Language of document : ECLI:EU:T:2023:373

URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer)

5. Juli 2023(*)

„Institutionelles Recht – Mitglied des Parlaments – Vorrechte und Befreiungen – Entscheidung über die Aufhebung der parlamentarischen Immunität – Art. 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Union – Zuständigkeit der Behörde, die den Antrag auf Aufhebung der Immunität gestellt hat – Rechtssicherheit – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Umfang der Kontrolle durch das Parlament – Verfahren zur Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität – Verteidigungsrechte – Unparteilichkeit“

In der Rechtssache T‑272/21,

Carles Puigdemont i Casamajó, wohnhaft in Waterloo (Belgien),

Antoni Comín i Oliveres, wohnhaft in Waterloo,

Clara Ponsatí i Obiols, wohnhaft in Waterloo,

vertreten durch die Rechtsanwälte P. Bekaert, J. Costa i Rosselló, G. Boye und S. Bekaert,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch N. Lorenz, N. Görlitz und J.‑C. Puffer als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch A. Gavela Llopis und M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Frimodt Nielsen, H. Kanninen, J. Schwarcz und R. Norkus,

Kanzler: M. Zwozdziak-Carbonne, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des Beschlusses vom 30. Juli 2021, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament (T‑272/21 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:497),

aufgrund des Beschlusses vom 26. November 2021, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament (T‑272/21 R II, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:834),

aufgrund des Beschlusses vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien (C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413),

auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2022

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragen die Kläger, Herr Carles Puigdemont i Casamajó, Herr Antoni Comín i Oliveres und Frau Clara Ponsatí i Obiols, die Nichtigerklärung der Beschlüsse P9_TA(2021)0059, P9_TA(2021)0060 und P9_TA(2021)0061 des Europäischen Parlaments vom 9. März 2021 über den Antrag auf Aufhebung ihrer Immunität (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse).

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Ley 19/2017 del Parlamento de Cataluña, reguladora del referéndum de autodeterminación (Gesetz 19/2017 des Parlaments von Katalonien über das Referendum über die Selbstbestimmung) vom 6. September 2017 (DOGC 7449A vom 6. September 2017, S. 1) und der Ley 20/2017 del Parlamento de Cataluña, de transitoriedad jurídica y fundacional de la República (Gesetz 20/2017 des Parlaments von Katalonien über den Rechtsübergang und die Gründung der Republik) vom 8. September 2017 (DOGC 7451A vom 8. September 2017, S. 1) sowie zum Zeitpunkt der am 1. Oktober 2017 erfolgten Durchführung des Referendums über die Selbstbestimmung gemäß dem erstgenannten Gesetz, dessen Bestimmungen in der Zwischenzeit durch eine Entscheidung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien) außer Vollzug gesetzt worden waren, war der Kläger zu 1) Präsident der Generalitat de Cataluña (Regionalregierung von Katalonien, Spanien) und waren der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) Mitglieder des Gobierno autonómico de Cataluña (Autonome Regierung von Katalonien, Spanien).

3        Nach dem Erlass dieser Gesetze und der Durchführung dieses Referendums leiteten das Ministerio Fiscal (Staatsanwaltschaft, Spanien), der Abogado del Estado (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) und die politische Partei VOX ein Strafverfahren gegen mehrere Personen, u. a. gegen die Kläger, ein und vertraten dabei die Auffassung, dass die betreffenden Personen ihren Angaben zufolge Taten begangen hätten, die u. a. die Straftatbestände der Rebellion, des Aufruhrs und der Veruntreuung von öffentlichen Geldern erfüllten (im Folgenden: fragliches Strafverfahren).

4        Am 21. März 2018 erließ das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) einen Beschluss, mit dem die Kläger wegen mutmaßlicher Straftatbestände der Rebellion und der Veruntreuung von öffentlichen Geldern angeklagt wurden. Mit Beschluss vom 9. Juli 2018 stellte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nach der Flucht der Kläger aus dem Königreich Spanien deren Weigerung fest, vor Gericht zu erscheinen, und setzte das gegen sie eingeleitete Strafverfahren bis zu ihrer Wiederauffindung aus.

5        Die Kläger kandidierten anschließend zu den Wahlen der Mitglieder des Parlaments, die am 26. Mai 2019 in Spanien stattfanden.

6        Am 13. Juni 2019 erließ die Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission, Spanien) den Beschluss, mit dem bekannt gemacht wurde, welche Kandidaten bei den Wahlen vom 26. Mai 2019 zum Parlament gewählt worden waren. Zu ihnen gehörten der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2).

7        Am 17. Juni 2019 übermittelte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament die Liste der in Spanien gewählten Kandidaten, auf der die Namen des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) nicht aufgeführt waren.

8        Am 20. Juni 2019 übermittelte die Zentrale Wahlkommission dem Parlament eine Entscheidung, in der sie feststellte, dass der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) nicht den nach Art. 224 Abs. 2 der Ley orgánica 5/1985, de régimen electoral general (Gesetz 5/1985 über die allgemeine Regelung für Wahlen) vom 19. Juni 1985 (BOE Nr. 147 vom 20. Juni 1985, S. 19110) vorgeschriebenen Eid auf die spanische Verfassung geleistet hätten; sie erklärte gemäß diesem Artikel die ihnen zugewiesenen Sitze im Parlament für vakant und setzte alle ihnen aufgrund ihres Amtes etwa zustehenden Vorrechte bis zur Eidesleistung aus.

9        Am 27. Juni 2019 teilte der damals amtierende Präsident des Parlaments dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) mit, dass er sie nicht als künftige Mitglieder des Parlaments behandeln könne.

10      Am 14. Oktober 2019 erließ der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) einen nationalen Haftbefehl, einen Europäischen Haftbefehl und einen internationalen Haftbefehl gegen den Kläger zu 1), damit er sich im Rahmen des fraglichen Strafverfahrens vor Gericht verantworte. Am 4. November 2019 wurden von demselben Richter ähnliche Haftbefehle gegen den Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) erlassen.

11      Am 13. Januar 2020 übermittelte der Präsident des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) dem Parlament den Antrag des Präsidenten der Strafkammer dieses Gerichtshofs vom 10. Januar 2020, der sich aus einem Beschluss des Ermittlungsrichters dieser Kammer vom selben Tag betreffend die Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) ergab.

12      In der Plenarsitzung vom 13. Januar 2020 nahm das Parlament im Anschluss an das Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), zur Kenntnis, dass der Kläger zu 1) und der Kläger zu 2) mit Wirkung vom 2. Juli 2019 ins Parlament gewählt worden sind.

13      Am 16. Januar 2020 gab der Vizepräsident des Parlaments in der Plenarsitzung die Anträge auf Aufhebung der Immunität des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) bekannt und überwies diese Anträge an den zuständigen Rechtsausschuss des Parlaments.

14      Am 10. Februar 2020, d. h. nach dem am 31. Januar 2020 erfolgten Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union, nahm das Parlament die Wahl der Klägerin zu 3) zum Mitglied des Parlaments mit Wirkung vom 1. Februar 2020 zur Kenntnis.

15      Am selben Tag übermittelte der Präsident des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) dem Parlament den Antrag des Präsidenten der Strafkammer dieses Gerichtshofs vom 4. Februar 2020, der sich aus einem Beschluss des Ermittlungsrichters dieser Kammer vom selben Tag betreffend die Aufhebung der Immunität der Klägerin zu 3) ergab.

16      Am 13. Februar 2020 gab der Vizepräsident des Parlaments in der Plenarsitzung den Antrag auf Aufhebung der Immunität der Klägerin zu 3) bekannt und überwies ihn an den Rechtsausschuss.

17      Die Kläger legten dem Parlament Stellungnahmen vor. Darüber hinaus wurden sie am 14. Januar 2021 vom Rechtsausschuss angehört.

18      Am 23. Februar 2021 nahm der Rechtsausschuss die Berichte A9‑0020/2021, A9‑0021/2021 und A9‑0022/2021 über die Anträge auf Aufhebung der Immunität der Kläger an.

19      Mit den angefochtenen Beschlüssen gab das Parlament den oben in den Rn. 11 und 15 genannten Anträgen statt.

 Anträge der Parteien

20      Die Kläger beantragen,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

21      Das Parlament, unterstützt durch das Königreich Spanien, beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

22      Die Kläger stützen ihre Klage auf acht Gründe.

23      Mit dem ersten Klagegrund wird im Wesentlichen eine unzureichende Begründung der angefochtenen Beschlüsse geltend gemacht.

24      Der zweite Klagegrund wird auf die angebliche Unzuständigkeit der nationalen Behörde gestützt, die die Anträge auf Aufhebung der Immunität der Kläger gestellt und dem Parlament übermittelt hat.

25      Der dritte Klagegrund beruht im Wesentlichen auf einem angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit.

26      Mit dem vierten Klagegrund wird im Wesentlichen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt.

27      Der fünfte Klagegrund wird aus einem Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit sowie aus einer Verletzung des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und der Verteidigungsrechte aufgrund der fehlenden Klarheit der angefochtenen Beschlüsse hergeleitet.

28      Der sechste Klagegrund wird auf einen Verstoß gegen Art. 343 AEUV, gegen Art. 9 des dem EU- und dem AEU‑Vertrag als Anhang beigefügten Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll Nr. 7) sowie gegen Art. 5 Abs. 2 der für die neunte Wahlperiode (2019–2024) geltenden Geschäftsordnung des Parlaments in der Fassung vor ihrer Änderung durch den Beschluss des Parlaments vom 17. Januar 2023 (im Folgenden: Geschäftsordnung) gestützt, da das Parlament die Grenzen seiner Befugnis zur Aufhebung der Immunität seiner Mitglieder missachtet haben soll.

29      Mit dem siebten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung, da das Parlament ungerechtfertigt von seiner bisherigen Praxis abgewichen sein soll, bzw. das Vorliegen von Fehlern bei der Prüfung eines fumus persecutionis gerügt.

30      Der achte Klagegrund wird aus einem Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung hergeleitet, da das Parlament mit den angefochtenen Beschlüssen erstmals die Untersuchungshaft seiner Mitglieder gebilligt haben soll.

31      Da der sechste Klagegrund im Wesentlichen Rügen enthält, die sich auf angebliche Rechts- und Tatsachenfehler bei der Prüfung des fumus persecutionis durch das Parlament beziehen, sollen diese Rügen zusammen mit dem siebten Klagegrund behandelt werden. Darüber hinaus hält es das Gericht für angebracht, als Letztes – im Anschluss an den achten Klagegrund – zunächst den vierten und danach den dritten Klagegrund zu prüfen.

 Zur Zulässigkeit der Verweise auf die Anlagen

32      Das Parlament bestreitet insbesondere die Zulässigkeit bestimmter Argumente der Kläger, da diese nur in den Anlagen zu ihren Schriftsätzen enthalten sein sollen.

33      Die Klageschrift muss gemäß Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist, und gemäß Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichts u. a. die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Nach gefestigter Rechtsprechung muss diese Darstellung hinreichend klar und genau sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Zwar kann der Text der Klageschrift zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Stellen beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die in der Klageschrift enthalten sein müssen (vgl. Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Des Weiteren ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu identifizieren, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2021, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission, T‑191/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:707, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Soweit sie rechtliche Gesichtspunkte enthalten, auf die bestimmte in der Klageschrift vorgebrachte Klagegründe gestützt sind, müssen diese Gesichtspunkte aufgrund der bloßen Beweis- und Hilfsfunktion der Anlagen unmittelbar in dieser dargelegt oder darin zumindest hinreichend bezeichnet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 99). Die Anlagen können deshalb nicht der näheren Ausführung eines in der Klageschrift gedrängt dargestellten Klagegrundes unter Nennung in der Klageschrift nicht enthaltener Rügen oder Argumente dienen (vgl. Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Diese Auslegung von Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die nach Art. 83 der Verfahrensordnung die Klageschrift ergänzen soll (vgl. Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, T‑336/07, EU:T:2012:172, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall haben die Kläger in ihren Schriftsätzen mehrfach auf teilweise umfangreiche Schriftstücke in den Anlagen zu diesen Schriftsätzen verwiesen. Die Schriftstücke, auf die sich bestimmte Verweise beziehen, sollen jedoch nicht nur bestimmte Argumente des Textes des Schriftsatzes, dem sie beigefügt sind, untermauern und in spezifischen Punkten ergänzen, sondern enthalten selbst die Erklärung dieser Argumente, so dass diese ohne Prüfung dieser Schriftstücke nicht verständlich sind.

37      Daraus ergibt sich, dass die von den Klägern vorgelegten Anlagen nach der oben in den Rn. 33 bis 35 in Erinnerung gerufenen Rechtsprechung nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen, die die Kläger in ihren Schriftsätzen ausdrücklich angeführt haben, und genau bestimmt werden kann, welche darin enthaltenen Elemente die fraglichen Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen.

 Zur Begründetheit

 Rechtlicher Rahmen

–       Unionsrecht

38      Art. 343 AEUV bestimmt: „Die Union genießt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls [Nr. 7].“

39      Kapitel III des Protokolls Nr. 7, das sich auf die „Mitglieder des Europäischen Parlaments“ bezieht, enthält u. a. Art. 8, in dem es heißt:

„Wegen einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung dürfen Mitglieder des Europäischen Parlaments weder in ein Ermittlungsverfahren verwickelt noch festgenommen oder verfolgt werden.“

40      In demselben Kapitel bestimmt Art. 9 des Protokolls Nr. 7:

„Während der Dauer der Sitzungsperiode des Europäischen Parlaments

a)      steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

b)      können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments.

Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.“

41      Kapitel VII („Allgemeine Bestimmungen“) des Protokolls Nr. 7 enthält u. a. Art. 18, in dem es heißt:

„Bei der Anwendung dieses Protokolls handeln die Organe der Union und die verantwortlichen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen.“

42      Art. 5 („Vorrechte und Befreiungen“) der Geschäftsordnung sieht vor:

„1.      Die Mitglieder genießen die Vorrechte und Befreiungen, die im Protokoll Nr. 7 … vorgesehen sind.

2.      Bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse hinsichtlich der Vorrechte und Befreiungen handelt das Parlament so, dass es seine Integrität als demokratische gesetzgebende Versammlung bewahrt und die Unabhängigkeit seiner Mitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sicherstellt. Die parlamentarische Immunität ist kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder.

…“

43      Art. 6 („Aufhebung der Immunität“) der Geschäftsordnung sieht vor:

„1.      Jeder Antrag auf Aufhebung der Immunität wird gemäß den Artikeln 7, 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 … und nach den Grundsätzen des Artikels 5 Absatz 2 dieser Geschäftsordnung geprüft.

…“

44      Art. 9 („Immunitätsverfahren“) der Geschäftsordnung sieht vor:

„1.      Jeder an den [Parlamentspräsidenten] gerichtete Antrag einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates, die Immunität eines Mitglieds aufzuheben, oder eines Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds, Vorrechte und Immunität zu schützen, wird dem Parlament mitgeteilt und an den zuständigen Ausschuss überwiesen.

3.      Der Ausschuss prüft die Anträge auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität unverzüglich, aber unter Berücksichtigung ihrer relativen Komplexität.

4.      Der Ausschuss unterbreitet einen Vorschlag für einen mit Gründen versehenen Beschluss, in dem die Annahme oder Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität empfohlen wird. Änderungsanträge sind nicht zulässig. Wird ein Vorschlag abgelehnt, gilt der gegenteilige Beschluss als angenommen.

5.      Der Ausschuss kann die betreffende Behörde um jede Information oder Auskunft ersuchen, die er für erforderlich hält, um sich eine Meinung darüber bilden zu können, ob die Immunität aufzuheben oder zu schützen ist.

6.      Das betreffende Mitglied erhält die Möglichkeit, gehört zu werden, und kann alle Schriftstücke vorlegen, die ihm in diesem Zusammenhang zweckmäßig erscheinen.

7.      Wurde der Antrag auf Aufhebung oder Schutz der Immunität aufgrund von mehreren Anklagepunkten formuliert, kann jeder davon Gegenstand eines gesonderten Beschlusses sein. In Ausnahmefällen kann im Bericht des Ausschusses vorgeschlagen werden, dass die Aufhebung oder der Schutz der Immunität ausschließlich die Strafverfolgung betrifft, ohne dass gegen das Mitglied, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, Maßnahmen wie Festnahme, Haft oder sonstige Maßnahmen ergriffen werden können, die es an der Ausübung des Mandats hindern.

8.      Der Ausschuss kann eine mit Gründen versehene Stellungnahme zur Zuständigkeit der betreffenden Behörde und zur Zulässigkeit des Antrags abgeben, doch äußert er sich in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten, selbst wenn der Ausschuss durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt.

12.      Das Parlament prüft nur solche Anträge auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds, die ihm von der Justiz oder den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten übermittelt wurden.

13.      Der Ausschuss legt die Grundsätze für die Anwendung dieses Artikels fest.

14.      Jede Anfrage einer zuständigen Behörde zum Geltungsbereich der Vorrechte oder Immunität der Mitglieder wird gemäß den vorstehenden Bestimmungen geprüft.“

–       Spanisches Recht

45      In Art. 71 der spanischen Verfassung heißt es:

„1.      Die Abgeordneten und Senatoren genießen Unverletzlichkeit hinsichtlich der in Ausübung ihres Mandats geäußerten Meinungen.

2.      Ebenso genießen die Abgeordneten und Senatoren während ihrer Mandatszeit Immunität und dürfen nur bei Ergreifung auf frischer Tat festgenommen werden. Sie dürfen nur mit vorheriger Erlaubnis der betreffenden Kammer angeklagt oder gerichtlich verfolgt werden.

3.      Für Strafverfahren gegen Abgeordnete und Senatoren ist die Strafkammer des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof] zuständig.

…“

46      Die Art. 750 bis 753 der Ley de Enjuiciamiento Criminal (Strafprozessordnung) haben folgenden Wortlaut:

„Artikel 750

Ein Richter oder ein Gericht, der oder das sich veranlasst sieht, gegen einen Senator oder Abgeordneten der Cortes [Senat und Abgeordnetenkammer, Spanien] wegen einer Straftat vorzugehen, nimmt während der Sitzungsperiode [des Senats und der Abgeordnetenkammer] davon Abstand, bis die gesetzgebende Körperschaft, der die Person angehört, die Erlaubnis hierfür erteilt hat.

Artikel 751

Wurde der Senator oder Abgeordnete der Cortes auf frischer Tat betroffen, kann er ohne die im vorstehenden Artikel genannte Erlaubnis inhaftiert und strafrechtlich verfolgt werden; die gesetzgebende Körperschaft, der er angehört, muss jedoch innerhalb von 24 Stunden nach der Inhaftierung oder der strafrechtlichen Verfolgung von dem Sachverhalt unterrichtet werden.

Ferner wird die jeweilige gesetzgebende Körperschaft davon in Kenntnis gesetzt, was einer Person zur Last gelegt wird, die während ihrer strafrechtlichen Verfolgung zum Senator oder Abgeordneten der Cortes gewählt wird.

Artikel 752

Wird ein Senator oder Abgeordneter der Cortes während einer parlamentslosen Zeit strafrechtlich verfolgt, muss der Richter oder das Gericht, der oder das mit der Sache befasst ist, die jeweilige gesetzgebende Körperschaft unverzüglich davon in Kenntnis setzen.

Das Gleiche gilt, wenn ein gewählter Senator oder Abgeordneter [des Senats oder der Abgeordnetenkammer] strafrechtlich verfolgt wird, bevor sie zusammentreten.

