maßgabe der dienstrechtlichen Stellung des Beamten zu diesem Zeitpunkt abhänge. Dies ergibt sich eindeutig aus Rn. 46 des angefochtenen Urteils.

43      Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es zum einen in Rn. 49 des angefochtenen Urteils feststellte, dass die von den Art. 18 und 20 des Anhangs VIII des Statuts erfassten Situationen vergleichbar seien, und zum anderen in den Rn. 46 und 50 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen ist, dass sich die von diesen Bestimmungen erfassten Situationen nur nach Maßgabe der dienstrechtlichen Stellung des Beamten zum Zeitpunkt der Eheschließung unterschieden.

44      Die Kommission und der Rat machen jedoch erstens geltend, dass sich die von den Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts erfassten Situationen wesentlich und objektiv gerade dadurch unterschieden, dass der Beamte zum Zeitpunkt der Eheschließung im Rahmen der ersten Bestimmung noch im aktiven Dienst eines Unionsorgans gestanden habe, im Rahmen der zweiten Bestimmung hingegen nicht mehr. Das Gericht habe somit diesen kennzeichnenden Umstand bei seiner Beurteilung der Vergleichbarkeit der Situationen nicht hinreichend berücksichtigt.

45      Wie das Gericht in Rn. 47 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt hat, unterscheidet sich die Rechtsnatur der Bindungen zwischen dem überlebenden Ehegatten und dem verstorbenen Beamten jedoch nicht danach, ob der Beamte zum Zeitpunkt der Eheschließung in einem Dienstverhältnis stand oder nicht. Ob die Heirat des verstorbenen Beamten vor oder nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst stattfand, ist zudem, wie das Gericht in Rn. 48 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, nicht geeignet, die Situation des überlebenden Ehegatten im Hinblick auf seine Vermögensrechte, zu denen der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung als Ersatzeinkommen gehört, wesentlich zu verändern.

46      Der Zeitpunkt der Eheschließung richtet sich nämlich allein nach dem Willen der zukünftigen Ehegatten. Er beruht auf einer freien Entscheidung des Beamten aufgrund einer Vielzahl von Erwägungen, die weder notwendigerweise noch ausschließlich die Berücksichtigung der mit dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses verbundenen Umstände implizieren. Entgegen dem Vorbringen der Kommission und des Rates kann es daher keinen entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der Vergleichbarkeit der betreffenden Situationen anhand der oben in Rn. 39 genannten Kriterien und insbesondere des Gegenstands und des Ziels der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts (siehe oben, Rn. 41) haben, ob sich der Beamte zu diesem Zeitpunkt im aktiven Dienst befindet. Die Ausführungen des Gerichts, auf die in der vorstehenden Randnummer hingewiesen wird, beruhen insoweit im Wesentlichen auf diesem Gegenstand, diesem Ziel sowie dem oben in Rn. 42 genannten Hauptmerkmal des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung.

47      Zwar hat, wie sich ebenfalls aus Rn. 42 des vorliegenden Beschlusses ergibt, die dienstrechtliche Stellung des Beamten zum Zeitpunkt der Eheschließung Auswirkungen auf die Voraussetzung der Mindestdauer der Ehe. Während sie nur ein Jahr beträgt, sofern die Ehe geschlossen wird, wenn der Beamte noch im aktiven Dienst steht, erhöht sie sich auf fünf Jahre, wenn der Beamte nach dem Ausscheiden aus dem Dienst eines Unionsorgans heiratet.

48      Wie sich aus den Rn. 45 und 46 des vorliegenden Beschlusses ergibt, sind jedoch weder die dienstrechtliche Stellung des Beamten noch der Zeitpunkt der Eheschließung relevante Gesichtspunkte im Stadium der Vergleichbarkeit der Situationen, da sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Gegenstand, Zweck und Hauptmerkmal des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung im Sinne der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts stehen.

49      Aus diesem Grund ist in entsprechender Heranziehung der Ausführungen des Gerichtshofs zur Hinterbliebenenversorgung nach Art. 17 von Anhang VIII des Statuts in Rn. 70 des Urteils vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission (C‑460/18 P, EU:C:2019:1119), davon auszugehen, dass die Gewährung der Hinterbliebenenversorgung vom Grundsatz her „ausschließlich“ von der Rechtsnatur der Bindungen zwischen der betreffenden Person und dem verstorbenen Beamten abhängt, auch wenn der Gerichtshof in Rn. 89 seines Urteils anerkannt hat, dass die Mindestdauer der Ehe ebenfalls eine Bedingung dafür darstellt, dass der überlebende Ehegatte in den Genuss der Hinterbliebenenversorgung kommt.

