Language of document : ECLI:EU:T:2016:113

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

29. Februar 2016(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Aufschläge und Rechnungsstellungsmechanismen, die sich auf den Endpreis auswirken – Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten – Beurteilungsfehler – Dauer der Zuwiderhandlung – Höhe der Geldbuße – Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen von 2006 – Umsatz – Mildernde Umstände – Verhältnismäßigkeit – Verteidigungsrechte“

In der Rechtssache T‑254/12

Kühne + Nagel International AG mit Sitz in Feusisberg (Schweiz),

Kühne + Nagel Management AG mit Sitz in Feusisberg,

Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Uxbridge (Vereinigtes Königreich),

Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Shanghai (China),

Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Hongkong (China),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte U. Denzel, C. Klöppner und C. von Köckritz,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch C. Hödlmayr, N. von Lingen und G. Meessen, dann durch C. Hödlmayr, G. Meessen und A. Dawes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung des Beschlusses C(2012) 1959 final der Kommission vom 28. März 2012 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39462 – Speditionsdienste), soweit er die Klägerinnen betrifft, und, hilfsweise, Abänderung der darin gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen,

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie der Richter O. Czúcz (Berichterstatter) und A. Popescu,

Kanzler: C. Heeren, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2014

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

1        Mit dem Beschluss C(2012) 1959 final vom 28. März 2012 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39462 – Speditionsdienste) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) stellte die Europäische Kommission fest, dass im Sektor der Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr tätige Unternehmen, darunter die Klägerinnen, die Kühne + Nagel International AG (im Folgenden: KN International), die Kühne + Nagel Management AG (im Folgenden: KN Management), die Kühne + Nagel Ltd (Vereinigtes Königreich) (im Folgenden: KN UK), die Kühne + Nagel Ltd (Shanghai) (im Folgenden: KN Shanghai) und die Kühne + Nagel Ltd (Hongkong) (im Folgenden: KN Hongkong), zwischen 2002 und 2007 an verschiedenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor der Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr beteiligt gewesen seien, die zu vier gesonderten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) geführt hätten.

2        Wie in den Erwägungsgründen 33 bis 36 des angefochtenen Beschlusses beschrieben, ist die börsennotierte schweizerische Holding KN International die Konzern-Muttergesellschaft einer Gruppe von Gesellschaften (im Folgenden: KN-Gruppe), die weltweit Speditions- und Logistikdienste erbringen. Größter Anteilseigner der KN-Gruppe ist die Kühne Holding AG, die sich zu 100 % im Besitz von K. Kühne befindet. Die übrigen Aktien von KN International befinden sich im Streubesitz bzw. sind eigene Anteile. Die KN-Gruppe (einschließlich ihrer operativen Tochtergesellschaften KN UK, KN Shanghai und KN Hongkong) unterhält Niederlassungen und Vertretungen in mehr als 100 Ländern. Ihre größten Geschäftsbereiche sind Logistikdienste im See- und Luftfrachtverkehr, Auftragslogistik und Logistikdienste im Schienen- und Straßenverkehr. Außerdem ist sie im Versicherungswesen und im Immobiliensektor tätig. Die Mitarbeiter der KN-Gruppe sind Beschäftigte von KN Management, die für die KN-Gruppe Managementdienste im finanziellen, rechtlichen und operativen Bereich sowie im Immobiliensektor erbringt.

3        Die vorliegende Rechtssache betrifft die vier oben in Rn. 1 erwähnten gesonderten Zuwiderhandlungen: das Kartell in Bezug auf das „New Export System“ (neues Ausfuhrsystem, im Folgenden: NES), das Kartell in Bezug auf den „Currency Adjustment Factor“ (Währungsausgleichsfaktor, im Folgenden: CAF), das Kartell in Bezug auf das „Advanced Manifest System“ (System der Vorabunterrichtung, im Folgenden: AMS) und das Kartell in Bezug auf die „Peak Season Surcharge“ (Hauptsaisonaufschlag, im Folgenden: PSS).

4        Die in Rn. 3 genannten Kartelle betreffen den Markt für Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr. Nach der Beschreibung des Sektors durch die Kommission in den Erwägungsgründen 3 bis 71 des angefochtenen Beschlusses können Speditionsdienste für Güter definiert werden als Organisation des Transports von Gütern – was auch Tätigkeiten wie Zollabfertigung, Lagerung oder Bodendienstleistungen einschließen kann – im Auftrag und entsprechend den Anforderungen der Kunden. In der Speditionsbranche ist zwischen nationalen und internationalen Speditionsdiensten sowie zwischen Speditionsdiensten im Luft-, Land- und Seeverkehr zu unterscheiden (dritter Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

5        Die Feststellungen der Kommission zum NES-, zum AMS-, zum CAF‑ und zum PSS-Kartell lassen sich wie folgt zusammenfassen:

–        Das in den Erwägungsgründen 92 bis 114 des angefochtenen Beschlusses beschriebene NES-Kartell betrifft ein System der vorgezogenen Zollabfertigung von Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich in Länder außerhalb des EWR, das 2002 von den Behörden des Vereinigten Königreichs eingeführt wurde. Bei einem Treffen vereinbarte eine Gruppe von Spediteuren die Einführung eines Aufschlags für NES-Erklärungen und verständigte sich auf die Höhe und die zeitliche Gestaltung der Anwendung des Aufschlags. Im Anschluss an das Treffen tauschten die Kartellteilnehmer mehrere E-Mails aus, um die Umsetzung der Vereinbarung auf dem Markt zu überwachen. Die wettbewerbswidrigen Kontakte dauerten vom 1. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003.

–        Das in den Erwägungsgründen 131 bis 163 des angefochtenen Beschlusses beschriebene AMS-Kartell betrifft einen AMS-Aufschlag, dessen Einführung durch die Spediteure bei ihren Kunden und dessen Anwendung seit Anfang 2003 koordiniert wurden, im Anschluss an tiefgreifende Änderungen des AMS, die das US Bureau of Customs and Border Protection (Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika) nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 vorgenommen hatte. Mehrere internationale Spediteure vereinbarten die Festsetzung eines Aufschlags, der zumindest die mit dem AMS verbundenen Kosten decken sollte. Diese Vereinbarung hatte zumindest vom 19. März 2003 bis zum 19. August 2004 Bestand. Die Verhandlungen zwischen den am Kartell beteiligten Unternehmen und die Kontrolle der Umsetzung des Kartells erfolgten vor allem im Rahmen des Verbands Freight Forward International (vor dem 1. Januar 2004: Freight Forward Europe, im Folgenden: FFI).

–        Das in den Erwägungsgründen 213 bis 263 des angefochtenen Beschlusses beschriebene CAF‑Kartell zielte darauf ab, ein Übereinkommen über eine gemeinsame Preisstrategie zu finden, um dem Risiko einer Verringerung der Gewinne zu begegnen, das aus der Aufwertung der chinesischen Währung, des Renminbi Yuan (RMB), gegenüber dem Dollar der Vereinigten Staaten (USD) resultierte, die ihrerseits auf der Entscheidung der People’s Bank of China im Jahr 2005 beruhte, den Renminbi Yuan nicht länger an den Dollar der Vereinigten Staaten zu binden. Mehrere internationale Spediteure beschlossen, sämtliche Verträge mit ihren Kunden auf RMB umzustellen und, falls dies nicht möglich sein sollte, einen Aufschlag (CAF) einzuführen und seine Höhe festzulegen. Die Treffen fanden zwischen dem 27. Juli 2005 und dem 13. März 2006 in China statt.

–        Das in den Erwägungsgründen 300 bis 342 des angefochtenen Beschlusses beschriebene PSS-Kartell betraf eine Abstimmung mehrerer internationaler Spediteure zwischen August 2005 und Mai 2007 über die Anwendung eines Koeffizienten zur vorübergehenden Tarifanpassung. Dieser Koeffizient wurde festgesetzt, weil im Sektor der Speditionsdienste im Luftverkehr während bestimmter Zeiträume die Nachfrage anstieg, was zu einer Verknappung der Transportkapazitäten und einer Erhöhung der Transportkosten führte, etwa während der Weihnachtszeit. Er diente zur Wahrung der Margen der Spediteure.

6        Dem 72. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge leitete die Kommission ihre Untersuchung aufgrund eines gemäß ihrer Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2006, C 298, S. 17, im Folgenden: Kronzeugenregelung von 2006) gestellten Erlassantrags der Deutsche Post AG und weiterer Gesellschaften desselben Konzerns (im Folgenden: DP-Konzern) ein. Der DP-Konzern vervollständigte seinen Erlassantrag durch mündliche Erklärungen und schriftliche Beweise.

7        Vom 10. bis 12. Oktober 2007 führte die Kommission unangekündigte Nachprüfungen durch.

8        Am 5. Februar 2010 stellte sie den Klägerinnen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zu, auf die diese reagierten (Erwägungsgründe 87 und 89 des angefochtenen Beschlusses).

9        Vom 6. bis 9. Juli 2010 führte die Kommission eine mündliche Anhörung durch, an der die Klägerinnen teilnahmen (89. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

10      Im angefochtenen Beschluss vertrat die Kommission in Anbetracht der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Klägerinnen an den Zuwiderhandlungen hinsichtlich des NES, des AMS, des CAF und der PSS beteiligt gewesen seien.

11      In Art. 1 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass KN UK und KN International in Bezug auf das NES-Kartell gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich vom 1. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003 an einer einzigen, fortdauernden Zuwiderhandlung im Bereich der Speditionsdienste im Luftverkehr beteiligt hätten, die den gesamten EWR betroffen und in der Festsetzung von Preisen oder der Festlegung anderer Handelsbedingungen bestanden habe. Wegen dieser Zuwiderhandlung wurde gegen KN UK und KN International in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 5 320 000 Euro verhängt.

12      In Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass KN Management und KN International in Bezug auf das AMS-Kartell gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich vom 8. April 2003 bis zum 19. August 2004 an einer einzigen, fortdauernden Zuwiderhandlung im Bereich der Speditionsdienste im Luftverkehr beteiligt hätten, die den gesamten EWR betroffen und in der Festsetzung von Preisen oder der Festlegung anderer Handelsbedingungen bestanden habe. Wegen dieser Zuwiderhandlung wurde gegen KN Management und KN International in Art. 2 Abs. 2 Buchst. e des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 36 686 000 Euro verhängt.

13      In Art. 1 Abs. 3 Buchst. g des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass KN Shanghai und KN International in Bezug auf das CAF‑Kartell gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich vom 27. Juli 2005 bis zum 13. März 2006 an einer einzigen, fortdauernden Zuwiderhandlung im Bereich der Speditionsdienste im Luftverkehr beteiligt hätten, die den gesamten EWR betroffen und in der Festsetzung von Preisen oder der Festlegung anderer Handelsbedingungen bestanden habe. Wegen dieser Zuwiderhandlung wurde gegen KN Shanghai und KN International in Art. 2 Abs. 3 Buchst. g des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 451 000 Euro verhängt.

14      In Art. 1 Abs. 4 Buchst. f des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission fest, dass KN Hongkong und KN International in Bezug auf das PSS-Kartell gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich vom 9. August 2005 bis zum 21. Mai 2007 an einer einzigen, fortdauernden Zuwiderhandlung im Bereich der Speditionsdienste im Luftverkehr beteiligt hätten, die den gesamten EWR betroffen und in der Festsetzung von Preisen oder der Festlegung anderer Handelsbedingungen bestanden habe. Wegen dieser Zuwiderhandlung wurde gegen KN Hongkong und KN International in Art. 2 Abs. 4 Buchst. f des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch eine Geldbuße in Höhe von 11 217 000 Euro verhängt.

15      Aus dem 856. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Geldbußen auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2, im Folgenden: Leitlinien von 2006) festgesetzt wurden.

 Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien

16      Mit Klageschrift, die am 11. Juni 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

17      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Neunte Kammer) das mündliche Verfahren eröffnet und am 24. September 2014 im Wege prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 die Klägerinnen zur Beantwortung von Fragen und die Kommission zur Vorlage eines Schriftstücks aufgefordert. Die Klägerinnen haben die Fragen fristgerecht beantwortet. Hingegen ist die Kommission der Aufforderung zur Vorlage des Schriftstücks nicht nachgekommen.

18      In ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen haben die Klägerinnen die Vernehmung eines Zeugen beantragt. Die Kommission ist aufgefordert worden, zu diesem Antrag und zu bestimmten Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen Stellung zu nehmen. Sie ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

19      Mit Beschluss vom 14. Oktober 2014, der gemäß Art. 24 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 65 Buchst. b und Art. 66 Abs. 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 ergangen ist, hat das Gericht (Neunte Kammer) der Kommission aufgegeben, eine von einem der betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren abgegebene Erklärung vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. Das Schriftstück konnte von den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vor der mündlichen Verhandlung bei der Kanzlei des Gerichts eingesehen werden.

20      In der Sitzung, die am 5. November 2014 stattgefunden hat, haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

21      Die Klägerinnen beantragen im Wesentlichen,

–        die Art. 1, 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen;

–        hilfsweise, die mit Art. 2 des angefochtenen Beschlusses gegen sie verhängten Geldbußen herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

23      Der Antrag auf Nichtigerklärung wird auf vier Gruppen von Klagegründen gestützt, die sich auf die vier den Klägerinnen im angefochtenen Beschluss zur Last gelegten Zuwiderhandlungen beziehen. Die erste Gruppe von Klagegründen bezieht sich auf das NES-Kartell. Die Klägerinnen machen geltend, die Vereinbarung über das NES sei nicht geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (erster Klagegrund), die Kommission sei nicht befugt gewesen, im Bereich des Luftverkehrs Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV zu ahnden (zweiter Klagegrund, der insbesondere die von der Kommission vorgenommene Auslegung von Art. 1 der Verordnung Nr. 141 des Rates vom 26. November 1962 über die Nichtanwendung der Verordnung Nr. 17 des Rates auf den Verkehr [ABl. 1962, 124, S. 2751] betrifft), die Dauer der Zuwiderhandlung sei rechtsfehlerhaft falsch bewertet worden (dritter Klagegrund), die gegen sie verhängte Geldbuße sei wegen Beurteilungsfehlern – fehlerhafte Bestimmung des tatbezogenen Umsatzes, keine ausreichende Berücksichtigung mildernder Faktoren – rechtswidrig (vierter Klagegrund), die Höhe der verhängten Geldbuße sei unverhältnismäßig (fünfter Klagegrund), und ihre Verteidigungsrechte seien verletzt worden, insbesondere hinsichtlich ihres Zugangs zur Ermittlungsakte in der Sache COMP/39.258 – Luftfracht (im Folgenden: Luftfracht-Sache) (sechster Klagegrund).

24      Die zweite Gruppe von Klagegründen betrifft das AMS-Kartell. Die Klägerinnen machen geltend, der Handel zwischen Mitgliedstaaten sei nicht beeinträchtigt worden (siebter Klagegrund), die Kommission sei nicht befugt gewesen, im Bereich des Luftverkehrs Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV zu ahnden (achter Klagegrund), die Dauer der Zuwiderhandlung sei rechtsfehlerhaft falsch berechnet worden (neunter Klagegrund), der Kommission seien bei der Berechnung der Geldbuße Beurteilungsfehler unterlaufen (zehnter Klagegrund), die Höhe der Geldbuße sei unverhältnismäßig (elfter Klagegrund), und ihre Verteidigungsrechte seien verletzt worden (zwölfter Klagegrund).

25      Die dritte Gruppe von Klagegründen betrifft das CAF‑Kartell. Die Klägerinnen machen geltend, die verhängte Geldbuße sei wegen eines Beurteilungsfehlers rechtswidrig (dreizehnter Klagegrund), die Höhe der Geldbuße sei unverhältnismäßig (vierzehnter Klagegrund), und ihre Verteidigungsrechte seien verletzt worden (fünfzehnter Klagegrund).

26      Die vierte Gruppe von Klagegründen betrifft das PSS-Kartell. Die Klägerinnen machen geltend, die verhängte Geldbuße sei wegen eines Beurteilungsfehlers rechtswidrig (sechzehnter Klagegrund), die Höhe der Geldbuße sei unverhältnismäßig (siebzehnter Klagegrund), und ihre Verteidigungsrechte seien verletzt worden (achtzehnter Klagegrund).

27      Mehrere dieser Klagegründe betreffen dieselben oder ähnliche Fragestellungen. Das Gericht erachtet es daher für zweckmäßig, sie zusammen zu prüfen.

28      Entsprechend sind als Erstes die Klagegründe zu prüfen, die die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten betreffen (NES- und AMS-Kartell), als Zweites die Klagegründe, die die Befugnis der Kommission zur Ahndung des NES- und des AMS-Kartells betreffen, als Drittes die Klagegründe, die die Feststellung der Dauer der Zuwiderhandlungen bei den Klägerinnen betreffen (NES- und AMS-Kartell), als Viertes gemeinsam die Beurteilungsfehler bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen und die behauptete Unverhältnismäßigkeit ihrer Höhe (NES-, AMS-, CAF‑ und PSS-Kartell), und schließlich als Fünftes die Klagegründe, die eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen betreffen (NES-, AMS-, CAF‑ und PSS-Kartell).

29      Die Klägerinnen beantragen ferner, dass das Gericht von seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung Gebrauch macht.

30      Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen der Kommission wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten gemäß Art. 261 AEUV durch Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) eingeräumt ist.

31      Sie ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße bzw. das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Wenn die Erwägungen, auf die die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der verhängten Geldbuße bzw. des verhängten Zwangsgeldes abgestellt hat, rechtswidrig sind, aber der Endbetrag der Geldbuße bzw. des Zwangsgeldes als angemessen anzusehen ist, ermächtigt die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Gerichte, die Höhe der Geldbuße unverändert zu lassen.

32      Es ist somit Sache des Gerichts, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zum Zeitpunkt des Erlasses seiner Entscheidung zu beurteilen, ob die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße der Schwere und der Dauer der in Rede stehenden Zuwiderhandlung angemessen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Slg, EU:T:2012:478, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entspricht jedoch nicht einer Prüfung von Amts wegen, denn das Verfahren vor den Unionsgerichten ist ein streitiges Verfahren (Urteil vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, Slg, EU:C:2011:816, Rn. 131).

34      Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst bestimmte Rügen der Klägerinnen zu prüfen, die sich im Wesentlichen gegen die Beschreibung des Sektors und die Analyse der vom Kartell erfassten Dienstleistungen durch die Kommission richten. Wie die Klägerinnen in der Einleitung der Klageschrift geltend machen, handelt es sich dabei nämlich um Querschnittsfragen, die mehrere Klagegründe betreffen.

 Zur Vorfrage der Beschreibung des Sektors und der Dienstleistungen, auf die sich die Kartelle bezogen

35      In der Einleitung der Klageschrift und im Rahmen der Klagegründe, und zwar implizit bei den die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und die Anwendung von Art. 1 der Verordnung Nr. 141 betreffenden Klagegründen sowie explizit bei den die Ermittlung des Umsatzes betreffenden Klagegründen, wenden sich die Klägerinnen gegen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beschreibung des Sektors, aus der sie gefolgert hat, dass sich die Kartelle nicht auf Einzeldienstleistungen, sondern auf die Speditionsdienste als Dienstleistungspaket bezogen hätten.

36      Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 3 bis 6, 64 bis 66, 614, 621, 867 bis 872 und 877 bis 879 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass die Spediteure wirtschaftlich betrachtet Beförderungsleistungen und weitere Inputs in Speditionsdienste umwandelten, für die es seitens ihrer Kunden eine spezifische Nachfrage gebe. Diese werde durch die Einzeldienstleistungen, aus denen sich die Speditionsdienste zusammensetzten, nicht befriedigt. Die Spediteure böten ihren Kunden ein Dienstleistungspaket an, so dass sie Güter bequem versenden könnten, ohne sich um die Einzelheiten der Organisation der Beförderung kümmern zu müssen. Die Speditionsdienste umfassten Dienstleistungen der Luftbeförderung, unter Umständen aber auch der Lagerung, der Verladung, der Logistik oder der Beförderung auf dem Landweg sowie Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verzollung und Versteuerung. Müssten die Absender die Einzeldienste, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass das betreffende Gut am Bestimmungsort ankomme, selbst anfragen, müssten sie die verschiedenen Vorgänge auf eigenes Risiko koordinieren und könnten nicht von den Skalenvorteilen profitieren, die die Spediteure durch die Konsolidierung der Güter ihrer verschiedenen Kunden erzielen könnten. Die Spediteure hingegen finanzierten die für die Erbringung der Speditionsdienste erforderlichen Dienstleistungen vor oder kauften sie vorab auf Großhandelsebene ein und seien, indem sie die Waren ihrer Kunden durch Konsolidierung in gewichts- und abmessungsoptimierte Ladungen umgruppierten, in der Lage, diese Kapazitäten effizienter zu nutzen, als es einer ihrer Kunden hätte tun können, wenn er versucht hätte, Luftbeförderungsleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen unmittelbar bei einem Luftverkehrs-, Umschlags- oder Lagerunternehmen zu erwerben. Für die Kunden der Spediteure hätten die Speditionsdienste also einen höheren Wert als die einzelnen Inputs.

