Language of document : ECLI:EU:C:2014:2215

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 11. September 2014(1)

Rechtssache C‑413/13

FNV Kunsten Informatie en Media

gegen

Staat der Nederlanden

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage [Niederlande])

„Tarifvertrag – Dienstleistungsverträge – Mindesttarife – Wettbewerb – Art. 101 AEUV – Verhinderung von Sozialdumping – ‚Albany-Ausnahme‘“






1.        Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil Albany(2) im Wesentlichen davon aus, dass Vereinbarungen, die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossen werden und Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen verbessern sollen, vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sind.

2.        Die sich im vorliegenden Verfahren stellende grundlegende Frage ist, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen diese Ausnahme für Vorschriften in Tarifverträgen gilt, die Aspekte des beruflichen Verhältnisses zwischen Selbständigen und ihren Kunden oder Auftraggebern regeln.

I –    Einschlägige Bestimmungen des niederländischen Rechts

3.        Art. 1 der Wet op de collectieve arbeidsovereenkomst (Tarifvertragsgesetz, im Folgenden: WCAO) definiert den „Tarifvertrag“ im Sinne des nationalen Rechts und lautet wie folgt:

„(1)  Unter einem ‚Tarifvertrag‘ versteht man einen Vertrag, der zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern oder einer oder mehreren voll rechtsfähigen Vereinigungen von Arbeitgebern und einer oder mehreren voll rechtsfähigen Vereinigungen von Arbeitnehmern geschlossen wird und hauptsächlich oder ausschließlich die Arbeitsbedingungen regelt, die im Rahmen der Arbeitsverträge zu beachten sind.

(2)       Er kann auch Verträge über die Herstellung eines Werks und über die Erbringung von Dienstleistungen [im Folgenden: Dienstleistungsverträge] zum Gegenstand haben. Die Vorschriften des vorliegenden Gesetzes über Arbeitsverträge, Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten in diesem Fall entsprechend.

…“

4.        Art. 6 Abs. 1 der Mededingingswet (Wettbewerbsgesetz, im Folgenden: Mw) verbietet „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem niederländischen Markt oder einem Teil davon bezwecken oder bewirken“.

5.        Nach Art. 16 Buchst. a Mw sind vom Anwendungsbereich dieses Gesetzes Tarifverträge im Sinne von Art. 1 Abs. 1 WCAO ausgenommen.

II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

6.        In den Jahren 2006 und 2007 schlossen die FNV Kunsten Informatie en Media (im Folgenden: FNV) und der Nederlandse toonkunstenaarsbond (im Folgenden: Ntb), zwei Vereinigungen, die Arbeitnehmer und Selbständige vertreten, und die Vereniging van Stichtingen Remplaçanten Nederlandse Orkesten (im Folgenden: VSR), ein Arbeitgeberverband, einen Tarifvertrag (im Folgenden: streitiger Tarifvertrag) für Aushilfsmusiker in niederländischen Orchestern (CAO Remplaçanten Nederlandse Orkesten). Diese Vereinbarung legte u. a. einen Mindesttarif fest, den Musiker erhalten müssen, die andere Musiker in einem Orchester vertreten (im Folgenden: Aushilfsmusiker) und die dazu ein Arbeitsverhältnis mit diesem Orchester eingehen. Der streitige Tarifvertrag enthielt auch Vorschriften über „selbständige Aushilfsmusiker“.

7.        Die niederländische Wettbewerbsbehörde (Nederlandse Mededingingsautoriteit; im Folgenden: NMa) vertrat in einem im Dezember 2007 veröffentlichten Visionspapier(3) jedoch die allgemeine Auffassung, dass Tarifvertragsvorschriften, die sich auf Mindesttarife für Selbständige bezögen, vom Verbot des Art. 6 Mw nicht ausgenommen seien.

8.        Aufgrund dieses Standpunkts der NMa kündigten die VSR und der Ntb den streitigen Tarifvertrag und lehnten es ab, einen neuen Tarifvertrag mit der FNV abzuschließen, der eine Regelung über selbständige Aushilfsmusiker enthält.

9.        Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung erhob die FNV Klage bei der Rechtbank ʼs-Gravenhage (Den Haag) und beantragte im Wesentlichen, i) festzustellen, dass das Wettbewerbsrecht einer Tarifvertragsvorschrift, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, gegenüber Selbständigen ohne Personal bestimmte Mindesttarife einzuhalten, nicht entgegensteht und die Veröffentlichung des Visionspapiers der FNV gegenüber rechtswidrig ist, sowie ii) dem Staat aufzugeben, den im Visionspapier wiedergegebenen Standpunkt zu berichtigen.

10.      Die Rechtbank wies die Anträge der FNV zurück; die FNV hat daraufhin Rechtsmittel beim Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage (Den Haag) eingelegt.

11.      Das Rechtsmittel betrifft die Auslegung von Art. 6 Mw. Der Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage hat jedoch darauf hingewiesen, dass Art. 6 Mw weitgehend an Art. 101 AEUV angelehnt sei und der nationale Gesetzgeber beschlossen habe, dass beide Bestimmungen einheitlich anzuwenden seien.

12.      Daher hat der Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage aufgrund von Zweifeln im Hinblick auf die richtige Auslegung von Art. 101 AEUV beschlossen, das Verfahren auszusetzen und folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts dahin auszulegen, dass eine Vorschrift in einem zwischen Vereinigungen von Arbeitgebern und von Arbeitnehmern geschlossenen Tarifvertrag – wonach Selbständige, die aufgrund eines Dienstleistungsvertrags für einen Arbeitgeber die gleiche Arbeit ausführen wie die Arbeitnehmer, die unter die Geltung des Tarifvertrags fallen, einen bestimmten Mindesttarif erhalten müssen – bereits deshalb vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen ist, weil diese Vorschrift in einem Tarifvertrag enthalten ist?

2.      Sofern die erste Frage verneint wird: Ist die genannte Vorschrift vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen, wenn sie (auch) der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer dient, die unter die Geltung des Tarifvertrags fallen, und ist es dabei von Belang, ob diese Arbeitsbedingungen dadurch unmittelbar oder nur mittelbar verbessert werden?

13.      Die FNV, die niederländische und die tschechische Regierung sowie die Kommission haben im vorliegenden Verfahren schriftliche Erklärungen eingereicht und mit Ausnahme der tschechischen Regierung in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2014 alle mündliche Erklärungen abgegeben.

III – Würdigung

14.      Mit seinen zwei Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Vorschriften in einem Tarifvertrag zwischen einem Arbeitgeberverband und Gewerkschaften, die Arbeitnehmer(4) und Selbständige vertreten, wonach Selbständige, die aufgrund eines Dienstleistungsvertrags für einen Arbeitgeber die gleiche Arbeit ausführen wie die Arbeitnehmer, die unter die Geltung des Tarifvertrags fallen, einen bestimmten Mindesttarif erhalten müssen (im Folgenden: streitige Vorschriften), vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen sind.