50      Dem System der Hinterbliebenenversorgung des öffentlichen Dienstes der Union liegt nämlich die Rechtsnatur der Bindungen zwischen den Ehegatten zugrunde, da dies eine der Gewährung jeder Art von Hinterbliebenenversorgung im Sinne der Art. 17 bis 20 und 27 von Anhang VIII des Statuts gemeinsame Voraussetzung ist. Die Voraussetzung der Mindestdauer der Ehe ist zur Voraussetzung der Rechtsnatur der Bindungen zwischen den Ehegatten akzessorisch, da sie nur konkretisieren soll, wie lange die rechtliche Bindung bestanden haben muss, damit die Hinterbliebenenversorgung gewährt wird. Diese akzessorische Voraussetzung wird zudem für manche Arten der Hinterbliebenenversorgung, etwa für die in den Art. 19 und 27 von Anhang VIII des Statuts genannten, nicht übernommen.

51      Zu Recht hat das Gericht daher in den Rn. 45 und 47 des angefochtenen Urteils bei seiner Begründung auf die Bedeutung der rechtlichen Bindung zwischen den Ehegatten als den das System der Hinterbliebenenversorgung der Union kennzeichnenden Hauptgesichtspunkt abgestellt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die dienstrechtliche Stellung des Beamten keine Auswirkung auf diese Bindung habe.

52      Die Kommission und der Rat tragen zweitens vor, die Situation eines ehemaligen Beamten, der nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst heirate, erfordere es, anders als im Fall eines Beamten, der noch während seines aktiven Dienstes heirate, nicht ohne Weiteres, dass dem überlebenden Ehegatten ein Ersatzeinkommen gewährt werde. Insoweit genügt der Hinweis, dass der Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung im Sinne der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts, wie das Gericht in Rn. 48 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf Rn. 69 des Urteils vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission (C‑460/18 P, EU:C:2019:1119), zutreffend ausgeführt hat, nicht voraussetzt, dass der überlebende Ehegatte aufgrund seiner Einnahmen- und Vermögenssituation nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, und damit den Nachweis erbringt, dass er vom Verstorbenen finanziell abhängig war.

53      Drittens macht die Kommission geltend, das Gericht habe dem Zweck der in den Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehenen Mindestdauer der Ehe nicht Rechnung getragen; dieser bestehe, wie sich aus Rn. 89 des Urteils vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission (C‑460/18 P, EU:C:2019:1119), ergebe, darin, den Abschluss betrügerischer oder missbräuchlicher Erbvereinbarungen zu verhindern. In Bezug auf eine solche Missbrauchs- oder Betrugsgefahr unterschieden sich die von den beiden Artikeln erfassten Situationen in persönlicher Hinsicht. Hierzu genügt der Hinweis, dass dieser Gesichtspunkt im Stadium der Vergleichbarkeit der Situationen nicht von Relevanz ist. Dieses Argument bezieht sich nämlich auf die Rechtfertigung der geforderten mehr oder weniger langen Ehedauer, so dass es erst im Stadium der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer etwaigen Ungleichbehandlung eine Rolle spielen kann.

54      Was darüber hinaus das Vorbringen der Kommission betrifft, die fehlende Vergleichbarkeit der Situationen werde auch dadurch belegt, dass die Voraussetzung der Mindestehedauer, anders als in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehen, nach dessen Art. 18 außer Betracht bleibe, wenn der überlebende Ehegatte für die Kinder des ehemaligen Beamten sorge oder gesorgt habe, so hat dieser Gesichtspunkt keine Auswirkung auf die Beurteilung der Vergleichbarkeit der von diesen beiden Artikeln abgedeckten Situationen. Die nur in Art. 18 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Voraussetzung in Bezug auf den Kindesunterhalt hat nämlich entsprechend den oben in den Rn. 47 und 49 angestellten Erwägungen ebenso wie die Voraussetzung der Mindestehedauer, an deren Stelle sie tritt, akzessorischen Charakter. Sie steht somit in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Gegenstand, Ziel und Hauptmerkmal des Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung im Sinne der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts.

55      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission und des Rates die Schlussfolgerungen, zu denen das Gericht in den Rn. 49 und 50 des angefochtenen Urteils gelangt ist, nicht rechtsfehlerhaft sind.