Artikel 753

In jedem Fall setzt der Gerichtssekretär das Verfahren ab dem Tag aus, an dem [der Senat und die Abgeordnetenkammer] informiert werden, unabhängig davon, ob die Sitzungsperiode läuft; die Sache bleibt in dem Stand, in dem sie sich befindet, bis die jeweilige gesetzgebende Körperschaft die ihr angemessen erscheinende Entscheidung getroffen hat.“

47      Das Reglamento del Senado (Geschäftsordnung des Senats) vom 3. Mai 1994 (BOE Nr. 114 vom 13. Mai 1994, S. 14687) sieht in seinem Art. 22 Abs. 1 vor:

„Während ihrer Mandatszeit genießen die Senatoren Immunität und dürfen nur bei Ergreifung auf frischer Tat in Gewahrsam genommen oder inhaftiert werden. Die Ingewahrsamnahme oder Inhaftierung wird dem Senatspräsidenten unverzüglich mitgeteilt.

Die Senatoren dürfen nur mit vorheriger Erlaubnis des Senats, die mittels des entsprechenden Antrags auf Aufhebung der Immunität beantragt wird, angeklagt oder gerichtlich verfolgt werden. Eine solche Erlaubnis ist auch erforderlich, wenn eine Person Senator wird, während sie im Rahmen eines Strafverfahrens gerichtlich verfolgt oder angeklagt wird.“

 Zum ersten Klagegrund: Unzureichende Begründung der angefochtenen Beschlüsse

48      Die Kläger machen geltend, die angefochtenen Beschlüsse seien unzureichend begründet. Erstens habe das Parlament weder auf ihre Stellungnahmen betreffend sowohl die festgestellten Verfahrensmängel als auch die Begründetheit der Anträge auf Aufhebung der Immunität geantwortet noch sich zur Anwendung von Art. 9 Abs. 7 der Geschäftsordnung geäußert. Zweitens werde in den angefochtenen Beschlüssen nicht im Geringsten auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) einschließlich ihres Art. 52 eingegangen, obwohl sie zu deren Verletzung Stellung genommen hätten. Drittens enthielten die angefochtenen Beschlüsse keinerlei Begründung zu den Auswirkungen der Aufhebung ihrer Immunität auf die Funktionsfähigkeit des Parlaments. Viertens habe das Parlament seine Schlussfolgerung, dass kein fumus persecutionis vorliege, nicht begründet.

49      Das Parlament, unterstützt durch das Königreich Spanien, tritt diesem Vorbringen entgegen.

50      Nach gefestigter Rechtsprechung muss die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung von Rechtsakten der Unionsorgane der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses, das die Adressaten des Rechtsakts oder andere unmittelbar und individuell von ihm betroffene Personen an Erläuterungen haben können (vgl. Urteil vom 10. März 2016, HeidelbergCement/Kommission, C‑247/14 P, EU:C:2016:149, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 11. Juni 2020, Kommission/Di Bernardo, C‑114/19 P, EU:C:2020:457, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere braucht das betreffende Organ nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihm geltend gemacht haben, sofern es die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau seiner Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil vom 30. Juni 2022, Fakro/Kommission, C‑149/21 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:517, Rn. 190; vgl. auch Urteile vom 30. April 2014, Hagenmeyer und Hahn/Kommission, T‑17/12, EU:T:2014:234, Rn. 173 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 28. November 2019, Mélin/Parlament, T‑726/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:816, Rn. 25).

52      Bei der Begründungspflicht handelt es sich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 5. Mai 2022, Kommission/Missir Mamachi di Lusignano, C‑54/20 P, EU:C:2022:349, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Im Licht dieser Erwägungen ist festzustellen, ob die angefochtenen Beschlüsse hinreichend begründet sind.

54      Im vorliegenden Fall ähneln sich die angefochtenen Beschlüsse weitgehend, mit Ausnahme der Namen der betreffenden Mitglieder, des Datums der Vornahme bestimmter gerichtlicher Handlungen sowie – im Fall der Klägerin zu 3) – der Umstände ihrer Wahl zum Parlament und der Tatsache, dass sie im Rahmen des fraglichen Strafverfahrens nur wegen des angeblichen Straftatbestands des Aufruhrs verfolgt wird.

55      In diesen Beschlüssen hat das Parlament unter Buchst. A im Wesentlichen ausgeführt, dass es mit Anträgen auf Aufhebung der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Immunität der Kläger befasst sei, die der Vorsitzende der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) im Rahmen des fraglichen Strafverfahrens gestellt habe. Unter den Buchst. F und G hat es festgestellt, dass es weder befugt sei, sich zur Zweckmäßigkeit strafrechtlicher Maßnahmen zu äußern, noch die Vorzüge nationaler Justizsysteme in Frage stellen könne. Ebenso hat es unter Buchst. H darauf hingewiesen, dass es nicht befugt sei, die Zuständigkeit der mit dem fraglichen Strafverfahren betrauten nationalen Justizbehörden zu beurteilen oder in Frage zu stellen. Unter Buchst. I hat es bemerkt, dass die Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nach spanischem Recht, so wie es von den nationalen Gerichten ausgelegt werde und dem Parlament vom Königreich Spanien mitgeteilt worden sei, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments zuständige Behörde sei.

56      Außerdem hat das Parlament unter Buchst. J die Ansicht vertreten, dass Art. 8 des Protokolls Nr. 7 nicht anwendbar sei, da sich die fraglichen Straftaten nicht auf eine in Ausübung ihres Amtes erfolgte Äußerung oder Abstimmung von Mitgliedern bezögen.

57      Sodann hat das Parlament die in Art. 9 Abs. 1 dieses Protokolls vorgesehene Immunität geprüft. Unter den Buchst. K bis N hat es festgestellt, dass Art. 71 der spanischen Verfassung den Anträgen auf Aufhebung der Immunität zufolge nicht die Einholung einer parlamentarischen Zustimmung zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen eine Person vorschreibe, die nach ihrer Anklage den Status eines Parlamentariers erlangt habe, so dass es nicht erforderlich sei, die Aufhebung der Immunität gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 zu beantragen. Es hat anschließend klargestellt, dass es nicht seine Sache sei, die nationalen Vorschriften über die Immunität der Mitglieder auszulegen (Buchst. N).

58      Schließlich hat das Parlament unter den Buchst. O bis W geprüft, ob die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität aufzuheben war. In diesem Zusammenhang hat es im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass gegen die Kläger u. a. Europäische Haftbefehle ergangen seien, deren Rechtmäßigkeit von den nationalen Gerichten bestätigt worden sei und deren Vollstreckung die Anträge auf Aufhebung der Immunität ermöglichen sollten (Buchst. P). Es ist der Ansicht gewesen, dass die gegen die Kläger erhobenen Vorwürfe offensichtlich nicht mit ihrem Abgeordnetenamt zusammenhingen, sondern sich auf ihre früheren Aufgaben in Katalonien bezögen (Buchst. T), dass sich diese Vorwürfe auch gegen andere Person richteten, die nicht den Status eines Europaabgeordneten innehätten (Buchst. U), und dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass das fragliche Strafverfahren mit der Absicht eingeleitet worden sei, der politischen Tätigkeit der Kläger als Europaabgeordneten zu schaden (fumus persecutionis), da sowohl die zur Last gelegten Straftaten als auch das besagte Verfahren aus einer Zeit stammten, in der die Erlangung des Status eines Mitglieds des Parlaments durch die Kläger noch hypothetisch gewesen sei (Buchst. V und W). Dementsprechend hat das Parlament die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität der Kläger aufgehoben.

59      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der oben in Rn. 51 dargelegten Rechtsprechung mit dem Umstand, dass in den angefochtenen Beschlüssen nicht auf die schriftlichen Erklärungen der Kläger Bezug genommen wird, für sich genommen nicht nachweisen lässt, dass das Parlament das Begründungserfordernis missachtet hat. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass weder die Zahl noch die Bedeutung der von den Klägern vorgelegten Argumente und Dokumente geeignet sind, den Umfang der Begründungspflicht des Parlaments abzuändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 96).

60      Sodann machen die Kläger als Erstes geltend, dass in den angefochtenen Beschlüssen nicht auf ihre schriftlichen Stellungnahmen zur Begründetheit der Anträge auf Aufhebung der Immunität eingegangen werde, obwohl diese Stellungnahmen in direktem Widerspruch zur Begründung der Beschlüsse stünden.

61      Insoweit geht aus den angefochtenen Beschlüssen, deren Inhalt oben in den Rn. 55 bis 58 in Erinnerung gerufen worden ist, hervor, dass ihr Buchst. I die Gründe enthält, aus denen das Parlament das Argument der Kläger zur Unzulässigkeit der Anträge auf Aufhebung der Immunität aufgrund der Unzuständigkeit des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) für deren Stellung implizit zurückgewiesen hat. Unter den Buchst. M und N ist das Parlament darüber hinaus implizit auf das Argument eingegangen, das aus der Tatsache hergeleitet wird, dass das Strafverfahren in Spanien nicht vom Parlament genehmigt worden war. Ebenso stellen die Buchst. F und G eine implizite Antwort auf das Vorbringen der Kläger dar, mit dem in Frage gestellt werden soll, dass die Verfolgung angesichts der zur Last gelegten Straftaten zweckmäßig war. Im Übrigen ergibt sich aus der unter den Buchst. O bis W der angefochtenen Beschlüsse enthaltenen Analyse, dass die Einwände, die sich auf die politische Verfolgung, den außergewöhnlichen Charakter der betreffenden Fälle, den zeitlichen Ablauf der Ereignisse, die Funktionsfähigkeit des Parlaments, insbesondere seine Integrität und Unabhängigkeit, die Unverhältnismäßigkeit einer Aufhebung der Immunität unter den gegebenen Umständen und die verschiedenen von den Klägern angeführten Präzedenzfälle beziehen, mit der Begründung zurückgewiesen worden sind, dass ein fumus persecutionis, d. h. das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass das fragliche Strafverfahren mit der Absicht eingeleitet worden ist, der Tätigkeit der Mitglieder und damit des Parlaments zu schaden, ausgeschlossen werden könne. Insoweit gehen die Gründe für den Ausschluss eines solchen fumus entgegen dem Vorbringen der Kläger hinreichend klar aus den Buchst. T bis V der angefochtenen Beschlüsse hervor.

62      Darüber hinaus äußern sich die angefochtenen Beschlüsse zwar nicht explizit zur Anwendung des von den Klägern geltend gemachten Art. 9 Abs. 7 der Geschäftsordnung (siehe oben, Rn. 44), wonach der Rechtsausschuss ausnahmsweise vorschlagen kann, dass sich die Aufhebung der Immunität ausschließlich auf die Strafverfolgung bezieht, ohne dass gegen das Mitglied, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, Maßnahmen wie Festnahme, Haft oder sonstige Maßnahmen ergriffen werden können, die es an der Ausübung des Mandats hindern. Da jedoch die Begründung eines Rechtsakts anhand seines Kontexts zu beurteilen ist (siehe oben, Rn. 51), ermöglicht es der Umstand, dass mit der Aufhebung der Immunität der Kläger die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle ermöglicht werden sollte, die für die Zwecke der Wiederaufnahme des gegen sie geführten Strafverfahrens ausgestellt worden waren, wie u. a. unter den Buchst. B und P dieser Beschlüsse dargelegt wird, zu verstehen, weshalb das Parlament diesen Artikel, dessen Wortlaut außerdem vorsieht, dass seine Durchführung auf Ausnahmefälle beschränkt ist, nicht angewandt hat.

63      Als Zweites tragen die Kläger vor, in den angefochtenen Beschlüssen sei nicht auf ihre schriftlichen Stellungnahmen – u. a. vom 16., 23. und 24. November 2020 – zu angeblichen Verfahrensmängeln, insbesondere zu der Tatsache, dass im Rechtsausschuss für die Bearbeitung der drei Anträge auf Aufhebung der Immunität nur ein einziger Berichterstatter benannt worden sei, sowie zur mangelnden Unparteilichkeit des Berichterstatters und des Vorsitzenden dieses Ausschusses, eingegangen worden.

64      Zunächst ist festzustellen, dass die internen Vorschriften des Parlaments und des Rechtsausschusses für die Prüfung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität keinerlei Verfahren zur Anfechtung der Ernennung des für einen Immunitätsfall zuständigen Berichterstatters durch diesen Ausschuss bzw. des Vorsitzes der Sitzung, in der dieser Fall vom amtierenden Vorsitzenden behandelt wird, vorsehen.

65      Im vorliegenden Fall enthalten die angefochtenen Beschlüsse weder eine explizite Antwort noch eine Bezugnahme auf das Vorbringen der Kläger zu den oben in Rn. 63 erwähnten angeblichen Verfahrensmängeln. Indem der Rechtsausschuss jedoch an einem einzigen Berichterstatter für die Prüfung der drei Anträge auf Aufhebung der Immunität sowie an seinem spanischen Vorsitzenden festhielt, hat er notwendigerweise die Auffassung vertreten, dass die von den Klägern behaupteten Verfahrensmängel unbegründet seien. Der Umstand, dass das Parlament die Gründe für eine solche Schlussfolgerung nicht angegeben hat, beeinträchtigt weder die Klarheit der Argumentation, die es dazu veranlasst hat, die Immunität der Kläger aufzuheben, noch hindert er das Gericht daran, die Rechtmäßigkeit dieser angeblichen Regelwidrigkeiten, die im Rahmen des dritten Klagegrundes geprüft werden sollen, zu kontrollieren.

66      Außerdem ist, falls die Kläger vorzutragen gedenken, das Ausbleiben einer Antwort des Parlaments auf ihre Anträge auf Übersetzung der Dokumente, die sie für die Zwecke ihrer Übermittlung an die Mitglieder des Rechtsausschusses vorgelegt hatten, wirke sich auf die Begründung der angefochtenen Beschlüsse aus, ein solches Argument zurückzuweisen. Die internen Vorschriften des Parlaments und des Rechtsausschusses sehen für das betreffende Mitglied oder seinen Vertreter nämlich nicht die Möglichkeit vor, die Übersetzung eines im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität vorgelegten Dokuments zu verlangen. Darüber hinaus gehört das Vorliegen eines Antrags auf Übersetzung nicht zu den Tatsachen und rechtlichen Erwägungen, denen nach dem Aufbau des Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt und zu denen das Parlament in diesem Beschluss ausdrücklich Stellung nehmen müsste.

67      Als Drittes ist der Umstand, dass die angefochtenen Beschlüsse keinen Verweis auf die Charta, insbesondere ihren Art. 52, enthalten, trotz des diesbezüglichen Vorbringens der Kläger nicht geeignet, eine unzureichende Begründung darzustellen. Zum einen war das Parlament nämlich nicht verpflichtet, auf alle Argumente der Kläger einzugehen (siehe oben, Rn. 51). Zum anderen gehört die Frage, ob die angefochtenen Beschlüsse mit den Bestimmungen der Charta im Einklang stehen, zur Beurteilung ihrer Begründetheit und soll im Rahmen der von den Klägern vorgebrachten materiellen Klagegründe untersucht werden.

68      Folglich ist festzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse die Kläger in die Lage versetzt haben, die Gründe für die Aufhebung ihrer Immunität zu erfahren, und dem zuständigen Gericht ausreichende Informationen an die Hand gegeben haben, um seine Kontrolle ausüben zu können.

69      Dementsprechend ist der erste Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Unzuständigkeit der nationalen Behörde, die die Anträge auf Aufhebung der Immunität der Kläger gestellt und dem Parlament übermittelt hat

70      Die Kläger tragen vor, das Parlament sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die Zuständigkeit der nationalen Behörde, die die Anträge auf Aufhebung der Immunität gestellt habe, zu überprüfen.

71      Sie machen insoweit geltend, das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) sei nicht die für die Stellung der Anträge auf Aufhebung ihrer Immunität zuständige Behörde. Dieses Gericht sei davon ausgegangen, dass ihm zwar keine Rechtsvorschrift ausdrücklich eine solche Zuständigkeit in Bezug auf einen für das Königreich Spanien gewählten Europaabgeordneten zuerkenne, diese gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 aber auf einer analogen Anwendung des nationalen Rechts beruhe, nämlich von Art. 71 Abs. 3 der spanischen Verfassung, der ihm die Zuständigkeit für die Bearbeitung, Beurteilung und Stellung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität der spanischen Parlamentarier verleihe. Es habe ferner die Auffassung vertreten, dass eine solche analoge Anwendung in Bezug auf die für einen anderen Mitgliedstaat gewählten Europaabgeordneten ausgeschlossen sei und dass für diese das örtlich zuständige spanische Gericht die Aufhebung der Immunität beantragen müsse. Nach Ansicht der Kläger ist die vorstehende Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) falsch und verstößt gegen die Art. 20, 21 und 47 der Charta. Die Unzuständigkeit des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) sei bereits von der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) und der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzten Arbeitsgruppe zur Problematik der willkürlichen Inhaftierung anerkannt worden. In der Erwiderung fügen die Kläger hinzu, dass die Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) umso erstaunlicher sei, als sie sich auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 stütze, dessen Inanspruchnahme dieses Gericht ihnen dennoch verweigere. Sie weisen darauf hin, dass das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) es systematisch abgelehnt habe, dem Gerichtshof hierzu eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

72      Die Kläger tragen vor, das Parlament sei an die Auslegung durch das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), deren Richtigkeit es zu prüfen habe, nicht gebunden. Der Umstand, dass das Parlament die Zuständigkeit der nationalen Behörden anhand der Notifizierungen des Königreichs Spanien vom 11. Juni 2014 und vom 30. September 2020, die in den angefochtenen Beschlüssen nicht einmal erwähnt würden, geprüft habe, könne – sein Vorliegen unterstellt – unter Berücksichtigung des spekulativen und rein informativen Charakters dieser Notifizierungen nicht mit einer Kontrolle gleichgesetzt werden.

73      Indem das Parlament keine solche Kontrolle durchgeführt habe, habe es gegen Art. 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung, ausgelegt im Licht von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7, sowie gegen die Art. 20, 21 und 47 der Charta, ausgelegt im Licht der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Effektivität des Unionsrechts, verstoßen.

74      Die Kläger stellen weiter fest, dass der Antrag auf Aufhebung der Immunität gemäß Art. 756 der Strafprozessordnung über das Justizministerium gestellt werden müsse, was nicht der Fall gewesen sei.

75      Das Parlament und das Königreich Spanien treten diesem Vorbringen entgegen.

76      Als Erstes machen die Kläger in Bezug auf die für die Übermittlung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität an das Parlament zuständige Behörde geltend, wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, dass die Anträge auf Aufhebung der Immunität von einer unzuständigen Behörde übermittelt worden seien. Nach Art. 756 der Strafprozessordnung, so die Kläger, hätten diese Anträge über das Justizministerium gestellt werden müssen.

77      Hierzu hat das Parlament im Rahmen der internen Organisationsbefugnis, über die es gemäß Art. 232 AEUV verfügt, entschieden, dass ihm Anträge auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds – wie in Art. 9 Abs. 12 der Geschäftsordnung vorgesehen – von der Justiz oder den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln waren, ohne auf das nationale Recht zu verweisen. Die letztgenannte Vorschrift, deren Rechtmäßigkeit von den Klägern nicht bestritten wird, ist im vorliegenden Fall eingehalten worden, da dem Parlament die Anträge auf Aufhebung der Immunität vom Präsidenten des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) übermittelt worden sind, worauf im ersten Gedankenstrich der Sichtvermerke der angefochtenen Beschlüsse hingewiesen wird.