37      Überdies hat die Kommission in den Rn. 129, 130, 209 bis 212, 572, 621, 645, 868, 869 und 872 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Gegenstand des NES-, des AMS-, des CAF‑ und des PSS-Kartells die Speditionsdienste gewesen seien, auch wenn sich die Spediteure lediglich über die entsprechenden Aufschläge geeinigt hätten. Erstens seien die Aufschläge Bestandteil des Gesamtpreises gewesen, den die Kunden für die Speditionsdienste hätten entrichten müssen. Zweitens seien die am NES- und am AMS-Kartell beteiligten Spediteure keine bloßen Erbringer von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der NES- oder AMS-Erklärung gewesen, hätten Drittunternehmen, die solche Einzeldienstleistungen im Zusammenhang mit der NES- oder AMS-Erklärung angeboten hätten, nicht als tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber angesehen und hätten nicht versucht, solche Lieferanten in das NES- und das AMS-Kartell einzubeziehen. Drittens ergebe sich aus den Beweisen, über die sie verfüge, dass die Entscheidung eines Spediteurs, Risiko- und Kostenfaktoren nicht durch einen Aufschlag auf die Kunden abzuwälzen, geeignet gewesen sei, ihm einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt der Speditionsdienste als Leistungspakete zu verschaffen. Da der Markt der Speditionsdienste durch niedrige Margen gekennzeichnet sei, könne eine geringe Preiserhöhung oder die Erhebung eines Aufschlags, eine entscheidende Rolle bei der Frage spielen, ob die Spediteure ihre Kunden verlören, ihre Kundenbasis behielten oder auf Kosten ihrer Wettbewerber neue Geschäftschancen erwürben.

38      Die Klägerinnen halten diese Analyse für unzutreffend.

39      Sie machen erstens geltend, die Spediteure hätten sich ausschließlich über Aufschläge abgestimmt, mit denen sie sich Dienstleistungen hätten vergüten lassen, die sie dem Kunden neben der in der Güterbeförderung bestehenden Hauptdienstleistung angeboten hätten. Diese Aufschläge seien von der Hauptdienstleistung getrennt und unabhängig. Sie würden intern eigens kalkuliert, extern gesondert ausgewiesen und über eigene Rechnungsposten abgerechnet. Mit der Beförderungsleistung stünden die Abstimmungen über die Höhe der Aufschläge weder in unmittelbarem noch in mittelbarem Zusammenhang. Überdies seien die mit Aufschlägen erwirtschafteten Umsätze gering.

40      Zur Ausweisung in Rechnungen machen die Klägerinnen ferner geltend, die Aufschläge bildeten eigene Rechnungsposten, die von der Hauptleistung der Spediteure, der Vermittlung der Beförderungsleistung, zu unterscheiden seien und mit denen im Vergleich zur eigentlichen Beförderungsleistung eigenständige und zusätzliche Dienstleistungen abgerechnet würden. Die Aufschläge (PSS) und Gebühren (NES, AMS und CAF), aufgrund deren die Kommission die Geldbußen für die verschiedenen Kartelle verhängt habe, seien unstreitig intern eigens erfasst und extern eigens abgerechnet worden, so dass es nicht zu einer Vermischung mit dem Abrechnungsposten „Airfreight“ gekommen sei.

41      Hierzu ist festzustellen, dass die Besonderheiten der Berechnung der Dienstleistungen oder Aufschläge, auf die sich die Kartelle unmittelbar bezogen, nicht die von der Kommission zugrunde gelegte Beschreibung des Sektors in Frage stellen, nach der für Speditionsdienste wegen der Vorteile, die sie als Dienstleistungspaket bieten, eine Nachfrage besteht, die von der Nachfrage nach Einzeldienstleistungen – sei es nach einer Beförderungsleistung als solcher oder nach einer anderen Dienstleistung wie z. B. einer Zollabfertigung – zu unterscheiden ist. Wie die Kommission im 868. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, ist die Aufschlüsselung des Endpreises in seine einzelnen Bestandteile lediglich eine der Möglichkeiten, wie der Preis den Kunden präsentiert werden kann. Die Spediteure könnten nämlich ebenso gut beschließen, alle Aufschläge in den Gesamtpreis der Speditionsdienste einzubeziehen. Die Feststellung der Kommission, dass die Art und Weise, wie der Preis der Speditionsdienste den Kunden mitgeteilt werde, eine rein formale, in der vorliegenden Sache weder wirtschaftlich noch rechtlich relevante Frage sei, ist demnach nicht zu beanstanden.

42      Dasselbe gilt für die Feststellung der Kommission, dass Ziel der sich auf die verschiedenen Aufschläge beziehenden Kartelle eine Erhöhung des Gesamtpreises der Speditionsdienste gewesen sei. Insoweit ist der geringe wirtschaftliche Wert der mit den speziellen Aufschlägen erzielten Umsätze nicht entscheidend. Dies ergibt sich u. a. aus den beiden den NES-Aufschlag betreffenden E-Mails eines anderen Kartellteilnehmers, des DP-Konzerns, auf die sich die Kommission im 869. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beruft. Diesen E-Mails ist nämlich zu entnehmen, dass Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkung bestanden, die eine etwaige Nichtbeachtung des Kartells durch gewisse Wettbewerber auf die Kunden und damit auf die insgesamt auf dem Markt der Speditionsdienste erzielten Umsätze haben könnte.

43      Außerdem bestätigen die von der Kommission im 869. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweise ihre Einschätzung, dass der Markt der Speditionsdienste ein Markt mit niedrigen Margen ist, so dass bereits eine geringe Preiserhöhung oder die Auferlegung eines Zuschlags eine direkte Auswirkung auf den Bestand des Geschäfts haben und eine entscheidende Rolle dabei spielen kann, ob der Spediteur Kunden verliert, seine Kundenbasis erhält oder neue Geschäftschancen auf Kosten seiner Wettbewerber erwirbt.

44      Zweitens machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss mehrfach zu Recht festgestellt, dass die Spediteure generell als Vermittler zwischen den Fluggesellschaften und den Kunden fungierten. Der Umsatz eines Spediteurs setze sich ganz wesentlich aus den an den Kunden weitergereichten Entgelten zusammen, die die Fluggesellschaften von den Spediteuren für die Beförderung der Güter verlangten. Wirtschaftlich betrachtet hätten die Spediteure dabei eine reine Vermittlerrolle und gäben die Beförderungskosten wie ein Makler weiter. Die Feststellung der Kommission, dass die Beförderungsleistungen und ‑kosten einen wesentlichen Bestandteil des gesamten Speditionsgeschäfts ausmachten und eine Trennung der Entgelte für die Beförderung von den Entgelten für die übrigen Dienstleistungen nicht möglich sei, treffe nicht zu.

45      Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission im 65. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses anerkennt, dass die Spediteure als Vermittler zwischen Frachtführer und Absender fungieren und dass Speditionsunternehmen vielfältige Geschäftsmodelle zugrunde liegen können.

46      Dies entkräftet aber nicht die Feststellung, dass es eine spezielle Nachfrage nach den Speditionsdiensten als Dienstleistungspaket gibt. Wie insbesondere im 867. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt wird, will der Kunde, der sich an einen Spediteur wendet, keine Einzeldienstleistungen, sondern ein Komplettangebot erhalten. Dadurch spart er natürlich Zeit und Geld, weil er die einzelnen Dienstleistungen nicht bei verschiedenen Anbietern anfragen muss.

47      Im Übrigen bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die großen, international tätigen Unternehmen der Speditionsbranche, zu denen sie fraglos gehören, integrierte Speditionsdienste zur Organisation der gesamten Transportkette anbieten, wie die Kommission im 65. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat.

48      Das Vorbringen der Klägerinnen stellt also nicht die Einschätzung der Kommission in Frage, dass die Rolle der auf dem Markt der Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr tätigen Spediteure bei ihren internationalen Kunden über die eines bloßen Vermittlers hinausgehe und darin bestehe, durch die Betreuung aller Teile des Beförderungsvorgangs einen echten Mehrwert zu bieten.

49      Drittens machen die Klägerinnen speziell zu den NES-Dienstleistungen geltend, dass diese auf einem eigenständigen Markt angeboten würden, zeige sich auch daran, dass sie nicht nur von Spediteuren, sondern auch von Customs clearance agents (Zollspediteure) oder Brokern angeboten würden. Die Kunden könnten somit wählen, ob sie damit den Spediteur oder ein anderes Unternehmen beauftragen oder sich gar selbst um die entsprechenden Formalitäten kümmerten. Auch bei den AMS-Dienstleistungen betonen die Klägerinnen, dass sie diese unabhängig von der Hauptleistung, der Vermittlung der Warenbeförderung, anböten.

50      Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission u. a. in den Erwägungsgründen 5, 65 und 872 des angefochtenen Beschlusses anerkennt, dass es einige kleinere Unternehmen gibt, die sich ausschließlich auf bestimmte Arten von Dienstleistungen spezialisieren. Dies stellt aber nicht die Feststellung der Kommission in Frage, dass es auf dem Markt der Speditionsdienste im internationalen Luftverkehr ein spezielles Angebot und eine spezielle Nachfrage nach konsolidierten Speditionsdiensten gibt. Als Dienstleistungspakete entsprechen diese nämlich einer speziellen Nachfrage der Kunden. Aus deren Sicht sind die Dienstleistungspakete wirtschaftlich nicht durch die Einzelleistungen, aus denen sie sich zusammensetzen, substituierbar. Dass Drittunternehmen, die keine Spediteure sind, Dienstleistungen der NES-Erklärung oder AMS-Lagerung anbieten oder dass solche Dienstleistungen bei den Klägerinnen auch einzeln bezogen werden können, mag beweisen, dass es eine Nachfrage für solche Einzeldienstleistungen gibt, nicht aber, dass sich die Kartelle zwischen den Spediteuren, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, auf solche Einzeldienstleistungen bezogen.

51      Jedenfalls haben die Adressaten des angefochtenen Beschlusses Drittunternehmen, die keine Spediteure sind, bei ihren Gesprächen über den NES- oder den AMS-Aufschlag nicht als potenzielle oder tatsächliche Wettbewerber angesehen, wie die Kommission im 872. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, ohne dass die Klägerinnen dies bestritten hätten.

52      Mithin stellt keines der zu den Merkmalen der Speditionsdienste vorgebrachten Argumente die von der Kommission vorgenommene Beschreibung des Sektors der Speditionsdienste oder ihre Einschätzung, dass die betreffenden Kartelle darauf abzielten, den Wettbewerb hinsichtlich der Speditionsdienste als Dienstleistungspakete zu beschränken, in Frage. Bei der Prüfung der Beurteilungsfehler, die der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße unterlaufen sein sollen, wird allerdings auf einige der von den Klägerinnen geltend gemachten Argumente zurückzukommen sein, die sich speziell auf ihr eigenes Geschäftsmodell beziehen, das ihrer Auffassung nach bei der Berechnung der Geldbuße hätte berücksichtigt werden müssen.

 Zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beim NES-Kartell (erster Klagegrund) und beim AMS-Kartell (siebter Klagegrund)

53      Die vorliegenden Klagegründe beziehen sich auf die Ausführungen der Kommission in Abschnitt 5.2.1.3 des angefochtenen Beschlusses, wonach das NES- und das AMS-Kartell geeignet gewesen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

54      Die Klägerinnen machen geltend, die Eignung eines Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten sei ein Tatbestandsmerkmal von Art. 101 Abs. 1 AEUV, für dessen Vorliegen die Kommission beweispflichtig sei. Mit ihren im angefochtenen Beschluss insoweit enthaltenen Erwägungen, die zu pauschal seien, habe sie diesen Nachweis nicht erbracht. Ihre Analyse sei weder mit Art. 101 Abs. 1 AEUV noch mit den Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] (ABl. 2004, C 101, S. 81, im Folgenden: Leitlinien von 2004) vereinbar.

55      Die Kommission macht geltend, sie habe rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das NES- und das AMS-Kartell geeignet gewesen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

56      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens nur für Vereinbarungen gelten, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung ist eine Vereinbarung nur dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann (Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C‑295/04 bis C‑298/04, Slg, EU:C:2006:461, Rn. 42).

57      Eine Vereinbarung wird allerdings nicht von der Verbotsvorschrift des Art. 101 AEUV erfasst, wenn sie den Markt nur geringfügig beeinträchtigt (vgl. Urteil vom 21. Januar 1999, Bagnasco u. a., C‑215/96 und C‑216/96, Slg, EU:C:1999:12, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

58      Der grenzüberschreitende Charakter der Speditionsdienste deckt sich nicht mit der Frage der Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten. Denn wäre jede grenzüberschreitende Transaktion automatisch geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen, würde der Begriff der Spürbarkeit seines Inhalts entleert, obwohl er ein von der Rechtsprechung entwickeltes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist (Urteil vom 16. Juni 2011, Ziegler/Kommission, T‑199/08, Slg, EU:T:2011:285, Rn. 52 und 53).

59      In Abschnitt 5.2.1.3 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission in den Erwägungsgründen 590 bis 599 und 601 bis 621 festgestellt, dass das NES- und das AMS-Kartell geeignet gewesen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und zwar unmittelbar hinsichtlich der Erbringung der Speditionsdienste und mittelbar hinsichtlich der Güter, auf die sich die Speditionsdienste bezogen hätten.

60      Insoweit ist festzustellen, dass der Begriff des Handels im Sinne von Art. 101 AEUV auch Dienstleistungen umfasst. Darauf wird in Rn. 19 der Leitlinien von 2004 hingewiesen, in denen erläutert wird, dass er nicht auf den traditionellen grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen beschränkt ist, sondern im Einklang mit dem grundlegenden Ziel des Vertrags, den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital zu fördern, auch alle grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeiten einschließlich der Niederlassung umfasst.

61      Das gegen die Erwägungen der Kommission, mit denen auf die Auswirkungen des NES- und des AMS-Kartells abgestellt wird, gerichtete Vorbringen der Klägerinnen ist also zunächst hinsichtlich des Handels mit Speditionsdiensten und sodann hinsichtlich der Warenströme zu prüfen.

 Zur Beeinträchtigung des Handels mit Speditionsdiensten

62      In den Erwägungsgründen 598, 607, 608, 610, 613 und 614 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass das NES-Kartell, auch wenn es sich nur auf die in einem Mitgliedstaat geltenden Rechtsvorschriften bezogen habe, geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, insbesondere hinsichtlich der Speditionsdienste. Die Speditionsdienste, auf die sich das NES-Kartell bezogen habe, würden nicht nur von Kunden aus dem Vereinigten Königreich nachgefragt, sondern auch von Kunden in anderen Ländern – von anderen EWR-Ländern aus oder über ihre Niederlassungen im Vereinigten Königreich. Außerdem sei der Sektor der Speditionsdienste durch einen regen Handel zwischen Mitgliedstaaten gekennzeichnet, sowohl zwischen den Ländern der Union als auch zwischen den Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Die Spediteure stünden in allen oder nahezu allen EWR-Staaten miteinander in Wettbewerb, und ihre Kunden seien im EWR ansässig. Das Marktverhalten globaler Unternehmen im Vereinigten Königreich habe sich eindeutig auf die Wettbewerbsstrukturen des Binnenmarkts auswirken können, denn die Verringerung ihrer Margen im Vereinigten Königreich sei geeignet gewesen, ihr Geschäftsverhalten in anderen Mitgliedstaaten zu beeinflussen.

63      Ferner hat die Kommission festgestellt, dass die Auswirkungen des NES-Kartells auf die Speditionsdienste spürbar gewesen seien, da die Voraussetzungen der in Nr. 53 der Leitlinien von 2004 aufgestellten Vermutung vorgelegen hätten. Erstens sei das NES-Kartell im Sinne dieser Bestimmung seinem Wesen nach geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Zweitens liege der Umsatz der Parteien mit den vom NES-Kartell erfassten Waren bei über 40 Mio. Euro und ihr Marktanteil übertreffe den Schwellenwert von 5 %.

64      Für das AMS-Kartell werden vergleichbare Erwägungen angestellt, die u. a. im 598. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthalten sind. Die koordinierten AMS-Aufschläge seien in den Mitgliedstaaten angewandt worden, und es sei wahrscheinlich gewesen, dass der verminderte Preiswettbewerb zwischen den Spediteuren die Vorteile, welche andernfalls dem effizientesten von ihnen zugutekommen wären, reduzieren würde, was sich auf das normale Phänomen von Marktanteilsgewinnen und ‑verlusten auswirken würde, mit dem ohne Koordination zu rechnen gewesen wäre. Es sei daher möglich gewesen, dass diese Wettbewerbseinschränkungen zwischen Spediteuren den Handelsverkehr von Speditionsdiensten im Binnenmarkt beeinflussen und verändern würden, was ohne Koordination nicht der Fall gewesen wäre. Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 616 bis 621 des angefochtenen Beschlusses weiter ausgeführt, dass die Spediteure ihre Dienstleistungen im EWR angeboten hätten, wo ein erheblicher Teil ihrer Kunden ansässig gewesen sei, so dass sowohl der EWR als auch die Vereinigten Staaten betroffen gewesen seien. Da sich das Kartell auf den gesamten EWR erstreckt habe, habe es seinem Wesen nach Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt. Zur Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels durch das AMS-Kartell hat die Kommission u. a. die Auffassung vertreten, dass der gemeinsame Marktanteil der Mitglieder des FFI weitaus höher gewesen sei als nach den Leitlinien von 2004 erforderlich und dass, da die Vereinigten Staaten für den EWR einen der wichtigsten Exportmärkte darstellten, der Wert der auf dieser Route erbrachten Speditionsdienste entsprechend hoch sei.

65      Die Argumente, die die Klägerinnen gegen diese Analyse vorbringen, betreffen im Wesentlichen die Erwägungen, mit denen die Kommission auf die Auswirkungen der Kartelle auf die Kunden der Spediteure und auf das Verhalten der Spediteure selbst abstellt, und ihre Erwägungen zur Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels.

–       Zu den Auswirkungen der Kartelle auf die Kunden der Spediteure und auf das Verhalten der Spediteure selbst

66      Zum NES-Kartell machen die Klägerinnen erstens geltend, selbst wenn mit dem Kartell eine Beschränkung des Wettbewerbs im EWR bezweckt worden wäre, hätte dies nur das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs betroffen, da das NES nur im Vereinigten Königreich und nur für Exporte aus dem Vereinigten Königreich in Staaten außerhalb des EWR gegolten habe. Im Übrigen sei der im 607. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses als Beweis für die Feststellung der Kommission, dass die Speditionsdienste auch von Unternehmen in anderen EWR-Ländern nachgefragt worden seien, angeführte Beleg – ein Auszug aus der im Rahmen des Kronzeugenantrags [vertraulich](1) abgegebenen Erklärung – abstrakt und pauschal und weise keinen Bezug zum NES auf. Der im 602. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Umstand, dass die betroffenen Unternehmen mehreren Mitgliedstaaten angehört hätten, sei irrelevant, da die Angebote, die Gegenstand einer Abstimmung gewesen sein sollten, ausschließlich von den im Vereinigten Königreich ansässigen Tochtergesellschaften der Spediteure abgegeben worden seien. Bei der im 610. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Behauptung, das Marktverhalten der betroffenen globalen Unternehmen habe unbedingt Auswirkungen auf die Wettbewerbsstrukturen des Binnenmarkts gehabt, weil die etwaigen Änderungen der Rendite geeignet gewesen seien, das Geschäftsverhalten in anderen Mitgliedstaaten zu beeinflussen, handele es sich um eine Leerformel.

67      Hierzu ist festzustellen, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV für Vereinbarungen gilt, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Die Kommission muss also nicht nachweisen, dass eine Vereinbarung tatsächliche Auswirkungen hat, sondern nur, dass sie geeignet ist, solche zu haben. Sie kann sich daher auf den Nachweis beschränken, dass es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Vereinbarung unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen konnte (Urteil vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg, EU:C:1997:375, Rn. 20).

68      Die Feststellung der Kommission, unter den Umständen des vorliegenden Falles sei es hinreichend wahrscheinlich gewesen, dass sich das NES-Kartell auf das Verhalten der Spediteure in anderen Mitgliedstaaten als dem Vereinigten Königreich hätte auswirken können, ist aber nicht zu beanstanden.

69      Insoweit ist nämlich zu beachten, dass sich das NES-Kartell – anders als die Klägerinnen glauben machen wollen – auf Speditionsdienste bezog (siehe oben, Rn. 35 bis 52).

70      Außerdem boten die am NES-Kartell beteiligten Spediteure ihre Speditionsdienste nach den Feststellungen der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere im 607. Erwägungsgrund, auch in anderen Mitgliedstaaten des EWR als dem Vereinigten Königreich an und standen dort hinsichtlich der Speditionsdienste miteinander in Wettbewerb. Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die Spediteure und ihre Kunden in mehreren Mitgliedstaaten präsent waren.

71      Unser den Umständen des vorliegenden Falles kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich ohne das NES-Kartell der zwischen den Spediteuren hinsichtlich der NES-Kosten ausgetragene Wettbewerb im Vereinigten Königreich auf die Margen der Spediteure hätte auswirken und dort zum Hinzugewinn und Verlust von Anteilen am Markt für Speditionsdienste hätte führen können. Überdies erscheint es hinreichend wahrscheinlich, dass sich das NES-Kartell auf das Verhalten der Spediteure in anderen Mitgliedstaaten, in denen sie auch miteinander in Wettbewerb standen, auswirken und die Wettbewerbsstruktur in der Union insoweit verändern konnte.

72      Dass der NES-Aufschlag nur geringe wirtschaftliche Bedeutung hatte, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Da der Markt der Speditionsdienste durch geringe Margen gekennzeichnet ist (siehe oben, Rn. 43), konnte die wirtschaftliche Bedeutung des NES-Aufschlags nämlich nicht als vernachlässigbar angesehen werden. Diese Erwägung der Kommission wird untermauert durch ihre Feststellung im 907. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach es von Seiten der Kunden der Spediteure Widerstand gegen die Zahlung des NES-Aufschlags gegeben habe, sowie durch die im 869. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweise, aus denen hervorgeht, dass bestimmte am NES-Kartell beteiligte Spediteure befürchteten, dass Wettbewerb hinsichtlich der NES-Kosten die Margen schmälern und zum Hinzugewinn oder Verlust von Marktanteilen führen könnte. Die Klägerinnen bringen nichts vor, was geeignet wäre, diese Feststellungen zu entkräften.