15.      Zunächst möchte ich kurz auf die Frage der Zulässigkeit eingehen. Meines Erachtens steht die Zulässigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens außer Zweifel, selbst wenn der vorliegende Fall vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen sein sollte. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen zuständig ist, die Vorschriften des Unionsrechts in Fällen betreffen, in denen der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht in den unmittelbaren Geltungsbereich unionsrechtlicher Bestimmungen fällt, die genannten Vorschriften aber durch das nationale Recht, das sich zur Regelung rein innerstaatlicher Sachverhalte nach den im Unionsrecht getroffenen Regelungen richtet, für anwendbar erklärt worden sind(5).

16.      Was die materiell-rechtliche Seite des Falles angeht, ersucht das vorlegende Gericht im Wesentlichen um Hinweise dazu, ob die „Albany-Ausnahme“(6) auf einen Tarifvertrag wie den streitigen Tarifvertrag anwendbar sein kann.

17.      In ihren jeweiligen Erklärungen vertreten die tschechische und die niederländische Regierung, ebenso wie die Kommission, die Ansicht, dass diese Frage vom Gerichtshof zu verneinen sei, während die FNV die Ansicht vertritt, dass sie vom Gerichtshof zu bejahen sei.

18.      Im Folgenden werde ich zu verdeutlichen versuchen, warum ich mich weder der einen noch der anderen Ansicht voll anschließen kann. Ich komme nämlich zu der Ansicht, dass die Frage des vorlegenden Gerichts nicht so klar und einfach zu beantworten ist, wie dies vorgeschlagen wird.

19.      Wie oben in Nr. 1 erwähnt, fallen nach ständiger Rechtsprechung Vereinbarungen, die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossen werden und Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verbessern sollen, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV(7).

20.      Daher ist anhand einer Prüfung von Art und Gegenstand des streitigen Tarifvertrags (insbesondere von Art und Gegenstand der streitigen Vorschriften) festzustellen, ob dieser als vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV vollständig ausgenommen angesehen werden kann(8).

21.      Vor diesem Hintergrund werde ich diese Frage aus Gründen der Klarheit aus zwei einander ergänzenden Blickwinkeln prüfen. Da das niederländische Recht Gewerkschaften gestattet, sowohl Arbeitnehmer als auch Selbständige zu vertreten, sind zwei rechtliche Komplexe voneinander zu unterscheiden. Zum einen wird im Folgenden untersucht, ob die Albany-Ausnahme für Vorschriften gilt, die für und im Interesse von Selbständigen in einem Tarifvertrag ausgehandelt und darin aufgenommen werden. Zum anderen wird geprüft, ob diese Ausnahme Anwendung findet, wenn die streitigen Vorschriften zwar die Arbeitsbedingungen von Selbständigen regeln, dennoch aber für und im Interesse von Arbeitnehmern in einem Tarifvertrag ausgehandelt und darin aufgenommen werden. Diese systematische Analyse folgt im Großen und Ganzen der Struktur der beiden Vorlagefragen in der Formulierung des Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage.

A –    Vorschriften, die für und im Interesse von Selbständigen in einem Tarifvertrag ausgehandelt und darin aufgenommen werden

22.      Eines der von der FNV vorgebrachten Argumente ist, dass ein Vertrag wie der streitige Tarifvertrag allein deshalb vollständig unter die Albany-Ausnahme falle – und daher vom Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen sei –, weil er in Form eines Tarifvertrags geschlossen sei. Der Umstand, dass einige Vorschriften dieser Vereinbarung die Arbeitsbedingungen von Selbständigen regelten, sei insoweit irrelevant.

23.      Dem kann ich nicht zustimmen.

1.      Die Albany-Ausnahme gilt nicht für Vertragsvorschriften, die für und im Interesse von Selbständigen vereinbart werden

24.      Nach der Albany-Rechtsprechung des Gerichtshofs sind Tarifverträge vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, nämlich i) dass sie im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern geschlossen werden (im Folgenden: erste Voraussetzung) und ii) dass sie unmittelbar zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer beitragen (im Folgenden: zweite Voraussetzung).

25.      Ebenso wie die niederländische Regierung und die Kommission habe ich ernsthafte Zweifel, ob die erste Voraussetzung erfüllt ist, soweit eine Vereinbarung, selbst wenn sie das Ergebnis eines Tarifverhandlungsverfahrens ist, (ganz oder teilweise) für Selbständige ausgehandelt und abgeschlossen wird.

26.      Wenn Gewerkschaften nämlich für Selbständige und nicht für Arbeitnehmer handeln, können sie kaum als „Vereinigungen von Arbeitnehmern“ angesehen werden. Tatsächlich dürften sie unter solchen Umständen eher in einer anderen Eigenschaft handeln, nämlich der einer Berufsorganisation oder einer Unternehmensvereinigung(9). Demnach kann schwerlich angenommen werden, dass diese Gewerkschaften „Sozialpartner“ auf der Arbeitnehmerseite im Sinne des Urteils Albany sind(10).

27.      Weiter zu vertiefen ist diese Frage jedenfalls deshalb nicht, weil meines Erachtens die zweite Voraussetzung eindeutig nicht erfüllt ist. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs bezieht sich einheitlich auf Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern. Der Gerichtshof hat seine Rechtsprechung bisher – weder implizit noch explizit – auf Vertragsvorschriften ausgedehnt, die die Arbeitsbedingungen von Selbständigen verbessern sollen.

28.      Es kann meines Erachtens auch darüber hinaus kein Zweifel daran bestehen, dass die Albany-Ausnahme für solche Vertragsbestimmungen nicht gilt.

29.      Hierfür sind hauptsächlich zwei Gründe zu nennen.

30.      Erstens ist die Rechtsstellung von Selbständigen und Arbeitnehmern im Sinne der Wettbewerbsregeln der Union grundsätzlich verschieden und kann ipso facto nicht gleichgestellt werden.

31.      Arbeitnehmer sind keine Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln der Union(11), und Art. 101 AEUV dient nicht der Regelung arbeitsrechtlicher Verhältnisse.

32.      Umgekehrt sind Selbständige Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln der Union(12). Demnach ist eine Gewerkschaft, die für Selbständige handelt, wie oben erwähnt, als „Unternehmensvereinigung“ im Sinne von Art. 101 AEUV anzusehen(13).

33.      Selbstverständlich gibt es gute sozialökonomische Gründe, den Lohnwettbewerb unter Arbeitnehmern durch Tarifverhandlungen zu begrenzen oder sogar auszuschließen(14). Die Situation ist jedoch eine andere, wenn es um Vereinbarungen geht, die eine Einschränkung oder einen Ausschluss des Wettbewerbs zwischen Unternehmen bezwecken oder bewirken.

34.      Auf genau diese Art von Vereinbarungen soll Art. 101 AEUV Anwendung finden.

35.      Ferner sind zwar Einschränkungen des Wettbewerbs, die sich aus Tarifverträgen ergeben können, die die Beschäftigungsbedingungen von Arbeitnehmern regeln, häufig unbeabsichtigt oder von begrenzter Wirkung(15), doch gilt dies nicht notwendigerweise für Vereinbarungen, die die Arbeitsbedingungen von Selbständigen regeln. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Vereinbarungen geht, die den Preis-Wettbewerb zwischen Selbständigen regeln.