78      Folglich ist die oben in Rn. 76 erwähnte Rüge zurückzuweisen.

79      Als Zweites ist zu der für die Stellung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität zuständige Behörde zu sagen, dass der Präsident nach Art. 9 Abs. 1 der Geschäftsordnung verpflichtet ist, dem Parlament jeden an ihn gerichteten Antrag einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds mitzuteilen und ihn an den zuständigen Ausschuss zu überweisen. Nach Art. 9 Abs. 8 der Geschäftsordnung kann der zuständige Ausschuss bei der Prüfung dieses Antrags eine mit Gründen versehene Stellungnahme zur Zuständigkeit der betreffenden Behörde und zur Zulässigkeit des Antrags abgeben. Gemäß diesen Vorschriften hat sich das Parlament über die Zuständigkeit der Behörde zu vergewissern, die die Anträge auf Aufhebung der Immunität gestellt hat.

80      In Ermangelung einer unionsrechtlichen Vorschrift zur Bestimmung der für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments zuständigen Behörde ist es Sache jedes Mitgliedstaats, diese im Rahmen seiner Verfahrensautonomie zu bezeichnen. Eine solche Bezeichnung unterliegt daher ausschließlich dem nationalen Recht.

81      In diesem Zusammenhang hat das Parlament jeden Mitgliedstaat aufgefordert, die Behörde zu benennen, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments zuständig ist. Mit einer vom Ständigen Vertreter des Königreichs Spanien bei der Europäischen Union an den Parlamentspräsidenten gerichteten Notifizierung vom 11. Juni 2014 hat die spanische Regierung darauf hingewiesen, dass es im spanischen Recht keine Vorschrift zur Ermittlung dieser Behörde gebe und deshalb grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass es sich dabei um dieselbe Behörde handle, die für einen Antrag auf Aufhebung der Immunität der spanischen Abgeordneten und Senatoren zuständig sei, nämlich den Präsidenten des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof).

82      In einer zweiten Notifizierung vom 30. September 2020 hat die spanische Regierung klargestellt, dass Art. 71 der spanischen Verfassung (siehe oben, Rn. 45) und Art. 57 der Ley Orgánica 6/1985 del Poder Judicial (Gesetz 6/1985 über die Justiz) das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) mit dem Strafverfahren gegen spanische Abgeordnete und Senatoren betrauten und dass – in diesem Zusammenhang und angesichts jüngerer Präzedenzfälle – der Vorsitzende der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) über den Präsidenten dieses Gerichtshofs als für Anträge auf Aufhebung der Immunität eines Europaabgeordneten zuständige Behörde benannt worden sei.

83      Im vorliegenden Fall hat das Parlament unter Buchst. I der angefochtenen Beschlüsse darauf hingewiesen, dass die Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nach spanischem Recht in der Auslegung durch die nationalen Gerichte, wie es dem Parlament vom Königreich Spanien mitgeteilt worden sei, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments zuständige Behörde sei.

84      Die Kläger stellen nicht in Frage, dass die Notifizierung vom 30. September 2020 den Stand der nationalen Rechtsprechung zu der Behörde widerspiegelt, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines für das Königreich Spanien gewählten Mitglieds des Parlaments zuständig ist. Die von den Klägern angeführten Urteile, in denen das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) seine Unzuständigkeit für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments feststellt, betreffen nämlich den Fall von Europaabgeordneten, die nicht für das Königreich Spanien gewählt worden sind. Dagegen tragen die Kläger vor, das Parlament habe die ihm insoweit obliegende Kontrolle nicht ausgeschöpft; angesichts der von ihnen vor dem Rechtsausschuss vorgelegten Beweise hätte es prüfen müssen, ob diese nationale Rechtsprechung mit dem Unionsrecht, insbesondere der Charta, im Einklang stehe, zumal sie auf einer Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 beruhe.

85      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament gemäß Art. 5 Abs. 1 EUV und Art. 13 Abs. 2 EUV nach Maßgabe der ihm durch die Verträge zugewiesenen Befugnisse handelt. Keine Bestimmung des Unionsrechts, insbesondere des Protokolls Nr. 7, verleiht dem Parlament aber eine Zuständigkeit für die Beurteilung der Frage, ob die von den Mitgliedstaaten getroffenen Entscheidungen hinsichtlich der – unter das nationale Recht fallenden (siehe Rn. 80) – Bestimmung der für die Stellung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität zuständigen Behörde mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Über diese Vereinbarkeit haben die nationalen Gerichte – gegebenenfalls nach einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof – zu entscheiden.

86      Sodann ist das von den Klägern angeführte Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), für den vorliegenden Fall irrelevant. Es bezieht sich nämlich auf die gerichtliche Kontrolle verfahrenseinleitender oder vorbereitender Handlungen bzw. nicht bindender Vorschläge, die von den nationalen Behörden im Rahmen von Verwaltungsverfahren vorgenommen worden sind, die zur Vornahme einer Handlung der Union führen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Unionsgerichte allein dafür zuständig sind, eine Rechtmäßigkeitskontrolle über die endgültige Entscheidung auszuüben, wozu auch die Prüfung möglicher Mängel gehört, die der Rechtmäßigkeit der genannten Zwischenhandlungen anhaften und die Gültigkeit der endgültigen Entscheidung beeinträchtigen könnten (Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest, C‑219/17, EU:C:2018:1023, Rn. 43 und 44). Die streitigen Anträge auf Aufhebung der Immunität fügen sich jedoch in den Rahmen eines auf nationaler Ebene geführten Strafverfahrens ein, in dem die endgültige Entscheidungsbefugnis beim zuständigen nationalen Gericht liegt. Sie stellen daher weder eine vorbereitende noch eine verfahrenseinleitende Handlung oder einen nicht bindenden Vorschlag der nationalen Behörden im Rahmen von Verwaltungsverfahren dar, die im Sinne des besagten Urteils zur Vornahme einer Handlung der Union führen, deren Rechtmäßigkeit das Parlament und gegebenenfalls das Gericht zu kontrollieren hätte. Die Kläger haben die Rechtmäßigkeit der Anträge auf Aufhebung ihrer Immunität im Übrigen vor den spanischen Gerichten bestritten.

87      Auch die von den Klägern angeführten Urteile vom 17. Mai 1972, Meinhardt/Kommission (24/71, EU:C:1972:37), und vom 5. Mai 2021, Falqui/Parlament (T‑695/19, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:242), sind im vorliegenden Fall nicht einschlägig. In diesen Rechtssachen geht es nämlich um Sachverhalte, in denen ein Unionsorgan nationale Rechtsvorschriften umsetzt, auf die das Unionsrecht verweist. Dies ist beim Parlament, wenn es über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität entscheidet und dabei prüft, ob es von einer zuständigen nationalen Behörde befasst worden ist, nicht der Fall.

88      Folglich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass das Parlament zu prüfen habe, ob die spanische Rechtsprechung zu der Behörde, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines für das Königreich Spanien gewählten Europaabgeordneten zuständig sei, mit dem Unionsrecht im Einklang stehe.

89      Demnach ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der loyalen Zusammenarbeit sowie Verletzung des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und der Verteidigungsrechte aufgrund der fehlenden Klarheit der angefochtenen Beschlüsse

90      Die Kläger tragen vor, der Grundsatz der Rechtssicherheit sei verkannt worden, da die Tragweite der angefochtenen Beschlüsse nicht klar sei, woraus sich eine Verletzung ihres Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und ihrer Verteidigungsrechte sowie ein Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit des Parlaments mit den Mitgliedstaaten ergäben.

91      Im Wesentlichen beruht der fünfte Klagegrund, soweit er einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, auf zwei Rügen. Mit der ersten Rüge wird geltend gemacht, in den angefochtenen Beschlüssen werde nicht klargestellt, ob ihre Tragweite auf laufende Verfahren zur Vollstreckung Europäischer Haftbefehle beschränkt werden müsse oder nicht, wenn Anträge auf Aufhebung der Immunität gestellt worden seien, was für die in Belgien und im Vereinigten Königreich geführten Verfahren gelte. Die zweite Rüge wird aus der Tatsache hergeleitet, dass das Parlament erstmals lediglich die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität aufgehoben haben soll, ohne klarzustellen, wie sich die Aufhebung zur Aufrechterhaltung der in Art. 9 Abs. 2 dieses Protokolls vorgesehenen Immunität verhielt.

92      Das Parlament und das Königreich Spanien treten diesem Vorbringen entgegen.

93      Einleitend sei darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit, der einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, gewährleisten soll, dass die unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen vorhersehbar sind. Er gebietet u. a., dass ein von den Unionsorganen erlassener Rechtsakt klar und bestimmt ist, so dass die Betroffenen die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten genau erkennen und sich darauf einstellen können (vgl. Urteile vom 10. April 2014, Areva u. a./Kommission, C‑247/11 P und C‑253/11 P, EU:C:2014:257, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. März 2018, Gollnisch/Parlament, T‑624/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:121, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).

–       Zur ersten Rüge: Fehlende Klarheit der angefochtenen Beschlüsse hinsichtlich der Verfahren, auf die sich die Aufhebung der Immunität bezieht

94      Die Kläger führen aus, dass es den angefochtenen Beschlüssen insoweit an Klarheit fehle, als in ihnen nicht präzisiert werde, auf welche Verfahren sich die Aufhebung der Immunität beziehe. Da die Aufhebung ihrer Immunität beantragt worden sei, um die damals laufende Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle fortzusetzen, könne mit den angefochtenen Beschlüssen nur die Fortsetzung dieser Vollstreckung in Belgien in Bezug auf den Kläger zu 1) und den Kläger zu 2) sowie im Vereinigten Königreich in Bezug auf die Klägerin zu 3) und nicht die Vollstreckung der Haftbefehle in einem anderen Mitgliedstaat genehmigt werden. Die Kläger ziehen daraus den Schluss, dass, da die Behörden des Vereinigten Königreichs die Vollstreckung des gegen die Klägerin zu 3) ausgestellten Europäischen Haftbefehls aufgegeben hätten, über die Klage, soweit sie von dieser erhoben worden sei, nicht mehr entschieden zu werden brauche.

95      Zunächst ist zu bemerken, dass mit den angefochtenen Beschlüssen nach Nr. 1 ihres verfügenden Teils die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität der Kläger aufgehoben wird, nämlich die Immunität, die im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als des Königreichs Spanien gewährt worden ist, ohne dass insoweit bestimmte Staaten herausgegriffen werden.

96      Sodann ist daran zu erinnern, dass die angefochtenen Beschlüsse auf Anträge auf Aufhebung der Immunität der Kläger zurückgehen, die mit zwei Beschlüssen des Ermittlungsrichters der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 10. Januar 2020 (Kläger zu 1] und Kläger zu 2]) und vom 4. Februar 2020 (Klägerin zu 3]) gestellt worden sind. In der Sachverhaltsdarstellung der letztgenannten Beschlüsse wird u. a. ein Auszug aus den Beschlüssen vom 10. Januar 2020 (Kläger zu 1] und zu 2]) und vom 3. Februar 2020 (Klägerin zu 3]) wiedergegeben, mit denen der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Rechtsbehelfe gegen die Beschlüsse vom 14. Oktober und 4. November 2019 über die Ausstellung von Haftbefehlen gegen die Kläger zurückgewiesen hat. In diesem Auszug wird u. a. darauf hingewiesen, dass die Anträge auf Aufhebung der Immunität darauf abzielen, die Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle „fortzusetzen“. Dieser Hinweis wird unter Buchst. P der angefochtenen Beschlüsse wiederholt. In der Begründung der Beschlüsse vom 10. Januar und 4. Februar 2020 heißt es insbesondere, dass die Aufhebung der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Immunität der Kläger beantragt werde, sofern diese Immunität einer Vollstreckung der gegen die Kläger ergangenen Europäischen Haftbefehle entgegenstehe. Darüber hinaus ist davon die Rede, dass die Aufhebung der Immunität die Strafverfolgung erleichtern werde. In diesem Zusammenhang dürfen die Kläger nicht argumentieren, die Anträge auf Aufhebung der Immunität sollten lediglich die Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle in Belgien und im Vereinigten Königreich ermöglichen.

97      Folglich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass es den angefochtenen Beschlüssen – isoliert oder in Verbindung mit den Anträgen auf Aufhebung der Immunität ausgelegt – in Bezug auf die Verfahren, in deren Rahmen die Immunität aufgehoben worden ist, an Klarheit fehle. Die erste Rüge ist somit zurückzuweisen.

–       Zur zweiten Rüge: Fehlende Klarheit der angefochtenen Beschlüsse hinsichtlich der Art der Maßnahmen, die im Rahmen der Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle ergriffen werden könnten

98      Die Kläger machen geltend, die angefochtenen Beschlüsse seien hinsichtlich der genauen Maßnahmen, die im Rahmen der Verfahren zur Vollstreckung der Europäischen Haftbefehle ergriffen werden könnten, nicht klar. Diese Beschlüsse, so die Kläger, dürften nicht die Vornahme von Einschränkungen ihrer Freiheit zulassen, da sie entgegen den Behauptungen des Königreichs Spanien weiterhin die in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität genössen. Unterschiedliche diesbezügliche Auslegungen des Parlaments, des Königreichs Spanien und der italienischen vollstreckenden Justizbehörden bestätigten den Mangel an Klarheit. Die Kläger heben darüber hinaus den beispiellosen Charakter der angefochtenen Beschlüsse hervor, in denen das Parlament die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität aufhebe, ohne sich zum Schicksal der Immunität nach Art. 9 Abs. 2 dieses Protokolls zu äußern, was zu vollkommener Rechtsunsicherheit führe.

99      Zunächst ist zu bemerken, dass die der Union durch das Protokoll Nr. 7 eingeräumten Vorrechte und Befreiungen insofern funktionalen Charakter haben, als durch sie eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Union verhindert werden soll, was insbesondere impliziert, dass diese Vorrechte und Befreiungen ausschließlich im Interesse der Union gewährt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 29. März 2012, Gollnisch/Parlament, C‑569/11 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2012:199, Rn. 29, und Urteil vom 30. November 2021, LR Ģenerālprokuratūra, C‑3/20, EU:C:2021:969, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere sollen die Befreiungen dem Parlament einen vollständigen und effektiven Schutz gegen Beeinträchtigungen oder Gefährdungen seines ordnungsgemäßen Funktionierens und seiner Unabhängigkeit gewährleisten (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist es Sache des Parlaments, diese Unverletzlichkeit bei der Ausübung der ihm zur Verfügung stehenden Befugnisse effektiv zu gewährleisten (Urteil vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T‑42/06, EU:T:2010:102, Rn. 107). Zu diesem Zweck muss sich das Parlament gemäß Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 6 der Geschäftsordnung (siehe oben, Rn. 42 und 43) bei der Prüfung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität für die Bewahrung seiner Integrität als demokratische gesetzgebende Versammlung und die Sicherstellung der Unabhängigkeit seiner Mitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben einsetzen.

100    Anschließend muss das Parlament, wenn es mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität eines seiner Mitglieder befasst wird, nachdem es gegebenenfalls sowohl vom Mitgliedstaat als auch vom betreffenden Mitglied gemäß Art. 9 Abs. 5 und 6 der Geschäftsordnung informiert worden ist, die Situation dieses Mitglieds anhand des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts prüfen. Insoweit hat es in einem ersten Schritt zu untersuchen, ob dieser Sachverhalt unter Art. 8 des Protokolls Nr. 7 – als Sondervorschrift – fallen kann. Falls ja, muss das Parlament feststellen, dass eine Aufhebung der Immunität unmöglich ist. Nur wenn dieses Organ zu einem negativen Ergebnis kommt, hat es in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der betreffende Abgeordnete für den fraglichen Sachverhalt Immunität nach Art. 9 des Protokolls genießt, und wenn dies der Fall ist, muss es entscheiden, ob diese Immunität auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 des Protokolls Nr. 7 aufzuheben ist (Beschluss vom 12. November 2020, Jalkh/Parlament, C‑792/18 P und C‑793/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:911, Rn. 33, und Urteil vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 46 und 47).

101    Im vorliegenden Fall hat das Parlament unter Buchst. A der angefochtenen Beschlüsse darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Aufhebung der Immunität auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 gestützt werde.

102    Gemäß dem oben in Rn. 100 beschriebenen Verfahren hat das Parlament geprüft, ob der den Klägern im fraglichen Strafverfahren zur Last gelegte Sachverhalt unter Art. 8 des Protokolls Nr. 7 fiel, und ist unter Buchst. J der angefochtenen Beschlüsse zu dem Ergebnis gelangt, dass dies nicht der Fall sei.

103    Da der Antrag auf Aufhebung der Immunität insbesondere ein Hindernis für die Festnahme der Kläger durch einen anderen Mitgliedstaat als das Königreich Spanien beseitigen sollte, um sie für die Zwecke der Fortsetzung des fraglichen Strafverfahrens an das Königreich zu übergeben, hat das Parlament sodann in Bezug auf Art. 9 des Protokolls Nr. 7 die in Abs. 1 Buchst. a dieses Artikels vorgesehene Immunität geprüft. Es hat unter Buchst. M der angefochtenen Beschlüsse festgestellt, dass Art. 71 der spanischen Verfassung den Anträgen auf Aufhebung der Immunität zufolge nicht die Einholung einer parlamentarischen Zustimmung zur Fortsetzung des Strafverfahrens gegen eine Person vorschreibe, die nach ihrer Anklage den Status eines Parlamentariers erlangt habe, so dass es nicht erforderlich sei, die Aufhebung der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Immunität zu beantragen. Es hat unter Buchst. N hinzugefügt, dass es nicht seine Sache sei, die nationalen Vorschriften über die Immunität der Mitglieder auszulegen. Damit hat das Parlament, wie in der mündlichen Verhandlung von ihm bestätigt worden ist, zur Kenntnis genommen, dass das spanische Recht in der Auslegung durch die spanischen Gerichte, das aufgrund des Verweises in dieser Vorschrift anwendbar war, den Klägern für den fraglichen Sachverhalt keine Immunität verlieh.

104    Schließlich hat das Parlament ab Buchst. O der angefochtenen Beschlüsse untersucht, ob die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität der Kläger, wie von ihm verlangt, aufzuheben war. In Nr. 1 des verfügenden Teils ist es zu dem Ergebnis gekommen, dass dies der Fall sei.

105    Da das Parlament im Rahmen seiner Befugnisse auf dem Gebiet der Immunitäten deren Wirksamkeit gewährleisten muss, ergibt sich implizit, aber zwangsläufig aus den angefochtenen Beschlüssen, dass es der Auffassung war, dass nur die Immunität nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 ein Hindernis für die Festnahme der Kläger und deren Übergabe an die spanischen Behörden in Anwendung der streitigen Europäischen Haftbefehle darstelle und daher aufzuheben sei.

