Language of document : ECLI:EU:C:2023:716

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

LAILA MEDINA

vom 28. September 2023(1)

Rechtssache C308/22

Pesticide Action Network Europe (PAN Europe)

gegen

College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden,

Beteiligte:

Corteva Agriscience, vormals Dow AgroScience BV (Dow)

(Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven [Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Angleichung der Rechtsvorschriften – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Bewertung für die Zwecke der Zulassung – Art. 36 – Art. 44 – Ermessen des betreffenden Mitgliedstaats hinsichtlich der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats der Zone, der den Antrag geprüft hat – Verpflichtung zur Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik, auch außerhalb von Leitlinien – Vorsorgeprinzip“






1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie, Niederlande) betrifft insbesondere die Auslegung von Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009(2). Die Klage im Ausgangsverfahren, die das Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) gegen das College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden (Ausschuss für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, Niederlande; im Folgenden: Zulassungsausschuss) erhoben hat, richtet sich gegen die Zurückweisung des von PAN Europe erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses, die Zulassung des Pflanzenschutzmittels Closer, das den Wirkstoff Sulfoxaflor enthält, zu verlängern.

2.        Die Europäische Umweltagentur (EUA) hat darauf hingewiesen, dass „die Verschmutzung durch [Pflanzenschutzmittel (Pestizide)] für den Verlust der biologischen Vielfalt in Europa verantwortlich ist. Sie verursacht einen erheblichen Rückgang der Insektenpopulationen und bedroht damit die entscheidende Rolle, die diese für die Nahrungsmittelproduktion spielen“; „die Exposition des Menschen gegenüber chemischen Pestiziden wird mit chronischen Krankheiten wie Krebs, Herz‑, Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen in Verbindung gebracht“(3). Der vorliegende Fall ist insofern von Bedeutung, als er die Frage aufwirft, ob Mitgliedstaaten berechtigt sind, bei der Entscheidung über die Gewährung oder Verweigerung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse in Bezug auf die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf unser Leben zu berücksichtigen.

3.        Insoweit ist die Europäische Union im Rahmen ihrer Agenda „Green Deal“ (insbesondere der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“) bestrebt, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 um 50 % zu reduzieren, um „ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem“ zu gewährleisten. Hierzu ist anzumerken, dass nach Schätzungen des Europäischen Parlaments im Jahr 2018 EU-weit immerhin 500 verschiedene Pflanzenschutzmittel zugelassen und vermarktet wurden(4). Vor diesem Hintergrund werde ich versuchen, die Fragen zu beantworten, die das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen aufwirft.

4.        Die vorliegende Rechtssache steht im Zusammenhang mit den verbundenen Rechtssachen C‑309/22 und C‑310/22, PAN Europe (Bewertung von endokrinschädlichen Eigenschaften), die von demselben nationalen Gericht vorgelegt wurden. Meine Schlussanträge in diesen Rechtssachen werden ebenfalls heute verlesen und beide Schlussanträge sind im Zusammenhang zu sehen.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Verordnung Nr. 1107/2009

5.        Art. 1 („Gegenstand und Ziel“) dieser Verordnung bestimmt in den Abs. 3 und 4 Folgendes:

„(3)      Ziel dieser Verordnung ist die Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt und das bessere Funktionieren des Binnenmarkts durch die Harmonisierung der Vorschriften für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion.

(4)      Die Bestimmungen dieser Verordnung beruhen auf dem Vorsorgeprinzip, mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen.“

6.        Art. 4 („Genehmigungskriterien für Wirkstoffe“) der Verordnung Nr. 1107/2009 lautet in den Abs. 1 bis 4 wie folgt:

„(1)      Ein Wirkstoff wird gemäß Anhang II genehmigt, wenn aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstandes zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung der Genehmigungskriterien, in den Nummern 2 und 3 jenes Anhangs Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten, die Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 erfüllen.

Bei der Bewertung des Wirkstoffs wird zunächst ermittelt, ob die Genehmigungskriterien nach Anhang II Nummern 3.6.2 bis 3.6.4 und Nummer 3.7 erfüllt sind. Sind diese Kriterien erfüllt, so wird anschließend geprüft, ob die in Anhang II Nummern 2 und 3 festgelegten übrigen Genehmigungskriterien erfüllt sind.

(2)      Die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a)      Sie dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – unter Berücksichtigung von Kumulations- und Synergieeffekten, wenn es von der [Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: EFSA)] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Messung solcher Effekte gibt – noch auf das Grundwasser haben.

b)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben.

Für Rückstände mit toxikologischer, ökotoxikologischer, ökologischer Relevanz oder Relevanz für das Trinkwasser müssen allgemein gebräuchliche Messverfahren zur Verfügung stehen. Analysestandards müssen allgemein verfügbar sein.

(3)      Pflanzenschutzmittel müssen als Folge der Verwendung entsprechend der guten Pflanzenschutzpraxis und unter der Voraussetzung realistischer Verwendungsbedingungen folgende Anforderungen erfüllen:

a)      Sie müssen hinreichend wirksam sein.

b)      Sie dürfen keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich besonders gefährdeter Personengruppen, oder von Tieren – weder direkt noch über das Trinkwasser (unter Berücksichtigung der bei der Trinkwasserbehandlung entstehenden Produkte), über Nahrungs- oder Futtermittel oder über die Luft oder Auswirkungen am Arbeitsplatz oder durch andere indirekte Effekte unter Berücksichtigung bekannter Kumulations- und Synergieeffekte, soweit es von der [EFSA] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt – noch auf das Grundwasser haben.

c)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse haben.

d)      Sie dürfen bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen verursachen.

e)      Sie dürfen keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben, und zwar unter besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte, soweit es von der [EFSA] anerkannte wissenschaftliche Methoden zur Bewertung solcher Effekte gibt:

(4)      Die Anforderungen der Absätze 2 und 3 werden unter Berücksichtigung der einheitlichen Grundsätze gemäß Artikel 29 Absatz 6 bewertet.“

7.        Kapitel III („Pflanzenschutzmittel“) Abschnitt 1 („Zulassung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 enthält den Unterabschnitt 1 („Anforderungen und Inhalte“).

8.        Der in diesem Unterabschnitt enthaltene Art. 29 („Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen“) dieser Verordnung lautet wie folgt:

„(1)      Unbeschadet des Artikels 50 wird ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Absatz 6 folgende Anforderungen erfüllt:

a)      Seine Wirkstoffe, Safener und Synergisten sind genehmigt;

c)      seine Beistoffe sind nicht in Anhang III enthalten;

e)      e[s] erfüllt unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 3;

(2)      Der Antragsteller muss nachweisen, dass die Anforderungen nach Absatz 1 Buchstaben a bis h erfüllt sind.

(3)      Die Erfüllung der Anforderungen in Absatz 1 Buchstabe b sowie Buchstaben e bis h werden durch amtliche oder amtlich anerkannte Versuche und Analysen ermittelt, die in Bezug auf landwirtschaftliche, pflanzengesundheitliche und ökologische Aspekte unter Bedingungen durchgeführt werden, die für die Verwendung des betreffenden Pflanzenschutzmittels relevant und für die Bedingungen in der Zone repräsentativ sind, in der das Pflanzenschutzmittel verwendet werden soll.

…“

9.        Unterabschnitt 2 („Verfahren“) dieses Abschnitts 1 des Kapitels III der Verordnung Nr. 1107/2009 enthält insbesondere Art. 36.