73      Zur Feststellung der Kommission im 607. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die vom NES-Kartell betroffenen Dienstleistungen nicht nur von Kunden aus dem Vereinigten Königreich, sondern auch von Unternehmen in anderen EWR-Mitgliedstaaten nachgefragt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass sich das NES-Kartell entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen, wie bereits oben im Rahmen der Vorprüfung in den Rn. 35 bis 52 ausgeführt, nicht auf die Dienstleistungen der NES-Lagerung, sondern auf die Speditionsdienste bezog.

74      Zu den Bedenken der Klägerinnen hinsichtlich der Feststellungen der Kommission, dass Kunden in anderen Mitgliedstaaten als dem Vereinigten Königreich möglicherweise vom NES-Kartell betroffene Speditionsdienste nachgefragt hätten, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, wie bereits ausgeführt, auf den Nachweis beschränken kann, dass es hinreichend wahrscheinlich ist, dass die betreffende Vereinbarung den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell beeinflussen konnte.

75      Wie die Klägerinnen aber selbst dargelegt haben, hat sich die Kommission insoweit auf einen Beleg aus der Erklärung [vertraulich] gestützt, wonach [vertraulich]. Es handelt sich um eine E-Mail [vertraulich] an die Dienststellen der Kommission, mit der eine Frage der Kommission zur Kundenstruktur bei im Vereinigten Königreich erbrachten Speditionsdiensten beantwortet wurde.

76      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen wird der Beweiswert dieses Belegs, der im Übrigen klar und verständlich ist, nicht dadurch geschmälert, dass er nicht ausdrücklich die Dienstleistung der NES-Lagerung betrifft. Die Feststellung der Kommission, dass sich das NES-Kartell auf Speditionsdienste als Dienstleistungspaket bezog, ist nämlich nicht zu beanstanden. Bei einer Beförderung von Gütern ab dem Vereinigten Königreich umfassten die Speditionsdienste aber zwangsläufig die Dienstleistung der NES-Lagerung.

77      Es ist auch nicht entscheidend, dass der Beleg nur die Geschäfte [vertraulich] betrifft und keine Zahlenangaben enthält. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, geht aus der betreffenden E-Mail hervor, dass vom Vereinigten Königreich aus innerhalb des EWR grenzüberschreitend Speditionsdienste angeboten werden. Der Beleg genügt also zumindest für den Nachweis einer potenziellen Beeinflussung der Erbringung von Speditionsdiensten durch das NES-Kartell.

78      Auch der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass die Dienstleistungen mit Umladungen – Fälle, in denen Waren aus anderen Ländern des EWR das Vereinigte Königreich als Durchgangsland passierten – einen sehr beschränkten Umfang gehabt hätten, ist insoweit nicht ausschlaggebend. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass Kunden in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich Speditionsdienste nachfragen, die ein Gut betreffen, das sich bereits im Vereinigten Königreich befindet.

79      Die Analyse der Kommission ist schließlich auch in Bezug auf die Ausführungen im 610. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht zu beanstanden, wonach nicht entscheidend sei, dass die Angebote, die abgestimmt gewesen sein sollten, ausschließlich von den im Vereinigten Königreich angesiedelten Niederlassungen der Spediteure abgegeben worden seien. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, ändert dies nämlich nichts daran, dass die Nachfrage für Speditionsdienste, die eine Ausfuhr aus dem Vereinigten Königreich in ein Land außerhalb des EWR implizieren, von außerhalb des Vereinigten Königreichs stammen konnte und der Aufschlag geeignet war, sich negativ auf diese Nachfrage auszuwirken.

80      Somit ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen die Erwägung der Kommission, mit der auf die Auswirkungen des NES-Kartells auf die von Kunden in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich nachgefragten Speditionsdienste abgestellt wird, nicht zu entkräften vermag.

81      Zweitens machen die Klägerinnen zum AMS-Kartell geltend, es beziehe sich auf Frachtrouten, die aus dem EWR in das außereuropäische Ausland führten. Außerdem hätten sie während des relevanten Zeitraums nur sehr geringe Umsätze erwirtschaftet, die mit dem AMS in Zusammenhang stünden. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass sich das AMS-Kartell auf andere Bestandteile der in Rechnung gestellten Preise ausgewirkt habe, so dass eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch eine „Umleitung der Handelsströme“ oder eine „Ablenkung zu anderen Speditionsdiensten“ ausgeschlossen sei. Schließlich sei die Kommission in den Erwägungsgründen 616 bis 621 des angefochtenen Beschlusses nicht auf ihr Vorbringen eingegangen, in Anbetracht der äußerst geringen mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehenden Umsätze, die sie mit europäischen Kunden erzielt hätten, könne nicht angenommen werden, dass eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten vorliege; deshalb habe die Kommission ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, und der angefochtene Beschluss sei rechtsfehlerhaft und leide an einem Begründungsmangel. Sie hätten in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt, dass das AMS ebenso wie das NES ein eigenständiger Rechnungsposten gewesen sei.

82      Zunächst ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, mit dem wegen der Nichtberücksichtigung des im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Arguments, die von ihnen mit Dienstleistungen im Zusammenhang mit den AMS-Formalitäten erzielten Umsätze seien äußerst gering gewesen, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und ein Begründungsmangel des angefochtenen Beschlusses geltend gemacht werden. Das Vorbringen wird im 616. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angesprochen und in den Erwägungsgründen 618 ff., insbesondere im 621. Erwägungsgrund, behandelt. Die Kommission hat dort die Auffassung vertreten, dass es sich bei den vom Kartell betroffenen Dienstleistungen nicht um die AMS-Erfassung gehandelt habe. Sie hat stattdessen auf die Auswirkung des Kartells auf den Handel mit Speditionsdiensten als Dienstleistungspaket abgestellt. Der AMS-Aufschlag sei nämlich Bestandteil des von den Kunden der Spediteure gezahlten Gesamtpreises gewesen. Daher hat die Kommission die Angaben zu den mit Speditionsdiensten als Dienstleistungspaket erzielten Umsätzen zugrunde gelegt.

83      In materieller Hinsicht ist festzustellen, dass, wie bereits oben in Rn. 67 ausgeführt, die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Beeinflussung des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten durch das betreffende Kartell genügt.

84      Im vorliegenden Fall erstreckte sich das AMS-Kartell auf den gesamten EWR, da die betreffenden Spediteure ihre Speditionsdienste, u. a. diejenigen im Zusammenhang mit den AMS-Formalitäten, in mehreren Mitgliedstaaten oder sogar im gesamten Gebiet des EWR anboten. Eine Vereinbarung, die mehrere Mitgliedstaaten betrifft, ist aber ihrem Wesen nach geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Wie die Kommission im 598. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, konnten die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Spediteuren den Handelsverkehr von Speditionsdiensten im Binnenmarkt beeinflussen oder verändern, und zwar unabhängig von den Warenströmen. Selbst wenn die Umsätze in Bezug auf eine Handelsroute mit einem Ziel außerhalb der Union betroffen gewesen sein sollten, hätte dies die Kommission nicht an der Schlussfolgerung gehindert, dass die betreffenden Aufschläge in mehreren Mitgliedstaaten angewandt wurden.

85      Das Vorbringen zur zu vernachlässigenden Höhe des AMS-Aufschlags und zur Art seiner Berechnung ist irrelevant, da der vom AMS-Kartell betroffene Markt der Markt der Speditionsdienste als Dienstleistungspaket ist, wie aus der Vorprüfung oben in den Rn. 35 bis 52 hervorgeht. Wie die Kommission im 621. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, ist der Umsatz, der allein auf die AMS-Erfassung entfällt, nicht maßgebend, da der AMS-Aufschlag Teil des Gesamtpreises ist, den die Kunden für die Erbringung der Speditionsdienste zahlten. Überdies ist der Markt der Speditionsdienste durch geringe Margen gekennzeichnet, so dass eine geringe Preiserhöhung oder die Auferlegung oder Nichtauferlegung eines Zuschlags Auswirkungen auf das Marktverhalten der Wettbewerber haben kann (siehe oben, Rn. 43).

86      Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen zum geringen Umsatz der Klägerinnen mit AMS-Dienstleistungen, da entscheidend ist, ob die Vereinbarung insgesamt, und nicht allein die Beteiligung der Klägerinnen daran, geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

87      Somit ist das Vorbringen der Klägerinnen nicht geeignet, die Erwägung der Kommission zu entkräften, dass das AMS-Kartell seinem Wesen nach geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten bei Speditionsdiensten zu beeinträchtigen.

–       Zur Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels

88      Zum NES-Kartell machen die Klägerinnen geltend, auf eine angebliche Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten könne es nur ankommen, wenn die Kommission eine Eignung des Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten hinreichend bewiesen habe. Im Übrigen habe die Kommission die maßgeblichen Umsatzschwellenwerte nicht richtig angewandt, da sie ausschließlich auf den Umsatz mit dem NES-Aufschlag hätte abstellen müssen, der deutlich niedriger gewesen sei als der zugrunde gelegte.

89      Zum AMS-Kartell machen die Klägerinnen geltend, in Anbetracht der mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehenden Umsätze, die sie mit europäischen Kunden erzielt hätten (2003: 0 Euro, 2004: 25 650 Euro), könne von einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten keine Rede sein. Der Gesamtumsatz aller betroffenen Spediteure mit dem AMS-Aufschlag liege weit unter der Schwelle von 40 Mio. Euro. Vom Kartell seien allein die AMS-Dienstleistungen betroffen, so dass bei der Untersuchung der Auswirkungen des Kartells auf den Handel lediglich der mit dem AMS-Aufschlag erzielte Umsatz hätte zugrunde gelegt werden dürfen. Sie böten die AMS-Dienstleistungen unabhängig von der Hauptleistung, der Vermittlung der Warenbeförderung, an, und der entsprechende Aufschlag werde als eigener Rechnungsposten kalkuliert und ausgewiesen.

90      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Rn. 53 der Leitlinien von 2004, deren Rechtmäßigkeit und Einschlägigkeit im Rahmen der vorliegenden Klage nicht in Frage gestellt werden, lautet:

„Wenn eine Vereinbarung ihrem Wesen nach geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da sie beispielsweise Einfuhren und Ausfuhren betrifft oder sich auf mehrere Mitgliedstaaten erstreckt, wird die Kommission davon ausgehen, dass eine widerlegbare positive Vermutung vorliegt, dass diese Beeinträchtigung des Handels spürbar ist, sofern der … Umsatz der Unternehmen mit den von der Vereinbarung erfassten Waren 40 Mio. EUR überschreitet. Im Falle von Vereinbarungen, die ihrem Wesen nach geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, kann ferner häufig davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen spürbar sind, wenn der Marktanteil der Parteien den im vorangehenden Absatz erwähnten Schwellenwert von 5 % übertrifft. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die Vereinbarung nur auf einen Teil des Mitgliedstaats erstreckt (siehe Ziffer 90).“

91      Erstens ist, was das NES-Kartell angeht, das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, bei der Prüfung des Überschreitens der Schwellenwerte in Rn. 53 der Leitlinien von 2004 hätte die Kommission ausschließlich auf die mit den Dienstleistungen der NES-Lagerung und nicht auf die mit den Speditionsdiensten erzielten Umsätze abstellen müssen.

92      Insoweit kann es mit dem Hinweis sein Bewenden haben, dass nach Rn. 53 der Leitlinien von 2004 auf den Umsatz der Unternehmen mit den vom Kartell erfassten Dienstleistungen abzustellen ist und dass sich das NES-Kartell nach den oben in den Rn. 35 bis 52 dargelegten Erwägungen auf die Speditionsdienste bezog.

93      Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 613 und 614 des angefochtenen Beschlusses, ohne dass ihr die Klägerinnen insoweit widersprochen hätten, festgestellt hat, betrug der gesamte Anteil der Kartellteilnehmer am Luftfrachtmarkt des Vereinigten Königreichs aber etwa 30 %, und ihr Anteil am EWR-Markt und an den einschlägigen Routen war ebenso groß. Zudem lag der Umsatz, den die Kartellteilnehmer auf der betreffenden Route mit Speditionsdiensten erzielten, deutlich über 40 Mio. Euro.

94      Die Feststellung der Kommission, dass die Schwellenwerte in Rn. 53 der Leitlinien von 2004 übertroffen worden und die Auswirkungen des NES-Kartells auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar gewesen seien, ist demnach nicht zu beanstanden.

95      Zweitens ist hinsichtlich des AMS-Kartells festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen wiederum darauf hinausläuft, das Abstellen auf die Daten zum Markt der Speditionsdienste als konsolidiertes Angebot auf den betreffenden Routen in Zweifel zu ziehen. Sie können mit diesem Vorbringen aber aus denselben Gründen wie beim NES-Kartell keinen Erfolg haben. Es kommt mithin weder auf den geringen Umsatz an, den die Klägerinnen mit AMS-Dienstleistungen erzielten, noch auf die geringe Bedeutung des von den betreffenden Spediteuren mit solchen Dienstleistungen erzielten Gesamtumsatzes.

96      Folglich ist die in den Erwägungsgründen 619 bis 621 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Feststellung der Kommission, dass die Schwellenwerte in Rn. 53 der Leitlinien von 2004 unter Zugrundelegung der Daten aller betroffenen Spediteure für die betreffende Route und die Speditionsdienste insgesamt auch beim AMS-Kartell übertroffen worden seien, nicht zu beanstanden. Wie die Kommission festgestellt hat, vertrat der FFI die Interessen der größten weltweit tätigen Spediteure, so dass deren gemeinsamer Marktanteil auf der wichtigen Route zwischen dem EWR und den Vereinigten Staaten 5 % bei Weitem überstieg, und der von den Kartellteilnehmern mit Speditionsdiensten auf der betreffenden Route erzielte Umsatz lag deutlich über den erforderlichen 40 Mio. Euro, da bereits der Umsatz nur eines Kartellteilnehmers auf der betreffenden Route deutlich über diesem Betrag lag. Diese Daten werden von den Klägerinnen im Übrigen nicht bestritten.

97      Die Analyse der Kommission zur spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch die beiden in Rede stehenden Kartelle ist daher zu bestätigen.

 Zur Beeinträchtigung der Warenströme

98      Die Klägerinnen halten die Erwägungen der Kommission, mit denen auf eine Beeinträchtigung der Warenströme abgestellt werde, für fehlerhaft.

99      Sie machen erstens geltend, die Kommission widerspreche sich, wenn sie im 608. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses einerseits feststelle, dass das Vereinigte Königreich für bestimmte Waren aus anderen Ländern, für die das NES gegolten habe, als Durchfuhrland fungiert habe, andererseits aber einräume, dass der Umfang dieser Umladungen beschränkt gewesen sei. Ferner treffe die Behauptung der Kommission nicht zu, dass der NES-Aufschlag, weil er auch für Transitgüter gegolten habe, geeignet gewesen sei, zu einer Umlenkung von Handelsströmen beizutragen. Die Ermittlungen der Kommission hätten ergeben, dass sie keine solchen Transporte durchgeführt hätten. Beim DP-Konzern, beim Konzern der Deutschen Bahn (im Folgenden: DB-Konzern) und beim Ceva-Konzern habe der Anteil solcher Transporte weniger als 1 % ihrer Tätigkeit betragen.

100    Zweitens machen die Klägerinnen zum AMS-Kartell geltend, die hiervon betroffenen Waren seien außerhalb des EWR abgesetzt worden, weshalb die Kommission im angefochtenen Beschluss speziell die Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hätte prüfen müssen. Sie wenden sich auch gegen die Feststellung der Kommission, dass das Kartell zu einer automatischen Umleitung der Handelsströme oder sogar zu einer Ablenkung zu anderen Speditionsweisen geführt haben könne.

101    Dieses Vorbringen ist als ins Leere gehend zurückzuweisen. Denn selbst wenn das NES- und das AMS-Kartell die Warenströme zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar beeinträchtigt haben sollten, könnte dadurch nicht die Feststellung der Kommission entkräftet werden, dass die Kartelle aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Markt der Speditionsdienste geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.

102    Folglich sind der erste und der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zur Befugnis der Kommission zur Ahndung des NES-Kartells (zweiter Klagegrund) und des AMS-Kartells (achter Klagegrund)

103    Wie sich aus dem 950. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, betrifft die bei den Klägerinnen festgestellte Zuwiderhandlung beim NES den Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003 und beim AMS den Zeitraum vom 8. April 2003 bis zum 19. August 2004.

104    Die in Rede stehenden Klagegründe beziehen sich auf die in den Erwägungsgründen 644 bis 648 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Schlussfolgerung der Kommission, dass sie das AMS- und das NES-Kartell für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2004 auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1/2003 habe ahnden dürfen. Diese Kartelle seien vor dem 1. Mai 2004 nicht aufgrund der Freistellungsregelung für den Verkehr in Art. 1 der Verordnung Nr. 141 vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] (ABl. 1962, 13, S. 204), ausgenommen gewesen. Die Kommission hat insoweit u. a. darauf abgestellt, dass die Teilnehmer des NES- und des AMS-Kartells ihr Verhalten abgestimmt hätten, um die Unsicherheit bezüglich verschiedener Preiselemente in der Speditionsbranche auszuschalten. Daher hätten die Kartelle die Preise für Speditionsdienste und nicht die für Beförderungsleistungen betroffen. Selbst wenn die Spediteure Vertragsbeziehungen mit den Luftfahrtgesellschaften unterhalten hätten, hätten diese die Grundlage für die Erbringung der Luftbeförderungsleistungen dargestellt, nicht aber für die Erbringung der Speditionsdienste, auf die sich das NES- und das AMS-Kartell bezogen hätten.

105    Mit dem zweiten und dem achten Klagegrund machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass diese Feststellungen unzutreffend seien. Die Kommission sei nicht befugt gewesen, das NES- und das AMS-Kartell vor dem 1. Mai 2004 zu ahnden, weil vor diesem Zeitpunkt eine Durchführungsverordnung für den Luftverkehr zwischen der Union und Drittländern gefehlt und deshalb eine Freistellung für den Luftverkehr gegolten habe, und zwar nicht nur für den Luftverkehr, sondern auch für alle unmittelbar mit Luftbeförderungsleistungen verbundenen Aktivitäten. Die Kommission habe den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 141 nicht richtig eingeschätzt. Ferner werde die Freistellung der betreffenden Kartelle durch bestimmte weitere Verordnungsvorschriften bestätigt.

106    Beim NES-Aufschlag sei der unmittelbare Zusammenhang mit den Luftbeförderungsleistungen besonders deutlich, da die Ausfuhr der Güter ohne die NES-Meldung gegenüber den Zollbehörden des Vereinigten Königreichs nicht möglich gewesen wäre. Auch beim AMS-Aufschlag bestehe ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem AMS und der Luftbeförderung, denn ohne das AMS wäre die Einfuhr von Gütern in die Vereinigten Staaten nicht möglich gewesen, da die Durchführung des AMS-Verfahrens gesetzlich vorgeschrieben gewesen sei.

107    Soweit sich das AMS-Kartell auf die Zeit nach dem 1. Mai 2004 erstrecke, sei es nach der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen (ABl. L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2410/92 des Rates vom 23. Juli 1992 geänderten Fassung (ABl. L 240, S. 18) freigestellt.

108    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

109    Die Verordnung Nr. 1/2003 in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 411/2004 des Rates vom 26. Februar 2004 zur Aufhebung der Verordnung Nr. 3975/87 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 sowie der Verordnung Nr. 1/2003 hinsichtlich des Luftverkehrs zwischen der Gemeinschaft und Drittländern geänderten Fassung (ABl. L 68, S. 1), auf die die Kommission den angefochtenen Beschluss gestützt hat, ist auf den Luftverkehr anwendbar.

110    Nach der Regelung, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 am 1. Mai 2004 galt, waren Kartelle, die sich auf den Luftverkehr zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Drittländern bezogen, vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 17 ausgenommen. Die Verordnung Nr. 17 fand nämlich nach Art. 1 der Verordnung Nr. 141 keine Anwendung auf geheime Absprachen im Verkehr, die die Festsetzung von Beförderungsentgelten und ‑bedingungen, die Beschränkung oder die Überwachung des Angebots von Verkehrsleistungen oder die Aufteilung der Verkehrsmärkte bezweckten oder bewirkten. Durch Art. 1 der Verordnung Nr. 3975/87 wurde diese Freistellung zwar für den Luftverkehr zwischen Flughäfen der Gemeinschaft, nicht aber für den Luftverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern aufgehoben.

111    Erstens beanstanden die Klägerinnen, dass die Kommission bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs einer etwaigen Freistellung von den Wettbewerbsregeln im vorliegenden Fall auf die Verordnung Nr. 141 abgestellt habe. Der Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 141 beschränke sich nach ihrem Art. 1 und ihren Erwägungsgründen auf das Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs.

112    Die Klägerinnen können mit diesem Vorbringen aber keinen Erfolg haben. Eine solche Beschränkung ergibt sich nämlich weder aus der genannten Bestimmung selbst, deren Inhalt oben in Rn. 110 wiedergegeben ist, noch aus den Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 141 oder aus der Rechtsprechung.