106    Entgegen dem Vorbringen der Kläger ist das Schweigen der angefochtenen Beschlüsse zu der in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Immunität nicht geeignet, den Beschlüssen einen zweideutigen Charakter zu verleihen. Zum einen tagt das Parlament nach dem derzeitigen Stand seiner Praxis nämlich ununterbrochen von der Eröffnung der ersten Sitzungsperiode bis zu deren Schließung, die gleichzeitig mit der Eröffnung der ersten Sitzungsperiode nach der nächsten Wahl erfolgt. Die Immunität nach Art. 9 Abs. 1 des Protokolls Nr. 7, die während der Dauer der Sitzungsperioden des Parlaments gilt, schützt dessen Mitglieder somit für die gesamte Dauer ihres Mandats (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:958, Nr. 83). Zum anderen gewährt die in Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität jedem Mitglied des Parlaments die Möglichkeit, sich ungehindert zur ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode zu begeben und die Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um sein Mandat aufzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 85 und 86), weshalb es im vorliegenden Fall nicht um sie ging, da die zuständigen spanischen Behörden mit der Beantragung der Aufhebung der Immunität der Kläger deren Eigenschaft als Mitglied des Parlaments anerkannt hatten und diese ihr Mandat ausübten.

107    In Anbetracht der oben in Rn. 106 erwähnten Gesichtspunkte verlieh Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 den Klägern unter den gegebenen Umständen und unabhängig von den im Lauf des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegten Ausführungen des Parlaments keinen eigenständigen Schutz im Vergleich zu dem, den sie im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 dieses Protokolls genossen.

108    Folglich ist die zweite Rüge zurückzuweisen.

109    Dementsprechend ist der fünfte Klagegrund insoweit zurückzuweisen, als er auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit gestützt wird, weshalb er, da die Rügen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit sowie einer Verletzung des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und der Verteidigungsrechte ausschließlich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit gestützt werden, insgesamt zurückzuweisen ist.

 Zum sechsten Klagegrund, soweit mit ihm ein Verstoß gegen Art. 343 AEUV, Art. 9 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung sowie eine Verletzung bestimmter Grundrechte der Kläger geltend gemacht werden

110    Mit dem sechsten Klagegrund machen die Kläger u. a. geltend, die angefochtenen Beschlüsse seien unter Verletzung der Vorschriften über das Recht des Parlaments zur Aufhebung der Immunität, nämlich von Art. 343 AEUV, Art. 9 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung einerseits und einiger Bestimmungen der Charta andererseits, erlassen worden.

111    Das Parlament und das Königreich Spanien treten dem Vorbringen der Kläger entgegen.

112    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 9 Abs. 3 des Protokolls Nr. 7 bestimmt, dass „die Unverletzlichkeit … auch nicht der Befugnis des Europäischen Parlaments entgegen[steht], die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben“, ohne klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen das Parlament zu prüfen hat, ob die Immunität aufzuheben ist. Das Parlament verfügt daher bei der Frage, woran es seine Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität orientieren möchte, wegen des politischen Charakters einer solchen Entscheidung über ein weites Ermessen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 59, und vom 12. Februar 2020, Bilde/Parlament, T‑248/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:46, Rn. 19).

113    Art. 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung bestimmt insoweit: „Jeder Antrag auf Aufhebung der Immunität wird gemäß den Artikeln 7, 8 und 9 des Protokolls Nr. 7 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union und nach den Grundsätzen des Artikels 5 Absatz 2 dieser Geschäftsordnung geprüft.“ In der letztgenannten Vorschrift heißt es: „Bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse hinsichtlich der Vorrechte und Befreiungen handelt das Parlament so, dass es seine Integrität als demokratische gesetzgebende Versammlung bewahrt und die Unabhängigkeit seiner Mitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sicherstellt.“

114    Keine andere Bestimmung regelt die materiellen Kriterien für die Prüfung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität. In diesem Zusammenhang hat der Ausschuss, der für die Prüfung der Anträge auf Aufhebung der Immunität und die Unterbreitung eines Vorschlags für einen mit Gründen versehenen Beschluss an das Parlament gemäß Art. 9 Abs. 4 der Geschäftsordnung zuständig ist (siehe oben, Rn. 44), verschiedene Mitteilungen an seine Mitglieder verfasst, in denen die Grundsätze festgelegt sind, denen er in Immunitätsverfahren zu folgen gedachte. Die letzte ist die Mitteilung an die Mitglieder des Rechtsausschusses betreffend Grundsätze für Anträge auf Aufhebung der Immunität vom 19. November 2019 (im Folgenden: Mitteilung Nr. 11/2019). So sieht diese Mitteilung in ihren Nrn. 41 bis 44 im Wesentlichen vor, dass das Parlament, wenn es mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität wegen eines Sachverhalts befasst wird, der nicht unter die Immunität nach Art. 8 des Protokolls Nr. 7, sondern unter die Immunität nach Art. 9 dieses Protokolls fällt, die Immunität aufhebt, es sei denn, es stellt das Vorliegen eines fumus persecutionis fest, d. h. die nationale Strafverfolgung ist erwiesenermaßen von der Absicht getragen, die politische Tätigkeit des Mitglieds und damit die Unabhängigkeit des Parlaments zu beeinträchtigen. In seinen Schriftsätzen hat das Parlament bestätigt, dass diese Mitteilung die Praxis widerspiegle, der es bei der Prüfung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität tatsächlich folge.

115    Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass die der Union durch das Protokoll Nr. 7 eingeräumten Vorrechte und Befreiungen insofern funktionalen Charakter haben, als durch sie eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Union verhindert werden soll, was insbesondere impliziert, dass diese Vorrechte und Befreiungen ausschließlich im Interesse der Union gewährt werden (siehe oben, Rn. 99).

116    Was die Kontrolle der vom Parlament infolge eines Antrags auf Aufhebung der Immunität getroffenen Entscheidungen durch das Gericht angeht, so ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Unionsrichter feststellen muss, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt von dem Organ zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteile vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 1. Dezember 2021, Jalkh/Parlament, T‑230/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:848, Rn. 24).

–       Zum angeblichen Verstoß gegen Art. 343 AEUV, Art. 9 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung

117    Die Kläger tragen vor, das Parlament habe die Grenzen seiner sich aus Art. 343 AEUV, Art. 9 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung ergebenden Befugnis zur Aufhebung der Immunität missachtet.

118    Als Erstes machen die Kläger geltend, das Parlament habe unter Verstoß gegen die oben in Rn. 117 erwähnten Vorschriften, insbesondere gegen Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung, nicht untersucht, ob die Aufhebung ihrer Immunität die Interessen der Union, u. a. an der Integrität oder Unabhängigkeit des Parlaments, beeinträchtigen könne. So habe es nicht die potenziellen Folgen einer Immunitätsaufhebung für die Ausübung ihres parlamentarischen Mandats geprüft, obwohl eine solche Aufhebung zu ihrer Festnahme und vorläufigen Inhaftierung führen könne.

119    Insoweit ist zu bemerken, dass das Parlament über den Rechtsausschuss festgelegt hat, welchen Grundsätzen es für die Feststellung zu folgen gedachte, ob eine Immunitätsaufhebung seine Unabhängigkeit oder Integrität beeinträchtige. So hat es das Kriterium des fumus persecutionis herangezogen, wonach die in Art. 9 des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität aufgehoben wird, wenn es nach seiner Auffassung keinen Beweis dafür gibt, dass die strafrechtliche Verfolgung des betreffenden Mitglieds eingeleitet worden ist, um der politischen Tätigkeit dieses Mitglieds und damit des Parlaments zu schaden. Das Parlament hat während des Verfahrens darauf hingewiesen, dass dieses Kriterium unter Berücksichtigung sowohl des Ziels der Wahrung seiner Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit als auch der notwendigen Einhaltung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit festgelegt worden sei, wonach sich die Union und die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, gegenseitig achten und unterstützen.

120    Folglich ist das Parlament, als es das Vorliegen eines fumus persecutionis verneint hat, notwendigerweise davon ausgegangen, dass eine Aufhebung der Immunität der Kläger seine Interessen, insbesondere seine Funktionsfähigkeit und seine Unabhängigkeit, nicht beeinträchtige.

121    Nach Ansicht der Kläger ist diese Schlussfolgerung falsch, da ihnen angesichts der Gefahr, dass sie infolge ihrer Übergabe an die spanischen Behörden ihrer Freiheit beraubt würden und damit ihr Mandat nicht ausüben könnten, durch die angefochtenen Beschlüsse unter Verstoß gegen Art. 343 AEUV eine für die Erfüllung ihrer Aufgabe erforderliche Immunität vorenthalten werde.

122    Die vorstehende Argumentation ist jedoch auf eine Verwechslung zwischen den Immunitäten, die den Mitgliedern des Parlaments zur Verfügung stehen und gewährleisten müssen, dass das Parlament in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen, und der in Art. 9 Abs. 3 des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Befugnis des Parlaments zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität zurückzuführen. Auch wenn die Union und insbesondere die Mitglieder ihrer Organe, wie der Gerichtshof im Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 76), entschieden hat, gemäß Art. 343 AEUV die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Befreiungen genießen müssen, kann diese Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden, dass die Immunität eines Mitglieds des Parlaments nie aufgehoben werden kann, wenn die Fortsetzung des Verfahrens, in dessen Rahmen die Aufhebung der Immunität beantragt worden ist, möglicherweise die Ausübung seines Mandats behindert oder sogar – am Ende dieses Verfahrens – zu dessen Verlust führt. Eine solche Auslegung liefe darauf hinaus, Art. 9 Abs. 3 des Protokolls Nr. 7 jede praktische Wirksamkeit zu nehmen.

123    Als Zweites tragen die Kläger vor, die angefochtenen Beschlüsse seien unter Verletzung der in Art. 9 Abs. 1 und 2 des Protokolls Nr. 7 vorgesehenen Immunitäten ergangen.

124    Erstens machen die Kläger geltend, die angefochtenen Beschlüsse verstießen gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b des Protokolls Nr. 7, soweit mit ihnen die Vollstreckung nationaler und Europäischer Haftbefehle ermöglicht werden solle, die unter eindeutigem Verstoß gegen diese Vorschriften ausgestellt worden seien.

125    Zunächst ist zu bemerken, dass das Parlament, worauf oben in Rn. 100 hingewiesen worden ist, im Rahmen seiner Prüfung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität zu untersuchen hat, ob das betreffende Mitglied Immunität nach Art. 9 des Protokolls genießt, und – wenn das der Fall ist – entscheiden muss, ob diese Immunität auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 des Protokolls Nr. 7 aufzuheben ist. Zu diesem Zweck wendet es das Kriterium des fumus persecutionis an.

126    Dagegen ist es nicht Sache des Parlaments, die Rechtmäßigkeit der von den Justizbehörden während des fraglichen Verfahrens vorgenommenen Handlungen zu beurteilen, da diese Frage in die alleinige Zuständigkeit der nationalen Behörden fällt.

127    Folglich hatte sich das Parlament im Rahmen seiner Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität nicht zur Rechtmäßigkeit der im fraglichen Strafverfahren ergangenen nationalen und Europäischen Haftbefehle zu äußern. Darüber hinaus ist klarzustellen, dass die angefochtenen Beschlüsse entgegen dem Vorbringen der Kläger keinesfalls die Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit dieser Haftbefehle bewirken.

128    Zweitens tragen die Kläger vor, die angefochtenen Beschlüsse beruhten fälschlicherweise auf der Feststellung, dass sie keine Immunität nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 genössen. Nach spanischem Recht, auf das dieser Artikel verweise, genieße eine Person, die angeklagt worden sei, bevor sie den Status eines spanischen Parlamentariers erlangt habe, im Wesentlichen Immunität. Zur Stützung ihrer Behauptung machen sie Art. 71 Abs. 2 der spanischen Verfassung, Art. 751 Abs. 2 und Art. 753 der Strafprozessordnung sowie Art. 22 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Senats geltend.

129    Wie insoweit bereits oben in Rn. 103 festgestellt worden ist, hat das Parlament in den angefochtenen Beschlüssen zur Kenntnis genommen, dass das aufgrund des Verweises in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 anwendbare spanische Recht in der Auslegung durch die spanischen Gerichte, das es sich auszulegen weigerte, den Klägern für den fraglichen Sachverhalt keine Immunität verlieh. In der mündlichen Verhandlung hat das Parlament darauf hingewiesen, dass ihm während der Phase der Prüfung der Anträge auf Aufhebung der Immunität keine Informationen vorgelegt worden seien, die die Tatsache in Frage stellen könnten, dass die Kläger nach dem Stand der nationalen Rechtsprechung keine Immunität nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 genössen, und dass es andernfalls die spanischen Behörden um Klarstellung ersucht hätte.

130    Da sich Umfang und Bedeutung der Immunität, die die Abgeordneten im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates genießen, nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 7 nach den jeweiligen nationalen Rechten bestimmen, auf die dieser Artikel verweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T‑42/06, EU:T:2010:102, Rn. 106), dürfen die Kläger nicht argumentieren, das Parlament habe einen Rechtsfehler begangen, als es auf das nationale Recht in der Auslegung durch die nationalen Gerichte Bezug genommen habe.

131    Im Übrigen haben die Kläger, auch wenn sie sich auf mehrere Bestimmungen des nationalen Rechts berufen, nicht nachgewiesen, dass das Parlament einen Fehler begangen hat, als es festgestellt hat, dass das nationale Recht, wie es sich insbesondere aus diesen Bestimmungen ergibt, von den nationalen Gerichten dahin ausgelegt werde, dass keine parlamentarische Zustimmung eingeholt werden müsse, um ein Strafverfahren gegen eine Person fortzusetzen, die – wie die Kläger – nach Anklageerhebung gewählt worden sei.

132    Drittens machen die Kläger geltend, die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität könne nicht aufgehoben werden, ohne auch die Immunität nach Art. 9 Abs. 2 dieses Protokolls aufzuheben, wenn nicht gegen die letztgenannte Vorschrift verstoßen werden solle.

133    Es genügt der Hinweis, dass Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 den Klägern unter den Umständen des vorliegenden Falls – insbesondere da das Königreich Spanien ihnen den Abgeordnetenstatus zuerkannt hatte – keinen eigenständigen Schutz im Vergleich zu dem gewährte, den sie nach Art. 9 Abs. 1 dieses Protokolls genossen (siehe oben, Rn. 107). Folglich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, die angefochtenen Beschlüsse seien unter Verstoß gegen Art. 9 Abs. 2 des Protokolls Nr. 7 ergangen.

134    Dementsprechend ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 343 AEUV, Art. 9 des Protokolls Nr. 7 und Art. 5 Abs. 2 der Geschäftsordnung als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum rechtswidrigen Eingriff in die Grundrechte der Kläger

135    Die Kläger vertreten im Wesentlichen die Auffassung, dass die parlamentarische Immunität eine entscheidende Garantie für die Achtung ihres durch Art. 3 des Protokolls Nr. 1 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) garantierten Rechts auf Ausübung ihres Mandats und des in Art. 39 Abs. 2 der Charta verankerten passiven Wahlrechts, ausgelegt im Licht der Art. 6, 45 und 48 dieser Charta sowie von Art. 21 AEUV, sei und ihre Aufhebung deshalb einen Eingriff in diese Rechte darstelle, sofern die in Art. 52 der Charta vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien.

136    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 39 Abs. 2 der Charta, wonach „[d]ie Mitglieder des Europäischen Parlaments … in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl gewählt [werden]“, das passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Parlament garantiert. Das passive Wahlrecht umfasst das Recht jeder Person, sich zur Wahl zu stellen und, sobald sie gewählt ist, ihr Mandat auszuüben (vgl. – zu Art. 3 des Protokolls Nr. 1 zur EMRK – EGMR, Urteil vom 11. Juni 2002, Sadak u. a./Türkei [Nr. 2], CE:ECHR:2002:0611JUD002514494, §33).

137    In Art. 52 Abs. 1 der Charta heißt es:

„(1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

138    Allerdings kann die Immunität kein den Europaabgeordneten zuerkanntes Grundrecht darstellen, da sie ausschließlich im Interesse des Parlaments gewährt wird (siehe oben, Rn. 99). Der Umstand, dass eine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität die Rechtsstellung des fraglichen Abgeordneten allein durch die Aufhebung des Schutzes ändert, der ihm durch das Protokoll Nr. 7 gewährt wird, und zwar dadurch, dass sie seinen Status als dem allgemeinen Recht der Mitgliedstaaten unterworfene Person wiederherstellt und ihn, ohne dass eine Durchführungsvorschrift erforderlich wäre, Maßnahmen, insbesondere solchen des Freiheitsentzugs und der Strafverfolgung, aussetzt, die das allgemeine Recht vorsieht (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 45), ist insoweit irrelevant. Dieser Umstand bedeutet nämlich nur, dass die Kläger berechtigt sind, die angefochtenen Beschlüsse vor den Unionsgerichten anzufechten.

139    Insbesondere darf die den Europaabgeordneten gewährte Immunität, auch wenn sie dazu beiträgt, die Effektivität des Grundrechts, das das passive Wahlrecht darstellt, sicherzustellen, indem den Personen, die zu Mitgliedern des Parlaments gewählt wurden, ermöglicht wird, die Schritte zu unternehmen, die notwendig sind, um ihr Mandat aufzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies, C‑502/19, EU:C:2019:1115, Rn. 86), nicht mit diesem Recht verwechselt werden.

140    Darüber hinaus hat die Aufhebung der parlamentarischen Immunität für sich genommen keine Folgen für die Ausübung des Mandats. Sie soll lediglich den nationalen Behörden die Fortsetzung eines nationalen Verfahrens ermöglichen. Daher könnten nur Entscheidungen, die gegebenenfalls am Ende dieses Verfahrens von den nationalen Behörden getroffen werden, zu einer Einschränkung der Ausübung des Mandats oder sogar zu dessen Verlust führen und als solche einen Eingriff in die Ausübung des passiven Wahlrechts darstellen.

141    Aus den gleichen Gründen hat eine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität weder Folgen für die Freiheit – insbesondere die Freizügigkeit – der Kläger noch verletzt sie deren Recht auf Wahrung der Unschuldsvermutung. Insoweit wird darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität im Sinne von Art. 9 des Protokolls Nr. 7 zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem diese Aufhebung beantragt wird, von der durch die Behörden des Mitgliedstaats zu klärenden Frage zu unterscheiden ist, ob der den betreffenden Abgeordneten vorgeworfene Sachverhalt nachgewiesen ist (Urteil vom 17. September 2020, Troszczynski/Parlament, C‑12/19 P, EU:C:2020:725, Rn. 57).

142    Daher ist das Vorbringen der Kläger, wonach die angefochtenen Beschlüsse Eingriffe in bestimmte in der EMRK und der Charta anerkannte Grundrechte darstellten, als unbegründet zurückzuweisen. Dementsprechend geht ihre Argumentation, mit der nachgewiesen werden soll, dass diese Eingriffe nicht den Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 der Charta entsprechen, ins Leere und ist deshalb zurückzuweisen.

143    Nach alledem ist der sechste Klagegrund, soweit er darauf gestützt wird, dass das Parlament die Grenzen seiner Befugnis zur Aufhebung der Immunität verletzt habe, zurückzuweisen.

 Zum sechsten Klagegrund, soweit er aus Tatsachen- und Rechtsfehlern bei der Prüfung des fumus persecutionis durch das Parlament hergeleitet wird, und zum siebten Klagegrund eines Verstoßes gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung sowie offensichtlicher Fehler des Parlaments bei seiner Beurteilung des fumus persecutionis

144    Mit dem sechsten Klagegrund werden u. a. im Wesentlichen Rechts- und Tatsachenfehler geltend gemacht, die das Parlament bei seiner Prüfung des fumus persecutionis begangen haben soll. Der siebte Klagegrund wiederum wird zum einen aus einem Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung, da das Parlament ohne Angaben von Gründen von seiner bisherigen Praxis bei der Prüfung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität abgewichen sein soll, und zum anderen aus offensichtlichen Fehlern des Parlaments bei seiner Beurteilung des fumus persecutionis hergeleitet.