10.      Art. 36 („Prüfung zur Zulassung“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, nimmt eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er gibt allen Mitgliedstaaten in der gleichen Zone die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, die in der Bewertung berücksichtigt wird.

Er wendet die in Artikel 29 Absatz 6 genannten einheitlichen Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln an, um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel bei Verwendung gemäß Artikel 55 in der selben Zone und unter realistisch anzunehmenden Verwendungsbedingungen die Anforderungen gemäß Artikel 29 erfüllt.

Der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, stellt seine Bewertung den anderen Mitgliedstaaten derselben Zone zur Verfügung. Das Format des Bewertungsberichts wird nach dem in Artikel 79 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren festgelegt.

(2)      Die betreffenden Mitgliedstaaten gewähren oder verweigern die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 prüft.

(3)      Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des (Unions-)rechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden.

Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

Dieser Mitgliedstaat unterrichtet den Antragsteller und die Kommission umgehend über seine Entscheidung und legt eine technische oder wissenschaftliche Begründung vor.

Die Mitgliedstaaten sehen die Möglichkeit der Anfechtung einer Entscheidung über die Verweigerung der Zulassung der entsprechenden Produkte vor den nationalen Gerichten oder anderen Berufungsinstanzen vor.“

11.      Kapitel III Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 („Erneuerung, Aufhebung und Änderung“) der Verordnung Nr. 1107/2009 enthält insbesondere Art. 44.

12.      Art. 44 dieser Verordnung („Aufhebung oder Änderung einer Zulassung“) lautet:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können eine Zulassung jederzeit ändern, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass eine Anforderung gemäß Artikel 29 nicht mehr erfüllt ist.

(2)      Beabsichtigt ein Mitgliedstaat, eine Zulassung aufzuheben oder zu ändern, so unterrichtet er den Zulassungsinhaber und gibt ihm Gelegenheit, eine Stellungnahme oder weitere Informationen vorzulegen.

(3)      Der Mitgliedstaat hebt die Zulassung auf oder ändert sie, wenn

a)      die Anforderungen gemäß Artikel 29 nicht oder nicht mehr erfüllt sind;

b)      falsche oder irreführende Angaben in Bezug auf die Umstände gemacht worden sind, aufgrund derer die Zulassung erteilt wurde;

c)      eine in der Zulassung enthaltene Bedingung nicht erfüllt wurde;

d)      nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen die Art der Verwendung und die verwendeten Mengen geändert werden können; oder

e)      der Zulassungsinhaber die Verpflichtungen aufgrund dieser Verordnung nicht erfüllt.

(4)      Hebt ein Mitgliedstaat eine Zulassung gemäß Absatz 3 auf oder ändert er sie, so unterrichtet er unverzüglich den Zulassungsinhaber, die anderen Mitgliedstaaten, die [Europäische] Kommission und die [EFSA]. Die anderen Mitgliedstaaten, die derselben Zone angehören, heben die Zulassung auf oder ändern sie entsprechend unter Berücksichtigung der nationalen Bedingungen und der Risikominderungsmaßnahmen, außer in den Fällen, in denen Artikel 36 Absatz 3 Unterabsätze 2, 3 oder 4 angewendet wurden. Gegebenenfalls findet Artikel 46 Anwendung.“

II.    Kurze Darstellung des Sachverhalts, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

13.      Closer ist ein Pflanzenschutzmittel, das den Wirkstoff Sulfoxaflor enthält. Sulfoxaflor wurde in der Europäischen Union als Wirkstoff gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 durch die Durchführungsverordnung (EU) 2015/1295(5) genehmigt.

14.      Am 30. April 2015 beantragte Dow AgroScience BV (im Folgenden: Dow) in den Niederlanden die Ausweitung des Geltungsbereichs der Zulassung für Closer auf die Verwendung beim Anbau von Kohl und Kartoffeln im Freiland und reichte auch den gleichen Antrag hinsichtlich der Zone Mitte (zu der auch die Niederlande gehören) in Belgien, Tschechien, Deutschland, Irland, Ungarn, Österreich, Polen, Rumänien, der Slowakei und im Vereinigten Königreich ein.

15.      Als berichterstattender Mitgliedstaat der Zone bewertete Irland den Antrag auf der Grundlage der EFSA-Leitlinien 2002(6) und schloss die Prüfung 2016 ab. Irland hatte allerdings dabei nicht die Leitlinien 2013 für die Risikobewertung in Bezug auf Bienen(7) herangezogen, die die EFSA auf Veranlassung der Kommission für die Bewertung der Risiken für Bienen ausgearbeitet hatte.

16.      Auf der Grundlage der von Irland durchgeführten Risikobewertung entschied der Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 5. April 2019, den Geltungsbereich der Zulassung für Closer um die beantragte Verwendung zu erweitern, wobei er einschränkend hinzufügte: „Gefährlich für Bienen und Hummeln. Zum Schutz von Bienen und anderen bestäubenden Insekten darf dieses Produkt nicht während der Blüte oder auf nicht blühenden Pflanzen ausgebracht werden, wenn diese aktiv von Bienen und Hummeln angeflogen werden. Die Anwendung ist erst nach der Blüte von Kartoffelkulturen erlaubt. Verwenden Sie dieses Produkt nicht in der Nähe von sich selbst vermehrenden Pflanzen. Selbstvermehrungspflanzen vor der Blüte beseitigen“.

17.      PAN Europe legte gegen den Bescheid vom 5. April 2019 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 5. Februar 2020 (im Folgenden: angefochtener Bescheid) wies der Zulassungsausschuss den Widerspruch als unbegründet zurück. Gegen diesen Bescheid erhob PAN Europe beim vorlegenden Gericht Anfechtungsklage.

18.      Vor dem vorlegenden Gericht macht PAN Europe geltend, dass der Zulassungsausschuss die Zulassung von Closer nicht auf die beantragte Verwendung auf dem niederländischen Markt hätte erweitern dürfen. Die Bewertung Irlands, der der Zulassungsausschuss gefolgt sei, beruhe nicht auf dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik. Die Leitlinien 2002 seien nicht mehr aktuell und bezögen sich nicht auf die subletalen Auswirkungen, chronischen Auswirkungen, Exposition durch Unkräuter, Auswirkungen auf die Fortpflanzung sowie die Auswirkungen auf Hummeln und Solitärbienen. Da die Leitlinien 2002 veraltet seien – was durch die Tatsache belegt werde, dass es notwendig gewesen sei, diese zu aktualisieren und die Leitlinien 2013, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse enthielten, zu veröffentlichen – hätten die letztgenannte Leitlinien der Bewertung zugrunde gelegt werden müssen. Die Leitlinien 2013 fänden in der Praxis bei mehreren Mitgliedstaaten keine Akzeptanz, weil danach einige Pflanzenschutzmittel verboten werden könnten.

19.      PAN Europe ist der Ansicht, dass, indem der Zulassungsausschuss die Leitlinien 2013 nicht berücksichtigt habe, das mit der Verordnung Nr. 1107/2009 angestrebte hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt untergraben werde. Die Leitlinien 2013 seien seit ihrer Veröffentlichung im Jahr 2013 verfügbar gewesen und diese Verordnung setze für die Anwendung von Leitlinien keine von der Mehrheit der Mitgliedstaaten vertretene Befürwortung voraus. Von Belgien würden die Leitlinien 2013 seit November 2016 angewendet.