36.      Die Preisgestaltung ist einer der wichtigsten, wenn nicht häufig der bei weitem wichtigste Aspekt, in dem Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. Daher werden in der „schwarzen Liste“ des Art. 101 Abs. 1 AEUV in Buchst. a Vereinbarungen über „die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen“ genannt. Demnach sind Vereinbarungen über die Festsetzung von Mindestpreisen für Waren oder Dienstleistungen stets als erhebliche Wettbewerbsbeschränkung angesehen worden(16).

37.      Eine Auslegung von Art. 101 AEUV auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs legt somit nahe, dass Vorschriften, die für und im Interesse von Selbständigen in einer Vereinbarung ausgehandelt und darin aufgenommen werden, einer Prüfung nach den Wettbewerbsregeln der Union nicht grundsätzlich entzogen sein können.

38.      Zweitens ist, wie die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung betont hat, die Rechtsstellung von Selbständigen von der von Arbeitnehmern eindeutig verschieden, und zwar nicht nur nach den Wettbewerbsregeln der Union, sondern im Allgemeineren auch nach der Systematik der EU-Verträge. Daher können die sozialpolitischen Erwägungen, die die Albany-Ausnahme für Arbeitnehmer rechtfertigten, für Selbständige keine Geltung beanspruchen.

39.      Das Anliegen der Albany-Rechtsprechung ist im Wesentlichen, dass es unmöglich wäre, einerseits die EU-Verträge dahin zu verstehen, dass sie Tarifverhandlungen zwischen Sozialpartnern zur Verfolgung sozialer Ziele fördern, und andererseits solche Tarifverträge einem allgemeinen Verbot zu unterstellen.

40.      Die sozialen Ziele, auf die der Gerichtshof sich im Urteil Albany bezog, betreffen jedoch Arbeitnehmer. Im Mittelpunkt der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die „Beschäftigung“ (Art. 145 bis 150 AEUV) und die „Sozialpolitik“ (Art. 151 bis 161 AEUV) steht der Begriff des „Arbeitnehmers“.

41.      Die Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Selbständigen fällt dagegen in die Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich der Industriepolitik nach Art. 173 AEUV.

42.      Zwischen Art. 173 AEUV und den vorgenannten Bestimmungen über Beschäftigung und Sozialpolitik bestehen vor allem zwei wesentliche Unterschiede. Erstens findet sich in Art. 173 AEUV (ebenso wie auch in allen übrigen Vertragsbestimmungen) – anders als in Art. 151 und 155 AEUV – keine Aufforderung an Selbständige, Tarifverträge zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen abzuschließen(17). Zweitens stellt Art. 173 AEUV klar, dass er unbeschadet der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln gilt. Nach Art. 173 Abs. 1 Unterabs. 2 sollen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten nämlich im Bereich der Industrie „entsprechend einem System offener und wettbewerbsorientierter Märkte“ tätig werden. Der AEU-Vertrag konkretisiert in Art. 173 Abs. 3 Unterabs. 2 AEUV weiter, dass die Bestimmungen über die Industrie (Titel XVII) keine Rechtsgrundlage u. a. dafür bieten, „dass die [Europäische] Union irgendeine Maßnahme einführt, die zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte“. In den Bestimmungen des AEU-Vertrags über Beschäftigung und Sozialpolitik findet sich eine entsprechende Bestimmung nicht.

43.      Der Grund für die von den Verfassern der Verträge vorgenommene Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen ist recht einfach: Die Art und Weise, in der die Berufstätigkeit dieser beiden Gruppen organisiert ist und ausgeführt wird, weist im Allgemeinen tief greifende Unterschiede auf.

44.      Eines der wesentlichen Merkmale jedes Arbeitsverhältnisses ist die Unterordnung des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber(18). Der Arbeitgeber hat nicht nur eine Weisungsbefugnis und ein Direktionsrecht im Hinblick auf die Tätigkeit seiner Arbeitnehmer, sondern kann ihnen gegenüber auch bestimmte Vertretungs- und Kontrollbefugnisse ausüben. Ein Selbständiger folgt den Anweisungen seines Kunden, doch besitzen diese ihm gegenüber im Allgemeinen keine umfassenden Aufsichtsbefugnisse. Weil ein Unterordnungsverhältnis nicht gegeben ist, verfügt ein Selbständiger über mehr Unabhängigkeit bei der Auswahl der Art der Arbeit und der wahrzunehmenden Aufgaben, der Art und Weise der Ausführung dieser Arbeit oder Aufgaben, seinen Arbeitszeiten und seinem Arbeitsort sowie seinen Mitarbeitern(19).

45.      Darüber hinaus muss ein Selbständiger das unternehmerische und finanzielle Risiko der Geschäftstätigkeit übernehmen, während ein Arbeitnehmer normalerweise ein solches Risiko nicht trägt, da er unabhängig vom Geschäftsverlauf Anspruch auf Vergütung seiner Arbeitsleistung hat(20). Im Außenverhältnis ist grundsätzlich der Arbeitgeber für die Tätigkeit seiner Arbeitnehmer im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses verantwortlich. Die größeren Risiken und die größere Verantwortung, die Selbständige tragen, sollen auf der anderen Seite durch die Möglichkeit ausgeglichen werden, die im Geschäft erwirtschafteten Gewinne voll zu vereinnahmen.

46.      Schließlich, und das dürfte sich von selbst verstehen, bieten Selbständige Waren oder Dienstleistungen am Markt an, während Arbeitnehmer einem (oder in seltenen Fällen mehreren) einzelnen Arbeitgeber(n) lediglich ihre Arbeitskraft anbieten.

47.      Es ist somit der Rechtsstellung der Selbständigen immanent, dass sie, jedenfalls im Vergleich zu Arbeitnehmern, mehr Unabhängigkeit und Flexibilität genießen. Im Gegenzug haben sie jedoch unvermeidlich mehr wirtschaftliche Risiken zu tragen und werden sich häufiger instabileren und unsichereren Arbeitsbeziehungen ausgesetzt sehen. Alle diese Aspekte sind offenkundig eng miteinander verbunden.

48.      Daher gelten die rechtlichen und wirtschaftlichen Gründe, die die Albany-Ausnahme rechtfertigen, im Fall von Selbständigen nicht(21). Für Tarifverträge, die für und im Interesse von Selbständigen ausgehandelt werden, kann somit meines Erachtens eine vollständige und grundsätzliche Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV nicht in Betracht kommen.

49.      Einer Erörterung bedarf allerdings ein anderes Argument, das von der FNV angeführt wird.

2.      Arbeitnehmer und Selbständige sind nicht gleichgestellt, auch wenn sich die traditionelle Abgrenzung zusehends verwischt

50.      Die FNV hat in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben, dass es sich bei den Selbständigen, deren Tarife durch den streitigen Tarifvertrag geregelt würden, lediglich um solche ohne Personal handele, deren Stellung von ihrer Verhandlungsmacht her betrachtet der von Arbeitnehmern relativ ähnlich sei.