113    Zwar ist im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 141 vom Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr die Rede, jedoch nur um klarzustellen, dass bei diesen Verkehrsarten in absehbarer Zeit eine Wettbewerbsregelung zu erwarten war, so dass die Freistellung bei ihnen, anders als bei der Seeschifffahrt und der Luftfahrt, befristet werden konnte. Die Befristung wird insbesondere in Art. 3 der Verordnung konkretisiert, nach dem die Freistellung für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr bis zum 31. Dezember 1965 galt. Außerdem weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass die Rechtsprechung die Anwendung der Verordnung Nr. 141 auf den Luftverkehr bestätigt hat (Urteil vom 12. Dezember 2000, Aéroports de Paris/Kommission, T‑128/98, Slg, EU:T:2000:290, Rn. 56).

114    Zweitens ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, mit dem auf die unmittelbare Verbindung zwischen den NES- und den AMS-Dienstleistungen einerseits und dem Luftverkehr andererseits abgestellt wird.

115    Hierzu ist festzustellen, dass das Verhalten eines Unternehmens, um nach Art. 1 der Verordnung Nr. 141 vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 17 ausgenommen zu sein, eine Beschränkung des Wettbewerbs auf einem Verkehrsmarkt bezwecken oder bewirken muss. Durch Art. 1 der Verordnung Nr. 141 sollen nach deren drittem Erwägungsgrund nur diejenigen Verhaltensweisen freigestellt werden, die unmittelbar die Erbringung von Verkehrsleistungen betreffen.

116    Nach der Rechtsprechung kann bei dem Verhalten eines Unternehmens, das sich nicht auf den Luftverkehr selbst, sondern auf einen vor- oder nachgelagerten Markt bezieht, nicht davon ausgegangen werden, dass es unmittelbar die Erbringung von Verkehrsleistungen betrifft, so dass es durch Art. 1 der Verordnung Nr. 141 nicht freigestellt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T‑219/99, Slg, EU:T:2003:343, Rn. 171 und 172).

117    Der Auslegung der Klägerinnen, wonach es eine Freistellung des Luftverkehrs gebe, die sich auf alle damit unmittelbar verbundenen Dienstleistungen erstrecke, ist daher nicht zu folgen. Art. 1 der Verordnung Nr. 141 nimmt nämlich nur Kartelle aus, die unmittelbar die Verkehrsleistungen betreffen.

118    Drittens lässt auch das Vorbringen, die NES- und AMS-Dienstleistungen seien unmittelbar mit den Verkehrsleistungen verbunden, weil die Güter ohne NES-Erklärung bzw. AMS-Abfertigung nicht vom Vereinigten Königreich aus bzw. in die Vereinigten Staaten hätten versandt werden können, nicht den Schluss zu, dass die betreffenden Kartelle freigestellt wären.

119    Wie sich aus der Vorprüfung oben in den Rn. 35 bis 52 ergibt, hat die Kommission nämlich zu Recht angenommen, dass sich das NES- und das AMS-Kartell auf Speditionsdienste bezogen.

120    Außer dem Argument, dass die NES- bzw. AMS-Dienstleistungen unmittelbar mit den Verkehrsleistungen verbunden gewesen seien, bringen die Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes gegen diese Analyse keine weiteren Argumente vor.

121    Wie oben in Rn. 117 ausgeführt, stellt Art. 1 der Verordnung Nr. 141 aber nicht Kartelle frei, die sich auf Dienstleistungen beziehen, die – sei es auch unmittelbar – mit den Verkehrsleistungen verbunden sind, sondern nur diejenigen, die sich unmittelbar auf die Luftbeförderungsleistungen beziehen. Es genügt also nicht der Nachweis, dass das NES oder das AMS Dienstleistungen betrifft, die unmittelbar mit den Verkehrsleistungen verbunden sind, oder dass die entsprechende Abwicklung für die Versendung eines Gutes erforderlich ist. Denn es wird kein Argument vorgebracht, um die Analyse in Frage zu stellen, dass sich die geahndeten Kartelle auf den Markt der Speditionsdienste und nicht auf den der Verkehrsleistungen bezogen.

122    In diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, die Analyse der Kommission sei insofern widersprüchlich, als sie im angefochtenen Beschluss bei der Feststellung ihrer Zuständigkeit jeden Zusammenhang zwischen dem Sektor der Speditionsdienste und dem der Beförderungsleistungen in Abrede stelle, bei der Berechnung des der Festsetzung der Geldbuße zugrunde zu legenden Umsatzes einen solchen Zusammenhang aber gerade bejahe.

123    Die Kommission hat nämlich angenommen, dass die Kartelle unmittelbar nicht die Beförderungsleistungen, sondern die Speditionsdienste betroffen hätten und dass diese im Rahmen des angebotenen Dienstleistungspakets Beförderungsleistungen umfasst hätten. Folglich hat sich die Kommission nicht widersprochen, als sie im Rahmen der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße in den Umsatz der Spediteure als Inputkosten die für die Verkehrsleistung in Rechnung gestellten Beträge einbezog. Im Übrigen wird auf das spezielle Vorbringen zur Ermittlung des der Festsetzung der Geldbuße zugrunde zu legenden Umsatzes nachfolgend im Rahmen der Prüfung der entsprechenden Klagegründe eingegangen.

124    Ihre Auffassung, dass das NES- und das AMS- Kartell freigestellt gewesen seien, begründen die Klägerinnen viertens damit, dass bestimmte weitere Verordnungsvorschriften entsprechend anwendbar seien. Sie berufen sich u. a. auf Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 zur Anwendung von Artikel [101] Absatz 3 [AEUV] auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Luftverkehr (ABl. L 374, S. 9). Diese Bestimmung enthält eine Liste der Arten von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die die Kommission freistellen kann, z. B. diejenigen, die sich auf die gemeinsame Entwicklung und den gemeinsamen Betrieb von computergesteuerten Buchungssystemen oder die technischen und betrieblichen Tätigkeiten am Boden in den Flughäfen wie z. B. die Abfertigung der Fracht beziehen. Die Klägerinnen berufen sich ferner auf bestimmte spezielle Freistellungsverordnungen, die 1988 für bestimmte Arten von Vereinbarungen erlassen wurden.

125    Insoweit macht die Kommission zu Recht geltend, dass die betreffenden Verordnungen nicht einschlägig sind, da sie für den Luftverkehr zwischen Flughäfen der Union gelten. Im Übrigen sind die von den Klägerinnen angeführten Dienstleistungen, auf die sich die Verordnungen beziehen, als Hilfsdienstleistungen dem Markt der Luftbeförderung zuzuordnen, während sich das NES- und das AMS-Kartell auf den davon zu unterscheidenden Markt der Speditionsdienste beziehen, der dem Markt der Luftbeförderung nachgelagert ist.

126    Die Klägerinnen können also auch mit diesem Vorbringen nicht durchdringen.

127    Fünftens kann das Vorbringen, die AMS-Verhaltensweisen seien auch nach dem 1. Mai 2004 durch die Verordnung Nr. 3975/87 freigestellt gewesen, ebenfalls keinen Erfolg haben.

128    Abgesehen davon, dass die Verordnung Nr. 3975/87 nur für den Luftverkehr zwischen Flughäfen der Union gilt, betrifft sie nur Vereinbarungen, die wie die in ihrem Anhang 2 aufgeführten Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen ausschließlich technische Verbesserungen oder technische Zusammenarbeit bezwecken oder bewirken. Die Klägerinnen können aber nicht glaubhaft vorbringen, dass das AMS-Kartell ausschließlich technische Verbesserungen oder technische Zusammenarbeit bezweckt oder bewirkt habe. Das AMS-Kartell zielte zumindest darauf ab, den Kunden die Kosten der Einhaltung zusätzlicher Verwaltungsformalitäten in Rechnung zu stellen, wie sie von den amerikanischen Behörden durch das AMS vorgesehen waren.

129    Die Feststellung der Kommission, dass von der Beachtung der Wettbewerbsregeln weder das NES- und das AMS-Kartell vor dem 1. Mai 2004 noch das AMS-Kartell in der Zeit danach durch die Verordnung Nr. 3975/87 freigestellt waren, ist demnach nicht zu beanstanden.

130    Folglich sind der zweite und der achte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum Nachweis der Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an den Zuwiderhandlungen in Bezug auf das NES (dritter Klagegrund) bzw. das AMS (neunter Klagegrund)

131    Die Klägerinnen bestreiten zwar weder die Existenz des NES- und des AMS-Kartells noch ihre Beteiligung daran. Im Rahmen der vorliegenden Klagegründe machen sie aber geltend, dass die Kommission die Dauer ihrer Beteiligung an diesen Kartellen rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen habe. Der Kommission seien hinsichtlich der Tatsachen und Beweise, die den Zeitpunkt des Beginns ihrer Beteiligung an den Kartellen beträfen, Beurteilungsfehler unterlaufen.

132    Die Kommission vertritt die Auffassung, sie habe die Tatsachen und Beweise für die Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an den beiden Kartellen richtig gewürdigt.

133    Der dritte Klagegrund bezieht sich auf die Erwägungsgründe 92 bis 130 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission das NES-Kartell untersucht hat. Im 93. Erwägungsgrund stellt sie fest, dass sich die Klägerinnen vom 1. Oktober 2002 bis zum 10. März 2003 an der Zuwiderhandlung beteiligt hätten (siehe oben, Rn. 11 und 103). In den Erwägungsgründen 94 ff., insbesondere im 96. Erwägungsgrund, führt sie aus, dass das wichtigste Forum, auf dem die Wettbewerber das NES erörtert hätten, der sogenannte Gardening Club (im Folgenden: GC) gewesen sei, eine formlose Vereinigung von Spediteuren, die unter dem Vorwand des gemeinsamen Interesses an der Gärtnerei zusammengekommen seien. Wie insbesondere aus den Erwägungsgründen 98 bis 105 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Kartell mit der Zusammenkunft des GC am 1. Oktober 2002 in einem Restaurant in Staines (Vereinigtes Königreich) begonnen habe und dass, wie insbesondere einer E-Mail eines Spediteurs zu entnehmen sei, die Klägerinnen dort vertreten gewesen seien.

134    In den Erwägungsgründen 115 bis 118 des angefochtenen Beschlusses geht die Kommission auf das Vorbringen der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Beginns ihrer Beteiligung an den Kartellen ein. Sie weist es im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Akte keine Beweise dafür enthalte, dass die Klägerinnen nicht die Absicht gehabt hätten, sich der beim Treffen vom 1. Oktober 2002 getroffenen Vereinbarung anzuschließen, oder sich davon distanziert hätten.

135    Der neunte Klagegrund bezieht sich auf die Erwägungsgründe 131 ff. des angefochtenen Beschlusses, in denen die rechtswidrigen Kontakte zwischen den Wettbewerbern im Zusammenhang mit dem AMS behandelt werden. Im 132. Erwägungsgrund stellt die Kommission fest, dass sich die Klägerinnen vom 8. April 2003 bis zum 19. August 2004 am AMS-Kartell beteiligt hätten (siehe oben, Rn. 12 und 103). In den Erwägungsgründen 139 bis 143 geht sie auf die Art der Kontakte ein, die zwischen den Spediteuren stattgefunden hätten. Diese hätten im Rahmen des FFI Informationen ausgetauscht und ihr Verhalten koordiniert, um gegenüber ihren jeweiligen Kunden einen AMS-Aufschlag durchzusetzen. In den Erwägungsgründen 144 bis 163 des angefochtenen Beschlusses legt die Kommission die das Kartell begründenden Ereignisse dar: zwischen dem 19. März 2003 und dem 19. August 2004 im Rahmen des FFI organisierte Treffen und Telefonkonferenzen sowie bestimmte interne E-Mails der Spediteure. Das Treffen der Wettbewerber vom 19. März 2003 im Rahmen des Luftfrachtausschusses des FFI, bei dem die Grundregeln der Vereinbarung festgelegt worden seien, wird den Klägerinnen nicht zur Last gelegt, da sie dabei nicht anwesend gewesen seien. Im 148. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht es dann um den als Zeitpunkt des Beginns ihrer Beteiligung angesehenen 8. April 2003, an dem in Brüssel eine Sitzung des CEO-Ausschusses stattgefunden habe. In Fn. 138 des angefochtenen Beschlusses wird festgestellt, dass die Klägerinnen bei dieser Sitzung anwesend gewesen seien. Die Kommission erläutert, dass der Vertreter des Panalpina-Konzerns dort die Ergebnisse der Sitzung des Luftfrachtausschusses vom 19. März 2003 vorgetragen habe.

136    In den Erwägungsgründen 164 und 165 des angefochtenen Beschlusses geht die Kommission auf das in der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene Vorbringen der Klägerinnen ein, sie seien über das Ergebnis der Sitzung vom 19. März 2003, bei der sie nicht anwesend gewesen seien, nicht informiert worden und hätten die Mitglieder des FFI nicht davon unterrichtet, dass sie sich der Vereinbarung anschlössen. Die Kommission führt u. a. aus, die Klägerinnen seien in der Sitzung vom 8. April 2003 informiert worden und die Tatsache, dass sie die FFI-Mitglieder nicht von ihrem Beitritt zur Vereinbarung unterrichtet hätten, sei nicht von Belang.

137    Bevor auf das Vorbringen der Klägerinnen zu dieser, die Feststellung der Dauer des NES- und des AMS-Kartells betreffenden Analyse eingegangen wird, ist zunächst kurz die Rechtsprechung zum Vorliegen und zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens sowie zur Prüfungspflicht des Gerichts zu rekapitulieren.

 Rechtsprechung zum Vorliegen und zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV sowie zur Prüfungspflicht des Gerichts

138    Erstens sind, was das Vorliegen eines Kartells angeht, nach Art. 101 Abs. 1 AEUV alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten.

139    Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg, EU:T:1991:75, Rn. 256, und vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg, EU:T:2002:70, Rn. 199).

140    Vom Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV kann ausgegangen werden, wenn hinsichtlich einer Wettbewerbsbeschränkung als solcher ein übereinstimmender Wille vorliegt, selbst wenn die einzelnen Bestandteile der beabsichtigten Beschränkung noch Gegenstand von Verhandlungen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 139 angeführt, EU:T:2002:70, Rn. 151 bis 157 und 206).

141    Bei der abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg, EU:C:1999:356, Rn. 115, und Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg, EU:C:1999:358, Rn. 158).

142    Diese Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit als Voraussetzungen einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise sind im Sinne des Grundgedankens des AEU-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Binnenmarkt betreiben will (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, EU:C:2013:796, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Art. 101 Abs. 1 AEUV steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer selbst entschlossen ist oder das er in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn diese Fühlungnahme eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (Urteil vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, Slg, EU:T:2011:284, Rn. 47; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 141 angeführt, EU:C:1999:356, Rn. 116 und 117).

144    Zweitens ist hinsichtlich der Beweisführung darauf hinzuweisen, dass die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen nach ständiger Rechtsprechung nachzuweisen hat; sie hat die Beweise beizubringen, die das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend belegen (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg, EU:C:1998:608, Rn. 58, und vom 14. Oktober 2004, Dresdner Bank/Kommission, T‑44/02, EU:T:2004:299, Rn. 59).

145    Dabei muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde (Urteile vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg, EU:C:1984:130, Rn. 20, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, EU:T:2008:255, Rn. 55). Die von ihr vorgelegten Beweise müssen somit jenseits jedes vernünftigen Zweifels den Schluss auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung erlauben (Urteil Dresdner Bank/Kommission, oben in Rn. 144 angeführt, EU:T:2004:299, Rn. 137 und 144).

146    Nicht jeder der von der Kommission beigebrachten Beweise muss jedoch notwendigerweise diesen Kriterien in Bezug auf jedes Element der Zuwiderhandlung genügen. Es genügt, dass das Bündel der von ihr angeführten Indizien bei einer Gesamtbetrachtung dieses Erfordernis erfüllt (Urteile vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, Slg, EU:C:2010:389, Rn. 47, und vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg, EU:T:2004:221, Rn. 180). Hat sich die Kommission zur Stützung ihrer Feststellung einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung oder Verhaltensweise auf schriftliche Beweise gestützt, haben die Parteien, die diese Feststellung vor dem Gericht anfechten, nicht bloß eine plausible Alternative zur Darstellung der Kommission darzutun, sondern müssen außerdem aufzeigen, dass die im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, EU:T:2004:221, Rn. 187, und Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 143 angeführt, EU:T:2011:284, Rn. 52).

147    Hinsichtlich der Beweise, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV herangezogen werden dürfen, gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteile vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg, EU:T:2004:220, Rn. 72, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, Slg, EU:T:2011:342, Rn. 64).

148    Die Indizien, die die Kommission im angefochtenen Beschluss anführt, um einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nachzuweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (Urteile vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg, EU:C:1972:70, Rn. 68, und vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg, EU:T:2008:254, Rn. 185). Verschiedene Beweise können sich deshalb gegenseitig verstärken (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:T:2004:221, Rn. 275).

149    Ferner ist rein praktisch zu bedenken, dass die Kommission das Bestehen einer Zuwiderhandlung oft unter dafür ungünstigen Voraussetzungen nachweisen muss, da seit den Vorgängen, die die Zuwiderhandlung bilden, ein Jahr oder mehrere Jahre vergangen sein können und möglicherweise mehrere von der Untersuchung betroffene Unternehmen nicht aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet haben. Wenn die Kommission somit auch notwendig nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Vereinbarung geschlossen wurde, wäre es überzogen, außerdem noch zu verlangen, dass sie den speziellen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das für eine Zuwiderhandlung verantwortlich ist, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, könnte es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen, dass die über die Funktionsweise der Vereinbarung vorgelegten Informationen zu unbestimmt sind. Solange die Unternehmen unter solchen Umständen zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können, sind sie durchaus in der Lage, sich sachgerecht zu verteidigen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:T:2004:221, Rn. 203).

150    Zu Erklärungen anderer Unternehmen ist festzustellen, dass weder eine Vorschrift noch ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts es der Kommission verbietet, sich gegenüber den Klägerinnen auf sie zu berufen. Erklärungen kann nach der Rechtsprechung sogar ein besonders hoher Beweiswert beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse des Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben wurden (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:T:2004:221, Rn. 205 bis 210, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 147 angeführt, EU:T:2011:342, Rn. 71).

151    Daraus, dass eine Person zugibt, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben, und damit Tatsachen einräumt, die über die den Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, kann nämlich a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Deshalb sind Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:T:2004:221, Rn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg, EU:T:2007:115, Rn. 166, und Lafarge/Kommission, oben in Rn. 145 angeführt, EU:T:2008:255, Rn. 59).

152    Schließlich hat die Kommission auch die Dauer der Zuwiderhandlung nachzuweisen, da es sich dabei um ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV handelt. Die in den vorstehenden Rn. 144 bis 151 genannten Grundsätze finden insoweit Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg, EU:C:2006:592, Rn. 95 und 96).

153    Die oben in den Rn. 139 bis 152 dargestellte Rechtsprechung ist auf Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens entsprechend anwendbar.

154    Drittens ist hinsichtlich der Prüfungspflicht des Gerichts darauf hinzuweisen, dass es eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen hat, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 101 AEUV erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, Slg, EU:C:1985:327, Rn. 34, und vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T‑41/96, Slg, EU:T:2000:242, Rn. 62). Die Unionsgerichte müssen insbesondere nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob sie alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse untermauern können (vgl. Urteile vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, Slg, EU:C:2014:2062, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Dresdner Bank/Kommission, oben in Rn. 144 angeführt, EU:T:2004:299, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zum Nachweis der Dauer des NES-Kartells

155    Die Klägerinnen machen geltend, der Kommission seien bei der Ermittlung der Dauer ihrer Beteiligung am NES-Kartell ein Beurteilungs- und ein Rechtsfehler unterlaufen. Sie habe als Beginn des Kartells statt des 4. November 2002 zu Unrecht das Mittagessen des GC am 1. Oktober 2002 in Staines angesetzt. Deshalb sei der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Festlegung des Beginns ihrer Beteiligung auch nicht hinreichend begründet.

156    Sie fügen hinzu, zwar sei einer ihrer Mitarbeiter bei dem Mittagessen am 1. Oktober 2002 anwesend gewesen, doch sei der DP-Konzern in der Folge darüber informiert worden, dass sie nicht beabsichtigten, einen NES-Aufschlag einzuführen, was auch aus den Erwägungsgründen 108 und 109 des angefochtenen Beschlusses hervorgehe. Insoweit sei insbesondere auf verschiedene im angefochtenen Beschluss angeführte E-Mails zu verweisen. Die Kommission räume ein, dass sie im Oktober 2002, als sie vom DP-Konzern zu einer Stellungnahme aufgefordert worden seien, klargestellt hätten, dass sie nicht beabsichtigten, den NES-Aufschlag vor Januar 2003 einzuführen. Noch am 4. November 2002 habe der Exel-Konzern Bedenken hinsichtlich ihrer Absicht gehabt, den NES-Aufschlag einzuführen. Ihr Mitarbeiter habe erst am 4. November 2002 erklärt, dass sie beabsichtigten, den Aufschlag im Laufe des Monats November 2002 einzuführen. Da die übrigen Kartellteilnehmer bis zum 4. November 2002 nichts von ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung gewusst hätten, hätten sie die Zuwiderhandlung erst ab diesem Zeitpunkt tatsächlich begangen.

157    Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Kommission widerspreche sich in den Erwägungsgründen 109 und 110 des angefochtenen Beschlusses, da sie einräume, dass ihre fehlende Absicht, einen NES-Aufschlag einzuführen, den anderen Spediteuren im Oktober 2002 bewusst gewesen sei. Es gebe also Beweise für ihre Distanzierung und ihre bis zum 4. November 2002 fehlende Absicht, sich dem Kartell anzuschließen. Außerdem hätten sie sich dem Kartell nur angesichts des Drucks anderer Spediteure angeschlossen.