20.      Im Gegensatz zur Erweiterung des Geltungsbereichs des Pflanzenschutzmittels Closer sei die Genehmigung des Wirkstoffs Sulfoxaflor im Jahr 2015 auf der Grundlage der Leitlinien 2013 erfolgt. Dabei seien vor dem Hintergrund der von Dow vorgelegten Daten hohe Risiken für Bienen festgestellt worden. Diese Daten seien bei der vorliegenden Bewertung nicht berücksichtigt worden. Hätte der Zulassungsausschuss dies berücksichtigt, hätte er die gleichen Risiken festgestellt. Die vorgesehene Einschränkung sei unzureichend und lasse sich außerdem weder anwenden noch einhalten oder durchsetzen. Aus dem Vorsorgeprinzip ergebe sich, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich der Auswirkungen zunächst weitere Studien durchzuführen seien, bevor ein Pflanzenschutzmittel zugelassen werden könne.

21.      Das College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) ist der Ansicht, dass zur Entscheidung des Ausgangsverfahrens eine Auslegung von Art. 36 der Verordnung Nr. 1107/2009 und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erforderlich sei, und hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Darf der betreffende Mitgliedstaat, der gemäß Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels entscheidet, von der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats der Zone, der den Antrag gemäß Art. 36 Abs. 1 dieser Verordnung geprüft hat, abweichen und, falls ja, inwieweit?

2.      Falls die Antwort auf die erste Frage lautet, dass der betreffende Mitgliedstaat dies nicht bzw. nur eingeschränkt darf, wie sieht dann die Ausgestaltung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 47 der Charta aus? Kann die Richtigkeit der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats der Zone dann uneingeschränkt beim nationalen Gericht des betreffenden Mitgliedstaats in Abrede gestellt werden?

3.      Falls der betreffende Mitgliedstaat bzw. das Gericht dieses Mitgliedstaats zu dem Schluss gelangt, dass die Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats der Zone nicht ausreichend begründet ist, inwiefern ist der betreffende Mitgliedstaat dann verpflichtet, den berichterstattenden Mitgliedstaat der Zone in das Zustandekommen einer ausreichend begründeten Beurteilung einzubeziehen?

4.      Darf sich der berichterstattende Mitgliedstaat der Zone auf eine Bewertung beschränken, bei der er ausschließlich auf verabschiedete Leitlinien abstellt, auch wenn der darin verarbeitete Stand von Wissenschaft und Technik nicht mehr in Gänze aktuell ist?

5.      Falls die vorige Frage zu verneinen ist, reicht es dann aus, dass der berichterstattende Mitgliedstaat der Zone zusätzlich nur auf wissenschaftliche und technische Erkenntnisse abstellt, die in bereits ausgearbeiteten, jedoch noch nicht verabschiedeten Leitlinien enthalten sind, oder muss er alle – auch nicht in Leitlinien – verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen?

III. Verfahren vor dem Gerichtshof

22.      Schriftliche Erklärungen sind von PAN Europe, Corteva Agriscience (ehemals Dow AgroScience BV), der deutschen und der griechischen Regierung, von Irland und von den Niederlanden sowie von der Kommission eingereicht worden. Es hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden.

IV.    Würdigung

23.      Die vorliegenden Schlussanträge befassen sich, wie vom Gerichtshof gewünscht, nur mit der ersten, der vierten und der fünften Vorlagefrage.

A.      Einleitung

24.      Mit seiner Frage 1 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der betreffende Mitgliedstaat bei der Entscheidung über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels von der Risikobewertung abweichen darf, die der berichterstattende Mitgliedstaat der Zone (im Folgenden: berichterstattender Mitgliedstaat) in Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten der Zone gemäß Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgenommen hat. Mit den Fragen 4 und 5 möchte er geklärt wissen, welche Art von Leitlinien und wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen der berichterstattende Mitgliedstaat gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 bei der Risikobewertung berücksichtigen muss.

25.      Im Rahmen dieser Fragen ist der Gerichtshof aufgerufen, Hinweise zu geben zu dem Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der „Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt“ der Verordnung Nr. 1107/2009 und der strikten Anwendung der in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren durch die Mitgliedstaaten. Außerdem ist der vorliegende Fall kein Einzelfall. In anderen Mitgliedstaaten (z. B. in Frankreich) haben dieselben Fragen in Bezug auf denselben Wirkstoff und dasselbe Pflanzenschutzmittel zu Streitigkeiten geführt. 2017 setzte das Tribunal administratif de Nice (Verwaltungsgericht, Nizza, Frankreich) die Zulassung für zwei Pflanzenschutzmittel von Dow Chemical mit der Begründung aus, dass Unsicherheiten hinsichtlich der Umweltrisiken, einschließlich der Auswirkungen auf Bienen, bestünden(8). Mit dem Zwischenurteil dieses Gerichts wurde eine Entscheidung der französischen Agentur für Lebensmittel‑, Umwelt- und Arbeitsschutz (Agence nationale de sécurité sanitaire de l’alimentation, de l’environnement et du travail [ANSES]) aufgehoben, mit der die Zulassung für Closer (das Produkt, um das es im vorliegenden Fall geht) und Transform-Pflanzenschutzmittel, die den Wirkstoff Sulfoxaflor enthalten (um den es im vorliegenden Fall ebenfalls geht), aufgehoben wurde. In diesem Fall argumentierten Umweltschutzgruppen, dass die Zulassung der genannten Produkte in Frankreich auslaufe, weil sie möglicherweise zu einem Rückgang der Bienenpopulationen beitragen würden. Wie bereits erwähnt, genehmigte die Europäische Union Sulfoxaflor im Jahr 2015. Anschließend gewährte ANSES die Zulassung für Closer, das Sulfoxaflor enthält, für die Verwendung auf Strohgetreide wie Weizen sowie Obst- und Gemüsekulturen, verbot es jedoch für Kulturen, die bestäubende Insekten anfliegen, und für alle Kulturen während der Blütezeit, da es möglicherweise toxische Wirkungen für Bienen hat.

B.      Frage 1

26.      In Bezug auf die in den Nrn. 18 bis 20 der vorliegenden Schlussanträge genannten Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der betreffende Mitgliedstaat (hier die Niederlande) bei der Entscheidung über die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels von der vom berichterstattenden Mitgliedstaat (hier Irland) gemäß Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgenommenen Bewertung abweichen darf.

27.      Das vorlegende Gericht meint, dass nach Art. 36 Abs. 2 dieser Verordnung davon auszugehen sei, dass der betreffende Mitgliedstaat grundsätzlich die Schlussfolgerungen der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats als Grundlage für seine eigene Zulassungsentscheidung heranziehen müsse.

28.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 zwar vorsehe, dass abweichend von Abs. 2 geeignete Bedingungen in Bezug auf die in Art. 31 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung genannten Anforderungen und andere Maßnahmen zur Risikominderung festgelegt werden könnten, dass sich diese Anforderungen aber aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben müssten. Im Ausgangsverfahren gehe es jedoch um die Frage, ob der betreffende Mitgliedstaat im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Hoheitsgebiet seine Bewertung auf der Grundlage anderer einschlägiger wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse (insbesondere von neueren Leitlinien als der vom berichterstattenden Mitgliedstaat verwendeten) vornehmen dürfe. Nach dem Vorlagebeschluss ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass eine Verpflichtung, die Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats als unabänderliche Tatsache berücksichtigen zu müssen, nicht mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar sein würde. Seiner Meinung nach wäre es daher logisch, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht automatisch verpflichtet sei, der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats zu folgen.