51.      Ich persönlich würde zugestehen, dass sich die Abgrenzung zwischen den traditionellen Kategorien der Arbeitnehmer und der Selbständigen in der heutigen Wirtschaft bisweilen verwischt. Der Gerichtshof hatte sich in der Tat auch bereits mit einer Reihe von Fällen auseinanderzusetzen, in denen die zwischen zwei Personen (bzw. einer Person und einem Rechtsträger) bestehende Arbeitsbeziehung sich – wegen ihrer besonderen Merkmale – nicht sauber der einen oder anderen Kategorie zuordnen ließ, da sie Merkmale aufwies, die für beide Kategorien charakteristisch sind(22).

52.      Ferner beziehe ich mit ein, dass es manche Selbständige gibt, die sich in ihrem beruflichen Verhältnis zu tatsächlichen oder potenziellen Kunden in einer Position befinden, die derjenigen recht ähnlich ist, in der sich typischerweise ein Arbeitnehmer zu seinem Arbeitgeber befindet. Insbesondere kann die Unabhängigkeit, die manche Selbständige im Hinblick darauf genießen, wann, wo und wie sie die ihnen übertragenen Aufgaben ausführen, sehr gering sein. Auch kann ihre Position am Verhandlungstisch, insbesondere was die Vergütung und die Arbeitsbedingungen betrifft, eher schwach sein. Das gilt insbesondere im Fall von „Scheinselbständigen“, also Arbeitnehmern, die als Selbständige getarnt werden, um die Anwendung bestimmter aus Sicht des Arbeitgebers ungünstiger Rechtsvorschriften (beispielsweise arbeits- oder steuerrechtlicher Regelungen) zu vermeiden. Ein weiteres Beispiel ist der Fall von Selbständigen, die wirtschaftlich von einem einzigen Kunden (oder einem Hauptkunden) abhängig sind(23).

53.      Abgesehen von Fällen einer Umgehung oder Vermeidung von arbeits- oder steuerrechtlichen Regelungen, deren Regelung Sache jedes Mitgliedstaats ist, sehe ich jedoch keinen überzeugenden Grund, Arbeitnehmer und Selbständige stets gleichzubehandeln.

54.      Tarifverträge sollen bestimmte Normen festschreiben, die als solche auf alle in ihre Geltung fallenden Situationen anwendbar sind. Sie sollen also für eine ganze Kategorie von Berufstätigen unabhängig von der konkreten Situation einer einzelnen Person oder den besonderen Umständen, unter denen eine einzelne Person bestimmte Beschäftigungsmöglichkeiten nutzt, gelten.

55.      Selbständige sind jedoch eine denkbar breite und heterogene Gruppe. Manche mögen sich bewusst dafür entschieden haben, ihre Leistungen gerade in diesem rechtlichen Regelungsrahmen anzubieten, während andere mangels stabilerer Beschäftigungsmöglichkeiten dazu gezwungen gewesen sein mögen. In Abhängigkeit einerseits von ihren Fertigkeiten, Fähigkeiten, ihrer Erfahrung und ihrem Ansehen und andererseits von den besonderen Umständen des Einzelfalls (wie Größe und wirtschaftliches Gewicht des Kunden, Dringlichkeit und/oder Komplexität der zu erbringenden Leistung, Zahl anderer verfügbarer Berufstätiger) mag ihre Verhandlungsmacht stärker oder schwächer sein als die ihrer Kunden. Dies steht in deutlichem Widerspruch zu Arbeitnehmern, von denen traditionell angenommen wird, dass sie sich bei der Verhandlung von Arbeitsbedingungen mit Arbeitgebern in einer asymmetrischen Position befinden, weil das Angebot an Arbeitskräften in allen modernen westlichen Gesellschaften höher ist als die Nachfrage.

56.      Vor allem mögen Selbständige aber auch der Perspektive, Vorschriften zu unterliegen, die für sie als Gruppe insgesamt verbindlich sind, mit grundlegend verschiedenen Ansätzen gegenüberstehen. Beispielsweise mögen im vorliegenden Fall manche selbständige Musiker Vorschriften zur Festlegung von Mindesttarifen begrüßen, während andere dies nicht tun. Tatsächlich können diese Vorschriften jüngeren oder weniger bekannten Berufstätigen die Möglichkeit nehmen, wirksam mit erfahreneren oder bekannteren Kollegen in Wettbewerb zu treten, indem sie ihre Leistungen zu günstigeren Preisen anbieten. Ohne die Möglichkeit, über den Preis in einen Wettbewerb zu treten, könnten manche Selbständige weit weniger Möglichkeiten haben, Aufträge zu akquirieren, und wären dem Risiko ausgesetzt, aus dem Arbeitsmarkt völlig herausgedrängt zu werden.

57.      Ich sehe in diesem Zusammenhang auch ein mögliches Legitimationsproblem, wenn Gewerkschaften, die lediglich eine begrenzte Zahl von Selbständigen vertreten, Tarifverträge abschließen, die für die Arbeitgeber allen Selbständigen gegenüber verbindlich sind.

58.      Demnach rechtfertigt allein der Umstand, dass manche Selbständige sich in einer Position befinden mögen, die wirtschaftlich betrachtet in bestimmten charakteristischen Merkmalen der von Arbeitnehmern entspricht, keine vollständige und grundsätzliche Gleichstellung der beiden Kategorien von Wirtschaftsakteuren.

59.      Vor diesem Hintergrund könnte man vielleicht den Standpunkt einnehmen, dass die Albany-Ausnahme für Vorschriften eines für und im Interesse von Selbständigen geschlossenen Tarifvertrags gelten sollte, wenn diese auf Selbständige angewendet werden, die sich in einer mit der von Arbeitnehmern vergleichbaren Situation befinden, dass diese Ausnahme für solche Vorschriften jedoch nicht gelten sollte, wenn sie umgekehrt auf Situationen angewendet werden, in denen diese Ähnlichkeiten nicht bestehen.

60.      Meines Erachtens wäre das jedoch keine vertretbare Lösung.

61.      Wie von der niederländischen Regierung betont, beschäftigt sich der streitige Tarifvertrag nicht mit „Scheinselbständigen“. Es ist vielmehr zwischen den Beteiligten unstreitig, dass diese Personen die Definition des „Arbeitnehmers“ nach dem Unionsrecht erfüllen und jeder ihre Stellung regelnde Tarifvertrag – als solcher – grundsätzlich in den Genuss der Albany-Ausnahme kommen könnte.

62.      Der streitige Tarifvertrag betrifft echte Selbständige. Würde folglich eine allgemeine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV auf diese ausgedehnt, ergäbe sich – aus den bereits dargestellten Gründen – nicht nur ein klarer Widerspruch zu den Bestimmungen des Vertrags über das Wettbewerbsrecht und die Sozialpolitik, sondern würde auch ein Element der Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit in ein System, nämlich das der Arbeitsbeziehungen, gebracht, das in besonderer Weise der Stabilität, Klarheit und Transparenz bedarf.