158    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

159    Erstens ist festzustellen, dass sich die Kommission zum Nachweis des Beginns der Beteiligung der Klägerinnen an der NES-Zuwiderhandlung am 1. Oktober 2002, dem Tag, an dem eine Zusammenkunft des GC stattfand, auf eine ganze Reihe zwischen den Kartellteilnehmern ausgetauschter E-Mails gestützt hat. Es handelt sich dabei um schriftliche Beweise.

160    Wie sich aus dem 102. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, stützt sich die Kommission u. a. auf eine von Eagle an die Teilnehmer des Mittagessens am 1. Oktober 2002 gesandte chiffrierte E-Mail vom 10. Oktober 2002, in der die Ergebnisse der Zusammenkunft detailliert erläutert werden. Diese E-Mail beweist, dass die Klägerinnen an der Zusammenkunft teilnahmen und dass die Wettbewerber bei dem Mittagessen eine detaillierte Vereinbarung über die Einführung und die Höhe des NES-Aufschlags trafen.

161    Da die E-Mail anhand von Aufzeichnungen verfasst worden sein muss, die der Vertreter von Eagle bei der Zusammenkunft angefertigt hatte, ist ihr Beweiswert sehr hoch.

162    Zudem wird die Schlussfolgerung, dass es zwischen den Wettbewerbern eine Vereinbarung über den NES-Aufschlag gab, durch die in den Erwägungsgründen 104 bis 114 des angefochtenen Beschlusses angeführten weiteren E-Mails untermauert, die im Laufe der Monate Oktober und November 2002 zwischen den Kartellteilnehmern ausgetauscht wurden.

163    Gestützt auf diese schriftlichen Beweise konnte die Kommission daher nachweisen, dass die Klägerinnen am 1. Oktober 2002 an einer Zusammenkunft von Wettbewerbern teilnahmen, bei der eine wettbewerbswidrige Vereinbarung getroffen wurde.

164    Zweitens ergibt sich aus dieser vorläufigen Schlussfolgerung, dass die Klägerinnen, um die Heranziehung des 1. Oktober 2002 als Beginn ihrer Beteiligung am Kartell in Frage zu stellen, Indizien dafür vorbringen müssen, dass sie sich gegenüber ihren Wettbewerbern von der Vereinbarung distanzierten, oder nachweisen müssen, dass es zwischen dem 1. Oktober 2002 und dem 4. November 2002, auf den ihrer Auffassung nach abzustellen ist, an einer Kontinuität in ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung fehlte.

165    Einem Unternehmen, dessen Teilnahme an wettbewerbswidrigen Treffen konkurrierender Unternehmen erwiesen ist, obliegt es nämlich, Indizien vorzubringen, aus denen sich ergibt, dass seine Teilnahme ohne wettbewerbswidrige Einstellung erfolgte, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hatte, dass es mit einer anderen Zielsetzung als sie an den Treffen teilnahm (vgl. Urteil vom 3. Mai 2012, Comap/Kommission, C‑290/11 P, EU:C:2012:271, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

166    Damit die Teilnahme eines Unternehmens an einem solchen Treffen weder als stillschweigende Billigung einer rechtswidrigen Initiative noch als Gutheißen ihres Ergebnisses angesehen werden kann, muss sich das Unternehmen offen von der Initiative distanzieren, so dass die anderen Teilnehmer davon ausgehen, dass es seine Teilnahme beendet, oder es muss sie bei den Verwaltungsbehörden anzeigen (vgl. Urteil Comap/Kommission, oben in Rn. 165 angeführt, EU:C:2012:271, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

167    Als Element der Entlastung von der Verantwortlichkeit ist der Begriff der offenen Distanzierung restriktiv auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Februar 2012, Denki Kagaku Kogyo und Denka Chemicals/Kommission, T‑83/08, EU:T:2012:48, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

168    Folglich ist zu prüfen, ob sich die Klägerinnen nach den von ihnen angeführten Beweisen offen in einer Weise vom Kartell distanzierten, die den übrigen bei der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 anwesenden Unternehmen ihr fehlendes Einverständnis zu verstehen gab.

169    Insoweit ist festzustellen, dass sich entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder aus den Erwägungsgründen 108 und 109 des angefochtenen Beschlusses noch aus den angeführten Beweisen ergibt, dass sie sich vor dem 4. November 2002 tatsächlich von der NES-Vereinbarung distanziert hätten.

170    Wie aus dem E-Mail-Wechsel innerhalb des DP-Konzerns von Ende Oktober 2002 hervorgeht, hatte zu diesem Zeitpunkt der Vertreter der Klägerinnen bei der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 mitgeteilt, dass die Klägerinnen nicht beabsichtigten, den NES-Aufschlag vor Januar 2003 einzuführen, wobei er seine Entscheidung angesichts des Drucks anderer Spediteure aber überprüfen werde. Nach den Angaben im 109. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wurde mit dieser E-Mail des DP-Konzerns auf zuvor innerhalb dieses Konzerns ausgetauschte E-Mails reagiert, deren Verfasser davon ausgingen, dass die Klägerinnen keinen NES-Aufschlag einführen würden.

171    Die Kommission sieht in diesen Anhaltspunkten zu Recht keinen Beleg dafür, dass sich die Klägerinnen im Sinne der oben in den Rn. 165 bis 167 dargestellten Rechtsprechung von der Vereinbarung distanziert hätten.

172    Dass die Klägerinnen einem Unternehmen, das an der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 teilgenommen hatte, mitteilten, dass sie beabsichtigten, die Einführung des NES-Aufschlags hinauszuzögern, stellt nämlich keine klare, genaue oder ausdrückliche Distanzierung von der Vereinbarung dar. Daraus kann allenfalls gefolgert werden, dass die Klägerinnen nicht sicher waren, wann sie die Vereinbarung durchführen würden – was die Wettbewerber ab dem 28. Oktober 2002 tun wollten (siehe den 105. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) –, nicht aber, dass sie sich von der Vereinbarung distanziert hätten. Etwas anderes ergibt sich, wie die Kommission geltend macht, auch nicht bereits daraus, dass es bei einem Wettbewerber hinsichtlich der Frage, ob die Klägerinnen den NES-Aufschlag einführen würden, eine gewisse Unsicherheit gab.

173    Überdies ist den genannten Beweisen zu entnehmen, dass die Klägerinnen in Wirklichkeit vor dem 4. November 2002 angaben, dass sie die bei der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 getroffene Vereinbarung tatsächlich umsetzen würden.

174    Zudem wird diese Analyse entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen durch die im 110. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweise untermauert. Es handelt sich dabei u. a. um eine E-Mail von Exel vom 4. November 2002 und die Antwort des Vertreters der Klägerinnen vom selben Tag. Darin werden Bedenken hinsichtlich der Nichtumsetzung der Vereinbarung durch die Klägerinnen geäußert, woraufhin deren Vertreter erklärte, dass die Verspätung bei ihrer Umsetzung auf technische Probleme zurückzuführen sei. Die Billigung der Grundsätze der Vereinbarung durch die Klägerinnen wird durch diesen E-Mail-Wechsel eher bestätigt als entkräftet. Außerdem wird durch ihn die Behauptung widerlegt, dass die Beteiligung der Klägerinnen zwischen dem 1. Oktober 2002 und dem 4. November 2002 durch eine offene Distanzierung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung unterbrochen worden sei.

175    Folglich haben die Klägerinnen nicht den Nachweis erbracht, dass sie sich von der Vereinbarung distanziert hätten, was für die Annahme erforderlich wäre, dass ihre Beteiligung an der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 nicht beweist, dass sie sich ab diesem Zeitpunkt am Kartell beteiligten.

176    Somit hat die Kommission mit ihrer Feststellung, dass sich die Klägerinnen ab dem 1. Oktober 2002 und nicht ab dem 4. November 2002 am NES-Kartell beteiligten, weder Beurteilungs- noch Rechtsfehler begangen. Schließlich kann in Anbetracht der dem angefochtenen Beschluss entnommenen Erwägungen (siehe oben) keine Rede davon sein, dass diese Feststellung im angefochtenen Beschluss, der insoweit nicht widersprüchlich ist, rechtlich nicht hinreichend begründet wird.

177    Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum Nachweis der Dauer des AMS-Kartells

178    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe ihre Beteiligung am AMS-Kartell frühestens ab dem 21. Oktober 2003 nachgewiesen. Der angefochtene Beschluss leide, da darin insoweit auf den 8. April 2003 abgestellt worden sei, an einem Rechtsfehler und einem Begründungsmangel.

179    Sie hätten an der für die AMS-Zuwiderhandlung zentralen Zusammenkunft vom 19. März 2003 nicht teilgenommen und seien im Anschluss daran auch nicht über deren kartellrechtswidrigen Inhalt informiert worden. Die Kommission habe diese Zusammenkunft bei ihnen daher, anders als noch in den Beschwerdepunkten, zu Recht nicht berücksichtigt. Sie sei aber fälschlich der Ansicht, dass allein aus der Anwesenheit eines Vertreters von ihnen bei dem unstreitig größtenteils wettbewerbsrechtlich völlig unverfänglichen CEO-Treffen am 8. April 2003 geschlossen werden könne, dass sie sich ab diesem Zeitpunkt am Kartell beteiligt hätten. Das erste Treffen mit wettbewerbsrechtlich relevantem Inhalt unter ihrer Beteiligung habe am 21. Oktober 2003 stattgefunden.

180    Zur Stützung ihres Arguments, dass die Sitzung vom 8. April 2003 nicht als Beginn ihrer Beteiligung angesehen werden könne, machen die Klägerinnen u. a. geltend, es sei nicht erwiesen, dass der Vertreter des Panalpina-Konzerns in dieser Sitzung tatsächlich die in der Sitzung vom 19. März 2003 getroffene Vereinbarung präsentiert habe. Erst recht habe die Kommission nicht belegt, dass ihr Vertreter entsprechende Informationen zur Kenntnis genommen und ihren Inhalt verstanden habe. Die Kommission berufe sich insoweit vor dem Gericht auf bestimmte in der Erklärung [vertraulich] enthaltene Angaben, aus denen sie habe folgern können, dass die fragliche Präsentation stattgefunden habe. Das verletze, da die Klägerinnen im Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit erhalten hätten, zu der Erklärung Stellung zu nehmen, ihre Verteidigungsrechte. Im Übrigen gebe die Erklärung überhaupt nichts her, da unklar sei, ob sich [vertraulich] für die Behauptung, dass die Präsentation tatsächlich stattgefunden habe, auf eine Quelle außerhalb des bloßen Präsentationstexts berufe.

181    Ferner interpretiere die Kommission die Verteilung der Beweislast falsch, wenn sie behaupte, die Feststellung genüge, dass sie sich nicht offen von der getroffenen Vereinbarung distanziert hätten. Im vorliegenden Fall liege der Sachverhalt ähnlich wie der, um den es im Urteil vom 14. Mai 1998, Sarrió/Kommission (T‑334/94, Slg, EU:T:1998:97), gegangen sei, in dem das Gericht festgestellt habe, dass das betreffende Unternehmen nicht verpflichtet gewesen sei, sich offen vom Inhalt wettbewerbswidriger Gespräche zu distanzieren, weil ihm möglicherweise nicht bewusst gewesen sei, in welchem Zusammenhang die Erörterungen über die Preise unter seiner Beteiligung stattgefunden hätten. Die Sitzung vom 8. April 2003 sei keine Sitzung mit wettbewerbswidrigem Gegenstand gewesen. Darin sei allenfalls von einem in einer anderen Sitzung, der vom 19. März 2003, beschlossenen rechtswidrigen Kartell berichtet worden. Die Passagen der Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns in der Sitzung seien keineswegs so selbsterklärend, wie die Kommission meine. Das Gespräch über das Kartell sei zudem überraschend gewesen, da im Rahmen des FFI zuvor keine rechtswidrigen Vereinbarungen getroffen worden seien und über das AMS nicht oft oder standardmäßig gesprochen worden sei.

182    Außerdem hätten sie die wettbewerbswidrige Vereinbarung nach der Sitzung vom 8. April 2003 auch nicht anhand des Sitzungsprotokolls erkennen können.

183    Die Kommission habe überdies ihre Verteidigungsrechte verletzt, da sie erstmals im angefochtenen Beschluss, insbesondere im 149. Erwägungsgrund und in Fn. 139, auf bestimmte belastende Dokumente verwiesen habe und diese Passage in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten gewesen sei.

184    In der Erwiderung rügen die Klägerinnen im Wesentlichen, dass sich die Kommission in der Klagebeantwortung darauf berufe, dass ihnen das Protokoll der Sitzung vom 19. März 2003 vor der Sitzung vom 8. April 2003 übermittelt worden sei. Bis zu diesem Stadium des Verfahrens sei von der der Klagebeantwortung als Anlage beigefügten E-Mail, mit der das Protokoll übermittelt worden sein solle, keine Rede gewesen, so dass das entsprechende Vorbringen verspätet und irrelevant sei. Inhaltlich sei zu dem Vorbringen festzustellen, dass die Zusendung des Protokolls entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht bereits als abgestimmte Verhaltensweise angesehen werden könne.

185    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

186    Die Klägerinnen nahmen an der den Beginn des AMS-Kartells markierenden Sitzung vom 19. März 2003, bei der eine grundsätzliche Vereinbarung über die Einführung eines AMS-Aufschlags gegenüber den Kunden der Spediteure getroffen wurde, nicht teil. Wie sich aus dem 145. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, waren die Klägerinnen entschuldigt. Es ist unstreitig, dass sie bei der CEO-Sitzung vom 8. April 2003 vertreten waren. Sie wollen aber nicht gelten lassen, dass ihre Beteiligung mangels einer offenen Distanzierung in der Sitzung vom 8. April 2003, bei der es eine Präsentation der am 19. März 2003 vereinbarten Grundsätze gab, spätestens zu diesem Zeitpunkt begonnen habe.

187    Zunächst ist zu prüfen, ob den Klägerinnen, wie sie geltend machen, wegen der Art und des Ablaufs der Sitzung vom 8. April 2003 nicht vorgeworfen werden kann, sich zu diesem Zeitpunkt nicht offen distanziert zu haben. Dass sie sich bei dieser Sitzung in keiner Weise distanzierten, ist unstreitig.

188    Die Klägerinnen wollen mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen dartun, dass sich die Kommission, um von ihnen eine offene Distanzierung verlangen zu können, nicht auf die bloße Anwesenheit ihres Vertreters in der Sitzung vom 8. April 2003 berufen könne, sondern hätte nachweisen müssen, dass er an diesem Tag tatsächlich Kenntnis von der wettbewerbswidrigen AMS-Vereinbarung erlangt habe.

189    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission ihre Analyse hinsichtlich des wettbewerbswidrigen Gegenstands der Sitzung vom 8. April 2003 im angefochtenen Beschluss auf mehrere Indizien gestützt hat. Sie verfügte über die Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns und über das Sitzungsprotokoll, in dem ausdrücklich vermerkt ist, dass die Präsentation stattfand und dass Vertreter der Klägerinnen und weiterer Spediteure anwesend waren.

190    Dem einschlägigen Teil der Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns fehlt es inhaltlich nicht an Klarheit. Im Abschnitt „Maßnahmen [des FFI] hinsichtlich des erweiterten Airfreight Manifest System“ heißt es u. a., dass „[der FFI] vereinbarte, dass den Kunden die zusätzlichen Kosten berechnet werden sollten, die den Speditions- oder Logistikunternehmen mit der Einführung der zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen entstanden“, und dass „[der FFI] den Aufschlag nicht als Wettbewerbsvorteil nutzen sollte“. Wie die Kommission angibt, ist der FFI selbst nicht im Speditionsgeschäft tätig, so dass sich die Aussagen eindeutig auf die am 8. April 2003 anwesenden Verbandsmitglieder und ihr gebotenes Verhalten bezüglich der Berechnung der AMS-Kosten beziehen, nämlich hinsichtlich dieser Kosten nicht zu konkurrieren.

191    Die Kommission verfügte mithin über Indizien, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg, EU:C:2004:6, Rn. 57, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg, EU:C:2007:52, Rn. 51).

192    Keines der von den Klägerinnen vorgebrachten Argumente bietet eine andere schlüssige Erklärung für die von der Kommission festgestellten Tatsachen.

193    Die Klägerinnen machen erstens geltend, bei der betreffenden Sitzung sei keine Vereinbarung getroffen, sondern allenfalls über eine in einer früheren Sitzung getroffene Vereinbarung gesprochen worden. Die Kommission habe somit den ihr obliegenden Anfangsbeweis nicht erbracht, so dass von ihnen auf dieser Grundlage nicht verlangt werden könne, Beweise für ihre Distanzierung beizubringen.

194    Die Kommission führt aber zu Recht aus, dass eine solche Unterscheidung nicht getroffen werden kann. Wegen der Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns, mit der den anwesenden CEO der Inhalt der zu einem früheren Zeitpunkt in der Sitzung des Luftfrachtausschusses getroffenen Vereinbarung über die Fakturierung der AMS-Kosten mitgeteilt wurde, hatte die Sitzung eindeutig einen wettbewerbswidrigen Gegenstand. Nach der oben in den Rn. 165 bis 167 dargestellten Rechtsprechung genügt bereits die Anwesenheit der Klägerinnen bei einem solchen Treffen, um von ihnen zu verlangen, dass sie eine Distanzierung von dessen Inhalt nachweisen.

195    Dass den Gesprächen über den Inhalt der in der Sitzung vom 19. März 2003 getroffenen Vereinbarung in der betreffenden Präsentation, die sich auch auf eine ganze Reihe weiterer, nicht wettbewerbswidriger Themen erstreckte, nur einige Folien gewidmet waren, ist nicht von Belang. Denn es fehlt dem betreffenden Teil der Präsentation, wie bereits oben in Rn. 190 ausgeführt, inhaltlich hinsichtlich seines wettbewerbswidrigen Gegenstands nicht an Klarheit.

196    Zweitens überzeugt auch nicht das Vorbringen der Klägerinnen, es sei nicht erwiesen, dass der betreffende Teil der Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns in der Sitzung tatsächlich vorgetragen worden sei. Abgesehen davon, dass keiner der übrigen Adressaten des angefochtenen Beschlusses behauptet hat, die Präsentation sei nicht gehalten worden, legen die Klägerinnen die Regeln über die Beweislast nicht richtig aus, wenn sie geltend machen, dass die Kommission, da sie entsprechende Zweifel geäußert hätten, wie sich aus Rn. 173 des angefochtenen Beschlusses ergebe, zusätzliche Untersuchungen hätte durchführen müssen, um nachzuweisen, dass der die wettbewerbswidrige Vereinbarung betreffende Teil der Präsentation in der Sitzung vom 8. April 2003 tatsächlich vorgetragen worden sei.

197    Nach der oben in den Rn. 146 und 191 dargestellten Rechtsprechung war es in Anbetracht des Indizienbündels, über das die Kommission hinsichtlich der Beteiligung der Klägerinnen an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand verfügte, Sache der Klägerinnen, zumindest eine plausible alternative Erklärung der erwiesenen Tatsachen darzutun. Ein bloßer von ihnen geäußerter Zweifel genügt insoweit aber nicht, um die Beweislast umzukehren. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen, dass ihr Vertreter während des betreffenden Teils der Sitzung nicht anwesend war. Die Angabe im 174. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Präsentation an die Parteien verteilt worden sei, wird von den Klägerinnen im Übrigen nicht in Frage gestellt.

198    Drittens können die Klägerinnen nicht glaubhaft vorbringen, dass ihr Vertreter möglicherweise nicht auf die Einzelheiten der Präsentation des Vertreters des Panalpina-Konzerns geachtet oder, obwohl der betreffende Teil der Präsentation tatsächlich vorgetragen worden sei, dessen Tragweite nicht erfasst habe.

199    Wie die Kommission ausführt, wurde die Sitzung vom 8. April 2003 nach ihrem Protokoll vom Vertreter der Klägerinnen als Präsident des FFI geleitet. Außerdem ging der wettbewerbswidrige Charakter der Vereinbarung über die AMS-Aufschläge aus der streitigen Präsentation klar hervor (siehe oben, Rn. 190). Diese war inhaltlich so ausführlich, dass sie auch ohne weitere Klärung zu verstehen war, wie die Kommission im 174. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausführt.