29.      Ich halte es für nützlich, kurz auf das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel in einer Zone einzugehen, wie es in den Art. 33 ff. der Verordnung Nr. 1107/2009 geregelt ist.

30.      Im Rahmen dieses Verfahrens macht der Antragsteller einen Vorschlag, welcher Mitgliedstaat die Aufgabe des Berichterstatters übernehmen sollte. Wird der Antrag angenommen, reicht der Antragsteller beim berichterstattenden Mitgliedstaat einen Antrag auf Zulassung in einer Zone ein und gibt an, in welchen anderen Mitgliedstaaten in dieser Zone er ebenfalls einen Antrag stellen möchte(9). Der Antragsteller reicht den Antrag gleichzeitig bei allen betreffenden Mitgliedstaaten ein. Die erforderlichen Unterlagen sind in Art. 33 der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgeführt.

31.      Anschließend bewertet der berichterstattende Mitgliedstaat den Antrag gemäß Art. 35 der genannten Verordnung. Er nimmt „eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor“(10).

32.      Der berichterstattende Mitgliedstaat ist verpflichtet, einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln anzuwenden(11), um so weit wie möglich festzustellen, ob das Pflanzenschutzmittel die Anforderungen gemäß Art. 29 in derselben Zone bei Verwendung gemäß Art. 55 und unter realistischen anzunehmenden Verwendungsbedingungen erfüllt(12).

33.      Die betreffenden Mitgliedstaaten setzen ihre Bewertung des Antrags aus, bis der berichterstattende Mitgliedstaat seine Bewertung abgeschlossen hat(13).

34.      Im Zuge seiner Bewertung erstellt der berichterstattende Mitgliedstaat den Entwurf eines Bewertungsberichts und übermittelt ihn zur Stellungnahme an die Mitgliedstaaten in dieser Zone(14). Nach Ablauf der Frist für Stellungnahmen entscheidet der berichterstattende Mitgliedstaat für sein Hoheitsgebiet über die Erteilung oder Verweigerung der Zulassung für das betreffende Pflanzenschutzmittel und verabschiedet den Bewertungsbericht. Anschließend übermittelt er diesen Bericht und die Kopie der Zulassung an die anderen Mitgliedstaaten der Zone.

35.      Danach entscheiden die betreffenden Mitgliedstaaten gemäß Art. 36 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 innerhalb von 120 Tagen nach Erhalt dieses Berichts und der Kopie der Zulassung über den Antrag(15).

36.      Im Zusammenhang mit der oben erläuterten Zulassungsregelung wende ich mich nun der Auslegung von Art. 36 der Verordnung zu, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht.

37.      Im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 wird klargestellt, dass die EFSA „eine Risikobewertung durchführt“, während die Kommission „die Aufgabe des Risikomanagements durchführt und die endgültige Entscheidung über einen Wirkstoff treffen sollte“. Aus dem Wortlaut von Art. 36 dieser Verordnung ergibt sich, dass es bei dem Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel eine ähnliche Rollenverteilung gibt: In diesem Fall ist es der berichterstattende Mitgliedstaat, der „eine Risikobewertung durchführt“ und der betreffende Mitgliedstaat, der in Bezug auf sein Hoheitsgebiet „die Aufgabe des Risikomanagements durchführt und die endgültige Entscheidung über [ein derartiges Produkt] treffen sollte“. Für die Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts ist zunächst die Art des Verhältnisses zwischen diesen beiden Aufgaben zu klären.

38.      Nach Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 gewährt oder verweigert der betreffende Mitgliedstaat Zulassungen „auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung“ durch den berichterstattenden Mitgliedstaat. Der Begriff „auf der Grundlage von“ verbindet die beiden Verfahrensschritte und kennzeichnet das Verhältnis zwischen der Rolle des Risikobewerters und der des Risikomanagers, indem er darauf hinweist, dass beide Aufgaben miteinander verknüpft sind, gleichzeitig aber jede einen eigenen spezifischen Zweck erfüllt.

39.      Festzustellen ist, dass das System für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf gegenseitigem Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten beruht und darauf abzielt, Doppelarbeit der Mitgliedstaaten zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, sieht die oben genannte Verordnung ein sorgfältiges und zielgerichtetes schrittweises Verfahren mit einer klaren Aufgabenteilung zwischen den beteiligten Behörden vor. Nach diesem Verfahren unternimmt der berichterstattende Mitgliedstaat den ersten obligatorischen Verfahrensschritt in diesem Verwaltungsverfahren und gibt eine Bewertung über die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in der Zone ab. Danach folgt der nächste, eng damit verbundene Verfahrensschritt, der von einem betroffenen Mitgliedstaat durchgeführt wird. Die Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats dient somit als Voraussetzung dafür, dass ein betroffener Mitgliedstaat seine eigenen Befugnisse im Rahmen des Systems ausüben kann, d. h. eine endgültige Entscheidung über die Zulassung dieses Pflanzenschutzmittels in seinem eigenen Hoheitsgebiet treffen kann. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Verfahrensschritt des berichterstattenden Mitgliedstaats und der Verfahrensschritt eines betroffenen Mitgliedstaats miteinander in Zusammenhang stehen.

40.      Zweitens müssen auf der Grundlage der ermittelten Art des Verhältnisses die Befugnisse eines betreffenden Mitgliedstaats geklärt werden. Erstens zeigt der Zusammenhang zwischen den beiden Verfahrensschritten, dass der berichterstattende Mitgliedstaat und jeder betreffende Mitgliedstaat in verschiedenen Stadien an einem einzigen vom Antragsteller eingeleiteten Verwaltungsverfahren beteiligt sind. Der betreffende Mitgliedstaat, der dieses Verfahren abschließt, ist daher nicht befugt, die Schlussfolgerungen der vom berichterstattenden Mitgliedstaat durchgeführten Bewertung zu überprüfen. Folglich kann er die Rechtmäßigkeit dieser Schlussfolgerungen des berichterstattenden Mitgliedstaats nicht überprüfen(16), da dies dem gegenseitigen Vertrauen und der Vollständigkeit des Verfahrens zuwiderlaufen würde, das Teil des mit der Verordnung Nr. 1107/2009 eingeführten Systems ist.

41.      Die Tatsache, dass der Verfahrensabschnitt, an dem der berichterstattende Mitgliedstaat beteiligt ist, und der Verfahrensabschnitt, an dem der betreffende Mitgliedstaat beteiligt ist, miteinander in Zusammenhang stehen, und die Tatsache, dass Letzterer die Schlussfolgerungen der vom zuerst Genannten durchgeführten Bewertung nicht überprüfen kann, bedeutet jedoch nicht, dass das Ermessen eines betreffenden Mitgliedstaats vollständig ausgeschaltet ist. Im Gegenteil, wie der Wortlaut von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 („gewähren oder verweigern die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den [berichterstattenden] Mitgliedstaat“) selbst zeigt, ist diese Bewertung, auch wenn sie wichtig ist, nur eines der Dokumente, die der betreffende Mitgliedstaat zu Rate ziehen muss; bei dem Bewertungsbericht handelt es sich nicht um eine endgültige Entscheidung über die Zulassung des betreffenden Pflanzenschutzmittels in allen Mitgliedstaaten der Zone. Wie von der deutschen Regierung zu Recht angemerkt, enthält die genannte Bestimmung angesichts der Tatsache, dass der betreffende Mitgliedstaat seine Entscheidung „auf der Grundlage der Schlussfolgerungen“ trifft, in begründeten Fällen eine Abweichungsmöglichkeit von der Entscheidung des berichterstattenden Mitgliedstaats. Daher ist für mich klar, dass die vom Unionsgesetzgeber gewählte Formulierung den betreffenden Mitgliedstaat keineswegs dazu verpflichtet, Zulassungen zu gewähren oder zu verweigern, indem er automatisch dem Ansatz des berichterstattenden Mitgliedstaats zu folgen hätte.