56      Folglich sind der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und der zweite Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑341/21 P sowie der erste Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑357/21 P als unbegründet zurückzuweisen.

 Zu den ersten beiden Teilen des ersten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C341/21 P und zum zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C357/21 P

–       Vorbringen der Parteien

57      Mit diesen Rechtsmittelgründen werfen die Kommission und der Rat dem Gericht im Wesentlichen vor, in den angefochtenen Urteilen einen Rechtsfehler in Bezug auf den Umfang der gerichtlichen Kontrolle begangen zu haben.

58      Diese beiden Organe machen geltend, das Gericht habe in Rn. 42 Satz 2 des angefochtenen Urteils eine Rechtsprechung der Union angewandt, die zu dem völlig anderen Kontext personalpolitischer Entscheidungen in Situationen, in denen dem Gesetzgeber mehrere Optionen offenstünden, entwickelt worden sei. Mithin habe das Gericht insbesondere in Rn. 78 des angefochtenen Urteils zu Unrecht den Schluss gezogen, dass die Entscheidung des Unionsgesetzgebers hinsichtlich der in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts festgelegten Mindestehedauer schlicht „unvernünftig“ sei. Damit habe es eine Kontrolle vorgenommen, die über den „offensichtlich ungeeigneten oder unangemessenen“ Charakter der in Rede stehenden Maßnahme im Verhältnis zu dem von den zuständigen Organen verfolgten Ziel, das im vorliegenden Fall in der Verhinderung von Rechtsmissbrauch und Betrug sowie im Schutz der Finanzen der Union bestehe, hinausgegangen sei. Das Gericht habe so seine eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung des Unionsgesetzgebers gesetzt und daher die Grenzen der Rechtmäßigkeitskontrolle überschritten.

59      Die Kommission bringt darüber hinaus vor, das Gericht sei, obwohl es seine Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII nach eigenem Bekunden auf die Art. 20 und 21 der Charta gestützt habe, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs abgewichen, wonach die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts im Hinblick auf die Grundrechte jedenfalls nicht auf einem Vorbringen beruhen könne, das sich auf die Konsequenzen dieses Rechtsakts in einem Einzelfall stütze. Das Gericht habe nämlich in Rn. 72 des angefochtenen Urteils aufgrund der besonderen tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles Art. 20 von Anhang VIII des Statuts für rechtswidrig erklärt.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

60      Das Gericht hat in den Rn. 40 bis 42 des angefochtenen Urteils auf die in Art. 52 Abs. 1 der Charta genannten Anforderungen sowie auf die Rechtsprechung zur Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer Ungleichbehandlung hingewiesen. Sodann hat es in Rn. 43 des angefochtenen Urteils entschieden, dass es im Fall der Vergleichbarkeit der Situationen, auf die sich die Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts jeweils bezögen, prüfen müsse, ob es nicht unvernünftig erscheine, dass der Unionsgesetzgeber die eingeführte Ungleichbehandlung für geeignet und erforderlich halte, um das Allgemeinwohlziel zu erreichen, das mit der Voraussetzung der Mindestehedauer in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts verfolgt werde. Nachdem es die Vergleichbarkeit der Situationen bejaht hatte, hat es diese Analyse ab Rn. 58 des angefochtenen Urteils vorgenommen.

61      Wie die Kommission und der Rat geltend machen, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass bei statutarischen Bestimmungen wie den hier in Rede stehenden unter Berücksichtigung des in diesem Zusammenhang weiten Ermessens des Unionsgesetzgebers der in Art. 20 der Charta niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann missachtet wird, wenn der Unionsgesetzgeber eine willkürliche oder im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Regelung offensichtlich unangemessene Differenzierung vornimmt (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Diese Rechtsprechung ist im Rahmen der Prüfung des in Art. 52 Abs. 1 der Charta aufgestellten Erfordernisses der Verhältnismäßigkeit anwendbar (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 128).

63      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in Rn. 43 des angefochtenen Urteils ausgeführt, es sei zu prüfen, ob es nicht unvernünftig erscheine, dass der Unionsgesetzgeber die eingeführte Ungleichbehandlung für geeignet und erforderlich halte, um das Allgemeinwohlziel zu erreichen, das mit der in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehenen Voraussetzung der Mindestehedauer verfolgt werde.