63.      Einzelpersonen und Unternehmen, erst recht aber nationale Verwaltungen und Gerichte, bedürfen aus meiner Sicht vielmehr einer Regelung, die in ihrer Bedeutung unmissverständlich und in ihrer Anwendung vorhersehbar ist. Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen ist insgesamt relativ einfach und ermöglicht es damit jeder hierzu veranlassten Behörde, mit hinreichender Sicherheit zu entscheiden, wann eine von einer Gruppe von Berufstätigen geschlossene Vereinbarung vom Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV ausgenommen ist und wann nicht.

64.      Ich kann nicht erkennen, dass es im Interesse der Sozialpartner liegen könnte, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, deren Gültigkeit in einer Reihe konkreter Fälle bestenfalls ungewiss wäre und somit leicht zum Gegenstand von Streitigkeiten werden könnte und die infolgedessen die Arbeitsnormen im betroffenen Sektor nicht festschreiben könnten.

65.      Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass die Albany-Ausnahme für Tarifverträge, die für und im Interesse von Selbständigen ausgehandelte Vorschriften enthalten, nicht gilt und nicht gelten sollte. Ich bin vielmehr der Überzeugung, dass solche Vertragsvorschriften vom Anwendungsbereich der EU-Wettbewerbsregeln nicht grundsätzlich ausgenommen werden können.

B –    Vorschriften, die für und im Interesse von Arbeitnehmern in einem Tarifvertrag ausgehandelt und darin aufgenommen werden

66.      Wie oben in Nr. 21 ausgeführt, ist weiterhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Albany-Ausnahme erfüllt sein können, soweit die streitigen Vorschriften für und im Interesse von Arbeitnehmern ausgehandelt und in den Tarifvertrag aufgenommen wurden.

67.      Die FNV bringt in der Tat vor, dass Zweck der streitigen Vorschriften sei, die Arbeitsbedingungen der betroffenen Arbeitnehmer zu verbessern. Ziel dieser Vorschriften sei insbesondere, Sozialdumping zu verhindern. Indem sie ein Gegengewicht zu den potenziell geringeren Kosten schafften, die Arbeitgeber hätten, wenn sie Arbeitnehmer durch Selbständige ersetzten, sollten die streitigen Vorschriften gewährleisten, dass Arbeitgeber nicht jeden Anreiz verlören, Arbeitnehmer einzustellen.

68.      Die tschechische und die niederländische Regierung sowie die Kommission betonen, dass die Albany-Ausnahme nur für Vorschriften gelte, die unmittelbar zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern beitragen sollten. Diese Voraussetzung erfüllten die streitigen Vertragsvorschriften nicht. Diese Vorschriften trügen allenfalls zu einer mittelbaren Verbesserung dieser Bedingungen bei, nämlich indem sie mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer schafften.

69.      Festzuhalten ist zunächst, dass die erste Voraussetzung der Albany-Ausnahme offensichtlich erfüllt ist, wenn Gewerkschaften im Rahmen von Tarifverhandlungen Vertragsvorschriften für und im Interesse von Arbeitnehmern aushandeln.

70.      Was die zweite Voraussetzung angeht, bin ich mit der tschechischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs nur für Vertragsvorschriften gilt, die unmittelbar zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen beitragen.

71.      Hervorgehoben wurde diese Voraussetzung vom Gerichtshof in den Urteilen Albany(24), Brentjens(25) und Drijvende Bokken(26). In seinen nachfolgenden Urteilen Van der Woude und AG2R Prévoyance wurde der Begriff „unmittelbar“ vom Gerichtshof zwar nicht erwähnt. Doch war dies meines Erachtens insoweit unnötig, als in beiden Fällen kein Zweifel bestehen konnte, dass die streitigen Regelungen – ein Krankenversicherungs- bzw. ein Zusatzkrankenversicherungssystem – den Arbeitnehmern einen unmittelbaren und eindeutigen Vorteil brachten.

72.      Die Intention der Albany-Rechtsprechung ist, wie oben erwähnt, nicht von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern abzuhalten oder diese zu untergraben. Deshalb hat der Gerichtshof sich auf Vorschriften bezogen, die die Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern unmittelbar verbessern. Punkte wie Vergütung, Arbeitszeiten, Jahresurlaub, Renten, Versicherungen und Krankenversicherung stehen ganz im Mittelpunkt von Tarifverhandlungen. Wenn Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen würde, diese Punkte frei zu verhandeln, würde ihr Recht auf Tarifverhandlungen im Kern verletzt(27).

73.      Umgekehrt gibt es keinen vernünftigen Grund, einen so weitreichenden rechtlichen Schutz (nämlich völlige Freistellung vom Kartellrecht) zu gewähren, wenn Arbeitnehmer mit Arbeitgebern über Punkte verhandeln, die ihre Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen nur mittelbar berühren. Arbeitnehmer (und Arbeitgeber) behalten auch dann ein Interesse an Tarifverhandlungen, wenn Vereinbarungen über Punkte, die keine unmittelbare oder erhebliche Wirkung für ihre Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen haben, möglicherweise einer kartellrechtlichen Prüfung zugänglich sind.

74.      Anzumerken ist gleichwohl, dass ich mit der FNV der Ansicht bin, dass der Schutz gegenwärtiger und künftiger Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer ein Punkt ist, der als unmittelbare Verbesserung ihrer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen angesehen werden kann. Ich denke, dass diese eindeutig und unverzüglich durch das Risiko eines Sozialdumping beeinträchtigt werden können, und zwar aus zwei Gründen.

75.      Ein Grund ist, dass für Arbeitnehmer eine sichere und stabile Beschäftigung eindeutig sogar noch wichtiger ist als beispielsweise Verbesserungen bei ihren Arbeitszeiten oder ihrem Jahresurlaub. Wäre es für die Arbeitgeber wirtschaftlich vorteilhaft, Arbeitnehmer durch Selbständige zu ersetzen, bestände ein Risiko, dass viele Arbeitnehmer ihre Stelle unverzüglich verlieren oder mit der Zeit allmählich an den Rand gedrängt werden könnten.

76.      Der Ausschluss eines Lohnwettbewerbs zwischen Arbeitnehmern – der an sich eigentlicher Sinn und Zweck von Tarifverhandlungen ist – impliziert, dass ein Arbeitgeber unter keinen Umständen andere Arbeitnehmer für weniger als das im Tarifvertrag festgelegte Gehalt einstellen darf. Auf dieser Grundlage und aus Sicht eines Arbeitnehmers macht es in Wirklichkeit keinen Unterschied, ob er durch einen billigeren Arbeitnehmer oder einen billigeren Selbständigen ersetzt wird.

77.      Ein anderer Grund ist, dass die Möglichkeit der Arbeitgeber, Arbeitnehmer durch andere Personen ersetzen zu können, für die sie die im maßgeblichen Tarifvertrag geregelten Arbeitsbedingungen nicht einhalten müssen, die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer erheblich schwächen kann. Wie sollten Arbeitnehmer beispielsweise überzeugend eine Gehaltserhöhung einfordern, wenn sie wüssten, dass sie unschwer und umgehend durch Selbständige ersetzt werden könnten, die die gleiche Tätigkeit wahrscheinlich für eine geringere Vergütung übernehmen würden?