42.      Tatsächlich ist eine Abweichung von den Schlussfolgerungen der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 bereits ausdrücklich vorgesehen, was zeigt, dass die „Hände“ eines betroffenen Mitgliedstaats durch die Bewertung eines berichterstattenden Mitgliedstaats nicht völlig gebunden sind.

43.      In Art. 36 Abs. 3 heißt es in Unterabs. 1: „Abweichend von [Art. 36 Abs. 2] und vorbehaltlich des [Unionsrechts] können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden“.

44.      In Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 heißt es dann: „Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.“

45.      In Art. 36 Abs. 3 Unterabs. 2 wird die Formulierung „kann … verweigern“ verwendet, was ein Ermessen des betreffenden Mitgliedstaats impliziert. Allerdings enthält dieser Artikel bestimmte Grenzen: „wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.“

46.      Daher kann der betreffende Mitgliedstaat nach dem Wortlaut von Art. 36 Abs. 3 von der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats abweichen. Eine solche ausdrückliche Anerkennung der Rechte eines betreffenden Mitgliedstaats erhellt den Kontext, in dem der Unionsgesetzgeber die Rolle des Risikomanagements sieht, die dieser Mitgliedstaat im Zulassungsverfahren wahrzunehmen hat.

47.      Es ist daher wichtig, Art. 36 Abs. 2 nicht isoliert auszulegen(17). Es ist ein systemischer Ansatz anzuwenden und diese Bestimmung ist in dem Kontext auszulegen, in dem sie steht, d. h. unter Berücksichtigung ihrer Stellung innerhalb eines Gesamtgefüges von Rechten, die einem betreffenden Mitgliedstaat gewährt werden, um zu kontrollieren, welche Pflanzenschutzmittel auf dem Markt des betreffenden Mitgliedstaats in Verkehr gebracht werden und auf dem Markt bleiben dürfen.

48.      Diese Kontrolle umfasst nicht nur die Zulassung für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, sondern auch die Überprüfung und die Aufhebung einer erteilten Zulassung. Art. 44 der Verordnung Nr. 1107/2009 legt das Verfahren und die Bedingungen für die Aufhebung oder die Änderung einer Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel fest und vervollständigt damit die Befugnisse des betreffenden Mitgliedstaats. Art. 36 Abs. 2 ist daher in diesem Kontext auszulegen. Es ist offensichtlich, dass die beiden Artikel miteinander verbundene Elemente des Zulassungssystems sind, da Art. 44 Abs. 4 ausdrücklich auf Art. 36 Abs. 3 verweist und eine entsprechende Ausnahmeregelung vorsieht, allerdings für den Fall, dass eine Zulassung bereits erteilt wurde und nun geändert oder aufgehoben werden soll.

49.      Das Wesen des Zulassungs- und Kontrollsystems für Pflanzenschutzmittel und der Umfang der einem betroffenen Mitgliedstaat eingeräumten Rechte werden jedoch deutlich, wenn man sich Art. 44 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 ansieht. Nach diesen Bestimmungen können Mitgliedstaaten eine Zulassung jederzeit überprüfen, insbesondere wenn es Anzeichen dafür gibt, dass „die Anforderungen gemäß Artikel 29 [der genannten Verordnung] nicht oder nicht mehr erfüllt sind“(18). Kommt der Mitgliedstaat zu dem Schluss, dass diese Anforderungen nicht mehr erfüllt sind, muss er eine Zulassung aufheben oder ändern.

50.      Art. 44 bestimmt zudem, dass es die Aufgabe eines „Mitgliedstaats“ ist, die Zulassung zu überprüfen, aufzuheben oder zu ändern, und legt abschließend die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte fest. Er sieht nicht vor, dass eine solche Überprüfung, Aufhebung oder Änderung davon abhängig ist, dass zuvor Änderungen an der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats vorgenommen worden sind. Daraus folgt, dass dieses Recht eines „Mitgliedstaats“ ein autonomes Recht darstellt, das der betreffende Mitgliedstaat unabhängig von dem berichterstattenden Mitgliedstaat ausübt. Für den vorliegenden Fall ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass eine der Anforderungen für die obligatorische Aufhebung einer Zulassung in Art. 44 Abs. 3 Buchst. a festgelegt ist und der Mitgliedstaat verpflichtet ist, die Zulassung zu überprüfen und aufzuheben oder zu ändern, wenn „die Anforderungen gemäß Artikel 29 nicht oder nicht mehr erfüllt sind“.

51.      Wie der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Blaise(19) ausgeführt hat, „geht aus Art. 44 Abs. 1 und 3 der [Verordnung Nr. 1107/2009] hervor, dass die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels u. a. dann überprüft und sodann geändert oder aufgehoben werden kann, wenn es sich nach den neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen erweist, dass das Mittel nicht oder nicht mehr den Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen nach Art. 29 der Verordnung, insbesondere der des Fehlens sofortiger oder verzögerter schädlicher Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, entspricht“.

52.      Daher spricht Art. 36 Abs. 2 im Kontext des gesamten Systems der Zulassung, Änderung und Aufhebung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln nach der Verordnung Nr. 1107/2009 und insbesondere von Art. 44 dafür, dass die Rechte der betreffenden Mitgliedstaaten nach Art. 36 Abs. 2 genügend weit auszulegen sind, damit ein solcher Mitgliedstaat bei der Entscheidung über einen Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach Art. 29 der Verordnung vorgehen kann. Wenn es möglich ist, eine Zulassung aufzuheben(20), wenn die dem Mitgliedstaat vorliegenden wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse darauf hindeuten, dass es zu schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder zu unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt kommen kann, sollte der betreffende Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags auf eine neue Zulassung über die gleiche Befugnis verfügen, um solche schädlichen Auswirkungen von vornherein zu vermeiden. Voraussetzung eines derartigen Rechts ist jedoch, dass es aktuelle wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse über die oben genannten schädlichen Auswirkungen gibt, die der berichterstattende Mitgliedstaat bei seinem Bewertungsverfahren nicht berücksichtigt hat.

53.      Ein Mitgliedstaat kann nämlich nicht eher berechtigt sein, eine Zulassung aufzuheben, als sie zu gewähren oder zu verweigern(21). Hat der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaat ausdrücklich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um schädliche Auswirkungen eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Auswirkungen eines solchen Mittels auf die Umwelt zu beseitigen, wenn neueste wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse auf solche Auswirkungen hindeuten, so besteht die gleiche Verpflichtung im Zulassungsverfahren, um das Auftreten solcher Auswirkungen zu vermeiden. Wie bereits in der Einleitung dieser Schlussanträge erwähnt, führt eine Verunreinigung durch Pflanzenschutzmittel zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und zu einem erheblichen Rückgang der Insektenpopulationen, wodurch deren entscheidende Rolle für die Nahrungsmittelproduktion bedroht wird. Außerdem ist bekannt, dass die Exposition gegenüber chemischen Pflanzenschutzmitteln mit chronischen Krankheiten wie Krebs, Herz‑, Atemwegs- und neurologischen Erkrankungen in Verbindung gebracht wird(22). Daher muss der betreffende Mitgliedstaat die Befugnis besitzen, solche Auswirkungen zu verhindern oder zu minimieren.