64      Nach der oben in den Rn. 61 und 62 angeführten Rechtsprechung hätte es sich aber auf die Prüfung beschränken müssen, ob die in der genannten Bestimmung in Verbindung mit Art. 18 von Anhang VIII vorgenommene Differenzierung willkürlich oder im Hinblick auf das verfolgte Allgemeinwohlziel offensichtlich unangemessen erscheint. Durch die fehlerhafte Prüfung des Erfordernisses der Verhältnismäßigkeit hat das Gericht den Umfang seiner gerichtlichen Kontrolle verkannt und somit einen Rechtsfehler begangen. Ohne diesen Fehler hätte es nämlich andere Erwägungen angestellt und wäre eventuell zu anderen Schlussfolgerungen gelangt als denen, die es in den Rn. 78, 79 und 81 des angefochtenen Urteils gezogen hat.

65      Diese Verkennung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle hat sich auch auf Rn. 63 des angefochtenen Urteils übertragen. Ausgehend von dieser Randnummer hat das Gericht nämlich geprüft, ob die in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Voraussetzung einer Mindestehedauer von fünf Jahren für sich genommen und unabhängig von der in Art. 18 dieses Anhangs vorgesehenen Mindestehedauer von einem Jahr im Hinblick auf Art. 52 Abs. 1 der Charta insofern verhältnismäßig ist, als sie nicht offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels erforderlich ist. Wie sich aus Rn. 62 des vorliegenden Beschlusses ergibt, hätte sich das Gericht aber auch im Rahmen dieser Bestimmung der Charta auf die Prüfung beschränken müssen, ob die im vorliegenden Fall konstatierte Differenzierung, die darin besteht, dass in den unter Art. 20 von Anhang VIII des Statuts fallenden Situationen die erforderliche Mindestehedauer fünfmal so hoch ist wie in den unter Art. 18 dieses Anhangs fallenden Situationen, obwohl sie insgesamt vergleichbar sind, als willkürlich oder offensichtlich unangemessen im Hinblick auf das diesen beiden Bestimmungen gemeinsame Ziel des Unionsgesetzgebers anzusehen ist.

66      Unter diesen Umständen ist dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑341/21 P und dem zweiten Rechtsmittelgrund in der Rechtssache C‑357/21 P stattzugeben, ohne dass das übrige Vorbringen der Kommission und des Rates geprüft zu werden braucht.

67      Ohne dass es einer Prüfung des ersten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes und des dritten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑341/21 P oder des dritten Rechtsmittelgrundes in der Rechtssache C‑357/21 P bedarf, ist daher den Rechtsmitteln stattzugeben und das angefochtene Urteil aufzuheben.

 Zu den Klagen vor dem Gericht

68      Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

69      Im vorliegenden Fall ist insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass sich die Aufhebungsklage in der Rechtssache T‑374/20 auf Gründe stützt, die vor dem Gericht streitig erörtert wurden und deren Prüfung keine prozessleitende Maßnahme oder Beweiserhebung erfordert, davon auszugehen, dass diese Klage entscheidungsreif ist, so dass endgültig über sie zu entscheiden ist.

70      KM hat ihre Klage vor dem Gericht auf zwei Gründe gestützt, mit denen sie erstens die Rechtswidrigkeit von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts und zweitens die Rechtswidrigkeit von Art. 20 dieses Anhangs gerügt hat.

 Zum ersten Klagegrund: Rechtswidrigkeit von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts

71      Mit ihrem ersten Klagegrund rügt KM im Wesentlichen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung, da sie, wenn ihr verstorbener Ehegatte und sie selbst ein gleichgeschlechtliches Paar gewesen wären, dem die Eheschließung verweigert worden wäre, in Anbetracht der Tatsache, dass ihr notarieller Partnerschaftsvertrag, der später als Erklärung über das gesetzliche Zusammenwohnen beurkundet worden sei, vor dem Ausscheiden ihres Ehegatten aus dem Dienst und mehr als ein Jahr vor dessen Tod geschlossen worden sei, auf der Grundlage von Art. 1 des Anhangs VII des Statuts in Verbindung mit Art. 18 seines Anhangs VIII in den Genuss einer Hinterbliebenenversorgung hätte kommen können. Es sei daher diskriminierend, von Paaren unterschiedlichen Geschlechts zu verlangen, dass sie miteinander verheiratet seien, während bei gleichgeschlechtlichen Paaren eine deklarierte Form des dauerhaften Zusammenlebens als Grundlage für den Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung ausreiche.