200    Viertens vermag auch die von den Klägerinnen geltend gemachte Parallele zu dem Sachverhalt, um den es im Urteil Sarrió/Kommission (oben in Rn. 181 angeführt, EU:T:1998:97) ging, die Auffassung der Kommission nicht zu entkräften, dass die Klägerinnen ihre offene Distanzierung in der Sitzung vom 8. April 2003 hätten nachweisen müssen. Die Klägerinnen berufen sich insbesondere auf Rn. 211 dieses Urteils, in der das Gericht ausgeführt hat, dass die Beteiligung der Gesellschaft Prat Carton an einem Treffen, bei dem Gespräche über die Preise geführt wurden, nicht genügte, um ihre Beteiligung am Kartell nachzuweisen, so dass ihr das Fehlen einer offenen Distanzierung nicht vorgeworfen werden konnte. Rn. 211 lautet:

„In Anbetracht dieser Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem oder den Vertreter(n) von Prat Carton bei der Sitzung der [Wirtschaftlichen Kommission] vom 3. Oktober 1989 nicht bewusst war, in welchem Zusammenhang die Erörterungen über die Preise stattfanden. Zudem fehlen Beweise für ihr Preisverhalten auf dem Markt im fraglichen Zeitraum, so dass es möglich ist, dass Prat Carton der Meinung war, dass die Erörterungen ihre individuelle Situation nicht betrafen. Da der Inhalt der Sitzung der [Wirtschaftlichen Kommission] vom 3. Oktober 1989 für Prat Carton Ausnahmecharakter gehabt haben mag, kann diesem Unternehmen folglich nicht vorgeworfen werden, sich vom Inhalt der Erörterungen auf dieser Sitzung nicht offen distanziert zu haben.“

201    Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch in mehrerer Hinsicht von dem von Prat Carton, um den es im Urteil Sarrió/Kommission (oben in Rn. 181 angeführt, EU:T:1998:97) ging. Wie die Kommission geltend macht, konnten die Klägerinnen verständigerweise nicht annehmen, dass die Gespräche über die AMS-Vereinbarung ihre individuelle Situation nicht betrafen und Ausnahmecharakter hatten, wie es das Gericht bei Prat Carton annahm. Im Fall dieser Gesellschaft betrafen die Gespräche, denen Ausnahmecharakter beigemessen wurde, ein Produkt, das für sie von geringer Bedeutung war – sie stellte zu 80 % ein anderes als das Produkt her, über das bei dem fraglichen Treffen gesprochen wurde –, das Treffen, bei dem in ihrer Abwesenheit die Einzelheiten der Preisabsprache festgelegt worden waren, lag mehr als acht Monate zurück, und das Treffen, an dem sie teilnahm, betraf die Reaktionen der Kunden auf die Preiserhöhung für Oktober 1989, die Gegenstand geheimer Absprachen gewesen war, an denen sie sich nicht beteiligt hatte. Die Vereinbarung über die Einführung eines AMS-Zuschlags, um die es im vorliegenden Fall geht, lag aber nur sehr kurze Zeit zurück und betraf ein künftiges Verhalten der Spediteure. Zudem geht aus den Akten hervor, dass bei den Zusammenkünften des FFI regelmäßig über die AMS-Fragen gesprochen wurde, auch wenn es, wie die Klägerinnen geltend machen und die Kommission einräumt, im Allgemeinen um wettbewerbsrechtlich unbedenkliche technische Aspekte ging.

202    Die Klägerinnen können schließlich auch mit ihrem Vorbringen, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte verletzt, indem sie sich im 149. Erwägungsgrund und in Fn. 139 des angefochtenen Beschlusses auf belastende Dokumente berufen habe, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht ausdrücklich genannt worden seien, nicht durchdringen. Es geht dabei um eine Passage der Erklärung [vertraulich] und um die Auslegung der am 19. März 2003 getroffenen Vereinbarung, die durch diese Erklärung bestätigt werden soll. Im 149. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission diese Vereinbarung aber lediglich interpretiert. Ihr Inhalt ging bereits aus dem Protokoll der betreffenden Sitzung hervor, zu dem die Klägerinnen Zugang hatten und auf dessen Inhalt im 146. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses eingegangen wird. Das Vorbringen der Klägerinnen ist also zurückzuweisen.

203    Somit ist festzustellen, dass die Kommission, da die Klägerinnen am 8. April 2003 bei einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand anwesend waren, keinen Fehler begangen hat, als sie feststellte, dass es den Klägerinnen oblegen habe, sich zu diesem Zeitpunkt offen vom AMS-Kartell zu distanzieren, was sie nicht taten. Die Kommission durfte daher auf diesen Zeitpunkt als Beginn der Beteiligung der Klägerinnen an den Kartellen abstellen. Dies war entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen auch rechtlich hinreichend begründet, da die von der Kommission herangezogenen Indizien und die daraus in Bezug auf die Klägerinnen gezogenen Schlussfolgerungen klar aus den Erwägungsgründen 148, 149, 164, 165, 173 und 174 des angefochtenen Beschlusses hervorgehen.

204    Folglich ist auch der neunte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zu den Beurteilungsfehlern bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen für das NES-Kartell (vierter Klagegrund), das AMS-Kartell (zehnter Klagegrund), das CAF‑Kartell (dreizehnter Klagegrund) und das PSS-Kartell (sechzehnter Klagegrund) und zur behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Höhe dieser Geldbußen (fünfter, elfter, vierzehnter und siebzehnter Klagegrund)

205    Diese Klagegründe beziehen sich auf den Teil des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission die Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen festgesetzt hat.

206    Die Kommission hat dabei die in den Leitlinien von 2006 vorgesehene Standardmethode angewandt. Sie hat insbesondere angenommen, dass gemäß Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen die von den Klägerinnen auf den vom NES-, AMS-, CAF‑ und PSS-Kartell betroffenen Routen mit Speditionsdiensten für EWR-Kunden erzielten Umsätze heranzuziehen seien und dass Schwerefaktoren und ein Aufschlag zur Gewährleistung einer abschreckenden Wirkung anzuwenden seien. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, dass sich die Klägerinnen nicht auf mildernde Umstände berufen könnten.

207    Die Klägerinnen meinen, die Festsetzung der Höhe der gegen sie wegen der vier Kartelle verhängten Geldbußen (siehe oben, Rn. 11 bis 14) sei mit mehreren Fehlern behaftet und habe zu unverhältnismäßigen und gegen Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßenden Geldbußen geführt.

208    Nach Art. 49 Abs. 3 der Charta der Grundrechte darf das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein, und nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

209    Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit der Strafe im Hinblick auf die Zuwiderhandlung gebieten, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung des Wettbewerbsrechts der Union – stehen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere in angemessenem Verhältnis zur Zuwiderhandlung steht. Insbesondere bedeutet dies, dass die Kommission die Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei in schlüssiger und objektiv gerechtfertigter Weise heranziehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2014, Sasol u. a./Kommission, T‑541/08, Slg, EU:T:2014:628, Rn. 316).

210    Überdies hat die Kommission bei der Analyse der Schwere einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, die sich je nach der Art und den besonderen Umständen der Zuwiderhandlung im Charakter und in der Bedeutung unterscheiden. Zu diesen Faktoren können je nach Fall die Menge und der Wert der von der Zuwiderhandlung erfassten Waren sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluss gehören, den es auf den Markt ausüben konnte (Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg, EU:C:1983:158, Rn. 121, vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg, EU:C:2009:505, Rn. 96, und KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, EU:C:2011:816, Rn. 58 und 59).

211    Speziell zur Menge und zum Wert der von der Zuwiderhandlung erfassten Waren hat das Gericht bereits festgestellt, dass der Umsatz eines Unternehmens oder eines Marktes zwar unbestreitbar als Beurteilungskriterium für die Schwere der Zuwiderhandlung zwangsläufig vage und unvollkommen ist, doch trotz seines Näherungscharakters gegenwärtig sowohl vom Unionsgesetzgeber als auch von der Kommission und vom Gerichtshof als angemessenes Kriterium angesehen wird, um im Rahmen des Wettbewerbsrechts die Größe und die Wirtschaftskraft der betreffenden Unternehmen zu beurteilen (Urteil vom 6. Mai 2009, KME Germany u. a./Kommission, T‑127/04, Slg, EU:T:2009:142, Rn. 93).

212    Der Teil des Gesamtumsatzes, der aus dem Verkauf der von der Zuwiderhandlung erfassten Produkte stammt, ist nämlich am besten geeignet, die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung wiederzugeben.

213    Diese Grundsätze werden in den Leitlinien von 2006 aufgegriffen, die eine Standardmethode für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen vorsehen. In Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 heißt es: „Die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit [dessen] Dauer stellt eine Formel dar, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt.“

214    Dementsprechend sehen die Leitlinien von 2006 vor, dass die Kommission in einem ersten Schritt den Grundbetrag der Geldbuße festsetzt. Dabei ermittelt sie gemäß Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 den Wert der von dem betreffenden Unternehmen in einem bestimmten Geschäftsjahr auf dem relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Auf diesen Umsatz wendet sie in Form eines bestimmten Prozentsatzes, der sich nach der Schwere des Verstoßes richtet, einen Schwerefaktor an und multipliziert das Ergebnis mit der Zahl der Jahre der Zuwiderhandlung. Bei horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen fügt sie einen Zusatzbetrag hinzu. In einem zweiten Schritt berücksichtigt sie erschwerende oder mildernde Umstände aufgrund weiterer die Schwere der Zuwiderhandlung betreffender Erwägungen.

215    Die Kommission hat durch den Erlass der Leitlinien von 2006 die Ausübung ihres Ermessens beschränkt. Sie kann daher nicht ohne Rechtfertigung von der darin vorgesehenen Methode abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg, EU:C:2005:408, Rn. 211).

216    Das Vorbringen der Klägerinnen ist nach Maßgabe dieser Grundsätze und dieser Rechtsprechung zu beurteilen.

217    Das Vorbringen der Klägerinnen betrifft im Wesentlichen drei Aspekte der Analyse der Kommission. Erstens machen sie geltend, der Kommission seien bei der Ermittlung der mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehenden Umsätze Beurteilungsfehler unterlaufen, und diese Umsätze seien unverhältnismäßig. Zweitens lassen sich bestimmte von den Klägerinnen im Rahmen der Klagegründe zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemachte Argumente dahin verstehen, dass mit ihnen die bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen auf die Umsätze angewandten Schwerefaktoren beanstandet werden. Drittens rügen die Klägerinnen die Nichtberücksichtigung bestimmter mildernder Umstände.

 Zu dem Vorbringen, die Umsätze seien bei den vier Kartellen nicht richtig ermittelt worden und seien unverhältnismäßig

218    Die betreffenden Rügen beziehen sich auf die Analyse der Kommission in den Erwägungsgründen 857 bis 890 des angefochtenen Beschlusses, wonach bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße gemäß Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 der Umsatz zugrunde zu legen gewesen sei, den die Klägerinnen auf den vom NES-, AMS-, CAF‑ und PSS-Kartell betroffenen Routen mit Speditionsdiensten für EWR-Kunden erzielt hätten.

219    Die Klägerinnen machen hinsichtlich der vier Kartelle geltend, der Kommission seien Beurteilungsfehler unterlaufen, und sie habe gegen Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verstoßen, da die bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbußen zugrunde gelegten Umsätze, anders als diese Vorschrift verlange, nicht in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stünden. In Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 werde aber auf die auf dem relevanten Markt erzielten Umsätze abgestellt, so dass die Marktabgrenzung eine entscheidende Rolle spiele.

220    Im Einzelnen tragen die Klägerinnen mehrere Argumente zur Stützung ihres Vorbringens vor, dass die Kommission die Höhe der Geldbuße allein anhand der mit den einzelnen Aufschlägen erzielten Umsätze hätte berechnen müssen.

221    Sie wiederholen zunächst ihre Argumente, mit denen sie geltend machen, die Dienstleistungen, auf die sich die Kartelle konkret bezogen hätten, hätten singulären Charakter. Speziell beim NES und beim AMS machen sie geltend, der Aufschlag betreffe eine eigenständige, von der Beförderungsleistung unabhängige Dienstleistung, die nicht nur von Transportunternehmen, sondern auch von unabhängigen Dritten wie Customs clearance agents oder Brokern am Markt angeboten werde. Die Eigenständigkeit der NES- und der AMS-Dienstleistungen werde auch daran deutlich, dass sie sowohl extern, in Rechnungen, als auch intern als separater Posten ausgewiesen bzw. mit einem eigenen Code erfasst würden, so dass sie nicht Bestandteil der „Airfreight“ seien. Da die Dienstleistungen isoliert voneinander angeboten, kalkuliert und abgerechnet würden, liege auch kein mittelbarer Zusammenhang mit der Luftbeförderungsleistung vor, der es rechtfertigen könnte, mit dieser Dienstleistung erzielte Umsätze bei der Anwendung von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 einzubeziehen.

222    Sodann machen die Klägerinnen insbesondere zum NES und zum AMS geltend, der Aufschlag werde für jede Sendung als Fixbetrag erhoben, so dass seine Höhe nicht vom Umfang oder Preis des betreffenden Speditionsdienstes abhänge (z. B. in Form eines Prozentsatzes der Luftfracht). Die Geldbuße falle daher bei einem Unternehmen, das mit einer kleineren Zahl von Transportvorgängen mit höherem Wert einen hohen Gesamtumsatz erziele, höher aus als bei Unternehmen mit mehr Aufträgen geringeren Werts.

223    Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Kommission sei im vorliegenden Fall von ihrer früheren Entscheidungspraxis, insbesondere in den Sachen IV/35.814 und COMP/39.234 – Legierungszuschlag, abgewichen.

224    Zudem hätten bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Fremdumsätze der Fluggesellschaften außer Betracht bleiben müssen, bei denen sie lediglich als Vermittler aufgetreten seien und die betreffenden Beträge für die Fluggesellschaften vereinnahmt hätten, zumal es hinsichtlich dieser Beträge keine Absprachen gegeben habe und andere Kartellbehörden diesen Umstand berücksichtigt hätten. Überdies gehe die von der Kommission zu den Kosten diverser Ausgangsstoffe und Zulieferungen gezogene Parallele fehl, weil sich im vorliegenden Fall anders als bei einem normalen Produktionsprozess die Kosten der Beförderungsleistungen von den Kosten der speziellen Dienstleistung des Spediteurs abgrenzen ließen. Zurückzuweisen sei auch die Analyse der Kommission in der Klagebeantwortung, wonach die Spediteure ein eigenes finanzielles Risiko trügen und deshalb nicht lediglich als Vermittler anzusehen seien. Diese Analyse hänge völlig in der Luft, so dass der angefochtene Beschluss insoweit an einem Begründungsmangel leide. Der von ihnen zu dieser Frage vertretene Standpunkt werde im Übrigen durch die im Bereich der Fusionskontrolle anerkannten Grundsätze bestätigt. Dort werde bei der Berechnung des Umsatzes eines Vermittlers lediglich dessen Provision herangezogen.

225    Beim CAF‑ und beim PSS-Kartell verweisen die Klägerinnen allgemein auf das oben dargestellte Vorbringen zum NES und zum AMS, wobei sie betonen, dass der von der Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße zugrunde gelegte Umsatz mit der Zuwiderhandlung nicht in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehe, weil nicht ausschließlich auf die mit den betreffenden Aufschlägen erzielten Umsätze abgestellt worden sei.

226    Schließlich machen die Klägerinnen geltend, der zugrunde gelegte Umsatz sei unverhältnismäßig, da mit den Speditionsdiensten geringe Margen erzielt würden und der Umsatz der Spediteure fast ausschließlich Fremdumsatz der Fluggesellschaften sei. In diesem Zusammenhang legen sie Zahlen zu dem sehr geringen Umsatz vor, den sie unmittelbar mit den Aufschlägen bei europäischen Kunden erzielt hätten. Er habe 2004 beim NES 228 000 Euro und beim AMS 25 650 Euro betragen. Mit dem CAF‑Aufschlag, den sie nur bei zwei Kunden angewandt hätten, hätten sie 2005 einen Umsatz von 48 000 Euro, wovon nur 6 000 Euro auf europäische Kunden entfielen, erzielt und 2006 überhaupt keinen Umsatz. Mit dem PSS-Aufschlag hätten sie 2006 lediglich einen Umsatz von 11 900 Euro erzielt, wovon 1 700 Euro auf europäische Kunden entfielen.

227    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.

228    Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, ist in Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 der auf dem relevanten Markt erzielte Umsatz gemeint (Urteil vom 16. Juni 2011, Team Relocations u. a./Kommission, T‑204/08 und T‑212/08, Slg, EU:T:2011:286, Rn. 63). Dieser Begriff kann nicht so weit ausgedehnt werden, dass er die vom betreffenden Unternehmen erzielten Umsätze umfasst, die nicht von dem ihm zur Last gelegten Kartell erfasst werden (Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, EU:C:2013:464, Rn. 73 bis 78).

229    Nach der Analyse der Kommission, die im Rahmen der oben in den Rn. 35 bis 52 vorgenommenen Vorprüfung bestätigt worden ist, bezogen sich das NES-, das AMS-, das CAF‑ und das PSS-Kartell aber auf den Markt der Speditionsdienste, der alle Dienstleistungen umfasst, die für die Versendung eines Gutes erforderlich sind. Überdies ist im Rahmen dieser Vorprüfung das oben in Rn. 221 dargestellte Vorbringen der Klägerinnen, die NES- und AMS-Dienstleistungen hätten eigenständigen Charakter gehabt, seien auch von unabhängigen Dritten erbracht worden und seien ebenso wie die Aufschläge, auf die sich das CAF‑ und das PSS-Kartell bezogen hätten, gesondert in der Buchführung ausgewiesen und in Rechnung gestellt worden, bereits geprüft und zurückgewiesen worden. Es entkräftet nicht die Feststellung der Kommission, dass es eine spezifische Nachfrage nach Speditionsdiensten als Dienstleistungspaket gibt und dass sich die fraglichen Kartelle darauf bezogen, da durch sie der Wettbewerb zwischen den auf dem entsprechenden Markt agierenden Spediteuren beschränkt wurde.

230    Dass die Kommission auf der Grundlage dieser Feststellung bei den Umsätzen, die von den den Klägerinnen zur Last gelegten Kartellen erfasst wurden, auf den Gesamtpreis abgestellt hat, den die Spediteure ihren Kunden auf den betroffenen Routen in Rechnung stellten, und es nicht für erforderlich erachtete, die Preise der verschiedenen Dienstleistungen, aus denen sich die Speditionsdienste zusammensetzten, zu unterscheiden oder abzuziehen, ist mithin nicht zu beanstanden.

231    Diese Analyse hält auch der Prüfung der übrigen Argumente der Klägerinnen stand.

232    Erstens macht die Kommission zu dem Umstand, dass der NES- und der AMS-Aufschlag als Pauschale berechnet werden, so dass durch die auf dem Gesamtumsatz beruhende Berechnungsmethode Spediteure, die wenige Versendungen von Gütern mit hohem Wert durchführen, gegenüber Unternehmen benachteiligt werden, die ihren Umsatz mit vielen Transaktionen von geringerem Wert erzielen, zu Recht geltend, dass dies eine logische Konsequenz daraus ist, dass nach den Leitlinien von 2006 für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen nicht der Kartellmehrerlös, sondern der Umsatz maßgebend ist (siehe oben, Rn. 211).

233    Zweitens berufen sich die Klägerinnen hinsichtlich des abweichenden Ansatzes, der in den oben in Rn. 223 erwähnten Sachen verfolgt worden sein soll, insbesondere auf Rn. 108 des Urteils vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission (T‑45/98 und T‑47/98, Slg, EU:T:2001:288), aus der sich ergeben soll, dass in dieser Rechtssache bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße allein der betreffende Aufschlag zugrunde gelegt worden sei und nicht der Gesamtpreis der vom Aufschlag betroffenen Produkte.

234    Die Klägerinnen können mit diesem Vorbringen nicht durchdringen.

235    Zwar bezog sich die Zuwiderhandlung in den genannten Sachen auf die bei der Berechnung der Aufschläge für rostfreien Stahl herangezogenen Referenzwerte. Weder aus dem Urteil des Gerichts noch aus der Entscheidung der Kommission lässt sich aber ableiten, dass bei der Ermittlung des Werts der verkauften Waren oder Dienstleistungen, die im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang standen, allein der Betrag des Aufschlags zugrunde gelegt werden durfte. Denn zum einen hatte die Kommission nicht die Leitlinien von 2006 angewandt, sondern die zuvor geltenden Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), die eine andere Methode vorsahen und nach denen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen nicht vom Wert der von dem betreffenden Unternehmen verkauften, mit der Zuwiderhandlung in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehenden Waren oder Dienstleistungen ausgegangen wurde. Zum anderen ist zu Rn. 108 des genannten Urteils, auf die die Klägerinnen ihre Argumentation stützen, festzustellen, dass sie zu einem Teil der Begründung gehört, in dem das Gericht lediglich die Begründetheit einer Rüge prüfte, mit der geltend gemacht wurde, die Kommission habe die Modalitäten des betreffenden Kartells verkannt und dadurch einen offenkundigen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gibt Rn. 108 des genannten Urteils deshalb für die Anwendung von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 nichts her.

236    Drittens ist das Vorbringen der Klägerinnen zu der von der Kommission in den Erwägungsgründen 878 und 879 des angefochtenen Beschlusses vorgenommenen Analyse zu prüfen. Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Annahme, dass Spediteure, wenn sie als Vermittler für Frachtführer agierten, dennoch ein eigenes finanzielles Risiko trügen, hänge völlig in der Luft. Überdies agierten sie selbst überwiegend als Vermittler der Luftfahrtunternehmen, für deren Rechnung sie die Beträge für die Beförderungsleistung vereinnahmten. Diese müssten daher außer Betracht bleiben.

237    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 878 und 879 des angefochtenen Beschlusses aus bestimmten Erläuterungen von Spediteuren ableitet, dass in der Branche das Konsolidierungsmodell bei Weitem vorherrschend sei und dass es dem Geschäftsmodell der Spediteure zugrunde liege.

238    Wie die Kommission im 878. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, werden die für die Erbringung der Speditionsdienste erforderlichen Dienstleistungen nach diesem Modell von den Spediteuren vorfinanziert oder vorab auf Großhandelsebene von Dritten gekauft, wobei die Spediteure, indem sie die Güter ihrer Kunden durch Konsolidierung in hinsichtlich des Gewichts und der Maße optimierte Ladungen umgruppieren, in der Lage sind, Skalenvorteile zu erzielen und die Kapazitäten effizienter zu nutzen, als es einer ihrer Kunden hätte tun können, wenn er versucht hätte, Luftbeförderungsleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen unmittelbar bei einem Luftverkehrs-, Umschlags- oder Lagerunternehmen zu erwerben.