54.      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Formulierung in Art. 36 Abs. 2 „auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung“ dahin auszulegen ist, dass sie die Befugnis des betreffenden Mitgliedstaats einschließt, die Zulassung zu verweigern, wenn sich aufgrund der Entwicklung der wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisse zeigt, dass das Pflanzenschutzmittel die in Art. 29 und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung festgelegten Anforderungen nicht erfüllt, einschließlich des Erfordernisses, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt haben darf.

55.      Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 1107/2009 einem Mitgliedstaat ausdrücklich die Möglichkeit gibt, eine auf wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen beruhende Zulassung aufzuheben oder zu ändern, impliziert, dass er auch berechtigt sein muss, eine solche Zulassung gar nicht erst zu gewähren.

56.      Daher kann ein betreffender Mitgliedstaat eine Zulassung im Sinne von Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 verweigern, wenn neueste wissenschaftliche oder technische Erkenntnisse darauf hindeuten, dass die Anforderungen gemäß Artikel 29 [der genannten Verordnung  in Bezug auf das betreffende Pflanzenschutzmittel] nicht oder nicht mehr erfüllt sind“(23).

57.      Im Übrigen ergibt sich diese Auslegung aus dem Wesen des Vorsorgeprinzips, wonach es notwendig ist, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um mögliche Gefahren für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt zu vermeiden.

58.      In Art. 1 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es nämlich, dass die Bestimmungen dieser Verordnung „auf dem Vorsorgeprinzip (beruhen), mit dem sichergestellt werden soll, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht beeinträchtigen. Insbesondere ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wenn wissenschaftliche Ungewissheit besteht, ob die in ihrem Hoheitsgebiet zuzulassenden Pflanzenschutzmittel Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder die Umwelt bergen“(24).

59.      In Bezug auf das Vorsorgeprinzip hat der Gerichtshof bereits verschiedentlich festgestellt: „Eine korrekte Anwendung dieses Prinzips in dem von der Verordnung [Nr. 1107/2009] erfassten Bereich erfordert nämlich erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der Anwendung der in ihren Anwendungsbereich fallenden Wirkstoffe und Pflanzenschutzmittel auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos [oder des Risikos für die Umwelt] auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung“(25).

60.      Ich bin mit dem vorlegenden Gericht(26) der Auffassung, dass es mit dem Vorsorgeprinzip unvereinbar wäre, anzunehmen, dass der betreffende Mitgliedstaat nicht viel mehr tun dürfte, als den Schlussfolgerungen der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats systematisch zu folgen.

61.      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht bereits Gelegenheit hatte, in Bezug auf denselben Wirkstoff, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht (Sulfoxaflor), im Wesentlichen zu entscheiden, dass die Mitgliedstaaten über ein beträchtliches Ermessen verfügen, insbesondere was die komplexen technischen Bewertungen und die Festlegung von Zulassungsbedingungen anbelangt, die den Gegebenheiten in ihrem Gebiet entsprechen(27).

62.      Wie der Gerichtshof in einem jüngst ergangenen Urteil(28) bestätigt hat, „sollten, wie im 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 ausgeführt, die Bestimmungen betreffend die Zulassung ein hohes Schutzniveau gewährleisten, und bei der Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel sollte das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, ‚Vorrang haben‘ vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern“.

63.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist die Frage 1 wie folgt zu beantworten: Art. 36 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 ist dahin auszulegen, dass er es dem betreffenden Mitgliedstaat erlaubt, bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels von der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats abzuweichen, und ihm das Recht gibt, eine beantragte Zulassung zu verweigern, wenn nach dem neuesten Stand von Wissenschaft oder Technik die Anforderung, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben darf, in Bezug auf das betreffende Pflanzenschutzmittel nicht oder nicht mehr erfüllt ist.

C.      Fragen 4 und 5

64.      In Bezug auf Frage 4 ist das vorlegende Gericht unsicher, wie die Formulierung „Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien“ auszulegen ist. Nach Ansicht des Zulassungsausschusses, der sich auf Art. 77 und Art. 79 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 stützt, verpflichtet diese Formulierung den berichterstattenden Mitgliedstaat, seine Bewertung unter Berücksichtigung der von der Kommission verabschiedeten Leitlinien vorzunehmen. PAN Europe ist hingegen der Ansicht, dass es hinreiche, dass die Leitlinien veröffentlicht worden seien, ohne dass sie von der Kommission verabschiedet worden sein müssten, und dass die Leitlinien 2013 die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse enthielten, die für den vorliegenden Fall von Bedeutung seien.

65.      In Bezug auf Frage 5 möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass der berichterstattende Mitgliedstaat seine Bewertung nicht nur auf die verabschiedeten Leitlinien beschränken kann, wissen, ob es ausreicht, dass er diese Bewertung auf der Grundlage der verfügbaren Leitlinien vornimmt, oder ob er alle wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen muss, auch über die verfügbaren Leitlinien hinaus.

66.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in den Fragen 4 und 5 nicht die konkreten Artikel der Verordnung Nr. 1107/2009 nennt, für die es um eine Auslegung ersucht und die die Pflicht zur Berücksichtigung der betreffenden Leitlinien, die in diesen Fragen genannt werden, vorschreiben. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs heißt es jedoch: „Auch wenn das vorlegende Gericht seine Frage der Form nach auf die Auslegung einer bestimmten Unionsrechtsvorschrift beschränkt hat, hindert dies den Gerichtshof im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit nicht daran, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung in dem bei ihm anhängigen Verfahren von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen“(29). Dem Vorlagebeschluss ist eindeutig zu entnehmen, dass diese beiden Vorlagefragen die Auslegung von Art. 36 Abs. 1 dieser Verordnung und insbesondere der darin enthaltenen Formulierung des „neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien“ betreffen.

67.      Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof mit den Fragen 4 und 5, die zusammen zu beantworten sind, den Gerichtshof ersucht, festzustellen, ob sich der berichterstattende Mitgliedstaat nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 auf eine Bewertung beschränken kann, die sich ausschließlich auf verabschiedete Leitlinien stützt, auch wenn die darin enthaltenen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, oder ob dieser Mitgliedstaat alle auch außerhalb dieser Leitlinien verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen muss.

68.      Erstens bestimmt Art. 29 („Anforderungen für die Zulassung zum Inverkehrbringen“) Abs. 1 Buchst. e: „Unbeschadet des Artikels 50 wird ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen, wenn es entsprechend den einheitlichen Grundsätzen gemäß Absatz 6 folgende Anforderungen erfüllt: … Er erfüllt unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Artikel 4 Absatz 3“.

69.      Der Gerichtshof hat zu dieser Formulierung im Urteil Blaise (Rn. 71) klargestellt, dass „nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009 zu den Anforderungen, die an die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels gestellt werden, diejenige zählt, dass es unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik die Anforderungen gemäß Art. 4 Abs. 3 dieser Verordnung erfüllt“.

70.      Wie das vorlegende Gericht ausführt, spricht auch das Vorsorgeprinzip für die Berücksichtigung aller verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse, da dieses Prinzip eine Gesamtbeurteilung auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung verlangt(30).