78.      Wenn Arbeitnehmer also nicht ein bestimmtes Maß an Schutz vor Sozialdumping haben, werden Möglichkeiten und Anreize auf Seiten der Arbeitnehmer, Tarifverhandlungen mit Arbeitgebern zu führen, ernsthaft geschwächt. Aus dieser Perspektive betrachtet, kann die Möglichkeit der Arbeitnehmer, in Tarifverträge Vorschriften zur Sicherung des Fortbestands einer bestimmten Zahl von Arbeitnehmerstellen in den Betrieben der Arbeitgeber aufzunehmen, als notwendige Voraussetzung dafür angesehen werden, dass sie effektiv Verbesserungen anderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen aushandeln können.

79.      Aus all diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass die Verhinderung von Sozialdumping ein Ziel ist, das zulässigerweise durch einen Tarifvertrag verfolgt werden kann, der Regelungen enthält, die Selbständige betreffen, und dass dies auch zu den Hauptverhandlungspunkten gehören kann.

80.      Diese Ansicht stützt sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und findet sich, als Grundsatz formuliert, auch in der Unionsgesetzgebung wieder. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass in dem Ziel, Sozialdumping zu verhindern, grundsätzlich ein zwingender Grund des Allgemeininteresses liegen kann, der eine Beschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen kann. Dies gilt sowohl für Beschränkungen durch Maßnahmen eines Mitgliedstaats(28) als auch für solche, die sich aus kollektiven Maßnahmen von Arbeitnehmern ergeben(29).

81.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber bezeichnenderweise in einer Reihe von Rechtsakten die Mitgliedstaaten zur Einführung von Regelungen über Mindestarbeitsnormen (insbesondere Mindestentgelte) – auch im Wege von Tarifverträgen – genau zu dem Zweck verpflichtet hat, Sozialdumping zu verhindern.

82.      Beispielsweise legt die Leiharbeitsrichtlinie(30) den Grundsatz fest, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer mindestens denjenigen gleichstehen sollen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden(31). Hierzu dürfen die Mitgliedstaaten einerseits den Sozialpartnern gestatten, die geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, und andererseits auf der Grundlage von zwischen den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträgen bestimmte Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung einführen(32).

83.      Ich komme damit zu dem Ergebnis, dass bei Vorschriften zur Verhinderung von Sozialdumping, die für und im Interesse von Arbeitnehmern in einem Tarifvertrag ausgehandelt und darin aufgenommen werden, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sie die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Sinne der Albany-Rechtsprechung unmittelbar verbessern.

C –    Prüfung des vorliegenden Falles

84.      Die Beurteilung, ob die beiden Voraussetzungen für die Anwendung der Albany-Ausnahme im jeweiligen Fall erfüllt sind, ist grundsätzlich Sache der zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte. Diese Beurteilung kann eindeutig nur im Einzelfall und im Licht der konkreten, in einem Tarifvertrag enthaltenen Vorschriften sowie aller charakteristischen Gegebenheiten des betreffenden Marktes vorgenommen werden.

85.      Die Entscheidung, ob die Albany-Ausnahme tatsächlich auf die streitigen Vorschriften Anwendung findet, obliegt daher dem Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage auf Grundlage aller ihm von den Beteiligten des Ausgangsverfahrens vorgelegten Informationen und Beweismittel.

86.      Gleichwohl ist auch zu betonen, dass das Ausgangsverfahren anders als die vom Gerichtshof in der Vergangenheit geprüften Fälle – wie oben hervorgehoben – einen Tarifvertrag von Gewerkschaften betrifft, die sowohl Arbeitnehmer als auch Selbständige vertreten. Darüber hinaus regeln die Vorschriften des im Ausgangsverfahren zu prüfenden Tarifvertrags keinen der traditionellen Aspekte der Arbeitsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (wie etwa Vergütung, Arbeitszeit und Urlaub), sondern vielmehr das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und einer anderen Kategorie von Berufstätigen, nämlich den Selbständigen.

87.      Diese Besonderheiten machen die rechtliche Prüfung des vorlegenden Gerichts zweifelsohne insoweit recht komplex, als die wirksame Erfüllung der Albany-Voraussetzungen – insbesondere der zweiten Voraussetzung – weniger offensichtlich ist als in anderen Fällen. Um dem vorlegenden Gericht sachdienliche Hinweise für seine Prüfung zu geben, werde ich daher nun noch auf einige weitere Punkte eingehen, die die Elemente betreffen, die das vorlegende Gericht meines Erachtens bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, wem der streitige Tarifvertrag tatsächlich einen Vorteil bringt.

88.      Ganz grundlegend muss das vorlegende Gericht angesichts des dualen Charakters des streitigen Tarifvertrags feststellen, ob diese Vereinbarung zugunsten von Musikern geschlossen worden ist, die von den von der VSR vertretenen Orchestern angestellt werden – so dass mit der Vereinbarung grundsätzlich die Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen unmittelbar verbessert werden müssten –, oder ob alternativ der streitige Tarifvertrag in erster Linie den Wettbewerb zwischen Selbständigen beschränken soll und demzufolge nicht unter die Albany-Ausnahme fällt. Dies lässt sich nicht abstrakt, allein auf Grundlage des Vortrags der Parteien entscheiden, die die Vereinbarung unterzeichnet haben, sondern muss konkret entschieden werden. Bei dieser Prüfung könnte für das nationale Gericht meines Erachtens eine Untersuchung der folgenden beiden Aspekte besonders hilfreich sein.

89.      Erstens sollte das nationale Gericht feststellen, ob ein reales und ernsthaftes Risiko eines Sozialdumpings besteht und, gegebenenfalls, ob die streitigen Vorschriften erforderlich sind, um ein solches Dumping zu verhindern. Es muss eine tatsächliche Möglichkeit bestehen, dass ohne die streitigen Vorschriften eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitnehmern durch Selbständige zu geringeren Kosten ersetzt werden könnte. Vollziehen könnte sich dieses Phänomen durch die unverzügliche Entlassung von Arbeitnehmern oder durch allmähliche Kosteneinsparungen dadurch, dass Arbeitnehmer, deren Verträge auslaufen, nicht ersetzt werden.

90.      Wenn das Risiko eines Sozialdumpings nämlich nicht real und ernsthaft ist, wäre jede mögliche Verbesserung der Stellung der Arbeitnehmer alles andere als unmittelbar, nämlich vielmehr unsicher und rein spekulativ. Ob ein solches Risiko im gegebenen Fall real genug ist, hängt meines Erachtens in erster Linie vom Wirtschaftssektor und von der Art des Wirtschaftszweigs ab, für die der Tarifvertrag gilt.

91.      Die zentrale Frage im Ausgangsverfahren scheint in diesem Zusammenhang diejenige zu sein, ob die Orchester, die Mitglieder des VSR sind, allgemein geneigt wären, unverzüglich oder allmählich eine nicht unerhebliche Zahl von „Arbeitnehmer“-Musikern durch selbständige Musiker zu ersetzen, wenn in den streitigen Tarifvertrag kein Mindesttarif für die Vergütung der Letzteren aufgenommen würde.