145    Das Parlament und das Königreich Spanien treten diesem Vorbringen entgegen.

–       Zu den angeblichen Rechts- und Tatsachenfehlern bei der Prüfung des fumus persecutionis durch das Parlament

146    Im vorliegenden Fall hat das Parlament in den angefochtenen Beschlüssen ab Buchst. O die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität und ab Buchst. Q die Frage geprüft, ob diese Immunität aufzuheben war. Insbesondere hat es unter Buchst. T festgestellt, dass die gegen die Kläger erhobenen Vorwürfe offensichtlich nicht mit ihrem Abgeordnetenamt zusammenhingen, sondern sich auf ihre früheren Aufgaben in Katalonien bezögen. Unter Buchst. U hat es darauf hingewiesen, dass auch andere Personen, die nicht den Status von Europaabgeordneten innehätten, wegen derselben Taten angeklagt worden seien. Unter Buchst. V hat es ausgeführt, dass die besagten Taten während des Jahres 2017 begangen worden seien und das fragliche Strafverfahren gegen die Kläger eingeleitet worden sei, als die Erlangung des Status eines Mitglieds des Parlaments durch diese noch hypothetisch gewesen sei. Dementsprechend hat das Parlament unter Buchst. W die Ansicht vertreten, es habe nicht nachweisen können, dass die fragliche Strafverfolgung eingeleitet worden sei, um der politischen Tätigkeit der Kläger und damit der seinen zu schaden.

147    Erstens machen die Kläger geltend, die angefochtenen Beschlüsse beruhten auf einem Rechtsfehler hinsichtlich des Zwecks der parlamentarischen Immunität. Das Parlament sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie das Mitglied nur vor Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Tätigkeiten schütze, die bei der Ausübung seines parlamentarischen Amtes durchgeführt worden oder untrennbar mit diesem verknüpft seien. Es sei daher fälschlicherweise zu dem Schluss gelangt, dass der Umstand, dass das fragliche Strafverfahren nicht mit der Ausübung ihres parlamentarischen Amtes zusammenhänge, die Aufhebung ihrer Immunität rechtfertige.

148    Insoweit ist zu bemerken, dass Buchst. S der angefochtenen Beschlüsse den in Nr. 3 der Mitteilung Nr. 11/2019 enthaltenen Grundsatz wiedergibt, wonach „Zweck der parlamentarischen Immunität … der Schutz des Parlaments und seiner Mitglieder vor Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit bei der Ausübung des parlamentarischen Amtes durchgeführten Tätigkeiten [ist], die nicht von diesem Amt getrennt werden können“.

149    Zunächst ist daran zu erinnern, dass die in Art. 8 des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität nur Äußerungen oder Abstimmungen der Mitglieder des Parlaments erfasst, die in Ausübung ihres parlamentarischen Amtes erfolgt sind. Dagegen schützt die Immunität nach Art. 9 des genannten Protokolls die Mitglieder während der Dauer der Sitzungsperioden des Parlaments, und zwar auch wegen Taten, die in keinerlei Zusammenhang mit der Ausübung eines parlamentarischen Amtes stehen. Der Umfang dieser Immunität ist im vorliegenden Fall nicht in Frage gestellt worden. Für die Kläger galt nämlich unstreitig die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Protokolls Nr. 7 vorgesehene Immunität, auch wenn sich das fragliche Strafverfahren auf Tätigkeiten bezog, die nicht mit der Ausübung eines parlamentarischen Amtes zusammenhingen.

150    Was sodann die Beurteilung des Vorliegens eines fumus persecutionis angeht, so hat das Parlament unabhängig vom nicht ganz eindeutigen Wortlaut des Buchst. S nicht lediglich festgestellt, dass der den Klägern im Rahmen des fraglichen Strafverfahrens vorgeworfene Sachverhalt aus der Zeit vor ihrer Wahl zum Parlament stamme und folglich in keinerlei Zusammenhang mit den im Rahmen ihres parlamentarischen Amtes durchgeführten Tätigkeiten stehe. Das Parlament hat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen anerkannt, dass ein solcher Umstand für die Beurteilung des Vorliegens eines fumus persecutionis nicht entscheidend sein kann.

151    Für die Schlussfolgerung, dass kein fumus persecutionis vorliege, hat sich das Parlament auf mehrere Gesichtspunkte gestützt, die nach seiner Auffassung zusammen betrachtet geeignet waren, das Vorliegen eines Falls von fumus persecutionis auszuschließen. Dabei handelt es sich um den Umstand, dass die beanstandeten Taten im Jahr 2017 begangen worden sind, während die Kläger den Status eines Mitglieds des Parlaments erst am 13. Juni 2019 erlangt haben, aber auch um die Umstände, dass sie zum einen am 21. März 2018 angeklagt worden sind, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Erlangung des Status eines Europaabgeordneten noch hypothetisch war, und zum anderen die Anklageerhebung auch andere Personen betraf, die keine Mitglieder des Parlaments waren.

152    Folglich ist die allgemeine Feststellung unter Buchst. S der angefochtenen Beschlüsse nicht in dem Sinne umgesetzt worden, dass einem Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Parlaments stattgegeben werden muss, wenn er auf die Fortsetzung eines Gerichtsverfahrens im Zusammenhang mit Taten abzielt, die nichts mit der Ausübung eines parlamentarischen Amtes zu tun haben.

153    Das Argument, mit dem das Vorliegen eines Rechtsfehlers geltend gemacht wird, ist daher zurückzuweisen.

154    Zweitens tragen die Kläger vor, das Parlament habe seine Beurteilung des fumus persecutionis auf einen Tatsachenfehler hinsichtlich des Stands des fraglichen Strafverfahrens gestützt. Sie machen geltend, das Parlament sei unter Buchst. B der angefochtenen Beschlüsse zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ermittlungsphase des fraglichen Strafverfahrens in Bezug auf sie abgeschlossen worden sei, und stützen sich dafür auf zwei Beschlüsse des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), darunter den vom 25. Oktober 2018, die sie nicht betrafen.

155    Es ist daran zu erinnern, dass es unter Buchst. B der angefochtenen Beschlüsse wie folgt heißt:

„in der Erwägung, dass die Handlungen, die Gegenstand des Verfahrens sind, mutmaßlich im Jahr 2017 begangen wurden; in der Erwägung, dass der Eröffnungsbeschluss in dieser Rechtssache am 21. März 2018 erlassen und mit anschließenden Anordnungen zur Zurückweisung von Beschwerden bestätigt wurde; in der Erwägung, dass die Untersuchung mit Anordnung vom 9. Juli 2018 abgeschlossen und am 25. Oktober 2018 als endgültig bestätigt wurde; in der Erwägung, dass mit Anordnung vom 9. Juli 2018 u. a. [der Kläger zu 1)/der Kläger zu 2)/die Klägerin zu 3)] für säumig erklärt wurde und entschieden wurde, die Verfahren gegen [ihn/sie] und andere Personen bis zu [deren] Auffinden auszusetzen“.

156    In der mündlichen Verhandlung ist ausgeführt worden, dass zum einen der dritte Satz von Buchst. B, wonach „die Untersuchung mit Anordnung vom 9. Juli 2018 abgeschlossen und am 25. Oktober 2018 als endgültig bestätigt wurde“, nicht die Kläger betreffe, sondern die anderen Personen, gegen die sich das fragliche Strafverfahren richte und die sich nicht geweigert hätten, vor Gericht zu erscheinen, und zum anderen der Stand des fraglichen Strafverfahrens in Bezug auf die Kläger durch den letzten Satz von Buchst. B widergespiegelt werde, in dem von der Aussetzung des Verfahrens die Rede sei. Darüber hinaus ist klargestellt worden, dass die Ermittlungsphase des Strafverfahrens in Bezug auf die Kläger nicht abgeschlossen gewesen sei, da ein solcher Abschluss nach nationalem Recht nicht ohne Anhörung der Beschuldigten angeordnet werden könne.

157    Die Kläger können daher zu Recht geltend machen, dass Buchst. B der angefochtenen Beschlüsse an einem Tatsachenfehler oder zumindest an mangelnder Klarheit hinsichtlich der Frage leide, ob die Ermittlungsphase des fraglichen Strafverfahrens in Bezug auf sie abgeschlossen gewesen sei.

158    Nach Ansicht der Kläger hat sich dieser Fehler auf die Beurteilung des Vorliegens eines fumus persecutionis ausgewirkt, da das Parlament, wenn es gewusst hätte, dass die Ermittlungen gegen sie noch liefen, die Ausstellung Europäischer Haftbefehle gegen sie möglicherweise für unverhältnismäßig gehalten hätte.

159    Aus Buchst. B der angefochtenen Beschlüsse geht jedoch eindeutig hervor, dass das Strafverfahren gegen die Kläger – unabhängig davon, in welchem Stadium es sich befand – aufgrund deren Weigerung, vor den zuständigen Behörden zu erscheinen, ausgesetzt worden ist und dass wegen dieser Weigerung und der Tatsache, dass sie das Königreich Spanien verlassen hatten, die Aufhebung ihrer Immunität beantragt worden ist, damit die Vollstreckung der gegen sie ergangenen Europäischen Haftbefehle in Betracht gezogen werden kann. In Bezug auf die Mitangeklagten, die vor Gericht erschienen waren, wurden die Ermittlungen abgeschlossen; gegen sie erging ein Urteil.

160    In diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich, dass sich der Fehler oder zumindest die mangelnde Klarheit der angefochtenen Beschlüsse hinsichtlich des genauen Stadiums des fraglichen Strafverfahrens auf die Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität ausgewirkt hätte.

161    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Rüge, die aus Tatsachen- und Rechtsfehlern hergeleitet wird, die das Parlament bei seiner Beurteilung des fumus persecutionis begangen haben soll, als unbegründet zurückzuweisen ist.

–       Zum angeblichen Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung

162    Die Kläger machen geltend, dass das Parlament unter Missachtung einer ständigen Praxis nicht auf das Vorliegen eines fumus persecutionis geschlossen habe, obwohl erstens die Anschuldigungen offensichtlich unbegründet seien, zweitens das Bestehen einer eindeutigen Absicht zur Bestrafung der Mitglieder wegen ihrer politischen Tätigkeiten nachgewiesen worden sei, drittens die fraglichen Haftbefehle zum dritten Mal nach politischem Kalkül der spanischen Behörden ausgestellt worden seien, viertens die Anträge auf Aufhebung der Immunität dem Zweck dienten, sie an der Ausübung ihres parlamentarischen Mandats zu hindern, fünftens die Strafverfolgung von einem politischen Gegner eingeleitet worden sei, sich diese Strafverfolgung sechstens nur gegen Mitglieder des Parlaments richte, siebtens ernsthafte Zweifel an der Achtung ihrer Grundrechte im fraglichen Strafverfahren bestünden, achtens mehrfach die Verhängung exemplarischer Sanktionen gegen sie gefordert worden sei und neuntens die Staatsanwaltschaft bestimmte öffentliche Erklärungen gegenüber den Medien abgegeben habe.

163    Die Kläger tragen darüber hinaus vor, das Parlament habe gegen seine Praxis verstoßen, wonach die Immunität nicht aufgehoben werden dürfe, wenn andere Mitgliedstaaten als der, für den das Mitglied gewählt worden sei, die zur Last gelegten Taten weniger streng bestraften, wie dies im vorliegenden Fall anerkannt worden sei. Auch habe das Parlament seine Praxis missachtet, die zum einen darin bestehe, die Immunität nicht aufzuheben, wenn sich das Strafverfahren auf Vorwürfe im Zusammenhang mit Demonstrationen und friedlichen öffentlichen Versammlungen beziehe, und zum anderen darin, weder den Zeitpunkt der zur Last gelegten Taten noch den Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens zu berücksichtigen.

164    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Organe gehalten sind, ihre Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung auszuüben. In Anbetracht dieser Grundsätze müssen sie die zu ähnlichen Anträgen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Außerdem müssen der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden (vgl. Urteil vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165    In diesem Zusammenhang verbietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz u. a., gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

166    Erstens berufen sich die Kläger im vorliegenden Fall zum Nachweis des Bestehens einer Praxis des Parlaments, die Aufhebung der Immunität eines Mitglieds abzulehnen, wenn dieses wegen seiner politischen Tätigkeiten verfolgt wird, wenn die Verfolgung von einem politischen Gegner eingeleitet worden ist oder wenn die betreffenden nationalen Behörden exemplarische Sanktionen gegen das Mitglied beantragt haben, auf die Mitteilung Nr. 11/2003 des damals für Immunitätsfragen zuständigen Rechts- und Binnenmarktausschusses des Parlaments vom 6. Juni 2003, die eine Synthese der früheren Entscheidungspraxis des Parlaments darstellt. In dieser Mitteilung wird darauf hingewiesen, dass die Immunität in den Fällen nicht aufgehoben wird, in denen die Handlungen, für die ein Mitglied des Parlaments strafrechtlich verfolgt wird, im Rahmen seiner politischen Tätigkeit erfolgen oder unmittelbar damit zusammenhängen. In der Mitteilung wird darüber hinaus klargestellt, dass die Immunität im Fall eines fumus persecutionis, der als „die Annahme [definiert wird], dass die gerichtliche Verfolgung eines Parlamentariers mit der Absicht erfolgt, seiner politischen Tätigkeit zu schaden“, nicht aufgehoben wird. Sie führt beispielhaft eine Reihe von Anhaltspunkten an, die sein Vorliegen vermuten lassen könnten. Allerdings ist zu bemerken, dass die Mitteilung Nr. 11/2003 am 19. November 2019, dem Tag der Veröffentlichung der Mitteilung Nr. 11/2019, durch diese ersetzt worden ist. Nach dem Wortlaut ihrer Nr. 53 „ersetzt [die Mitteilung Nr. 11/2019 nämlich] alle vorangegangenen Mitteilungen und jegliche weiteren Dokumente des Rechtsausschusses [des Parlaments] bezüglich seiner Verfahren und Arbeitsmodalitäten im Zusammenhang mit Fragen der Immunität“, darunter u. a. die Mitteilung Nr. 11/2003.

167    Zweitens macht das Parlament geltend, die in der Mitteilung Nr. 11/2003 zusammengefasste Praxis sei im Sinne einer Begrenzung der Fälle aufgegeben worden, in denen das Parlament die Aufhebung der Immunität ablehne. Festzuhalten ist, dass die Mitteilung Nr. 11/2019 – ebenso wie die vorangegangene Mitteilung Nr. 11/2016 vom 9. Mai 2016 – den fumus persecutionis als den einzigen Fall definiert, in dem die Immunität nicht aufzuheben ist, ohne klarzustellen, welche Kriterien bei der Feststellung seines Vorliegens berücksichtigt werden müssen, oder Kategorien von Fällen zu bestimmen, in denen ein solcher fumus vermutet werden sollte.

168    Drittens ist, soweit sich die Kläger auf eine ständige Praxis berufen, wonach das Parlament die Aufhebung der Immunität ablehnt, wenn die fragliche Strafverfolgung darauf abzielt, die Ausübung des parlamentarischen Amtes des Mitglieds zu behindern, zu bemerken, dass das Bestehen einer solchen Praxis nicht bestritten wird und das Parlament diesem Ansatz im vorliegenden Fall gefolgt ist.

169    Viertens berufen sich die Kläger zum Nachweis des Bestehens einer ständigen Praxis des Parlaments hinsichtlich der bei der Feststellung eines fumus persecutionis zu berücksichtigenden Faktoren und – ganz allgemein – hinsichtlich der Fälle, in denen das Parlament die Aufhebung der Immunität eines seiner Mitglieder ablehnt, lediglich auf bestimmte Entscheidungen des Parlaments, ohne jedoch darzutun, inwiefern sich mit diesen Entscheidungen das Bestehen einer solchen Praxis nachweisen ließe.

170    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrzahl der von den Klägern angeführten Entscheidungen in den Jahren 1982 bis 2003 ergangen ist. Die Entscheidungen fügen sich somit in den Rahmen der Praxis ein, die in der – vom Parlament ausdrücklich zurückgenommenen und diesem zufolge überholten – Mitteilung Nr. 11/2003 zusammengefasst ist. Die Kläger berufen sich lediglich auf ein Dutzend Entscheidungen aus der Zeit ab 2004. Die Zahl der jüngeren – während der Legislaturperiode 2014–2019 ergangenen – Entscheidungen beträgt sieben. Bei vier von ihnen handelt es sich um Entscheidungen, mit denen das Parlament die Immunität der betreffenden Mitglieder aufgehoben hat, nachdem es zu dem Schluss gekommen war, dass kein fumus persecutionis vorliege; sie werden von den Klägern zum Nachweis der oben in Rn. 168 erwähnten unbestrittenen Praxis angeführt.

171    Fünftens ist, wie das Parlament geltend macht, jede Entscheidung, die in Beantwortung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität ergeht, untrennbar mit den besonderen Umständen des Einzelfalls verknüpft. Das Parlament behauptet unwidersprochen, dass es sich seines Wissens noch nie mit einem Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds zur Vollstreckung eines Haftbefehls habe befassen müssen, der zwecks Fortsetzung eines vor der Wahl dieses Mitglieds eingeleiteten Strafverfahrens ausgestellt worden sei.

172    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kläger – vorbehaltlich der oben in Rn. 168 erwähnten unbestrittenen Praxis, der im vorliegenden Fall gefolgt worden ist – nicht nachgewiesen haben, dass es am Tag der angefochtenen Beschlüsse eine ständige Praxis des Parlaments gab, die Aufhebung der Immunität in den oben in den Rn. 162 und 163 genannten Fällen abzulehnen. Die Rüge eines Verstoßes gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung ist daher zurückzuweisen.

–       Zu den angeblichen offensichtlichen Fehlern bei der Beurteilung des fumus persecutionis

173    Die Kläger sind der Ansicht, das Parlament könne die Immunität nur aufheben, nachdem es das Vorliegen eines fumus persecutionis ausgeschlossen habe. Das Parlament habe bei der Beurteilung des Vorliegens eines solchen fumus persecutionis offensichtliche Fehler begangen, indem es die ihm von ihnen vorgelegten Beweise nicht berücksichtigt habe. So habe das Parlament seine Beurteilung fälschlicherweise auf das „ursprüngliche“ Strafverfahren und die ersten – allerdings aufgehobenen – Europäischen Haftbefehle gestützt, obwohl es das Strafverfahren bei seiner „Wiedereröffnung“, d. h. die Europäischen Haftbefehle vom 14. Oktober und 4. November 2019, hätte berücksichtigen müssen. Damit habe das Parlament eine Reihe relevanter Erwägungen ignoriert, insbesondere die Tatsache, dass seit dem 18. Juli 2018 kein Europäischer Haftbefehl mehr gegen sie in Kraft sei und die letzten Europäischen Haftbefehle erst nach ihrer Wahl zum Parlament ausgestellt worden seien, nachdem die Manöver der spanischen Behörden, mit denen sie daran gehindert werden sollten, sich zur Wahl zu stellen und später einen Eid zu leisten, fehlgeschlagen seien. Diese Haftbefehle hätten lediglich den Zweck, sie daran zu hindern, ihre Sitze im Parlament einzunehmen, obwohl sie die einzigen Vertreter der katalanischen Minderheit seien.