72      Die Kommission, unterstützt durch das Parlament und den Rat, tritt diesem Vorbringen entgegen.

73      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner, in Art. 20 der Charta verankerter Grundsatz des Unionsrechts ist; das Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 der Charta stellt eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes dar. Auch in Art. 1d des Statuts wird auf diese beiden Grundsätze hingewiesen (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Wie bereits oben in Rn. 38 ausgeführt, verlangt der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechend den Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 der Charta vom Unionsgesetzgeber, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn die unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Ziel steht (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 142 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Wie oben in Rn. 39 ausgeführt, ist das für die Feststellung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geltende Erfordernis der Vergleichbarkeit der Situationen anhand aller sie kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen, insbesondere im Hinblick auf den Gegenstand und das Ziel des Rechtsakts, mit dem die Unterscheidung vorgenommen wird; dabei sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den der Rechtsakt fällt. Soweit sich die Situationen nicht miteinander vergleichen lassen, verstößt ihre unterschiedliche Behandlung nicht gegen die in Art. 20 der Charta garantierte Gleichheit vor dem Gesetz.

76      Um zu klären, ob Art. 18 von Anhang VIII des Statuts in Verbindung mit dessen Art. 1d Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 1 Abs. 2 Buchst. c seines Anhangs VII, wie KM geltend macht, diskriminierenden Charakter hat und daher rechtswidrig ist, weil nur bestimmte Paare, die einer Regelung für nicht eheliche Lebensgemeinschaften unterliegen, in seinen Anwendungsbereich fallen, ist zunächst zu prüfen, ob sich die betreffenden Gruppen in einer vergleichbaren Situation befinden.

77      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 von Anhang VIII des Statuts nach seinem Wortlaut grundsätzlich nur Paare erfasst, die die Ehe geschlossen haben, wobei je nach der Ausgestaltung des Rechts der Mitgliedstaaten sowohl Ehegatten verschiedenen Geschlechts als auch gleichgeschlechtliche Ehegatten in seinen Anwendungsbereich fallen können.

78      Durch Art. 1d Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 Buchst. c seines Anhangs VII hat der Unionsgesetzgeber die Anwendung der Bestimmungen des Statuts über verheiratete Personen jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich auf Personen ausgedehnt, die durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbunden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 74).

79      So werden bei der Anwendung des Statuts nach dessen Art. 1d Abs. 1 Unterabs. 2 eingetragene nicht eheliche Partnerschaften wie Ehen behandelt, sofern alle in Art. 1 Abs. 2 Buchst. c von Anhang VII des Statuts aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Zu ihnen gehört u. a., dass das Paar eine von einem Mitgliedstaat oder einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats anerkannte Urkunde vorlegt, die seine nicht eheliche Lebensgemeinschaft bescheinigt, und dass das Paar nicht die Möglichkeit hat, in einem Mitgliedstaat die gesetzliche Ehe zu schließen.

80      Folglich erfasst Art. 18 von Anhang VIII des Statuts in Verbindung mit den in der vorstehenden Randnummer genannten Bestimmungen nicht nur verheiratete Paare, sondern auch Paare, die durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbunden sind, sofern ihnen die Eheschließung verwehrt ist. Art. 18 erfasst hingegen nicht die durch eine solche Partnerschaft verbundenen Paare, denen es – wie KM und ihrem Ehemann vor ihrer Eheschließung – nicht verwehrt ist, in dem Mitgliedstaat, dem sie angehören, zu heiraten.

81      Somit ist festzustellen, dass Paare, die durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbunden sind, im Rahmen von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie die Möglichkeit haben, in ihrem Mitgliedstaat eine Ehe einzugehen. Diese Möglichkeit der Eheschließung ist das Kriterium, das der Unionsgesetzgeber herangezogen hat, um die beiden Fälle voneinander zu unterscheiden. Wie KM im Wesentlichen geltend macht, beruht dieses Kriterium mittelbar auf der sexuellen Ausrichtung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 der Charta und Art. 1d Abs. 1 des Statuts, da es Paaren unterschiedlichen Geschlechts in keinem Mitgliedstaat der Union verwehrt ist, die Ehe zu schließen, während gleichgeschlechtlichen Paaren dies in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor nicht möglich ist.