71.      Was zweitens die „einheitlichen Grundsätze“ betrifft, so sind diese in der Verordnung (EU) Nr. 546/2011(31) festgelegt, mit der die Verordnung Nr. 1107/2009 durchgeführt wird. Im Anhang („Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gemäß Artikel 29 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1107/2009“) der vorgenannten Verordnung heißt es in Teil I („Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung chemischer Pflanzenschutzmittel“), Teil A („Einleitung“), Nr. 2: „Bei der Prüfung von Anträgen und der Erteilung von Zulassungen gehen die Mitgliedstaaten folgendermaßen vor: … c) sie berücksichtigen andere relevante technische oder wissenschaftliche Informationen, über die sie nach vernünftigem Ermessen verfügen können und die sich auf die Leistungsfähigkeit des Pflanzenschutzmittels, seine möglichen schädlichen Auswirkungen, seine Bestandteile oder seine Rückstände beziehen“ (Hervorhebung nur hier). Darüber hinaus heißt es in Teil B von Teil I des genannten Anhangs („Bewertung“) unter Ziff. 1.1 („Allgemeine Grundsätze“): „Die Mitgliedstaaten bewerten die in Teil A Ziffer 2 genannten Angaben nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse…“ (Hervorhebung nur hier).

72.      Ich möchte auch auf die Verpflichtung des Antragstellers nach Art. 33 der Verordnung Nr. 1107/2009 hinweisen, Informationen, Nachweise und Unterlagen vorzulegen, die seinem Antrag auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels zugrunde liegen (einschließlich aller Informationen über potenziell schädliche Auswirkungen des Mittels auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt, sowie bekannte und erwartete kumulative und synergistische Effekte, die sich aus einer solchen Wechselwirkung ergeben)(32) und die Möglichkeit für den berichterstattenden Mitgliedstaat, gemäß Art. 37 der genannten Verordnung während der Prüfung des Antrags, die sich nicht auf eine Prüfung der vom Antragsteller vorgelegten Informationen und Nachweise beschränkt, zusätzliche Informationen anzufordern.

73.      Wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, ist diese Bestimmung angesichts der Formulierung in Art. 36 Abs. 1 dieser Verordnung, wonach „(d)er Mitgliedstaat … eine … Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien (vornimmt)“ (Hervorhebung nur hier), dahin auszulegen, dass neben den verfügbaren Leitlinien (d. h. sowohl den verabschiedeten als auch den veröffentlichten, aber noch nicht verabschiedeten Leitlinien) auch andere neuere Informationen bei der Entscheidung über die Zulassung berücksichtigt werden müssen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Art. 36 Abs. 1 nicht nur auf die Verwendung von Leitlinien, sondern auch auf die Berücksichtigung des „neuesten Stands von Wissenschaft und Technik“ abstellt. Art. 44 („Aufhebung oder Änderung einer Zulassung“) Abs. 3 bezieht sich ebenfalls auf die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse.

74.      Dabei ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass die Leitlinien genau das sind, was ihr Name besagt: Sie sollen anleiten, werden aber von der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht als conditio sine qua non vorgeschrieben. Sie sind kein zwingendes Recht, sondern sollen den Mitgliedstaaten helfen, die geltenden Vorschriften und Grundsätze (z. B. im Zusammenhang mit der Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln) konsequent, einheitlich und transparent anzuwenden. Dies wird durch Art. 77 der Verordnung bestätigt, in dem ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Kommission solche Leitlinien verabschieden „kann“. Daraus folgt, dass diese Verordnung die Mitgliedstaaten, wenn es keine Leitlinien gibt oder die vorhandenen Leitlinien veraltet sind (d. h. nicht mehr dem „neuesten Stand von Wissenschaft und Technik“ entsprechen), verpflichtet, auf der Grundlage anderer verfügbarer Quellen, die die neuesten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse enthalten, die Bewertung vorzunehmen und die Zulassungsentscheidungen zu treffen.

75.      Die Zweifel des vorlegenden Gerichts mögen außerdem zum Teil darauf beruhen, dass die niederländische Sprachfassung von Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 im Vergleich zu anderen Sprachfassungen fehlerhaft oder jedenfalls ungenau zu sein scheint. In der Tat heißt es „van de stand van de wetenschappelijke en technische kennis“ („des Stands der wissenschaftlichen und technischen Kenntnis“), wobei das Wort „current“ („aktuellen bzw. neuesten“) weggelassen wird, während es beispielsweise in der französischen, italienischen, deutschen und englischen Fassung jeweils „à la lumière des connaissances scientifiques et techniques actuelles“ („aktuellen“), „conoscenze scientifiche e techniche attuali“ („aktuellen“), „des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik“ und „current scientific and technical knowledge“ („aktuellen“) heißt.

76.      Daher bin ich der Ansicht, dass es zwar richtig ist, dass „verfügbare“ Leitlinien (siehe Nr. 73 der vorliegenden Schlussanträge) einen Orientierungspunkt für den Stand von Wissenschaft und Technik darstellen, den die Mitgliedstaaten bei der Bewertung des Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels berücksichtigen sollten, dass aber weder der berichterstattende Mitgliedstaat, der die Risikobewertung vornimmt, noch die betreffenden Mitgliedstaaten, die den Zulassungsantrag prüfen, bei der Bewertung des „neuesten Stands von Wissenschaft und Technik“, insbesondere auf der Grundlage von Art. 36 Abs. 1 und 2 und Art. 29 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1107/2009, auf diese Informationsquelle beschränkt sind(33).

77.      Daraus folgt, dass alle Informationen, die als neueste und relevante „wissenschaftliche und technische Erkenntnisse“ anzusehen sind, berücksichtigt werden müssen.

78.      Dieser Ansatz wird durch die Ziele der Verordnung Nr. 1107/2009 bestätigt. Der Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil in der Rechtssache Pesticide Action Network Europe auf diese Ziele hingewiesen(34).

79.      Er hat in diesem Urteil festgestellt, dass „(das) Ziel der Verordnung Nr. 1107/2009 … gemäß Art. 1 Abs. 3 und 4 der Verordnung u. a. darin besteht, ein hohes Niveau des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten, was auch im achten Erwägungsgrund der Verordnung zum Ausdruck kommt“ (Rn. 46).

80.      Insoweit hat er darauf hingewiesen, dass „diese Bestimmungen auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, das eine der Grundlagen der Politik eines hohen Schutzniveaus ist, die die Union gemäß Art. 191 Abs. 2 Unterabs. 1 AEUV im Bereich der Umwelt verfolgt, um zu verhindern, dass in Verkehr gebrachte Wirkstoffe oder Produkte die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt beeinträchtigen“ (Rn. 47).

81.      Zudem hat er darauf hingewiesen, dass „wie im 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 ausgeführt, die Bestimmungen betreffend die Zulassung ein hohes Schutzniveau gewährleisten [sollten], und bei der Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel … das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, „Vorrang haben“ [sollte] vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern“ (Rn. 48).

82.      Dementsprechend hat der Gerichtshof festgestellt: „Daher sollte, wie in diesem Erwägungsgrund ausgeführt, bevor ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird, nicht nur nachgewiesen werden, dass es einen offensichtlichen Vorteil für die Pflanzenproduktion bringt, sondern auch, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren hat.“ (Rn. 49).

83.      Das vorgenannte Ziel kann nur erreicht werden, wenn der berichterstattende Mitgliedstaat bei seiner Bewertung und der betreffende Mitgliedstaat bei seiner Entscheidung über die Gewährung oder Verweigerung einer Zulassung für das Pflanzenschutzmittel den aktuellen (d. h. neuesten) Stand von Wissenschaft und Technik berücksichtigen. Nur so kann ein Mitgliedstaat den Nachweis dafür erbringen, dass das betreffende Pflanzenschutzmittel nach seinem besten Wissen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt hat.