92.      Zweitens hat das nationale Gericht die Tragweite und Ausrichtung der streitigen Vorschriften zu untersuchen, d. h., ob sie über das hinausgehen, was erforderlich erscheint, um das Ziel der Verhinderung von Sozialdumping zu erreichen. Bei Vertragsvorschriften, die ihr erklärtes Ziel überschreiten, kann kaum davon ausgegangen werden, dass sie Arbeitnehmern einen echten und wirksamen Vorteil bringen. Bei manchen dieser Vorschriften – nämlich denjenigen, die übermäßig oder ungerechtfertigt sind – kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern unmittelbar verbessern.

93.      Ein Beispiel für Vorschriften, von denen ich annehmen würde, dass sie über das hinausgehen, was erforderlich ist, wären Vertragsvorschriften, die Arbeitnehmern einen höheren Schutz gegenüber Selbständigen als gegenüber anderen Arbeitnehmern einräumen. Mit anderen Worten würde ich Vorschriften, die Mindesttarife für Selbständige auf einem deutlich höheren Niveau festsetzen als Mindestlöhne für Arbeitnehmer, als Beleg dafür ansehen, dass die streitigen Vorschriften etwas anderes bewirken sollen als den Schutz vor Sozialdumping.

94.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen komme ich zu der Ansicht, dass Vorschriften wie die im streitigen Tarifvertrag enthaltenen trotz ihrer wettbewerbswidrigen Wirkungen vorbehaltlos zulässig sein sollten, wenn nachweisbar ist, dass sie tatsächlich erforderlich sind, um Sozialdumping zu verhindern. Andernfalls würden die streitigen Vorschriften den Wettbewerb zwischen Selbständigen (und potenziell zwischen Arbeitgebern) schwächen und Arbeitnehmern dabei wenig bis überhaupt keine Vorteile bringen.

95.      Nicht uninteressant wird vermutlich sein, dass die Auslegung von Art. 101 AEUV, die ich dem Gerichtshof vorschlage, weitgehend mit einer Reihe von Entscheidungen des US-Supreme Court zur Anwendbarkeit des Sherman Act im Zusammenhang mit kollektivarbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Einklang steht, auf die die FNV in ihren schriftlichen Erklärungen Bezug nimmt.

96.      Bevor ich auf diese Fälle eingehe, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der jeweilige rechtliche Rahmen in der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten, so ähnlich er sein mag, nicht identisch ist. Insbesondere gibt es in der Unionsrechtsordnung keine ausdrücklichen Rechtsvorschriften, die den Bestimmungen des Clayton Act(33) oder des Norris-La Guardia Act(34) entsprechen, die eine ausdrückliche Ausnahme vom Kartellrecht „für Gewerkschaften [vorsehen], solange sie im Eigeninteresse handeln und sich nicht mit nicht-gewerkschaftlichen Gruppen verbinden“. Trotz dieses Unterschieds lassen sich meines Erachtens aber bestimmte Parallelen ziehen(35).

97.      Im Urteil AFM v. Carroll(36) bestätigte der US-Supreme Court die Gültigkeit einer Reihe von Mindestpreisen (im Folgenden: Preisliste), die eine Gewerkschaft (die Musiker und Orchesterleiter vertrat)(37), Orchesterleitern für den Abschluss von Verträgen mit Musikkäufern verbindlich vorschrieb. Während der Federal Court of Appeal die Preisliste per se als Verstoß gegen den Sherman Act insoweit angesehen hatte, als sie sich auf Preise und nicht auf Löhne bezog (die Orchesterleiter waren selbständig und keine Arbeitnehmer), verwarf der US-Supreme Court diesen Ansatz, da er „die Notwendigkeit einer über die Form hinausgehenden Prüfung“ übersehe. Nach Ansicht des US-Supreme Court kam es in dem Fall nicht entscheidend darauf an, ob die Preisliste sich auf Preise oder Löhne bezog, sondern darauf, ob diese Liste die Löhne der vom Orchesterleiter angestellten Musiker schützte. Aufgrund der Feststellung, dass Letzteres tatsächlich der Fall war, kam der US-Supreme Court zu dem Schluss, dass die Preisliste unter die für das Kollektivarbeitsrecht geltende Ausnahme vom Sherman Act fiel(38).

98.      Im Urteil Allen Bradley Co. v. Local Union no. 3 betonte der US-Supreme Court jedoch, dass der Sherman Act Gewerkschaften nicht gestatte, „nicht-gewerkschaftliche Gruppen dabei zu unterstützen, Geschäftsmonopole zu errichten und die Vermarktung von Waren und Dienstleistungen zu kontrollieren“(39). Im Urteil United Mine Workers v. Pennington entschied der Supreme Court ferner, dass „eine Gewerkschaft ihre Befreiung vom Kartellrecht verwirkt, wenn eindeutig nachgewiesen ist, dass sie mit einer Gruppe von Arbeitgebern vereinbart hat, anderen verhandelnden Gruppen eine bestimmte Lohnskala vorzuschreiben. … Dies gilt selbst dann, wenn der Gewerkschaft in der Regelung die Verpflichtung zukommt, die verbleibenden Arbeitgeber des Wirtschaftszweigs auf die gleichen Löhne, Arbeitszeiten oder sonstigen Beschäftigungsbedingungen festzulegen“(40).

99.      Nach meinem Verständnis dieser Entscheidungen stützen diese die Ansicht, dass der Begriff der unmittelbaren Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern nicht zu eng ausgelegt werden darf. Der Umstand, dass eine Vertragsvorschrift eines Tarifvertrags Mindesttarife für Selbständige festlegt, die im Wettbewerb mit Arbeitnehmern um die gleiche Tätigkeit stehen, reicht für sich genommen nicht aus, um diese Vorschriften in den Geltungsbereich des Kartellrechts zu bringen. Solche Vertragsvorschriften müssen tatsächlich ihr erklärtes Ziel verfolgen und dürfen nicht darauf ausgerichtet sein, Unternehmen dabei zu unterstützen, den Wettbewerb untereinander zu beschränken. Ferner legen diese Entscheidungen einen vorsichtigen Ansatz bei der wettbewerbsrechtlichen Prüfung des Verhaltens von Gewerkschaften nahe, die versuchen, von ihnen ausgehandelte Arbeitsbedingungen anderen Kategorien von Berufstätigen vorzuschreiben, die nicht unter die Geltung ihrer Tarifverträge fallen.

100. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Albany-Ausnahme im Hinblick auf die relevanten Vorschriften des streitigen Tarifvertrags erfüllt sind. Hierzu muss das vorlegende Gericht insbesondere feststellen, ob diese Vorschriften die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern unmittelbar verbessern, indem sie Sozialdumping tatsächlich und wirksam verhindern und nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.