82      Diese Situationen können jedoch nicht als vergleichbar angesehen werden.

83      Durch Art. 1d Abs. 1 Unterabs. 2 des Statuts und Art. 1 Abs. 2 Buchst. c seines Anhangs VII sollen nämlich eingetragene nicht eheliche Lebensgemeinschaften der Ehe gleichgestellt werden, um es Personen, die in ihrem Mitgliedstaat keine Ehe schließen können, zu ermöglichen, in den Genuss der Bestimmungen des Statuts über verheiratete Personen zu kommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 74 bis 76). Diese Gleichstellung steht im Einklang mit dem grundlegenden, in Art. 1d, der Kardinalbestimmung des Statuts, genannten Ziel, den Grundsatz der Gleichbehandlung zu gewährleisten und insbesondere jede Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung von Personen zu vermeiden. Der Unionsgesetzgeber hielt es daher im Rahmen der Verfolgung dieses Ziels für erforderlich, Personen, denen die Eheschließung zwar in einem Mitgliedstaat verwehrt ist, die sich aber für eine der Ehe am nächsten kommende Lebensgemeinschaft entschieden haben, zu ermöglichen, in den Genuss der Bestimmungen des Statuts über verheiratete Personen zu kommen.

84      Eine solche Gleichstellung und ein solcher Schutz drängen sich dagegen nicht auf, wenn einem durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbundenen Paar die Eheschließung nicht verwehrt ist, so dass es in den Genuss der Bestimmungen des Statuts über verheiratete Personen kommen kann. Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vor dem Gericht ausgeführt hat, resultiert in einem solchen Fall die Wahl einer eingetragenen nicht ehelichen Partnerschaft anstelle der Ehe aus einer freien Entscheidung der beiden Partner hinsichtlich der damit verbundenen rechtlichen Folgen, so dass bei einem Paar, das sich gegen die Ehe entscheidet, obwohl das nationale Recht ihm diese Möglichkeit bietet, nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich in einer mit Paaren, die sich für die Ehe entschieden haben oder denen die Eheschließung von Rechts wegen verwehrt ist, vergleichbaren Situation befindet.

85      In Anwendung der oben in Rn. 75 angeführten Rechtsprechung ist daher festzustellen, dass sich in Anbetracht des Hauptmerkmals der Möglichkeit der Eheschließung, des oben in Rn. 83 dargelegten Gegenstands und Ziels der fraglichen Unterscheidung sowie des Kardinalziels des Statuts, den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu gewährleisten, ein durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbundenes Paar, dem – wie im Fall von KM und ihrem Ehegatten vor ihrer Heirat – in seinem Mitgliedstaat die Eheschließung nicht verwehrt ist, nicht in einer mit Paaren, die durch eine eingetragene nicht eheliche Partnerschaft verbunden sind, aber keine Möglichkeit zur Eheschließung haben, vergleichbaren Situation befindet.

86      Unter diesen Umständen ist der erste Klagegrund, mit dem die Rechtswidrigkeit von Art. 18 des Anhangs VIII des Statuts geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Rechtswidrigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts

87      Mit ihrem zweiten Klagegrund macht KM geltend, Art. 20 von Anhang VIII des Statuts verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters, weil ihr durch die Voraussetzung einer Mindestehedauer von fünf Jahren – während Art. 18 von Anhang VIII des Statuts nur eine Dauer von einem Jahr vorsehe – zu Unrecht eine Hinterbliebenenversorgung vorenthalten werde.

88      Die Kommission, unterstützt durch das Parlament und den Rat, tritt diesem Vorbringen entgegen.

89      Gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

90      Überdies ist, wie bereits oben in den Rn. 73 bis 75 ausgeführt, der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner, in Art. 20 der Charta verankerter Grundsatz des Unionsrechts, der in dem in Art. 21 Abs. 1 der Charta niedergelegten Diskriminierungsverbot eine besondere Ausprägung findet; auf diese beiden Grundsätze wird auch in Art. 1d des Statuts hingewiesen.

91      Schließlich wird nach der bereits oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs bei statutarischen Bestimmungen wie den hier in Rede stehenden unter Berücksichtigung des in diesem Zusammenhang weiten Ermessens des Unionsgesetzgebers der Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann missachtet, wenn der Unionsgesetzgeber eine willkürliche oder im Hinblick auf das Ziel der fraglichen Regelung offensichtlich unangemessene Differenzierung vornimmt.

92      Im Licht dieser Rechtsprechung und der Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 der Charta ist die von KM erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts anhand der in Art. 20 und in Art. 21 Abs. 1 der Charta verankerten und in Art. 1d des Statuts aufgeführten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung aus Gründen des Alters zu prüfen.

93      Zunächst ist aus den oben in den Rn. 41 bis 56 genannten Gründen davon auszugehen, dass die in den Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts genannten Situationen vergleichbar sind.