84.      Wie das vorlegende Gericht ausführt, entspricht eine solche Auslegung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.

85.      Im Urteil Bayer CropScience und Bayer/Kommission(35) hat der Gerichtshof festgestellt, „dass der Schluss, dass die Genehmigungskriterien des Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht mehr erfüllt sind, im Rahmen der Überprüfung der Genehmigung eines Wirkstoffs auf jegliche neue Kenntnisse gestützt werden kann, solange diese wissenschaftlicher oder technischer Natur sind, unabhängig davon, aus welcher Quelle oder aus welchem Dokument sie stammen“ (Hervorhebung nur hier).

86.      Wie Irland zutreffend ausgeführt hat, ist der Umstand, dass es in der betreffenden Rechtssache um die Neubewertung der Zulassung eines Wirkstoffs gegangen ist, nicht entscheidend. Tatsächlich gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass diese Schlussfolgerung nicht auch für die Beurteilung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels zu gelten hat, da eine gegenteilige Auslegung mit dem Vorsorgeprinzip, das der Verordnung Nr. 1107/2009 zugrunde liegt, nicht vereinbar wäre.

87.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Fragen 4 und 5 dahin zu beantworten sind, dass ein Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 alle einschlägigen und zuverlässigen aktuellen (d. h. neuesten) wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen sollte, unabhängig davon, aus welcher Quelle oder aus welchem Dokument sie stammen.

V.      Ergebnis

88.      Ich schlage dem Gerichtshof vor, die erste, die vierte und die fünfte Vorlagefrage des College van Beroep voor het bedrijfsleven (Oberster Verwaltungsgerichtshof für Handel und Industrie) wie folgt zu beantworten:

Frage 1:

Art. 36 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates

ist dahin auszulegen, dass er dem betreffenden Mitgliedstaat erlaubt, bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels von der Bewertung des berichterstattenden Mitgliedstaats der Zone abzuweichen und ihm das Recht gibt, eine beantragte Zulassung in einer Situation zu verweigern, wenn nach dem neuesten Stand von Wissenschaft oder Technik die Anforderung, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt geben darf, in Bezug auf das betreffende Pflanzenschutzmittel nicht oder nicht mehr erfüllt ist.

Fragen 4 und 5:

Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009

ist wie folgt auszulegen: Bei der Prüfung eines Antrags auf Zulassung eines Pflanzenschutzmittels nach dieser Bestimmung sollte ein Mitgliedstaat alle einschlägigen und zuverlässigen aktuellen (d. h. neuesten) wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse berücksichtigen, unabhängig davon, aus welcher Quelle oder aus welchem Dokument sie stammen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG (ABl. 2009, L 309, S. 1).


3      EUA-Briefing „How pesticides impact human health and ecosystems in Europe“, 26. April 2023.


4      Europäisches Parlament, Bericht über das Zulassungsverfahren der EU für Pestizide, (2018/2153 [INI]), 18. Dezember 2018, S.16.


5      Durchführungsverordnung der Kommission vom 27. Juli 2015 zur Genehmigung des Wirkstoffs Sulfoxaflor gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sowie zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2015, L 199, S. 8).


6      Guidance Document on Terrestrial Ecotoxicology, SANCO/10329/2002 rev. 2, 17. Oktober 2002 (im Folgenden: Leitlinien 2002).


7      EFSA Guidance Document on the risk assessment of plant protection products on bees, (Apis mellifera, Bombus spp. and solitary bees) EFSA Journal 2013; 11(7):3295, veröffentlicht am 4. Juli 2013 (im Folgenden: Leitlinien 2013). Tatsächlich hat die EFSA inzwischen (am 11. Mai 2023) neue „Überarbeitete Leitlinien zur Risikobewertung von Pflanzenschutzmitteln für Bienen (Apis mellifera, Bombus spp. und Solitärbienen)“ veröffentlicht. EFSA Journal.


8      Vgl. https://www.reuters.com/article/us-france-pesticides-idUSKBN1DO1M9.


9      Art. 35 der Verordnung Nr. 1107/2009. Vgl. Erläuterung des Verfahrens im Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig (Neunte Kammer) vom 12. April 2018, 9 A 44/16 (Rn. 66 ff.) (im Folgenden: Urteil des VG Braunschweig), das im Wesentlichen die Gründe betraf, aus denen ein betreffender Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels nach Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 verweigern darf.


10      Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009.


11      In Art. 29 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 heißt es: „Einheitliche Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln enthalten die Anforderungen des Anhangs VI der Richtlinie 91/414/EWG und werden in Verordnungen festgelegt, die nach dem in Artikel 79 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren ohne wesentliche Änderungen erlassen werden.“. Siehe Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge.


12      Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009.


13      Art. 35 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009.


14      Art. 36 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009.


15      Art. 37 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009.


16      So auch die in der nationalen Rechtsprechung vertretene Auffassung. Vgl. Urteil des VG Braunschweig (Rn. 74).


17      Bei der Auslegung von Bestimmungen ist nämlich nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden (Urteil vom 2. März 2023, Staatsanwaltschaft Graz [Finanzamt für Steuerstrafsachen Düsseldorf], C‑16/22, EU:C:2023:148, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Art. 44 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1107/2009.


19      Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 99, im Folgenden: Urteil Blaise).


20      Art. 44 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009.


21      Das gleiche Argument wird in der nationalen Rechtsprechung verwendet. Vgl. Urteil des Tribunal administratif (Verwaltungsgericht, Luxemburg), Nr. 44377, in der Rechtssache Glyphosat, S. 37 (in der Berufung bestätigt durch das Urteil der Cour administrative [Verwaltungsgerichtshof, Luxemburg], Nr. 47873C, 30. März 2023).


22      Siehe Nr. 2 der vorliegenden Schlussanträge.


23      Angeführter Ausdruck aus Art. 44 Abs. 3 der genannten Verordnung. Hervorhebung nur hier.


24      Vgl. auch Urteil Blaise (Rn. 44).


25      Hervorhebung nur hier. Vgl. Urteil Blaise (Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços (C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 75).


26      Vgl. Nrn. 11.3 bis 13 des Vorlagebeschlusses in der Originalsprache.


27      Beschluss vom 28. September 2016, PAN Europe u. a./Kommission (T‑600/15, EU:T:2016:601, Rn. 33) (kein Rechtsmittel zum Gerichtshof eingelegt).


28      Urteil vom 19. Januar 2023, Pesticide Action Network Europe (C‑162/21, EU:C:2023:30, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29      Urteil vom 1. August 2022, TL (Fehlen eines Dolmetschers und einer Übersetzung) (C‑242/22 PPU, EU:C:2022:611, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Vgl. Urteil Blaise (Rn. 46 und 94).


31      Verordnung der Kommission vom 10. Juni 2011 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich einheitlicher Grundsätze für die Bewertung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 2011, L 155, S. 127). Die Verordnung Nr. 546/2011 wurde im Jahr 2022 geändert, aber die Änderungen erscheinen für den vorliegenden Fall weder einschlägig noch entscheidend.


32      Vgl. hierzu Urteil Blaise  (Rn. 73, 74 und 78 bis 88).


33      Siehe Verordnung Nr. 546/2011, wie in Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.


34      Urteil vom 19. Januar 2023 (C‑162/21, EU:C:2023:30, Rn. 46 bis 49).


35      Urteil vom 6. Mai 2021 (C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 69).