174    Als Erstes ist, soweit die Kläger geltend machen, das Parlament habe einen Fehler begangen, als es das Vorliegen eines fumus persecutionis anhand des fraglichen Strafverfahrens und nicht allein anhand der im Oktober und November 2019 ausgestellten Europäischen Haftbefehle geprüft habe, darauf hinzuweisen, dass ein fumus persecutionis festgestellt wird, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Strafverfolgung mit der Absicht eingeleitet worden ist, der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zu schaden. Die vorstehend angeführten Europäischen Haftbefehle fügen sich aber gerade in den Rahmen des gegen die Kläger eingeleiteten fraglichen Strafverfahrens ein, das aufgrund ihrer Weigerung, vor den zuständigen nationalen Behörden zu erscheinen, ausgesetzt worden war. Mit diesen Haftbefehlen soll nämlich sichergestellt werden, dass die Kläger in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien festgenommen werden, um sie an dessen Behörden zu übergeben, damit das fragliche Strafverfahren wieder aufgenommen werden kann. Folglich können die Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, das Parlament habe im einschlägigen Gerichtsverfahren zur Beurteilung des Vorliegens eines fumus persecutionis einen Fehler begangen.

175    Die Kläger werfen dem Parlament darüber hinaus vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass zuvor jeweils zwei Europäische Haftbefehle gegen sie ergangen seien, einer im November 2017, der im darauffolgenden Monat aufgehoben worden sei, und der andere im März 2018, der im Juli 2018 aufgehoben worden sei, so dass sie seit diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Europäischem Haftbefehl gesucht würden. Ein solcher Umstand, so die Kläger, sei geeignet, nachzuweisen, dass mit den Europäischen Haftbefehlen vom 14. Oktober und 4. November 2019, die nach ihrer Wahl zum Parlament ausgestellt worden seien, der Ausübung ihres Amtes im Parlament geschadet werden solle.

176    Aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung geht insoweit hervor, dass ein ungewöhnlich langer Zeitraum zwischen dem einem Mitglied des Parlaments vorgeworfenen Sachverhalt und der Einleitung eines Verfahrens gegen dieses Mitglied ohne Angabe von Gründen einen relevanten Gesichtspunkt für die Beurteilung des fumus persecutionis darstellen kann. Dies könne auch dann der Fall sein, wenn zwischen der Aufhebung eines ersten und dem Erlass eines neuen Haftbefehls ein solcher Zeitraum verstrichen sei.

177    Im vorliegenden Fall ist jedoch zu bemerken, dass der Zeitraum zwischen der Aufhebung der im März 2018 ausgestellten Europäischen Haftbefehle und dem Erlass der Europäischen Haftbefehle vom 14. Oktober und 4. November 2019 weniger als 16 Monate beträgt. Darüber hinaus hat das Königreich Spanien darauf hingewiesen, dass die letztgenannten Europäischen Haftbefehle nach dem gegen andere Angeklagte ergangenen Urteil vom 14. Oktober 2019 ausgestellt worden seien, woraufhin die Anklagepunkte gegen die Kläger teilweise geändert worden seien.

178    In diesem Zusammenhang dürfen die Kläger nicht argumentieren, dass das Parlament einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, als es nicht berücksichtigt habe, dass zwischen Juli 2018 und Oktober oder November 2019 keine Europäischen Haftbefehle vorgelegen hätten.

179    Als Zweites machen die Kläger zum einen geltend, die gegen sie erhobenen Vorwürfe seien offensichtlich unbegründet. So würden sie wegen der rechtswidrigen Durchführung eines Referendums verfolgt, die in Spanien keine Straftat mehr darstelle. Sie berufen sich darüber hinaus auf Aussagen und Entscheidungen von Menschenrechtsorganisationen sowie auf Rechtsgutachten, Gerichtsurteile und politische Erklärungen. Zum anderen tragen die Kläger vor, die zur Last gelegten Taten würden nach den Rechtsvorschriften der anderen Mitgliedstaaten weniger streng bestraft oder nicht als Straftat eingestuft. Sie fügen hinzu, dass am Tag der angefochtenen Beschlüsse in Spanien eine Reform im Gange gewesen sei, die darauf abgezielt habe, den Straftatbestand des Aufruhrs neu zu definieren oder sogar abzuschaffen, und dass neun mit dem Urteil vom 14. Oktober 2019 verurteilte Personen am 22. Juni 2021 begnadigt worden seien. Zudem seien nicht alle vom fraglichen Sachverhalt betroffenen Personen strafrechtlich verfolgt worden.

180    In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität im Sinne von Art. 9 des Protokolls Nr. 7 zu dem Zeitpunkt vorliegen, zu dem diese Aufhebung beantragt wird, von der durch die Behörden des Mitgliedstaats zu klärenden Frage zu unterscheiden, ob der den betreffenden Abgeordneten vorgeworfene Sachverhalt nachgewiesen ist (siehe oben, Rn. 141). Auch ist es im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität nicht Sache des Parlaments, sich zur Angemessenheit der Strafverfolgung zu äußern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 2018, Jalkh/Parlament, T‑26/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:690, Rn. 83, und vom 30. April 2019, Briois/Parlament, T‑214/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:266, Rn. 47) und in diesem Rahmen die Angemessenheit der Bestimmungen des nationalen Rechts über die Festlegung der Straftaten zu beurteilen, derentwegen die betreffenden Abgeordneten vor Gericht gestellt worden sind.

181    Darüber hinaus sind die Kläger im vorliegenden Fall unstreitig wegen mutmaßlicher Straftaten angeklagt worden, die in der sowohl am Tag des vorgeworfenen Sachverhalts als auch am Tag der angefochtenen Beschlüsse in Kraft befindlichen Ley Orgánica del Código Penal (Strafgesetzbuch) vorgesehen waren.

182    Da mit dem oben in Rn. 179 erwähnten Vorbringen die Verwirklichung des den Klägern vorgeworfenen Sachverhalts, seine Einstufung nach spanischem Strafrecht und die Frage in Zweifel gezogen werden sollen, ob dieser Sachverhalt eine Strafverfolgung der Kläger rechtfertigte, geht es folglich ins Leere und ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

183    Als Drittes hat sich das Parlament, wie oben in Rn. 151 festgestellt worden ist, für seine Schlussfolgerung, dass kein fumus persecutionis vorliege, auf eine Gesamtschau mehrerer Gesichtspunkte gestützt, nämlich den Umstand, dass die beanstandeten Taten im Jahr 2017 begangen worden sind, während die Kläger den Status eines Mitglieds des Parlaments erst am 13. Juni 2019 erlangt haben, sowie die Tatsachen, dass sie zum einen am 21. März 2018 angeklagt worden sind, d. h. zu einem Zeitpunkt, zu dem die Erlangung des Status eines Europaabgeordneten noch hypothetisch war, und zum anderen die Anklageerhebung auch andere Personen betraf, die keine Mitglieder des Parlaments waren.

184    Damit hat das Parlament die Auffassung vertreten, dass diese Tatsachen – zusammen betrachtet – ungeachtet des Vorbringens der Kläger geeignet seien, jeden Verdacht eines fumus persecutionis auszuschließen. Folglich ist das Argument der Kläger, mit dem geltend gemacht wird, das Parlament habe ihre Immunität aufgehoben, ohne das Vorliegen eines fumus persecutionis ausgeschlossen zu haben, in tatsächlicher Hinsicht unbegründet und aus diesem Grund zurückzuweisen.

185    Sodann ist, soweit die Kläger dem Parlament vorwerfen, die angeblichen Regelwidrigkeiten, die das fragliche Strafverfahren beeinträchtigen sollen, nicht geprüft zu haben, daran zu erinnern, dass es im Rahmen seiner Beurteilung des Vorliegens eines fumus persecutionis nicht Sache des Parlaments ist, die Rechtmäßigkeit der von den Justizbehörden während des fraglichen Verfahrens vorgenommenen Handlungen zu prüfen, da diese Frage in die alleinige Zuständigkeit der nationalen Behörden fällt (siehe oben, Rn. 126). Diese sind von den Klägern im Übrigen tatsächlich angerufen worden. Abgesehen davon lässt sich nicht ausschließen, dass sich das Parlament im Rahmen seines sehr weiten Ermessens auf bestimmte Tatsachen, die zur Stützung dieser Regelwidrigkeiten geltend gemacht worden sind, stützen und zu dem Schluss kommen kann, dass ein Fall von fumus persecutionis vorliege.

186    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kläger nicht nachgewiesen haben, dass das Parlament einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als es sich auf die oben in Rn. 183 wiedergegebenen Umstände gestützt und das Vorliegen eines fumus persecutionis ausgeschlossen hat. In Anbetracht dieser Umstände sind insbesondere die Tatsachen, dass erstens die Kläger wegen ihrer nationalen politischen Tätigkeiten strafrechtlich verfolgt werden, sie zweitens im Rahmen oder am Ende des fraglichen Strafverfahrens vorübergehend an der Ausübung ihres Mandats gehindert sein oder dieses Mandat gegebenenfalls sogar verlieren könnten, drittens die spanische Partei VOX im fraglichen Strafverfahren eine Popularklage erhoben hat und sie viertens Gegenstand bestimmter negativer öffentlicher Erklärungen gewesen sind, mit denen u. a. die Verhängung exemplarischer Sanktionen gegen sie gefordert worden ist, nicht geeignet, die vorstehende Schlussfolgerung in Frage zu stellen. Das Gleiche gilt für die Behauptungen der Kläger, mit denen die Unparteilichkeit der am fraglichen Strafverfahren beteiligten Justizbehörden in Frage gestellt werden soll. Schließlich können sich die Kläger zum Nachweis des Vorliegens eines offensichtlichen Fehlers des Parlaments bei der Beurteilung des fumus persecutionis nicht mit Erfolg auf Ereignisse aus der Zeit nach den angefochtenen Beschlüssen berufen, etwa auf die Tatsache, dass sie selbst und ihre Rechtsbeistände von den spanischen Behörden ausspioniert worden seien, sowie auf die Mitteilung der Zentralen Wahlkommission vom 3. November 2022.

187    Folglich sind der sechste Klagegrund, soweit er aus Tatsachen- und Rechtsfehlern bei der Prüfung des fumus persecutionis durch das Parlament hergeleitet wird, sowie der siebte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der guten Verwaltung und der Gleichbehandlung, soweit sich das Parlament geweigert hat, Art. 9 Abs. 7 der Geschäftsordnung anzuwenden

188    Die Kläger machen geltend, das Parlament sei ohne Angabe von Gründen von seiner Praxis abgewichen, wonach es, wenn ein Mitglied ohne Verurteilung festgenommen zu werden drohe, entweder die Aufhebung der Immunität verweigere oder Art. 9 Abs. 7 der Geschäftsordnung anwende.

189    Das Parlament und das Königreich Spanien tragen vor, der achte Klagegrund sei unbegründet.

190    Zum Nachweis, dass das Parlament von einer früheren Praxis abgewichen ist, die darin besteht, die Immunität nicht aufzuheben oder Art. 9 Abs. 7 der Geschäftsordnung in Fällen anzuwenden, in denen eines seiner Mitglieder ohne vorherige Verurteilung festgenommen zu werden droht, berufen sich die Kläger auf bestimmte Entscheidungen des Parlaments in Immunitätsfragen aus den Jahren 1984 bis 2011.

191    Die Kläger beschränken sich jedoch zum einen auf die Geltendmachung dieser Entscheidungen, ohne darzutun, inwiefern sich mit ihnen nachweisen ließe, dass es die behauptete Praxis am Tag der angefochtenen Beschlüsse gab.

192    Zum anderen tun die Kläger nicht dar, inwiefern sich die vorstehend angeführten Entscheidungen auf Situationen beziehen, die mit der ihrigen vergleichbar sind. Insoweit ist festzustellen, dass die Anträge auf Aufhebung der Immunität im vorliegenden Fall darauf abzielen, die Vollstreckung Europäischer Haftbefehle zu ermöglichen, die ergangen sind, nachdem sich die Kläger geweigert hatten, vor den zuständigen spanischen Behörden zu erscheinen. Sie sollen daher die Festnahme der Kläger zwecks Übergabe an die spanischen Behörden ermöglichen, damit das fragliche Strafverfahren fortgesetzt werden kann. Keine der angeführten Entscheidungen bezieht sich auf einen solchen Sachverhalt.

193    Folglich ist der achte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum vierten Klagegrund, mit dem im Wesentlichen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird

194    Der vierte Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen.

195    Mit dem ersten Teil tragen die Kläger vor, sie seien zu mehreren Dokumenten, zu denen sie keinen Zugang gehabt hätten, nicht angehört worden. Zudem lasse sich nicht ausschließen, dass sich diese Dokumente entscheidend auf die angefochtenen Beschlüsse ausgewirkt hätten. Mit dem zweiten Teil machen die Kläger geltend, dass der Vorsitzende des Rechtsausschusses während ihrer Anhörung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör vereitelt und der Berichterstatter der einleitenden Erklärung des Klägers zu 1) nicht beigewohnt habe. In der Erwiderung führen die Kläger aus, dass der in den Schriftsätzen des Parlaments vertretene Standpunkt zur Unzulässigkeit von Anlage 44 zur Klageschrift, nämlich der dem Rechtsausschuss am 15. Februar 2021 vorgelegten Stellungnahme der Kläger, zu belegen scheine, dass diese Stellungnahme nicht berücksichtigt worden sei, obwohl sie das Ergebnis der Anträge auf Aufhebung der Immunität hätte beeinflussen können.

196    Das Parlament und das Königreich Spanien treten diesem Vorbringen entgegen.

197    Nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta umfasst das Recht auf eine gute Verwaltung das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. Dieses Recht, das zu den Verteidigungsrechten gehört, ist ein tragender Grundsatz des Unionsrechts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 64 und 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Es garantiert jeder Person die Möglichkeit, vor Erlass des sie betreffenden Beschlusses ihren Standpunkt zur Richtigkeit und Erheblichkeit der Tatsachen und Umstände, auf deren Grundlage dieser Beschluss erlassen worden ist, sachgerecht darzulegen (vgl. Urteil vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 176 und die dort angeführte Rechtsprechung).

198    Nach der Rechtsprechung führt eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Nichtigerklärung bzw. Aufhebung der Entscheidung, die am Ende des fraglichen Verfahrens erlassen wird, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Insoweit darf von einem Kläger, der eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte rügt, nicht der Nachweis verlangt werden, dass die angefochtene Entscheidung des betreffenden Unionsorgans inhaltlich anders ausgefallen wäre, sondern lediglich, dass dies nicht völlig ausgeschlossen ist. Diese Frage ist außerdem anhand der speziellen tatsächlichen und rechtlichen Umstände des konkreten Falls zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 105 bis 107 und die dort angeführte Rechtsprechung).

199    Anhand der vorstehenden Grundsätze sind die beiden Teile des vierten Klagegrundes zu prüfen.

–       Zum ersten Teil: Die Kläger hätten zu drei Dokumenten keinen Zugang gehabt

200    Erstens machen die Kläger geltend, sie seien zum Beschluss vom 25. Oktober 2018 nicht angehört worden, auf den sich das Parlament gestützt habe, als es die strafrechtlichen Ermittlungen fälschlicherweise für abgeschlossen gehalten habe, und der nicht in den Akten enthalten sei.

201    Insoweit ist daran zu erinnern, dass dieser Beschluss nicht die Kläger, sondern die anderen Personen betrifft, gegen die sich das fragliche Strafverfahren richtet und die sich nicht geweigert haben, vor Gericht zu erscheinen (siehe oben, Rn. 156).

202    Außerdem ist die Auffassung vertreten worden, dass nicht ersichtlich war, dass sich der Fehler oder zumindest die mangelnde Klarheit der angefochtenen Beschlüsse hinsichtlich des genauen Stadiums des fraglichen Strafverfahrens auf die Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität ausgewirkt hätte (siehe oben, Rn. 160).

203    Folglich wäre – selbst wenn unterstellt wird, dass sich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör feststellen lässt, soweit die Kläger nicht in die Lage versetzt worden sind, zum besagten Beschluss Stellung zu nehmen – eine solche Verletzung nicht geeignet, die Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse zu rechtfertigen.

204    Zweitens führen die Kläger aus, sie hätten zum Vorbringen des Königreichs Spanien in den an das Parlament gerichteten Notifizierungen vom 11. Juni 2014 und 30. September 2020 im Zusammenhang mit der für einen Antrag auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds zuständigen Behörde (siehe oben, Rn. 81 und 82), die ihnen nicht übermittelt worden seien, nicht Stellung nehmen können.

205    Es ist jedoch nicht bestritten worden, dass die Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) nach dem Stand der nationalen Rechtsprechung für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines für das Königreich Spanien gewählten Mitglieds des Parlaments zuständig ist (siehe oben, Rn. 84). Folglich haben die Kläger nicht nachgewiesen, dass die angefochtenen Beschlüsse inhaltlich anders hätten ausfallen können, wenn sie zu den vorstehend angeführten Notifizierungen des Königreichs Spanien angehört worden wären.

206    Drittens tragen die Kläger vor, sie hätten trotz ihres Antrags keinen Zugang zu der vom Berichterstatter verfassten „Üblichen Mitteilung an die Mitglieder des [Rechtsausschusses]“ gehabt, die in der Mitteilung dieses Ausschusses vom 10. Februar 2015 vorgesehen sei und aus einer vom Berichterstatter erstellten Zusammenfassung der wichtigsten Fakten zu jedem Immunitätsverfahren sowie einer vollständigen Liste der eingegangenen Dokumente bestehe.

207    Das Parlament behauptet jedoch unwidersprochen, dass im vorliegenden Fall keine „Übliche Mitteilung“ verfasst worden sei, da eine solche in der Mitteilung vom 10. Februar 2015 vorgesehen sei, die durch die Mitteilung Nr. 11/2019 ersetzt worden sei, in der sie nicht mehr erwähnt werde.

208    Viertens machen die Kläger nach Vorlage der Klagebeantwortung und ihrer Anlagen in der Erwiderung geltend, sie hätten keinen Zugang zur Mitteilung Nr. 1/20, d. h. zum Vermerk über die Übermittlung der Anträge auf Aufhebung der Immunität des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) an die Mitglieder des Rechtsausschusses, gehabt, der ein Auszug aus dem Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 14. Oktober 2019 beigefügt war, mit dem vom fraglichen Strafverfahren betroffene Personen, die sich nicht geweigert hatten, vor Gericht zu erscheinen, verurteilt worden sind.

209    Insoweit ist zu bemerken, dass den Anträgen auf Aufhebung der Immunität der Kläger mehrere Anlagen beigefügt waren, die in den oben in den Rn. 11 und 15 erwähnten Beschlüssen aufgeführt sind, darunter das Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 14. Oktober 2019. Es wird nicht bestritten, dass die Kläger zu diesen Dokumenten, die Teil der den Klägern zugänglichen Akte betreffend die Aufhebung der Immunität waren, Stellung nehmen konnten. Die Mitteilung Nr. 1/20, die ein einfacher Übermittlungsvermerk ist, fügt diesen Dokumenten keinen wesentlichen Gesichtspunkt hinzu, hinsichtlich dessen den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen. Folglich hat – selbst wenn unterstellt wird, dass die Mitteilung Nr. 1/20 den Klägern nicht zur Kenntnis gebracht worden ist, was vom Parlament bestritten wird – ein solcher Umstand keinerlei Einfluss auf das Ergebnis der angefochtenen Beschlüsse. Das Argument ist daher zurückzuweisen, ohne dass über die vom Parlament entgegengehaltene Unzulässigkeitseinrede entschieden zu werden braucht.