94      Sodann ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er in diesen Bestimmungen von Anhang VIII des Statuts eine unterschiedliche Mindestdauer der Ehe vorgesehen hat, vergleichbare Situationen unterschiedlich behandelt hat.

95      Diese Ungleichbehandlung beruht zudem mittelbar auf dem Alter.

96      Zum einen unterscheiden sich die von den Bestimmungen der Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts erfassten Sachverhalte nämlich hinsichtlich des Zeitpunkts der Eheschließung im Verhältnis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beamten aus dem Dienst nach Art. 47 des Statuts; zum anderen beruht das Ausscheiden aus dem Dienst in der Regel auf der Versetzung in den Ruhestand gemäß Art. 52 des Statuts. In Anbetracht dessen, dass Art. 52 des Statuts in seiner weitesten Anwendung vorsieht, dass die Versetzung von Beamten in den Ruhestand mit Anspruch auf ein Ruhegehalt im Sinne von Art. 20 des Anhangs VIII des Statuts im Alter zwischen 58 und 70 Jahren erfolgen kann, ist festzustellen, dass die unter Art. 20 fallenden ehemaligen Beamten im Allgemeinen in einem höheren Alter geheiratet haben als die unter Art. 18 von Anhang VIII des Statuts fallenden ehemaligen Beamten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 174).

97      Folglich begründet Art. 20 von Anhang VIII des Statuts in Verbindung mit Art. 18 dieses Anhangs auch eine mittelbar auf dem Alter des Beamten beruhende Ungleichbehandlung, wobei der Umstand, dass Beamte gemäß Art. 52 des Statuts mit einem im Extremfall zwölf Jahre betragenden Altersunterschied in den Ruhestand versetzt werden und ein Ruhegehalt beziehen können, nicht ausreichen kann, um in Abrede zu stellen, dass diese Ungleichbehandlung sehr wohl auf dem Alter beruht (Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung).

98      Ferner ist zu prüfen, ob die oben in den Rn. 94 bis 97 festgestellte Ungleichbehandlung mit Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 der Charta vereinbar ist, weil sie die in deren Art. 52 Abs. 1 genannten, oben in Rn. 89 angeführten Kriterien erfüllt.

99      Erstens steht fest, dass diese Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen ist, da sie sich aus Art. 20 von Anhang VIII des Statuts in Verbindung mit Art. 18 dieses Anhangs ergibt. Diese unionsrechtlichen Bestimmungen enthalten mit genauen Zahlenangaben versehene Voraussetzungen für die Mindestdauer der Ehe, die definieren, in welchem Umfang die Ausübung des Rechts auf Gleichbehandlung und des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Alters eingeschränkt werden (vgl., zur Tragweite des Erfordernisses, dass jede Einschränkung der Ausübung von Grundrechten gesetzlich vorgesehen sein muss, Urteil vom 26. April 2022, Polen/Parlament und Rat, C‑401/19, EU:C:2022:297, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100    Zweitens wahrt die Einschränkung des Systems der Hinterbliebenenversorgung durch die in Rede stehende unterschiedliche Behandlung im Einklang mit Art. 52 Abs. 1 der Charta den Wesensgehalt des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des Verbots der Diskriminierung aufgrund des Alters. Sie stellt nämlich diesen Grundsatz und dieses Verbot nicht als solche in Frage, da sie sich nur auf die begrenzte Problematik der Mindestehedauer bezieht, die bei überlebenden Ehegatten verstorbener Beamter oder verstorbener ehemaliger Beamter vorliegen muss, damit sie in den Genuss einer Hinterbliebenenversorgung kommen, ohne dass ihnen die Möglichkeit genommen wird, bei jeder der in den Art. 18 und 20 von Anhang VIII des Statuts angesprochenen Fallgruppen eine solche Versorgung zu erhalten.

101    Drittens entspricht diese Einschränkung einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 der Charta, und zwar der Verhinderung von Rechtsmissbrauch und Betrug; deren Verbot stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der von den Rechtsunterworfenen zu beachten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Februar 2018, Altun u. a., C‑359/16, EU:C:2018:63, Rn. 49). Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass die Bedingung, wonach die Ehe eine bestimmte Zeit gedauert haben muss, damit dem überlebenden Ehegatten die Hinterbliebenenversorgung zusteht, sicherstellen soll, dass es die Beziehungen zwischen den betreffenden Personen tatsächlich gab und dass sie beständig waren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 89). Es handelt sich um ein einheitliches und für alle überlebenden Ehegatten, die von den Art. 18 und 20 des Anhangs VIII des Statuts erfasst werden, unterschiedslos geltendes Kriterium, mit dem nicht das Vorliegen von Missbrauch oder Betrug bei den überlebenden Ehegatten vermutet, sondern verhindert werden soll, dass ein solcher Missbrauch oder Betrug begangen wird.