239    Die Kommission hat jedoch im 879. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass die Spediteure auch dann, wenn sie das Input Dritter nicht umwandelten, Mehrwertdienste gegen Zahlung einer mit den beim Konsolidierungsmodell erzielten Margen vergleichbaren Provision erbrächten, insbesondere wenn sie als Vermittler für dritte Dienstleistungserbringer agierten. Gebe der Spediteur die ihm entstehenden Kosten Dritter an seine Kunden weiter, so trage er im Zusammenhang mit diesen Kosten das finanzielle Risiko, so dass es nicht gerechtfertigt sei, sie bei der Berechnung des Betrags der Geldbußen nicht zu berücksichtigen. Erhalte der Spediteur vom Auftraggeber hingegen lediglich die Provision und stelle den Preis der Drittdienstleistung nicht im Namen ihres Erbringers in Rechnung, gehöre natürlich nur der Betrag der Provision zum Umsatz des Spediteurs.

240    Auf eine schriftliche Frage des Gerichts, mit der die Klägerinnen aufgefordert wurden, ihr gegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Analyse der Kommission gerichtetes Vorbringen zu erläutern, haben sie im Wesentlichen geantwortet, dass ihr Geschäftsmodell zu etwa 90 % auf dem Modell der klassischen Vermittlung und nicht auf dem der Konsolidierung beruhe und dass sie, wenn sie als klassische Vermittler agierten, die Anfrage eines Kunden, der ein Gut befördern lassen wolle, als bloßer Vermittler mit dem Angebot eines Frachtführers zusammenführten, ohne hinsichtlich der Beförderungskosten irgendein wirtschaftliches Risiko zu tragen. Sie haben insoweit einige Beispiele von Luftfrachtbriefen („airway bills“) vorgelegt, in denen sie als Vermittler des Frachtführers („carrier’s agent“) bezeichnet werden. Sie haben ferner darauf hingewiesen, dass sie in bestimmten Fällen bei bestimmten Frachtführern im Vorhinein einen gewissen Bedarf anmeldeten. Würden solche Kapazitäten von keinem Kunden angefragt, müssten sie sie aber nicht bezahlen. Nur wenn die Kapazitäten in Anspruch genommen würden, würden sie dem betreffenden Kunden in Rechnung gestellt.

241    Die Klägerinnen räumen ein, dass sich ihr Geschäftsmodell möglicherweise von dem auf dem Markt vorherrschenden unterscheide. Sie meinen aber, dass die Kommission ihre Analyse hinsichtlich der Rolle des wirtschaftlichen Risikos jedenfalls eingehender hätte begründen bzw. Ermittlungen hätte durchführen müssen. Da die Kommission dies nicht getan habe, könnten deren Feststellungen für sie nicht gelten.

242    Die Berechnungsmethode der Kommission, die darin besteht, die Kosten der Beförderungsleistungen, soweit sie im Umsatz der Klägerinnen enthalten sind, in die mit den Zuwiderhandlungen in Zusammenhang stehenden Umsätze einzubeziehen, wird durch dieses Vorbringen jedoch nicht in Frage stellt.

243    Völlig unproblematisch ist dabei der Fall, dass die Klägerinnen keine Beförderungskosten auf ihre Kunden abwälzen, sondern lediglich vom Frachtführer eine Provision erhalten. In einem solchen Fall taucht in ihrem Umsatz nämlich allein der Betrag der Provision auf.

244    Wälzen die Klägerinnen hingegen die Beförderungsentgelte, die sie selbst an Dritte zahlen mussten oder müssen, auf ihre Kunden ab, ist die Übernahme des Risikos nicht das einzige Kriterium, das bei der Ermittlung der Umsätze, auf die sich die ihnen zur Last gelegten Kartelle beziehen, zu berücksichtigen ist.

245    Wenn die Klägerinnen nämlich – was sie nicht bestreiten – unter ihrer Firma pauschal eine Komplettlösung anbieten, die die Beförderung als solche mit mehreren weiteren Dienstleistungen wie den NES-Lagerdienstleistungen oder den Dienstleistungen im Zusammenhang mit den AMS-Verwaltungsformalitäten kombiniert, ist Gegenstand des Wettbewerbs der Gesamtpreis für alle diese Dienstleistungen. Er wird bereits durch Vereinbarungen beeinträchtigt, die lediglich Bestandteile der Komplettlösung betreffen.

246    Überdies besteht in vielen Branchen für Handelsunternehmen das Risiko, bestimmte auf vorgelagerten Märkten gekaufte Waren oder Dienstleistungen auf nachgelagerten Märkten nicht verwerten zu können, was zu verschiedenen Modellen von Vereinbarungen mit den Lieferanten zur Minimierung des mit ihren Kosten verbundenen finanziellen Risikos führen kann. Wäre eine solche Risikoübernahme auf vorgelagerten Märkten aber ein Kriterium für die Berechnung des Umsatzes, müsste der Wert verarbeiteter Ausgangsstoffe – auch in der verarbeitenden Industrie – oft zumindest teilweise abgezogen werden.

247    Nach der Rechtsprechung werden die Materialkosten aber auch nicht teilweise vom Umsatz abgezogen. Es gibt nämlich in allen Industriezweigen Kosten des Endprodukts, die der Hersteller nicht beherrschen kann, die aber gleichwohl einen wesentlichen Bestandteil seiner gesamten Tätigkeit bilden. Die Kosten der Inputs, die in den Preisen der verkauften Waren und Dienstleistungen enthalten sind, sind also, auch wenn sie einen bedeutenden Teil des Umsatzes ausmachen, nicht vom Umsatz abzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteile KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, EU:C:2011:816, Rn. 53, und KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 211 angeführt, EU:T:2009:142, Rn. 91). Zwar betrifft diese Rechtsprechung eine Rechtssache, in der die Leitlinien von 2006 noch nicht anwendbar waren. Sie muss aber auch auf diese Anwendung finden, denn die ihr zugrunde liegenden Erwägungen betreffen allgemein die Heranziehung des Umsatzes bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen. Danach stellt der Umsatz ein objektives Kriterium dar, das eine enge Verbindung mit der betreffenden Zuwiderhandlung aufweist (Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, Slg, EU:C:2014:272, Nr. 59).

248    Dasselbe muss für die Kosten der von den Klägerinnen gekauften Beförderungsleistungen gelten, soweit sie in dem von den Klägerinnen mit Speditionsdiensten erzielten Umsatz enthalten sind.

249    Wie die Kommission in ihrer Stellungnahme zur Antwort der Klägerinnen auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend macht, könnte etwas anderes allenfalls gelten, wenn das am Kartell beteiligte Unternehmen gegenüber dem Geschäftspartner ausschließlich für Rechnung eines anderen Spediteurs aufträte, ohne die Kosten der Beförderungsleistung selbst zu tragen und sie mit anderen Leistungen zu koppeln. Nur in einem solchen Fall könnte die mangelnde Risikotragung als ein Faktor angesehen werden, der zu rechtfertigen vermag, dass der Umsatz auf der Grundlage der Provisionsumsätze des Vermittlers berechnet wird. In einem solchen Fall wird der Wert der Dienstleistungen in der Regel aber schon nicht in dem von der Kommission herangezogenen relevanten Umsatz mit Speditionsdiensten auftauchen. Es würde sich eher um den oben in Rn. 243 angesprochenen Fall handeln, der auch im 879. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses beschrieben wird.

250    Wie die Kommission zu Recht ausführt, ist dem Vorbringen der Klägerinnen nicht zu entnehmen, dass sie ausschließlich auf Rechnung anderer handeln. Wie die Kommission geltend macht, spricht nämlich das Vorbringen der Klägerinnen, sie reservierten für eine Vielzahl potenzieller Kunden Kapazitäten, die bei fehlender Inanspruchnahme nicht bezahlt werden müssten, gegen eine wie auch immer geartete Vermittlerrolle der Klägerinnen, da gerade nicht Kapazitäten zur Deckung des Bedarfs spezifischer Kunden reserviert werden, sondern Kapazitäten zur Deckung eines Pauschalbedarfs, der nach Erfahrungswerten geschätzt wird – ähnlich wie in der verarbeitenden Industrie Inputprodukte auf Vorrat bestellt werden, um einer prognostizierten Nachfrage nachzukommen. Was die vorgelegten Beispiele von Luftfrachtbriefen angeht, bei denen die Klägerinnen nach ihren Angaben Transportkapazitäten für bestimmte Kunden nachgefragt hatten, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass dies keinen Nachweis dafür darstellt, dass die Klägerinnen im Außenverhältnis gegenüber diesen Kunden lediglich als Vermittler für Rechnung des Frachtführers auftraten, ohne diese Art von Dienstleistungen in ein eigenes, umfassenderes Angebot von Speditionsdiensten zu integrieren.

251    Überdies ist zu dem Umstand, dass sich hier, anders als es in der verarbeitenden Industrie der Fall sein mag, die Beförderungskosten von den Kosten der speziellen Dienstleistungen der Spediteure abgrenzen lassen, festzustellen, dass es, wie die Kommission im 877. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, nicht erforderlich ist, den Wert der verkauften Waren und Dienstleistungen statt auf der Grundlage des Umsatzes auf der Grundlage des in den Büchern der Spediteure ausgewiesenen Bruttogewinns festzusetzen. Zwar handelt es sich dabei um einen Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerinnen und des Umfangs des von ihnen geschaffenen Mehrwerts, doch sind diese an die Rentabilität anknüpfenden Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen nicht von Belang.

252    Schließlich ist festzustellen, dass diese Analyse entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen auch nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass bei der Ermittlung des Umsatzes eines Vermittlers im Bereich der Fusionskontrolle unter bestimmten Umständen nur dessen Provisionen zugrunde gelegt werden. Wie die Kommission im 882. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausführt, soll ihre Konsolidierte Mitteilung zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung: ABl. 2009, C 43, S. 10), auf die sich die Klägerinnen berufen, nämlich als Orientierungshilfe für Zuständigkeitsfragen in Fusionskontrollsachen dienen. Folglich bindet sie die Kommission nicht hinsichtlich der bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen in Kartellsachen anzuwendenden Methode, mit der eigene Zwecke verfolgt werden und insbesondere, wie sich aus der oben in Rn. 228 dargestellten Rechtsprechung ergibt, die mit dem geahndeten Kartell in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehenden Umsätze beurteilt werden sollen.

253    In Anbetracht der vorstehenden Analyse, die zu großen Teilen auf den Erläuterungen der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in den Erwägungsgründen 872 bis 882, fußt, kann keine Rede davon sein, dass die Kommission ihre Vorgehensweise, die Beförderungskosten bei der Ermittlung des Umsatzes der Klägerinnen nicht auszuschließen, nicht hinreichend begründet hätte, zumal ihre Erläuterungen es den Klägerinnen ermöglichten, diese Vorgehensweise zu beanstanden, und dem Gericht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben.

254    Das Vorbringen der Klägerinnen zu den Schlussfolgerungen, die im Rahmen der Festsetzung der Höhe der Geldbuße aus ihrem Geschäftsmodell zu ziehen seien, ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf das Argument der Kommission, dass es sich dabei um unzulässiges neues Vorbringen handele, eingegangen oder dem Antrag der Klägerinnen auf Vernehmung eines Zeugen stattgegeben werden muss.

255    Viertens ist zum Vorbringen der Klägerinnen, ihre Margen seien gering, ihre mit den verschiedenen Aufschlägen erzielten Umsätze seien im Verhältnis zu den mit Speditionsdiensten erzielten unbedeutend und der von den Spediteuren erzielte Umsatz bestehe nahezu ausschließlich aus für Luftfahrtunternehmen vereinnahmten Beträgen, festzustellen, dass auch damit nicht dargetan wird, dass die von der Kommission im vorliegenden Fall gewählte Vorgehensweise inkohärent oder sachlich nicht gerechtfertigt wäre.

256    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Umstand, dass die Speditionsbranche durch geringe Margen gekennzeichnet ist, durchaus berücksichtigt hat. Sie konnte daraus u. a. schließen, dass die Kartelle, auch wenn sie sich nur auf die Höhe bestimmter Aufschläge bezogen hätten, den Markt der Speditionsdienste beeinträchtigt hätten (siehe insbesondere oben, Rn. 42 und 43).

257    Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen, mit den verschiedenen Aufschlägen würden unbedeutende Umsätze erzielt, die Durchführung der Zuwiderhandlungen betrifft. Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße aber den Wert der verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit der Zuwiderhandlung in Zusammenhang stehen, ohne dass deren Durchführung berücksichtigt wird. Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 ist also nicht zu entnehmen, dass bei der Berechnung des Umsatzes allein der Wert der tatsächlich von den rechtswidrigen Kartellen betroffenen Transaktionen berücksichtigt werden darf (Urteil vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission, T‑211/08, Slg, EU:T:2011:289, Rn. 58).

258    Überdies haben die Unionsgerichte der Kommission bislang nie die Pflicht auferlegt, die einzelnen jeweils vom Kartell betroffenen Vorgänge zu benennen (Urteil Putters International/Kommission, oben in Rn. 257 angeführt, EU:T:2011:289, Rn. 60). Vielmehr hätte nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Beschränkung auf den Umsatz, bei dem erwiesen ist, dass er tatsächlich von einem Kartell unter Beteiligung eines bestimmten Unternehmens betroffen war, zur Folge, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Kartells künstlich geschmälert würde, da die bloße Tatsache, dass nur eine begrenzte Zahl unmittelbarer Beweise für tatsächlich vom Kartell betroffene Verkäufe gefunden wurde, dazu führen würde, dass letztlich eine Geldbuße verhängt würde, die mit dem Anwendungsbereich des betreffenden Kartells in keinem wirklichen Zusammenhang stünde. Eine solche Belohnung der Geheimhaltung würde darüber hinaus das Ziel der Verfolgung und wirksamen Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV beeinträchtigen und ist daher unzulässig (Urteil Team Relocations u. a./Kommission, oben in Rn. 228 angeführt, EU:C:2013:464, Rn. 76 und 77).

259    Zwar wird in der Rechtsprechung auch darauf hingewiesen, dass dem Umsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen keine übermäßige Bedeutung zugemessen werden darf (Urteil KME Germany u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, EU:C:2011:816, Rn. 60).

260    Der Umsatz ist aber nur eines von mehreren Kriterien, die bei der Standardmethode gemäß den Leitlinien von 2006 berücksichtigt werden. Falls die von den Klägerinnen geltend gemachten Umstände – wie der entstandene Schaden oder die erzielte Marge – nach dieser Methode für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen relevant sein sollten, könnten sie in späteren Stufen – z. B. bei der Beurteilung des Schwerefaktors der Zuwiderhandlung, des Vorliegens mildernder oder erschwerender Umstände oder auch der Leistungsfähigkeit der betreffenden Unternehmen – berücksichtigt werden. Selbst wenn die Kommission im vorliegenden Fall verpflichtet gewesen sein sollte, von den Klägerinnen geltend gemachte Umstände in späteren Stufen der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen, wäre sie somit nicht verpflichtet gewesen, aus diesem Grund von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 abzuweichen.

261    Zum Verhältnis zwischen den Geldbußen und den angewandten Aufschlägen ist festzustellen, dass die Geldbußen zwar zumindest hoch genug sein müssen, um die Unternehmen trotz der Gewinne, die sie aus einem Kartell ziehen können, von einer Beteiligung daran abzuschrecken. Die Höhe einer Geldbuße kann aber nicht allein deshalb als unangemessen angesehen werden, weil sie nicht den wirtschaftlichen Schaden wiedergibt, der durch das betreffende Kartell entstanden ist oder hätte entstehen können.

262    Als Drittes ist zu dem Umstand, dass die Kosten der Beförderungsleistungen einen sehr großen Teil des Gesamtumsatzes ausmachen, den die Klägerinnen mit Speditionsdiensten erzielen, festzustellen, dass er oben, insbesondere in den Rn. 236 ff., bereits eingehend untersucht wurde. Dabei hat sich ergeben, dass die Inputkosten der Beförderungsleistungen nicht von dem zugrunde gelegten Umsatz der Klägerinnen mit Speditionsdiensten abzuziehen sind, weil sie, auch wenn sie erheblich sind, im Preis der verkauften Dienstleistungen enthalten sind.

263    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission, indem sie bei der Berechnung des Umsatzes im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 alle Umsätze mit den Speditionsdiensten, auf die sich das NES-, das AMS-, das CAF‑ und das PSS-Kartell bezogen, und nicht nur die mit den etwaigen von den entsprechenden Aufschlägen betroffenen Einzeldienstleistungen erzielten Umsätze zugrunde legte und davon nicht die Kosten der Beförderungsleistungen oder anderer, zum Bündel der Dienstleistungen, aus denen sich die Speditionsdienste zusammensetzen, gehörender Dienstleistungen Dritter abzog, weder einen Fehler begangen noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

 Zu den Schwerefaktoren

264    Im Einklang mit der oben in Rn. 214 dargestellten Methode hat die Kommission auf die von ihr ermittelten Umsätze einen Schwerefaktor von 16 % beim AMS-, beim CAF‑ und beim PSS-Kartell und von 15 % beim NES-Kartell angewandt (945. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses).

265    Die Kommission hat die Festsetzung dieser Schwerefaktoren in den Erwägungsgründen 891 bis 947 des angefochtenen Beschlusses wie folgt begründet: Die Kartelle hätten die unmittelbare bzw. mittelbare Festsetzung von Preisen oder anderen Handelsbedingungen bezweckt. Die Unternehmen hätten die Einführung (NES, AMS, CAF und PSS), die Höhe (NES und CAF) bzw. die Grundsätze der Festsetzung (AMS) einer Reihe von Aufschlägen und den Zeitpunkt ihrer Einführung (NES, CAF und PSS) sowie die Festsetzung von Handelsbedingungen (CAF) vereinbart und sensible Preisinformationen ausgetauscht (AMS, CAF und PSS). Die Kommission hat ferner die räumliche Ausdehnung der Kartelle berücksichtigt und den Umstand, dass sie teilweise umgesetzt wurden und ihre Umsetzung überwacht wurde.

266    Insoweit ist erstens festzustellen, dass die Klägerinnen kein Argument vorbringen, das sich speziell gegen die in den Erwägungsgründen 891 bis 947 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Erwägungen der Kommission zu den Schwerefaktoren richtet.

267    Zweitens ist festzustellen, dass, wenn die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, weil mit den Aufschlägen unmittelbar nur geringe Umsätze erzielt worden seien und die Zahl der betreffenden Vorgänge begrenzt gewesen sei, geltend machen wollen, dass die von der Kommission festgesetzten Schwerefaktoren übermäßig hoch seien, eine solche Analyse zurückzuweisen ist.

268    Dass mit den Aufschlägen unmittelbar nur geringe Umsätze erzielt wurden und die Zahl der betreffenden Vorgänge begrenzt war, entkräftet nämlich nicht die Erwägungen der Kommission, dass es sich bei den Kartellen um horizontale, einen Bestandteil des Preises der Speditionsdienste betreffende Kartelle handelt und sie daher als schwerwiegende Beschränkungen des Wettbewerbs anzusehen sind. Zudem bestätigt das Vorbringen der Klägerinnen eher die Einschätzung der Kommission im 902. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach die Kartelle zumindest teilweise umgesetzt worden seien.

269    Angesichts dieser Erwägungen kann die von der Kommission vorgenommene Festsetzung der Schwerefaktoren auf – nicht am oberen Ende der bei horizontalen Vereinbarungen über die Festsetzung von Preisen gemäß Ziff. 23 der Leitlinien von 2006 bis 30 % reichenden Bandbreite liegende – 15 % beim NES-Kartell und 16 % bei den drei anderen Kartellen nicht als unangemessen angesehen werden.

270    Drittens weisen die Klägerinnen im Rahmen ihres Vorbringens zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch auf Umstände hin, die den lokalen Kontext der im Rahmen des NES-, des CAF‑ und des PSS-Kartells begangenen Zuwiderhandlungen betreffen. Beim NES-Kartell sei zu berücksichtigen, dass die Zuwiderhandlung ausschließlich durch lokale Mitarbeiter im Vereinigten Königreich und ohne Beteiligung oder Wissen der Unternehmensleitung erfolgt sei. Die CAF‑Zuwiderhandlung sei ausschließlich durch lokale Mitarbeiter in Shanghai und ohne Beteiligung oder Wissen der Unternehmensleitung erfolgt. Die PSS-Zuwiderhandlung sei ausschließlich durch lokale Mitarbeiter in Hongkong und ohne Beteiligung oder Wissen der Unternehmensleitung erfolgt.

271    Soweit dieses Vorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass mit ihm auch die Art und Weise der Festsetzung des Schwerefaktors beanstandet wird, hat die Kommission im 929. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses speziell zum CAF‑Kartell zu Recht festgestellt, dass bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht von Belang ist, in welchem Rahmen die Kartellvereinbarungen getroffen wurden. Maßgebend sind dabei vielmehr inhaltliche Aspekte, die sich auf die räumliche Durchführung und Manifestation des Kartells im EWR und die Art der Zuwiderhandlungen beziehen. Dass die Zuwiderhandlungen von lokalen Vertretern der Klägerinnen begangen worden sein sollen, ändert aber nichts daran, dass es sich ihrer Art nach um horizontale Vereinbarungen über die Preise der Speditionsdienste handelt.

272    Überdies wurde dem mehr oder weniger lokal beschränkten Charakter der drei betreffenden Kartelle jedenfalls bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbußen Rechnung getragen. Die Kommission hat bei der Ermittlung der relevanten Umsätze nämlich auf die betroffenen Handelsrouten abgestellt (z. B. wurden beim CAF‑Kartell die auf der Handelsroute China–EWR erzielten Umsätze herangezogen). Darüber hinaus ergibt sich hinsichtlich des NES-Kartells aus dem 901. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit dessen 945. Erwägungsgrund, dass die Kommission den speziellen räumlichen Umfang dieses Kartells durchaus berücksichtigt hat, indem sie bei ihm, anders als bei den übrigen, sich offensichtlich auf den gesamten EWR erstreckenden Kartellen keinen Schwerefaktor von 16 %, sondern von 15 % festgesetzt hat.