210    Daher ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör während der Anhörung der Kläger

211    Art. 9 Abs. 6 Unterabs. 3 der Geschäftsordnung bestimmt, dass der Vorsitz des Rechtsausschusses das Mitglied, für das die Aufhebung der Immunität beantragt worden ist, zur Anhörung lädt und dass das Mitglied auf das Anhörungsrecht verzichten kann. Ferner ist zu bemerken, dass das Mitglied, dessen Immunität geprüft wird, oder das Mitglied, das dieses Mitglied vertritt, nach Nr. 20 der Mitteilung Nr. 11/2019, die im Teil „Anhörungen“ enthalten ist, nur während einer optionalen Anhörung das Wort ergreifen darf. Es kann eine einleitende Erklärung abgeben, die allerdings nicht länger als etwa 15 Minuten sein sollte; danach sollte es die Fragen der anderen Mitglieder kurz beantworten. Darüber hinaus bestimmt Nr. 11 dieser Mitteilung unter der Überschrift „Redezeit“, dass die Redezeit angesichts der begrenzten Zeit, die dem Rechtsausschuss zur Verfügung steht, um Immunitätsverfahren zu prüfen, bei diesen Verfahren durch den Vorsitz strikt reglementiert wird. In Nr. 13 heißt es weiter, dass, wenn eine Anhörung stattfindet, andere Mitglieder des Rechtsausschusses als der Berichterstatter kurz das Wort ergreifen können, um Fragen zu stellen.

212    Im vorliegenden Fall werfen die Kläger dem Vorsitz des Rechtsausschusses vor, dass er die oben in Rn. 211 dargelegten Grundsätze streng befolgt hat, obwohl die Komplexität der fraglichen Verfahren es gerechtfertigt hätte, davon abzuweichen, und dass der Berichterstatter der einleitenden Erklärung des Klägers zu 1) nicht beigewohnt hat.

213    Insoweit steht fest, dass die Kläger jeweils 15 Minuten hatten, um ihre einleitende Erklärung abzugeben, und im Einklang mit den in der Mitteilung Nr. 11/2019 aufgestellten Grundsätzen Fragen der Mitglieder des Rechtsausschusses beantworten konnten.

214    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger dem Rechtsausschuss mehrfach ihre Stellungnahmen zusammen mit Beweisen übermittelt haben, die sie als für die Prüfung der Anträge auf Aufhebung der Immunität relevant ansahen. Sie konnten daher auch auf diese Weise ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahrnehmen, indem sie ihren Standpunkt im Verfahren darlegten. In diesem Zusammenhang ist weder nachgewiesen noch geht aus der Stellungnahme des Parlaments zur förmlichen Vorlage der – aus der den Mitgliedern des Rechtsausschusses von den Klägern am 15. Februar 2021 vorgelegten Stellungnahme und deren Anhängen bestehenden – Anlage A 44 hervor, dass der Rechtsausschuss diese Anlage vor dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse nicht berücksichtigt hätte.

215    Was den Umstand betrifft, dass der Berichterstatter nicht physisch anwesend war, als der Kläger zu 1) in der Sitzung des Rechtsausschusses vom 14. Januar 2021 seine einleitende Erklärung abgegeben hat, so wird nicht klargestellt, inwiefern eine solche Tatsache gegen die Geschäftsordnung des Parlaments verstoßen oder den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen soll. Im Übrigen weist das Parlament unwidersprochen darauf hin, dass der Berichterstatter dem Beginn dieser Sitzung aus der Ferne beigewohnt habe, bis ihn ein technisches Problem veranlasst habe, physisch daran teilzunehmen.

216    Folglich ist der zweite Teil des Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

217    Die Kläger können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Außerdem ist jedenfalls und als logische Folge die Rüge einer Verletzung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten und des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, die – in Ermangelung eines diesbezüglichen Vorbringens der Kläger – ausschließlich auf die angebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützt wird, zurückzuweisen.

218    Dementsprechend ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit

219    Der dritte Klagegrund beruht auf einem angeblichen Verstoß gegen den in Art. 41 Abs. 1 der Charta festgelegten Grundsatz der Unparteilichkeit, aus dem sich auch ein Verstoß gegen Art. 15 AEUV sowie gegen Art. 39 Abs. 2, Art. 47 und Art. 48 der Charta ergeben soll. Dieser Klagegrund gliedert sich in vier Teile, mit denen erstens die Regelwidrigkeit der Ernennung eines einzigen Berichterstatters für drei Immunitätsverfahren, zweitens die mangelnde Unparteilichkeit des Berichterstatters und drittens die mangelnde Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Rechtsausschusses gerügt werden. Mit dem vierten Teil machen die Kläger geltend, die Durchführung der Arbeiten dieses Ausschusses unter Ausschluss der Öffentlichkeit hindere sie daran, die Auswirkungen der Befangenheit des Berichterstatters und des Ausschussvorsitzenden auf die angefochtenen Beschlüsse nachzuweisen.

220    Das Parlament, unterstützt durch das Königreich Spanien, tritt diesem Vorbringen entgegen.

221    Einleitend ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union verpflichtet sind, die durch das Unionsrecht garantierten Grundrechte, einschließlich des in Art. 41 der Charta verankerten Rechts auf eine gute Verwaltung, zu achten.

222    In Art. 41 Abs. 1 der Charta heißt es u. a., dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unparteiisch und gerecht behandelt werden. Dieses Recht spiegelt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts wider (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Spanien/Rat, C‑521/15, EU:C:2017:982, Rn. 88 und 89). Das Erfordernis der Unparteilichkeit, das diesen Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen daher bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auferlegt wird, zielt darauf ab, die Gleichbehandlung zu gewährleisten, auf der die Union beruht (vgl. Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223    Diese Anforderung soll insbesondere dazu dienen, Situationen möglicher Interessenkonflikte bei Beamten und sonstigen Bediensteten zu vermeiden, die im Namen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen handeln. In Anbetracht der grundlegenden Bedeutung der Gewährleistung der Unabhängigkeit und Integrität sowohl für das interne Funktionieren als auch für das Außenbild der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union umfasst das Erfordernis der Unparteilichkeit alle Umstände, bei denen der Beamte oder Bedienstete, der aufgefordert wurde, über einen Fall zu entscheiden, vernünftigerweise erkennen muss, dass sie in den Augen Dritter seine Unabhängigkeit in diesem Bereich beeinträchtigen könnten (vgl. Urteil vom 27. März 2019, August Wolff und Remedia/Kommission, C‑680/16 P, EU:C:2019:257, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224    Ein solches Erfordernis der Unparteilichkeit gilt auch für die Mitglieder des Parlaments, die im Rahmen der Annahme von Entscheidungen im Zusammenhang mit den Verwaltungsaufgaben des Parlaments tätig werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2019, ADDE/Parlament, T‑48/17, EU:T:2019:780, Rn. 61, und vom 12. Oktober 2022, Vasallo Andrés/Parlament, T‑496/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2022:628, Rn. 20 bis 24).

225    Zu den Entscheidungen politischer Natur, mit denen das Parlament über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität befindet (siehe oben, Rn. 112), ist darauf hinzuweisen, dass sie geeignet sind, die individuelle Rechtslage des betreffenden Abgeordneten erheblich zu verändern, indem sie ihm den Schutz entziehen, den ihm diese Immunität verleiht, und dass sie insoweit Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können. In diesem Zusammenhang muss das Verfahren, das zum Erlass einer solchen Entscheidung führen kann, wie der Vizepräsident des Gerichtshofs im Beschluss vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien (C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413, Rn. 192), festgestellt hat, notwendigerweise mit ausreichenden individuellen Garantien einhergehen.

226    Das Parlament hat daher eine Phase eingerichtet, in der der zuständige Ausschuss, hier der Rechtsausschuss, der für die Ausarbeitung eines dem Plenum zur Abstimmung vorzulegenden Beschlussentwurfs zuständig ist, den Antrag auf Aufhebung der Immunität prüft. Im Rahmen dieser Phase der Prüfung des Antrags auf Aufhebung der Immunität ist festzustellen, dass das betreffende Mitglied nach den internen Vorschriften des Parlaments die in Art. 41 Abs. 2 der Charta vorgesehenen Rechte genießt, nämlich das Recht auf Anhörung, das Recht auf Akteneinsicht und die Verpflichtung des Parlaments, seine Entscheidung zu begründen. Während der Prüfphase muss das betreffende Mitglied auch in den Genuss des in Art. 41 Abs. 1 der Charta vorgesehenen Rechts auf eine unparteiische und gerechte Behandlung seiner Angelegenheiten kommen, wie das Parlament in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat. Dieses Unparteilichkeitsgebot hat jedoch notwendigerweise der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Abgeordnete, die dem Rechtsausschuss als Mitglieder angehören, per Definition politisch nicht neutral sind, was sie von Beamten und Bediensteten unterscheidet, die im Namen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union handeln.

227    Als Zweites umfasst das Unparteilichkeitsgebot zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betroffenen Organs, das mit der Sache befasst ist, Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 2021, Dalli/Kommission, C‑615/19 P, EU:C:2021:133, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung).

228    Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist der dritte Klagegrund zu prüfen.

–       Zum ersten Teil des dritten Klagegrundes: Benennung eines einzigen Berichterstatters für die drei Verfahren

229    Mit dem ersten Teil machen die Kläger geltend, das Parlament habe unter Verstoß gegen die Nrn. 6 und 8 der Mitteilung Nr. 11/2019 geheim und ohne Angaben von Gründen einen einzigen Berichterstatter für die Prüfung der drei Anträge auf Aufhebung der Immunität benannt. Die Nichteinhaltung dieses wesentlichen Formerfordernisses stelle eine Verletzung ihres durch Art. 41 Abs. 1 der Charta garantierten Rechts auf unparteiische und gerechte Behandlung ihrer Angelegenheiten dar.

230    Art. 9 („Immunitätsverfahren“) der Geschäftsordnung sieht insoweit vor, dass Anträge auf Aufhebung der Immunität, wenn sie dem Parlament mitgeteilt werden, an den zuständigen Ausschuss überwiesen werden, der für die Unterbreitung eines Vorschlags für einen mit Gründen versehenen Beschluss zuständig ist, nachdem er dem betreffenden Mitglied die Möglichkeit geboten hat, gehört zu werden, und gegebenenfalls bei der betreffenden Behörde um Information oder Auskunft ersucht hat. Besagter Art. 9 sieht in seinem Abs. 11 darüber hinaus vor, dass der Ausschuss Immunitätsfragen mit größter Vertraulichkeit zu behandeln hat. Im Übrigen legt der zuständige Ausschuss gemäß Abs. 13 dieses Artikels die Grundsätze für dessen Anwendung und damit das Verfahren fest, das bei der Ausarbeitung des dem Parlament im Plenum zu unterbreitenden Vorschlags für einen Beschluss zu befolgen ist.

231    In diesem Zusammenhang hat der Rechtsausschuss die Mitteilung Nr. 11/2019 angenommen, in der Verhaltensregeln festgelegt werden, die Aufschluss über die Praxis geben, die er bei der Bearbeitung von Anträgen auf Aufhebung der Immunität zu verfolgen gedenkt (Urteil vom 1. Dezember 2021, Jalkh/Parlament, T‑230/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:848, Rn. 44; vgl. auch entsprechend Urteil vom 12. Februar 2020, Bilde/Parlament, T‑248/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:46, Rn. 24).

232    Die Mitteilung Nr. 11/2019 sieht in ihrer Nr. 6 vor, dass der zuständige Ausschuss für „jedes Immunitätsverfahren“ einen Berichterstatter benennt. Nach Nr. 7 dieser Mitteilung hat jede Fraktion ein Mitglied als ständigen Berichterstatter für Immunitätsverfahren zu benennen, der als Koordinator fungieren sollte, „damit sichergestellt ist, dass Immunitätsverfahren von erfahrenen Mitgliedern bearbeitet werden“. Nr. 8 derselben Mitteilung bestimmt, dass die Stellung des Berichterstatters für die Immunitätsverfahren zwischen den Fraktionen auf gleichberechtigter Grundlage wechselt, wobei der Berichterstatter jedoch nicht Mitglied derselben Fraktion oder in demselben Mitgliedstaat gewählt worden sein darf wie das Mitglied, dessen Immunität geprüft wird.

233    Wie in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden ist, benennt folglich jede Fraktion des Parlaments unter ihren Mitgliedern im Rechtsausschuss einen ständigen Berichterstatter für Immunitätsverfahren. Da das Parlament in der Legislaturperiode 2019–2024 sieben Fraktionen hat, sind somit sieben Mitglieder als Berichterstatter für Immunitätsverfahren benannt worden. Der Rechtsausschuss weist jeden Antrag auf Aufhebung der Immunität nach einem gleichmäßig zwischen den Fraktionen festgelegten Rotationssystem einem dieser Berichterstatter zu. Von diesem System wird grundsätzlich nur abgewichen, wenn sich der Berichterstatter der betreffenden Fraktion für befangen erklärt. In diesem Fall wird der von der nächsten Fraktion benannte Berichterstatter mit der Sache betraut.

234    Im vorliegenden Fall tragen die Kläger zunächst vor, die Benennung eines einzigen Berichterstatters für die Prüfung der drei Anträge auf Aufhebung der Immunität verletze – angeblich unter Verstoß gegen die Nrn. 6 und 8 der Mitteilung Nr. 11/2019 – ihr durch Art. 41 Abs. 1 der Charta garantiertes Recht auf unparteiische und gerechte Behandlung ihrer Angelegenheiten. Vorbehaltlich der Frage der Unparteilichkeit des benannten Berichterstatters, die im Rahmen des zweiten Teils des Klagegrundes geprüft werden soll, legen sie aber keinerlei Beweise dafür vor, inwiefern der angebliche Verstoß gegen die genannten Nummern der Mitteilung Nr. 11/2019 eine Verletzung dieses Rechts darstellen könnte.

235    Was sodann den angeblichen Verstoß gegen Nr. 6 der Mitteilung Nr. 11/2019 angeht, so ist zu bemerken, dass für jedes Immunitätsverfahren ein – wenn auch identischer – Berichterstatter benannt worden ist. Der in dieser Nummer enthaltene Grundsatz ist daher eingehalten worden.

236    Der in Nr. 8 der Mitteilung Nr. 11/2019 enthaltene Grundsatz des gleichberechtigten Wechsels der Stellung des Berichterstatters wiederum kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er der Benennung eines einzigen Berichterstatters für die Prüfung mehrerer zusammenhängender Immunitätsverfahren entgegensteht, wenn die Anträge auf Aufhebung der Immunität – wie im vorliegenden Fall – Abgeordnete betreffen, gegen die dasselbe Strafverfahren läuft.

237    Im Übrigen ist – selbst wenn ein Verstoß gegen Nr. 8 der Mitteilung Nr. 11/2019 eingeräumt wird – darauf hinzuweisen, dass bei den die internen Verfahren eines Organs regelnden Bestimmungen zwischen denjenigen, deren Verletzung nicht von natürlichen oder juristischen Personen geltend gemacht werden kann, da sie nur die Modalitäten der internen Arbeitsweise des Organs betreffen, die sich auf ihre rechtliche Situation nicht auswirken können, und denjenigen zu unterscheiden ist, deren Verletzung sehr wohl geltend gemacht werden kann, da aus ihnen Rechte erwachsen und sie für diese Personen ein Rechtssicherheitsfaktor sind (vgl. Urteil vom 28. November 2019, Portigon/SRB, T‑365/16, EU:T:2019:824, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat, C‑69/89, EU:C:1991:186, Rn. 49 und 50, sowie vom 17. Januar 2013, Gollnisch/Parlament, T‑346/11 und T‑347/11, EU:T:2013:23, Rn. 132). Allerdings begründet die besagte Nr. 8 weder einen Anspruch zugunsten der Abgeordneten noch scheint sie für diese ein Rechtssicherheitsfaktor zu sein. Sie soll nämlich die interne Arbeitsweise des Parlaments organisieren, indem sie sicherstellt, dass die in diesem vertretenen Fraktionen gleichbehandelt werden. Es handelt sich daher um eine rein interne Organisationsmaßnahme, deren Nichtbeachtung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse nicht beeinträchtigen könnte.

238    Folglich ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.

–       Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes: Mangelnde Unparteilichkeit des Berichterstatters

239    Mit dem zweiten Teil tragen die Kläger vor, das Parlament habe mit der Benennung eines absolut voreingenommenen Berichterstatters gegen ein wesentliches Formerfordernis verstoßen. Denn der Berichterstatter gehöre derselben Fraktion im Parlament an wie die für das Königreich Spanien gewählten Abgeordneten, die Mitglieder der spanischen politischen Partei VOX seien, nämlich der Gruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). Die VOX-Partei habe aber zusammen mit dem Ministerio fiscal (Staatsanwaltschaft) und dem Abogado del Estado (Vertreter des öffentlichen Interesses) das Strafverfahren gegen die Kläger eingeleitet, in dessen Rahmen die Aufhebung ihrer Immunität beantragt worden sei. Diese Partei lege gegenüber den Klägern eine besondere Feindseligkeit an den Tag. Zudem habe der Berichterstatter seine Voreingenommenheit vor und nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse zum Ausdruck gebracht. So habe er im Parlament ein Treffen mit dieser spanischen Partei organisiert und geleitet, in dessen Verlauf offensichtlich feindselige Äußerungen ihnen gegenüber getätigt worden seien. Diese mangelnde Unparteilichkeit werde durch Aussagen des Berichterstatters nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse und durch die Reaktionen der spanischen VOX-Partei bestätigt. Die Kläger berufen sich darüber hinaus auf die Freundschaft zwischen dem Berichterstatter und den Mitgliedern der VOX-Partei.

240    Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie hauptsächlich die subjektive Unparteilichkeit des Berichterstatters in Frage stellten, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass die vorgelegten Beweise zumindest eine Verletzung der Verpflichtung zur objektiven Unparteilichkeit belegten.

241    Zunächst wird nicht bestritten, dass der für den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Klägers zu 1) zuständige Berichterstatter gemäß der zwischen den Fraktionen festgelegten Rotation benannt worden ist. Die Kläger machen jedoch geltend, dieser Berichterstatter, der auch für die Prüfung der Anträge auf Aufhebung der Immunität des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) zuständig ist, hätte sich angesichts seiner mangelnden Unparteilichkeit für befangen erklären oder abgelehnt werden müssen.

242    Insoweit ist erstens an den politischen Charakter der Entscheidungen zu erinnern, mit denen das Parlament über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität befindet (siehe oben, Rn. 225).

243    Darüber hinaus ist zu bemerken, dass die Phase der Prüfung eines Antrags auf Aufhebung der Immunität von einem parlamentarischen Ausschuss, d. h. einem politischen Organ, geleitet wird, dessen Zusammensetzung nach Art. 209 der Geschäftsordnung die im Parlament bestehende Pluralität widerspiegeln soll, wobei die Sitzverteilung möglichst proportional zur Vertretung der Fraktionen im Parlament erfolgt. Wie oben in Rn. 232 dargelegt worden ist, benennt dieser Ausschuss den Berichterstatter aus seiner Mitte nach einem System der gleichberechtigten Rotation zwischen den Fraktionen. Daraus folgt, dass, wenn die Aufgabe des Berichterstatters einem Mitglied einer bestimmten Fraktion übertragen wird, dieses Mitglied im Rahmen eines Ausschusses tätig wird, dessen Zusammensetzung das Gleichgewicht der Fraktionen im Parlament widerspiegelt.