IV – Ergebnis

101. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Gerechtshof te ʼs‑Gravenhage wie folgt zu beantworten:

Vorschriften in einem Tarifvertrag zwischen einem Arbeitgeberverband und Gewerkschaften, die Arbeitnehmer und Selbständige vertreten, wonach Selbständige, die aufgrund eines Dienstleistungsvertrags für einen Arbeitgeber die gleiche Arbeit ausführen wie die Arbeitnehmer, die unter die Geltung des Tarifvertrags fallen, einen bestimmten Mindesttarif erhalten müssen, fallen

–        in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV, wenn sie im Interesse von und für Selbständige geschlossen werden;

–        nicht in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV, wenn sie im Interesse von und für Arbeitnehmer geschlossen werden, deren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sie unmittelbar verbessern. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die streitigen Vorschriften die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern unmittelbar verbessern, indem sie Sozialdumping tatsächlich und wirksam verhindern und nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 –      C‑67/96, EU:C:1999:430. Vgl. auch Urteile Brentjens’ (C‑115/97 bis C‑117/97, EU:C:1999:434), Drijvende Bokken (C‑219/97, EU:C:1999:437), Pavlov u. a. (C‑180/98 bis C‑184/98, EU:C:2000:428), Van der Woude (C‑222/98, EU:C:2000:475) und AG2R Prévoyance (C‑437/09, EU:C:2011:112).


3 – Visiedocument vom 5. Dezember 2007.


4 – [Fußnote betrifft nur die englische Fassung dieser Schlussanträge.]


5 – Vgl. insbesondere Urteil Allianz Hungária Biztosító u. a. (C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 17 bis 23) und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Venturini (C‑159/12 bis C‑161/12, EU:C:2013:529, Nrn. 46 bis 52).


6 – Zu diesem Ausdruck vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Van der Woude (C‑222/98, EU:C:2000:226, Nr. 30) mit ausdrücklichem Verweis auf das Urteil Albany (EU:C:1999:430, Rn. 59 und 60).


7 – Urteile Albany (EU:C:1999:430, Rn. 60), Brentjens’ (EU:C:1999:434, Rn. 57), Drijvende Bokken (EU:C:1999:437, Rn. 47), Pavlov u. a. (EU:C:2000:428, Rn. 67), Van der Woude (EU:C:2000:475, Rn. 22) und AG2R Prévoyance (EU:C:2011:112, Rn. 29).


8 – Vgl. in diesem Sinne Urteil AG2R Prévoyance (EU:C:2011:112, Rn. 30).


9 – Auf diesen Punkt komme ich unten in Nr. 32 zurück.


10 – Vgl. insbesondere EU:C:1999:430, Rn. 56 bis 60.


11 – Vgl. unter vielen Urteil Becu u. a. (C‑22/98, EU:C:1999:419, Rn. 26).


12 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Pavlov u. a. (EU:C:2000:428, Rn. 73 bis 77) und Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 49).


13 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Pavlov u. a. (EU:C:2000:428, Rn. 84 bis 89).


14 – Es ist in der Tat allgemeine Ansicht, dass Tarifverhandlungen nicht nur dazu beitragen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgewogene und beiderseits annehmbare Ergebnisse erzielen, sondern auch positive Wirkungen für die Gesellschaft insgesamt haben. Wie Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Albany hervorhob, ist allgemein anerkannt, „Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern teure Arbeitskämpfe vermeiden und die Geschäftskosten durch einen kollektiven und von Regeln getragenen Verhandlungsprozess niedrig halten helfen sowie Vorhersehbarkeit und Transparenz fördern“ (C‑67/96, EU:C:1999:28, Nrn. 181 und 232). Ich bin ebenso davon überzeugt, dass die Förderung des sozialen Friedens und die Schaffung eines für alle Bürger gerechten Systems der sozialen Sicherheit in jeder modernen Gesellschaft Ziele von größter Bedeutung sind.


15 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Albany (EU:C:1999:28, Nr. 182).


16 – Vgl. unter vielen Urteile Clair (123/83, EU:C:1985:33, Rn. 22), Verband der Sachversicherer/Kommission (45/85, EU:C:1987:34, Rn. 39 bis 42) und Binon (243/83, EU:C:1985:284, Rn. 44).


17 –      Vgl. Urteil Pavlov u. a. (EU:C:2000:428, Rn. 69).


18 – Vgl. insbesondere Urteil Jany u. a. (C‑268/99, EU:C:2001:616, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19 – Vgl. Urteil Kommission/Italien (C‑596/12, EU:C:2014:77, Rn. 16 ff.). Vgl. in diesem Sinne auch Urteile Agegate (C‑3/87, EU:C:1989:650, Rn. 36), Asscher (C‑107/94, EU:C:1996:251, Rn. 25 und 26) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Haralambidis (C‑270/13, EU:C:2014:1358, Nr. 32).


20 – Vgl. hierzu Urteil Kommission/Italien (C‑35/96, EU:C:1998:303, Rn. 37).


21 – Vgl. hiermit übereinstimmend Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Pavlov u. a. (EU:C:2000:151, Nr. 99) und von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Van der Woude (EU:C:2000:226, Nr. 30).


22 – Vgl. beispielsweise Urteile Allonby (C‑256/01, EU:C:2004:18) und Haralambidis (C‑270/13, EU:C:2014:2185).


23 – Vgl. hierzu das Grünbuch der Kommission Ein moderneres Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, KOM(2006) 708 endgültig, S. 10 bis 12. Vgl. auch Barnard, C., EU Employment Law, Oxford University Press, Oxford, 2012 (4. Aufl.), S. 144 bis 154.


24 – EU:C:1999:430, Rn. 63.


25 – EU:C:1999:434, Rn. 60.


26 – EU:C:1999:437, Rn. 50.


27 – Vgl. Urteil Kommission/Deutschland (C‑271/08, EU:C:2010:426, Rn. 49).


28 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Belgien (C‑577/10, EU:C:2012:814, Rn. 45) und Wolff & Müller (C‑60/03, EU:C:2004:610, Rn. 41).


29 – Vgl. Urteil Laval un Partneri (C‑341/05, EU:C:2007:809, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 – Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327, S. 9).


31 – 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/104.


32 – Vgl. hierzu ebd., Erwägungsgründe 16 und 17.


33 – Clayton Antitrust Act, 15 U.S.C. §§ 12 bis 27.


34 – Norris-La Guardia Act, 29 U.S.C. §§ 101 bis 115.


35 – Generalanwalt Jacobs hat sich in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Albany (EU:C:1999:28, Nrn. 96 bis 107) umfassend mit dem Rahmen in den Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet auseinandergesetzt; für eine allgemeinere Darstellung hierzu sei deshalb auf jene Schlussanträge verwiesen. Ich spreche hier nur einige wenige Entscheidungen des US-Supreme Court an, die die FNV ausdrücklich erwähnt.


36 – 391 U.S. 99 (1968).


37 – Orchesterleiter waren definiert als Musiker, die Vereinbarungen mit Abnehmern der Leistungen der Orchester abschlossen.


38 – Sherman Antitrust Act, 15 U.S.C. §§ 1 bis 7.


39 – 325 U.S. 797 (1945).


40 – 381 U.S. 657 (1965).