102    Was viertens die Prüfung der Verhältnismäßigkeit betrifft, ist im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit einer Bestimmung des Unionsrechts im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und aufgrund des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber in Bezug auf statutarische Vorschriften verfügt (siehe oben, Rn. 61 und 91), zu prüfen, ob Art. 20 von Anhang VIII des Statuts, indem er vorsieht, dass bei einem überlebenden Ehegatten, der einen Beamten nach dessen Ausscheiden aus dem Dienst geheiratet hat, eine Mindestehedauer von fünf Jahren vorliegen muss, während nach Art. 18 von Anhang VIII des Statuts die Mindestehedauer im Fall der Eheschließung mit einem Beamten, der sich noch im aktiven Dienst befindet, nur ein Jahr beträgt, eine willkürliche oder eine im Hinblick auf die in der vorstehenden Randnummer genannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung offensichtlich unangemessene Differenzierung schafft.

103    Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die in Art. 17 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Bedingung einer Mindestdauer von einem Jahr im Hinblick auf diese Zielsetzung weder willkürlich noch offensichtlich unangemessen ist; dies gilt für die in Art. 18 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Mindestdauer von einem Jahr gleichermaßen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 90).

104    Wie die Kommission, unterstützt durch den Rat und das Parlament, in ihren Schriftsätzen im Wesentlichen ausgeführt hat, erscheint es weder willkürlich noch offensichtlich unangemessen, in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts eine längere als die in Art. 18 dieses Anhangs vorgesehene Mindestehedauer zu verlangen. In dem von Art. 20 erfassten Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Ehe nach dem Ausscheiden des Beamten aus dem Dienst geschlossen wird, kann nämlich der Anreiz zu Missbrauch oder Betrug durch die größere Vorhersehbarkeit und das nähere Bevorstehen des Todes des Beamten gefördert werden, wenn das Ausscheiden wie im vorliegenden Fall durch die Versetzung in den Ruhestand im Sinne von Art. 52 des Statuts erfolgt.

105    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts zur Verhinderung von Missbrauch und Betrug eine Mindestehedauer von fünf Jahren festgelegt hat, während sie in den von Art. 18 dieses Anhangs erfassten Situationen nur ein Jahr beträgt, im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens keine willkürliche oder offensichtlich unangemessene Differenzierung vorgenommen hat.

106    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die in Art. 20 von Anhang VIII des Statuts vorgesehene Ungleichbehandlung mit Art. 20 und Art. 21 Abs. 1 der Charta vereinbar ist.

107    Daher ist der zweite Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass Art. 20 von Anhang VIII des Statuts im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters rechtswidrig sei, zurückzuweisen, so dass die Klage von KM abzuweisen ist.

 Kosten

108    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

109    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

110    Da den Rechtsmitteln stattgegeben wurde und KM somit mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und da die Kommission sowie der Rat beantragt haben, ihr die Kosten aufzuerlegen, sind ihr neben ihren eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die diesen beiden Organen im ersten Rechtszug und in den vorliegenden Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

111    Das Parlament hat zwar nicht am Rechtsmittelverfahren teilgenommen, ist aber im ersten Rechtszug vor dem Gericht aufgetreten. Im Anschluss an die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Behandlung der Rechtssache T‑374/20 im vorliegenden Beschluss ist gemäß Art. 137 in Verbindung mit Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung erneut über die Kosten zu entscheiden, die diesem Organ im ersten Rechtszug entstanden sind.

112    Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Unter diesen Umständen trägt das Parlament die ihm im ersten Rechtszug entstandenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:

1.      Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. März 2021, KM/Kommission (T374/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:162), wird aufgehoben.

2.      Die von KM in der Rechtssache T374/20 erhobene Klage wird abgewiesen.

3.      KM trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission und dem Rat der Europäischen Union in der Rechtssache T374/20 sowie in den Rechtssachen C341/21 P und C357/21 P entstanden sind.

4.      Das Europäische Parlament trägt seine eigenen Kosten in der Rechtssache T374/20.

Luxemburg, den 22. Dezember 2022

Der Kanzler

 

Der Kammerpräsident

A. Calot Escobar

 

M. Safjan


*      Verfahrenssprache: Deutsch.