244    In diesem Zusammenhang kann die Unparteilichkeit eines Abgeordneten, der in der Prüfphase tätig wird, wie etwa der Berichterstatter, grundsätzlich weder anhand seiner politischen Ideologie noch anhand eines Vergleichs zwischen seiner politischen Ideologie und der Ideologie des Abgeordneten geprüft werden, auf den sich der Antrag auf Aufhebung der Immunität bezieht. Insbesondere wirkt sich die Mitgliedschaft des Berichterstatters in einer nationalen politischen Partei oder einer im Parlament gebildeten Fraktion – unabhängig davon, für welche Werte und Vorstellungen diese stehen, und selbst dann, wenn unterstellt wird, dass die Werte und Vorstellungen Befindlichkeiten offenbaren könnten, die für die Situation des Abgeordneten, gegen den sich der Antrag auf Aufhebung der Immunität richtet, von vornherein ungünstig sind – grundsätzlich nicht auf die Prüfung der Unparteilichkeit des Berichterstatters aus. Insoweit ist bereits entschieden worden, dass unterschiedliche politische Ideologien des Berichterstatters und des Abgeordneten, auf den sich der Antrag auf Aufhebung der Immunität bezieht, als solche nicht geeignet sind, das Verfahren zum Erlass des angefochtenen Beschlusses zu beeinträchtigen (Urteil vom 1. Dezember 2021, Jalkh/Parlament, T‑230/21, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:848, Rn. 46).

245    Folglich wirkt sich die Zugehörigkeit des Berichterstatters zur Europäischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer grundsätzlich nicht auf die Prüfung seiner Unparteilichkeit aus.

246    Zu dieser Fraktion gehören zwar auch die Abgeordneten der politischen Partei VOX, die sich, wie der Vizepräsident des Gerichtshofs im Beschluss vom 24. Mai 2022, Puigdemont i Casamajó u. a./Parlament und Spanien (C‑629/21 P[R], EU:C:2022:413, Rn. 202), bemerkt hat, den Klägern gegenüber in einer ganz besonderen Situation befindet, da sie das fragliche Strafverfahren ins Rollen gebracht hat. Diese besondere Situation bezieht sich jedoch auf die Abgeordneten, die Mitglieder der politischen Partei VOX sind, und kann sich grundsätzlich nicht allein deshalb auf sämtliche Mitglieder der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer erstrecken, weil diese aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur selben Gruppe die gleichen politischen Affinitäten haben.

247    Zweitens tragen die Kläger vor, der Berichterstatter habe eine Sitzung der politischen Partei VOX im Parlament geleitet, in deren Verlauf er den Slogan „Puigdemont in Haft“ unterstützt habe.

248    Zunächst ist festzustellen, dass diese Rüge in der Klageschrift kurz dargestellt und durch einen in bestimmten Anhängen enthaltenen Beweis, nämlich einen Link zu einem Video, untermauert wird. Folglich ist die Unzulässigkeitseinrede, die das Parlament dem entgegengehalten hat, in Anwendung der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung zurückzuweisen.

249    Sodann hat der Berichterstatter im Rahmen seines Mandats als Mitglied des Parlaments unstreitig am 6. März 2019 in den Räumlichkeiten des Parlaments eine Veranstaltung, die in einem Vortrag des Generalsekretärs der politischen Partei VOX zum Thema „Cataluña es España“ (Katalonien ist Spanien) bestanden hat, organisiert und an ihr teilgenommen. Letzterer hat seine Rede mit dem Ausruf „Viva España, viva Europa y Puigdemont a prisión“ (Es lebe Spanien, es lebe Europa und Puigdemont in Haft) geschlossen.

250    Einerseits steht fest, dass sich der Berichterstatter auf dieser Veranstaltung nicht zu Wort gemeldet hat. Aus der Aufzeichnung der Veranstaltung geht nämlich hervor, dass der Berichterstatter zwar am Rednertisch – neben dem Generalsekretär der Partei VOX und zwei anderen Mitgliedern des Parlaments – saß, aber nur der Generalsekretär dieser Partei das Wort ergriffen hat.

251    Andererseits kann die Organisation einer solchen Veranstaltung als Ausdruck der Unterstützung des Gedankenguts besagter politischer Partei betreffend insbesondere – angesichts des Themas der Veranstaltung – die politische Lage Kataloniens durch den Berichterstatter sowie seiner Ablehnung der politischen Vorstellungen der Kläger angesehen werden. Auch wenn sich der den Klägern im Rahmen des fraglichen Strafverfahrens vorgeworfene Sachverhalt insoweit auf die politische Lage in Katalonien bezieht, als er den Erlass der oben in Rn. 2 erwähnten Gesetze und die Abhaltung des in derselben Randnummer genannten Referendums über die Selbstbestimmung betrifft, kann die Tatsache, dass der Abgeordnete und spätere Berichterstatter für die Verfahren zur Aufhebung der Immunität der Kläger seinen Standpunkt zu dieser Lage zum Ausdruck gebracht hat, aus den oben in den Rn. 244 und 246 dargelegten Gründen nicht genügen, um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit zu begründen. Hinzuzufügen ist, dass, wie oben in Rn. 141 festgestellt worden ist, die Fragen, ob der den Klägern vorgeworfene Sachverhalt nachgewiesen ist, ob dieser Sachverhalt es rechtfertigte, sie strafrechtlich zu verfolgen, und ob die Bestimmungen des nationalen Rechts über die Straftaten, derentwegen die Kläger verfolgt worden sind, angemessen waren, von der Frage zu unterscheiden sind, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität im Sinne von Art. 9 des Protokolls Nr. 7 zu dem Zeitpunkt vorlagen, zu dem diese Aufhebung beantragt worden ist. Die letztgenannte Frage ist aber die einzige, die vom Berichterstatter geprüft worden ist.

252    Drittens machen die Kläger in der Erwiderung bestimmte nach den angefochtenen Beschlüssen eingetretene Tatsachen geltend, die die fehlende Unparteilichkeit des Berichterstatters belegen sollen.

253    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Beweise und Beweisangebote gemäß Art. 85 Abs. 1 der Verfahrensordnung im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind. Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung stellt klar, dass die Hauptparteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen können, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist.

254    Soweit sich die Kläger auf ein Interview mit dem Berichterstatter in einer bulgarischen Zeitung berufen, das vom Tag nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse, also vor Einreichung der Klageschrift, datiert, ist zu bemerken, dass dieses Dokument in der Erwiderung vorgelegt worden ist, ohne dass die Kläger seine verspätete Vorlage rechtfertigen. Folglich ist dieses Beweismittel gemäß dem Antrag des Parlaments als unzulässig zurückzuweisen.

255    Darüber hinaus sind die verschiedenen Reaktionen der politischen Partei VOX nach Erlass der angefochtenen Beschlüsse und nach Einreichung der Klageschrift, insbesondere die Zufriedenheitsbekundungen in Bezug auf den Bericht des Berichterstatters, nicht geeignet, die mangelnde Unparteilichkeit des Berichterstatters nachzuweisen. Das Gleiche gilt für den von den Klägern behaupteten Umstand, dass gegen den Berichterstatter für sein Verhalten im Plenum wegen Taten, die nichts mit dem vorliegenden Fall zu tun haben, eine Verwaltungssanktion verhängt worden sein soll.

256    Viertens tragen die Kläger nicht vor, der Berichterstatter befinde sich in einem Interessenkonflikt, der nach Anhang I Art. 3 Abs. 1 der Geschäftsordnung vorliegt, „wenn ein Mitglied des Europäischen Parlaments ein persönliches Interesse hat, das die Ausübung seines Mandats als Mitglied des Europäischen Parlaments ungebührlich beeinflussen könnte“. Ganz allgemein machen die Kläger kein persönliches Interesse des Berichterstatters geltend, das seine Unparteilichkeit bei der Ausübung seines Mandats beeinträchtigen könnte. Ebenso wenig beziehen sich die Kläger auf eine Aussage des Berichterstatters, die offenbart, dass er sein Amt möglicherweise mit persönlichen Vorurteilen angetreten hat, die von seiner politischen Ideologie getrennt werden können.

257    Folglich ist der zweite Teil des dritten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zum dritten Teil des dritten Klagegrundes: Mangelnde Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Rechtsausschusses

258    Die Kläger machen geltend, der Vorsitzende des Rechtsausschusses biete aus den Gründen, die in der von ihnen bei diesem Ausschuss eingereichten und der Klageschrift als Anhang beigefügten Stellungnahme dargelegt seien, keinerlei Gewähr für Unparteilichkeit. Sie führen insbesondere aus, der Vorsitzende des Rechtsausschusses und die nationale politische Partei, der er angehöre, hätten ihnen gegenüber erbitterte Feindseligkeiten an den Tag gelegt und eine Strategie verfolgt, die darauf abgezielt habe, sie an der Einnahme ihres Sitzes im Parlament zu hindern.

259    Aus den Ausführungen oben in den Rn. 33 bis 37 geht insoweit hervor, dass ein Vorbringen zur fehlenden Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Rechtsausschusses, das nur in den Anlagen zur Klageschrift dargelegt wird, ohne in dieser ausdrücklich enthalten zu sein, als unzulässig zurückzuweisen ist. Dies ist beim Argument im Zusammenhang mit seiner spanischen Staatsangehörigkeit der Fall. Das Gleiche gilt, wie das Parlament geltend macht, aber auch für bestimmte Argumente im Zusammenhang mit seinem angeblichen Verhalten.

260    Dagegen ist die Unzulässigkeitseinrede des Parlaments insoweit zurückzuweisen, als sie sich gegen das in Rn. 145 der Klageschrift erwähnte Argument zur angeblichen Feindseligkeit des Vorsitzenden des Rechtsausschusses richtet, welche sich aus der Strategie ergibt, die verfolgt worden sein soll, um die Kläger daran zu hindern, ihren Sitz im Parlament einzunehmen.

261    Dieses Argument ist jedoch zurückzuweisen. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die angeblichen Initiativen, die Kläger daran zu hindern, ihren Sitz im Parlament einzunehmen, nicht auf den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, sondern auf die nationale politische Partei zurückgehen, der er angehört und bei der es sich nicht um die Partei handelt, die im fraglichen Strafverfahren die Popularklage erhoben hat. Wie sich aber oben aus Rn. 244 ergibt, darf die Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Rechtsausschusses grundsätzlich nicht anhand seiner politischen Ideologie, insbesondere seiner Zugehörigkeit zu einer nationalen politischen Partei, geprüft werden.

262    Folglich ist der dritte Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Da die gegen den Berichterstatter und den Vorsitzenden des Rechtsausschusses erhobenen Vorwürfe der Befangenheit zurückgewiesen worden sind, braucht der vierte Teil, der sich auf das Hindernis bezieht, das die Vertraulichkeit der Arbeiten dieses Ausschusses für die Erbringung des Beweises darstellt, dass sich ihre angebliche Befangenheit auf die angefochtenen Beschlüsse ausgewirkt hat, nicht geprüft zu werden.

263    Nach alledem ist die Klage abzuweisen, ohne dass es der von den Klägern beantragten prozessleitenden Maßnahmen und Beweiserhebungen bedarf.

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

264    Mit Schriftsatz, der am 21. März 2023 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragen die Kläger auf der Grundlage von Art. 113 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens.

265    Gemäß Art. 113 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung kann das Gericht die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, wenn eine Hauptpartei dies beantragt und sich dabei auf Tatsachen stützt, die für seine Entscheidung von maßgeblicher Bedeutung sind und die sie vor Abschluss des besagten Verfahrens nicht geltend machen konnte.

266    Die Kläger machen Tatsachen geltend, die nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eingetreten und ihrer Ansicht nach für ihr Rechtsschutzinteresse einerseits und die Begründetheit der angefochtenen Beschlüsse andererseits von maßgeblicher Bedeutung sind.

267    Im Einzelnen beziehen sich die Kläger erstens auf die Tatsache, dass am 12. Januar 2023 die Ley Orgánica 14/2022 (Gesetz 14/2022) vom 22. Dezember 2022 (BOE Nr. 307 vom 23. Dezember 2022, S. 1) in Kraft getreten ist, mit der das Strafgesetzbuch, insbesondere durch die Streichung des Straftatbestands des Aufruhrs, dessentwegen sie verfolgt wurden, und durch die Änderung des Straftatbestands der Veruntreuung von öffentlichen Geldern in Bezug auf den Kläger zu 1) und den Kläger zu 2), geändert worden war. Zweitens berufen sie sich auf den Beschluss vom 12. Januar 2023, mit dem der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) u. a. die gegen sie ergangenen Europäischen Haftbefehle vom 14. Oktober und 4. November 2019 aufgehoben hat. Drittens machen die Kläger den Beschluss der Corte d’appello di Cagliari, sezione distaccata di Sassari (Berufungsgericht Cagliari, Kammer Sassari, Italien) vom 9. März 2023 geltend, mit dem dieses Gericht die Aufhebung des Europäischen Haftbefehls gegen den Kläger zu 1) festgestellt und dementsprechend die Löschung des Verfahrens zur Vollstreckung dieses Haftbefehls erklärt hat. Viertens berufen sie sich auf das Urteil vom 29. November 2022, mit dem das Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) die Beschwerde („recurso de amparo“) des Klägers zu 1) und des Klägers zu 2) gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 10. Januar 2020 über die Beantragung der Aufhebung ihrer Immunität beim Parlament zurückgewiesen hat.

268    Als Erstes machen die Kläger in Bezug auf den Fortbestand ihres Rechtsschutzinteresses geltend, die angefochtenen Beschlüsse könnten keine Rechtswirkungen mehr entfalten, da sie zum einen nur dazu dienten, die Vollstreckung aufgehobener Europäischer Haftbefehle zu ermöglichen, und mit ihnen zum anderen ihre Immunität im Rahmen eines Strafverfahrens aufgehoben werde, das sich auf eine mutmaßliche Straftat des Aufruhrs, die im Strafgesetzbuch nicht mehr enthalten sei, und eine mutmaßliche Straftat der Veruntreuung von öffentlichen Geldern beziehe, die in diesem Gesetzbuch eine wesentliche Änderung erfahren habe. Die Kläger tragen jedoch vor, dass sie angesichts der Wirkungen der angefochtenen Beschlüsse zumindest aus schadensersatzrechtlicher Sicht weiterhin ein Rechtsschutzinteresse hätten. Ein Nichtigkeitsurteil könne insoweit eine Form der Wiedergutmachung darstellen. Sie argumentieren darüber hinaus mit der Gefahr einer Wiederholung der in den angefochtenen Beschlüssen enthaltenen Rechtsverletzungen, da der Ermittlungsrichter der Strafkammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) die Ausstellung neuer Europäische Haftbefehle in Betracht ziehe.

269    Das Gericht stellt insoweit fest, dass die Kläger die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragen, um eine kontradiktorische Erörterung der Frage des Wegfalls ihres Rechtsschutzinteresses zu ermöglichen, gleichzeitig aber geltend machen, dieses Interesse bestehe trotz der behaupteten Hinfälligkeit der angefochtenen Beschlüsse fort. Im Übrigen haben weder das Parlament noch das Königreich Spanien das Gericht mit einem Antrag befasst, die Hauptsache für erledigt zu erklären, obwohl ein solcher Antrag jederzeit während des Verfahrens gestellt werden kann (Beschluss vom 25. Oktober 2019, Le Pen/Parlament, T‑211/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:776, Rn.14). In diesem Zusammenhang hält das Gericht in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls die von den Klägern zur Frage ihres Rechtsschutzinteresses vorgelegten Beweise nicht für die Entscheidung des Gerichts von maßgeblicher Bedeutung im Sinne von Art. 113 Abs. 2 Buchst. c der Verfahrensordnung.

270    Als Zweites ist zu bemerken, dass auch die von den Klägern geltend gemachten neuen Tatsachen für die Begründetheit der Klage nicht von maßgeblicher Bedeutung sind.

271    Da die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Rechtsakts zu beurteilen ist (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung) und obwohl es nicht Sache des Parlaments ist, bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung der Immunität die Angemessenheit der Bestimmungen des nationalen Rechts über die Festlegung der zur Last gelegten Straftat zu beurteilen (siehe oben, Rn. 180), hat die nach dem Erlass der angefochtenen Beschlüsse erfolgte Änderung des Strafgesetzbuchs nämlich keinerlei Einfluss auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Beschlüsse. Das Gleiche gilt zum einen für den Beschluss des Ermittlungsrichters des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 12. Januar 2023, dessen endgültiger Charakter im Übrigen nicht nachgewiesen worden ist, da mit ihm die Konsequenzen aus der Änderung des Strafgesetzbuchs gezogen werden sollen, und zum anderen für den Beschluss der Corte d’appello di Cagliari, sezione distaccata di Sassari (Berufungsgericht Cagliari, Kammer Sassari) vom 9. März 2023, mit dem dieses Gericht im Wesentlichen selbst die Konsequenzen aus der Aufhebung des Europäischen Haftbefehls gegen den Kläger zu 1) durch den Beschluss vom 12. Januar 2013 gezogen hat.

272    In Bezug auf das Urteil des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) vom 29. November 2022 wiederum machen die Kläger im Wesentlichen geltend, es bestätige ihre bereits zur Stützung des zweiten Klagegrundes im Zusammenhang mit dem Urteil vom 19. Dezember 2018, Berlusconi und Fininvest (C‑219/17, EU:C:2018:1023), entwickelte Argumentation. Folglich kann dieses Urteil des Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) für die Entscheidung des Gerichts nicht von maßgeblicher Bedeutung sein. Jedenfalls kann der Umstand, dass es, worauf das Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) in jenem Urteil hingewiesen hat, im Rahmen der vorliegenden Klage Sache des Gerichts ist, über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beschlüsse zu entscheiden, die oben in Rn. 88 dargelegte Schlussfolgerung nicht entkräften, wonach das Parlament nicht zu prüfen habe, ob die spanische Rechtsprechung zu der Behörde, die für die Beantragung der Aufhebung der Immunität eines für das Königreich Spanien gewählten Europaabgeordneten zuständig sei, mit dem Unionsrecht im Einklang stehe.

273    Daher ist der Antrag der Kläger auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zurückzuweisen.

 Kosten

274    Gemäß Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Parlaments ihre eigenen Kosten sowie die Kosten aufzuerlegen, die dem Parlament im vorliegenden Verfahren sowie in den Rechtssachen T‑272/21 R und T‑272/21 R II entstanden sind.

275    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt das Königreich Spanien seine eigenen Kosten, einschließlich der Kosten, die ihm im Rahmen der Rechtssache T‑272/21 R II entstanden sind.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Herr Carles Puigdemont i Casamajó, Herr Antoni Comín i Oliveres und Frau Clara Ponsatí i Obiols tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten des Europäischen Parlaments, einschließlich der Kosten, die im Rahmen der Rechtssachen T272/21 R und T272/21 R II entstanden sind.

3.      Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten, einschließlich der Kosten, die ihm im Rahmen der Rechtssache T272/21 R II entstanden sind.

Marcoulli

Frimodt Nielsen

Kanninen

Schwarcz

 

      Norkus

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juli 2023.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.