273    Somit ist das Vorbringen der Klägerinnen zur Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße, soweit es dahin verstanden werden kann, dass es sich auf den im Rahmen der vier Kartelle festgesetzten Schwerefaktor bezieht, zurückzuweisen.

 Zur Nichtberücksichtigung bestimmter mildernder Umstände

274    Wie sich aus den Erwägungsgründen 960 ff. des angefochtenen Beschlusses und dem Ergebnis in dessen 1020. Erwägungsgrund ergibt, hat die Kommission den Klägerinnen im Rahmen der vier Kartelle keinen mildernden Umstand zuerkannt (siehe oben, Rn. 206).

275    Die Klägerinnen verlangen, ihnen bestimmte mildernde Umstände zuzuerkennen und in ihrem Fall Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 anzuwenden, und zwar aus mehreren Gründen.

276    Was erstens das NES-Kartell angeht, teilen die Klägerinnen nicht die Auffassung der Kommission, dass die bloße Beantwortung eines Auskunftsverlangens keinen mildernden Umstand darstelle. Sie hätten freiwillig den einzigen Beweis für die Teilnahme ihres Vertreters am Kartelltreffen vom 1. Oktober 2002 vorgelegt, auf den sich die Kommission u. a. im 814. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stütze.

277    Überdies hätte die Kommission als mildernde Umstände berücksichtigen müssen, dass das Kartell ausschließlich den Aufschlag und nicht den Preis der Luftfracht betroffen habe, dass die durchgereichten Fremdumsätze durch ein vorgeschaltetes Kartell der Luftfahrtunternehmen künstlich erhöht gewesen seien, dass sie eher eine Nebenrolle im Kartell gespielt hätten, da sie einen Aufschlag angesichts des Drucks anderer Spediteure eingeführt hätten, was die Kommission anerkenne, und sich an der Überwachung des Kartells überhaupt nicht beteiligt hätten, und dass ihre Beteiligung am Kartell später begonnen habe als die Kommission annehme, da sie erst im November 2002 angekündigt hätten, einen Aufschlag einführen zu wollen, und sich nicht an der Vereinbarung zu einer Voreinführungs-Strategie hätten beteiligen wollen, so dass die Kommission bei ihnen nicht wie bei ihren Wettbewerbern einen Satz von 15 % des Umsatzes hätte festsetzen dürfen.

278    Zweitens machen die Klägerinnen zum AMS-Kartell ebenfalls geltend, die Kommission hätte als mildernden Umstand anerkennen müssen, dass sich die Absprache ausschließlich auf den Aufschlag bezogen habe und nicht auf den wesentlichen Teil des Spediteurumsatzes. Überdies habe im Anschluss an die Anschläge des 11. September 2001 und die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen für die Spediteure die Notwendigkeit einer Abstimmung über technische Abwicklungsfragen bei der Einführung des AMS-Systems bestanden, so dass die entsprechenden FFI-Treffen einen kartellrechtsneutralen Zweck gehabt hätten.

279    Drittens machen die Klägerinnen geltend, beim CAF‑Kartell hätte die Kommission berücksichtigen müssen, dass es sich nur auf den Aufschlag bezogen habe und dass die Zuwiderhandlung vorzeitig, nämlich am 13. März 2006, also mehrere Jahre vor dem ersten Eingreifen der Kommission, beendet worden sei, wobei sie 2006 keine CAF‑Umsätze mehr erzielt hätten.

280    Viertens machen die Klägerinnen auch beim PSS-Kartell geltend, dass es sich nur auf den Aufschlag als solchen bezogen habe. Überdies müsse als mildernder Umstand anerkannt werden, dass sie das Frühstück am 21. Mai 2007, das letzte von der Kommission in die Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlung einbezogene Treffen, freiwillig genannt hätten. In ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen vom 12. Juni 2008 hätten sie die entsprechenden Beweise vorgelegt, die die Sachverhaltsaufklärung der Kommission gefördert hätten und von ihr in den Erwägungsgründen 339 ff. des angefochtenen Beschlusses verwertet worden seien. Das Auskunftsverlangen der Kommission habe zudem keine Fragen zu diesem Treffen enthalten.

281    Die Kommission vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die von den Klägerinnen angeführten Umstände keine mildernden Umstände im Sinne von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 darstellten und auch sonst keinen Anlass für eine Herabsetzung der Geldbußen böten.

282    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 eine nicht abschließende Liste mildernder Umstände enthält, die unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße führen können.

283    Ist eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen worden, ist, um festzustellen, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen, die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (Urteil vom 25. Oktober 2011, Aragonesas Industrias y Energía/Kommission, T‑348/08, Slg, EU:T:2011:621, Rn. 277).

284    Die konkreten von den Klägerinnen angeführten Umstände betreffen beim NES- und beim PSS-Kartell den Grad der Zusammenarbeit, den die Klägerinnen gezeigt hätten, indem sie der Kommission im Verwaltungsverfahren freiwillig bestimmte Informationen unterbreitet hätten.

285    Die Klägerinnen verlangen mithin die Anwendung von Ziff. 29 vierter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006, der eine Verringerung des Betrags der Geldbuße vorsieht, falls ein Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereichs der Kronzeugenregelung von 2006 und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus aktiv mit der Kommission zusammenarbeitet.

286    Die Kommission vertritt zu Recht die Auffassung, dass die Klägerinnen weder beim NES- noch beim PSS-Kartell in den Genuss dieser Bestimmung kommen können.

287    Erstens ist festzustellen, dass die Kommission, wie sie in den Erwägungsgründen 962 ff. des angefochtenen Beschlusses ausführt, nur in Ausnahmesituationen verpflichtet sein kann, einem Unternehmen eine Geldbußenermäßigung auf der Grundlage von Ziff. 29 vierter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 zuzubilligen, damit die praktische Wirksamkeit der Kronzeugenregelung erhalten bleibt. Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere der Fall, wenn die Zusammenarbeit eines Unternehmens, die zwar über dessen gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit hinausgeht, dem Unternehmen aber kein Anrecht auf eine Geldbußenermäßigung nach der Kronzeugenregelung von 2006 gibt, der Kommission objektiv nutzt. Ein solcher Nutzen ist gegeben, wenn sich die Kommission in ihrer Schlussentscheidung auf Beweise stützt, die ein Unternehmen ihr im Rahmen seiner Zusammenarbeit geliefert hat, und ohne diese Beweise nicht in der Lage gewesen wäre, die betreffende Zuwiderhandlung ganz oder teilweise zu ahnden (Urteil vom 17. Mai 2011, Arkema France/Kommission, T‑343/08, Slg, EU:T:2011:218, Rn. 170).

288    Im vorliegenden Fall verfügte die Kommission in den beiden von den Klägerinnen angeführten Fällen aber bereits über die Informationen, die sie ihr freiwillig und erstmals unterbreitet haben wollen.

289    Beim NES verfügte die Kommission, wie sie ausführt, zu dem Zeitpunkt, als die Klägerinnen in ihrer Antwort vom 23. April 2010 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Teilnahme an der Zusammenkunft vom 1. Oktober 2002 bestätigten, bereits über zwei Beweise hierfür: die Erklärung [vertraulich] und eine u. a. an die Klägerinnen gerichtete und den Inhalt der Vereinbarung betreffende E-Mail vom 10. Oktober 2002, die [vertraulich] vorgelegt worden war.

290    Bei der PSS war der Kommission die Existenz der Zusammenkunft vom 21. Mai 2007 bereits vor der entsprechenden Mitteilung durch die Klägerinnen am 17. Juli 2008 bekannt, namentlich ab dem 16. Juni 2008 durch die von einem anderen Spediteur auf ein Auskunftsverlangen hin vorgelegte Einladung zu ihr.

291    Überdies ging die Übermittlung der betreffenden Informationen über die Zusammenkunft vom 21. Mai 2007 entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zu ihrer Zusammenarbeit im Rahmen des PSS-Kartells nicht über den Rahmen der Antwort auf die ihnen im Auskunftsverlangen vom 12. Juni 2008 gestellten Fragen hinaus, das auf die Erlangung aller Dokumente abzielte, aus denen sich Kontakte mit anderen Kartellteilnehmern im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Oktober 2007 ergaben. Wie die Kommission zu Recht geltend macht, ging das Verhalten der Klägerinnen in Anbetracht der strafbewehrten Verpflichtung zur Beantwortung eines Auskunftsverlangens somit nicht über ihre rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus.

292    Zweitens ist zum Vorbringen, die Kommission hätte als mildernden Umstand berücksichtigen müssen, dass es ein vorgelagertes Kartell gegeben habe, das sich auf die Preise der Beförderungsleistungen ausgewirkt habe, festzustellen, dass sich die Existenz eines Kartells in Bezug auf einen vorgelagerten Markt keinem der in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 ausdrücklich genannten mildernden Umstände zuordnen lässt.

293    Überdies ist, auch wenn die Liste in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 nicht abschließend ist, festzustellen, dass die Existenz eines Kartells in Bezug auf den Markt der Beförderungsleistungen ein externer Faktor ist, durch den die relative Schwere der Beteiligung der Klägerinnen an den vier in Rede stehenden Kartellen nicht gemindert werden kann.

294    Folglich kann im vorliegenden Fall die Existenz eines Kartells in Bezug auf Luftbeförderungsleistungen nicht als mildernder Umstand anerkannt werden. Ein vergleichbares Vorbringen ist vom Gericht im Übrigen bereits geprüft und zurückgewiesen worden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2014, Reagens/Kommission, T‑30/10, EU:T:2014:253, Rn. 289).

295    Drittens ist der von den Klägerinnen im Hinblick auf die vier Kartelle geltend gemachte Umstand, dass sie nur die Aufschläge und nicht den Preis der Beförderungsleistungen betroffen hätten, kein das wettbewerbswidrige Verhalten der Klägerinnen hinsichtlich der betreffenden Zuwiderhandlungen individuell charakterisierender Faktor, so dass er von der Kommission nicht als mildernder Umstand berücksichtigt werden musste.

296    Viertens weist die Kommission in Bezug auf den Druck, der im Rahmen des NES-Kartells wegen der tatsächlichen Anwendung des Aufschlags auf die Klägerinnen ausgeübt worden sein soll, zu Recht darauf hin, dass sich die Klägerinnen gleichwohl für die Aufdeckung des Kartells hätten entscheiden können und dass das Vorbringen nichts an der Tatsache oder der Schwere der von ihnen begangenen Zuwiderhandlung ändert (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 215 angeführt, EU:C:2005:408, Rn. 369 und 370). Die geltend gemachten Tatsachen können daher nicht zu einer Verringerung der Geldbuße wegen eines mildernden Umstands führen.

297    Zum Vorbringen der Klägerinnen, sie hätten den NES-Aufschlag vor dem 28. Oktober 2002 nicht angewandt, ist festzustellen, dass die Kommission die Teilnahme der Klägerinnen am Kartelltreffen vom 1. Oktober 2002 nachgewiesen hat, bei dem die Strategie definiert wurde. Ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ist somit ab diesem Zeitpunkt nachgewiesen, unabhängig von den Wirkungen der Zuwiderhandlung und dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung.

298    Fünftens nimmt auch der Umstand, dass das AMS-Kartell durch die Notwendigkeit einer technischen Zusammenarbeit nach den Attentaten vom 11. September 2001 bedingt gewesen sein soll – abgesehen davon, dass es sich nicht um einen die Beteiligung der Klägerinnen am Kartell charakterisierenden Faktor handelt –, dem Kartell über Preiselemente, zu dem es am Rande der technischen Gespräche kam, nichts von seiner Schwere. Eine Anerkennung als mildernder Umstand kommt daher nicht in Betracht.

299    Schließlich ist zur geltend gemachten vorzeitigen Beendigung des CAF‑Kartells durch die Klägerinnen festzustellen, dass die Kommission im 961. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausführt, dass es dem eindeutig rechtswidrigen Charakter des Handelns keinen Abbruch tut, wenn ein Unternehmen sein rechtswidriges Verhalten vor jedwedem Eingreifen einstellt. Ein solcher Umstand ist somit nicht durch eine Verringerung der Geldbuße wegen eines mildernden Umstands zu belohnen, wie der Wortlaut des ersten Gedankenstrichs von Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 verdeutlicht. Nach dieser Bestimmung kann nämlich im Fall einer vom Unternehmen nachgewiesenen Beendigung des Verstoßes nach dem ersten Eingreifen der Kommission ein mildernder Umstand anerkannt werden, außer im Fall geheimer Vereinbarungen oder Verhaltensweisen (insbesondere von Kartellen). Überdies ist das Fehlen von CAF‑Umsätzen im Jahr 2006, wie die Kommission geltend macht, kein relevanter Faktor, da es möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die Kunden die betreffende Tarifpraxis ablehnten.

300    Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission es zu Recht abgelehnt hat, den Klägerinnen die von ihnen angeführten mildernden Umstände zuzuerkennen, und dass jedenfalls keiner der angeführten Umstände zu einer Verringerung der streitgegenständlichen Geldbußen Anlass gibt.

301    Da der vierte, der fünfte, der zehnte, der elfte, der dreizehnte, der vierzehnte, der sechzehnte und der siebzehnte Klagegrund auf die Nichtigerklärung der in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen abzielen, sind sie zurückzuweisen.

302    Sie sind ebenfalls zurückzuweisen, soweit sie zur Stützung des Antrags geltend gemacht werden, das Gericht solle seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben.

303    Ihre Prüfung hat nämlich keine Fehler oder nicht sachgerechten Erwägungen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen ergeben. Die Klägerinnen können daher mit ihrem Vorbringen, dass nur die mit den NES-, AMS-, CAF- und PSS-Aufschlägen erzielten Umsätze zu berücksichtigen oder von den bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen herangezogenen Umsätzen die Kosten der Beförderungsleistungen abzuziehen seien, nicht durchdringen. Die Berücksichtigung solcher Daten ist nämlich nicht geeignet, zu einer Geldbuße zu führen, die die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung der Klägerinnen an den betreffenden Kartellen, die sich auf die Speditionsdienste als Dienstleistungspaket bezogen, angemessen wiedergibt.

304    Überdies lässt sich zwar nicht ausschließen, dass geringe Margen ungeachtet des Umfangs des Umsatzes eines Unternehmens ein Indiz für dessen schwache finanzielle Leistungsfähigkeit sein können, doch ist im vorliegenden Fall nicht dargetan worden, dass die gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen in Anbetracht ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit übermäßig hoch wären.

 Zur gerügten Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen im Zusammenhang mit dem NES-Kartell (sechster Klagegrund), dem AMS-Kartell (zwölfter Klagegrund), dem CAF‑Kartell (fünfzehnter Klagegrund) und dem PSS-Kartell (achtzehnter Klagegrund)

305    Diese Klagegründe betreffen im Wesentlichen die Erwägungsgründe 887 und 888 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission dargelegt hat, aus welchen Gründen den Klägerinnen kein Zugang zur Akte in der Luftfracht-Sache zu gewähren sei. In diesem Kontext hat sie ausgeführt, dass die Klägerinnen in dieser Sache keine Verfahrensbeteiligten seien und daher weder gemäß ihrer Mitteilung über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV], Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2005, C 325, S. 7) noch gemäß ihrer Verordnung (EG) Nr. 773/2004 vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 AEUV] und [102 AEUV] durch sie (ABl. L 123, S. 18) Zugang zur Akte erhalten könnten. Jedenfalls sei keines der in der Akte über die Luftfracht-Sache enthaltenen Dokumente für die Verantwortlichkeit der Spediteure im vorliegenden Fall relevant.

306    Die Klägerinnen machen geltend, sie hätten im Verwaltungsverfahren einen Antrag auf Einsicht in die Ermittlungsakte der Luftfracht-Sache gestellt, wie auch aus dem 887. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehe. Die Feststellungen der Kommission in dieser Sache hätten unmittelbare Auswirkungen auf die Methode zur Festsetzung der Höhe der Geldbuße. Durch die Versagung des Zugangs zu dieser Akte habe die Kommission daher ihre Verteidigungsrechte verletzt.

307    Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen, wobei sie die Frage aufwirft, ob der Klagegrund überhaupt rechtlich hinreichend substantiiert sei.

308    Insoweit ist festzustellen, dass der Klagegrund in nur einem Absatz äußerst knapp formuliert ist und das Vorbringen auch auf keine Rechtsvorschrift gestützt wird.

309    Jedoch ist, sollten die Klägerinnen einen Verstoß gegen Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 geltend machen, darauf hinzuweisen, dass die Verteidigungsrechte der Parteien nach dieser Bestimmung während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden müssen. Die Parteien haben das Recht auf Einsicht in die Akten der Kommission, vorbehaltlich des berechtigten Interesses von Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Überdies gewährt die Kommission nach Art. 15 der Verordnung Nr. 773/2004 den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, auf Antrag Akteneinsicht, die nach Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewährt wird.

310    Aus diesen Bestimmungen geht hervor, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Dazu gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteil Knauf Gips/Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:C:2010:389, Rn. 22).

311    Wurde ein entlastendes Schriftstück nicht übermittelt, so muss das betroffene Unternehmen nach ständiger Rechtsprechung nur nachweisen, dass die Vorenthaltung dieses Schriftstücks den Verfahrensablauf und den Inhalt der Entscheidung der Kommission zu seinen Ungunsten beeinflussen konnte. Es genügt mithin, dass das Unternehmen dartut, dass es die fraglichen Schriftstücke zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf diese Schriftstücke hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer etwaigen Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen zumindest in Bezug auf Schwere und Dauer des ihm zur Last gelegten Verhaltens und damit die Höhe der Geldbuße hätte beeinflussen können (Urteil Knauf Gips/Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, EU:C:2010:389, Rn. 23).

312    Folglich haben die Klägerinnen nicht nur darzutun, dass sie keinen Zugang zu den in der Akte der Luftfracht-Sache enthaltenen Dokumenten hatten, sondern auch, dass sie die Dokumente zu ihrer Verteidigung hätten einsetzen können. Sie können als Nichtigkeitsgrund nämlich nicht mit Erfolg die Nichtübermittlung irrelevanter Schriftstücke geltend machen.

313    Zu ihrem einzigen Vorbringen, das dahin geht, dass die Feststellungen der Kommission in der Luftfracht-Sache unmittelbare Auswirkungen auf die Methode zur Festsetzung der Höhe der Geldbußen in der vorliegenden Rechtssache hätten, ist aber zum einen festzustellen, dass die Klägerinnen keinen konkreten Gesichtspunkt vorbringen, anhand dessen sich nachvollziehen ließe, inwieweit die im vorliegenden Fall angewandte Berechnungsmethode von der Existenz eines vorgelagerten Kartells berührt werden soll, und zum anderen, dass die Existenz eines solchen Kartells nicht als mildernder Umstand anerkannt werden kann (siehe oben, Rn. 294).

314    Die Klägerinnen tragen kein weiteres Argument vor, mit dem dargetan würde, dass der Inhalt der Akte der Luftfracht-Sache einen anderen Gesichtspunkt der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen der Kommission hätte beeinflussen können.

315    Somit sind der sechste, der zwölfte, der fünfzehnte und der achtzehnte Klagegrund zurückzuweisen.

316    Da sämtliche Klagegründe zurückzuweisen sind und ihre Prüfung nichts ergeben hat, was eine Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung rechtfertigte, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

317    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Kühne + Nagel International AG, die Kühne + Nagel Management AG, die Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Uxbridge, die Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Shanghai und die Kühne + Nagel Ltd mit Sitz in Hong Kong tragen die Kosten.

Berardis

Czúcz

Popescu

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. Februar 2016.

Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtener Beschluss

Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

Zur Vorfrage der Beschreibung des Sektors und der Dienstleistungen, auf die sich die Kartelle bezogen

Zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beim NES-Kartell (erster Klagegrund) und beim AMS-Kartell (siebter Klagegrund)

Zur Beeinträchtigung des Handels mit Speditionsdiensten

– Zu den Auswirkungen der Kartelle auf die Kunden der Spediteure und auf das Verhalten der Spediteure selbst

– Zur Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels

Zur Beeinträchtigung der Warenströme

Zur Befugnis der Kommission zur Ahndung des NES-Kartells (zweiter Klagegrund) und des AMS-Kartells (achter Klagegrund)

Zum Nachweis der Dauer der Beteiligung der Klägerinnen an den Zuwiderhandlungen in Bezug auf das NES (dritter Klagegrund) bzw. das AMS (neunter Klagegrund)

Rechtsprechung zum Vorliegen und zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV sowie zur Prüfungspflicht des Gerichts

Zum Nachweis der Dauer des NES-Kartells

Zum Nachweis der Dauer des AMS-Kartells

Zu den Beurteilungsfehlern bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen für das NES-Kartell (vierter Klagegrund), das AMS-Kartell (zehnter Klagegrund), das CAF‑Kartell (dreizehnter Klagegrund) und das PSS-Kartell (sechzehnter Klagegrund) und zur behaupteten Unverhältnismäßigkeit der Höhe dieser Geldbußen (fünfter, elfter, vierzehnter und siebzehnter Klagegrund)

Zu dem Vorbringen, die Umsätze seien bei den vier Kartellen nicht richtig ermittelt worden und seien unverhältnismäßig

Zu den Schwerefaktoren

Zur Nichtberücksichtigung bestimmter mildernder Umstände

Zur gerügten Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen im Zusammenhang mit dem NES-Kartell (sechster Klagegrund), dem AMS-Kartell (zwölfter Klagegrund), dem CAF‑Kartell (fünfzehnter Klagegrund) und dem PSS-Kartell (achtzehnter Klagegrund)

Kosten


* Verfahrenssprache: Deutsch.


1 Unkenntlich gemachte vertrauliche Daten.