Language of document : ECLI:EU:T:2022:736

URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

30. November 2022(*)

„Institutionelles Recht – Mitglied des EWSA – Entlastungsverfahren für die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2019 – Entschließung des Parlaments, in der der Kläger als Mobbing-Täter bezeichnet wird – Nichtigkeitsklage – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit – Schadensersatzklage – Schutz personenbezogener Daten – Unschuldsvermutung – Verschwiegenheitspflicht – Grundsatz der guten Verwaltung – Verhältnismäßigkeit – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht“

In der Rechtssache T‑401/21,

KN, vertreten durch Rechtsanwältin M. Casado García-Hirschfeld und Rechtsanwalt M. Aboudi,

Kläger,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch R. Crowe, C. Burgos und M. Allik als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, des Richters J. Svenningsen (Berichterstatter), des Richters C. Mac Eochaidh, der Richterin T. Pynnä und des Richters J. Laitenberger,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2022

folgendes

Urteil

1        Mit seiner Klage verlangt der Kläger, KN, zum einen gestützt auf Art. 263 AEUV die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU, Euratom) 2021/1552 des Europäischen Parlaments vom 28. April 2021 über die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2019, Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (ABl. 2021, L 340, S. 140, im Folgenden: angefochtener Beschluss) und der Entschließung (EU) 2021/1553 des Europäischen Parlaments vom 29. April 2021 mit den Bemerkungen, die fester Bestandteil des Beschlusses über die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2019, Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, sind (ABl. 2021, L 340, S. 141, im Folgenden: angefochtene Entschließung) (im Folgenden zusammen mit dem angefochtenen Beschluss: angefochtene Rechtsakte), und zum anderen auf der Grundlage von Art. 268 AEUV den Ersatz des Schadens, den er durch die angefochtenen Rechtsakte erlitten habe.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

2        Der Kläger ist Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA). Von April 2013 bis Oktober 2020 war er Vorsitzender der Gruppe der Arbeitgeber (im Folgenden: Gruppe I).

3        Nachdem das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) über Behauptungen in Bezug auf das Verhalten des Klägers gegenüber anderen Mitgliedern des EWSA und Mitgliedern des Personals des EWSA informiert worden war, leitete es am 6. Dezember 2018 eine Untersuchung gegen ihn ein.

4        Mit Brief vom 16. Januar 2020 unterrichtete das OLAF den Kläger über den Abschluss der Untersuchung und die Übermittlung seines Berichts (im Folgenden: OLAF‑Bericht) an die belgische Föderalstaatsanwaltschaft und den Präsidenten des EWSA. Da das OLAF insbesondere zu dem Schluss gekommen war, dass der Kläger zwei Beschäftigte des EWSA belästigt habe, empfahl es zum einen dem EWSA, die Einleitung des Verfahrens nach Art. 8 des Verhaltenskodex der Mitglieder des EWSA in Betracht zu ziehen und „alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jedem weiteren Fall von Belästigung am Arbeitsplatz [durch den Kläger] vorzubeugen“, und zum anderen der belgischen Föderalstaatsanwaltschaft, strafrechtliche Ermittlungen einzuleiten, da die in seinem Bericht festgestellten Tatsachen eine Straftat im Sinne von Art. 442a des belgischen Strafgesetzbuchs darstellen könnten.

5        Mit dem Beschluss (EU) 2020/1984 des Europäischen Parlaments vom 13. Mai 2020 über die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2018, Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (ABl. 2020, L 417, S. 469) schob das Europäische Parlament die Verabschiedung eines Beschlusses über die Entlastung des Generalsekretärs des EWSA für die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2018 auf.

6        Am Folgetag nahm das Parlament die Entschließung (EU) 2020/1985 mit den Bemerkungen, die fester Bestandteil des Beschlusses über die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2018, Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss sind (ABl. 2020, L 417, S. 470), an. In Rn. 6 dieser Entschließung heißt es im Wesentlichen, dass das Parlament erwartet, vom EWSA über die Maßnahmen informiert zu werden, die als Reaktion auf den OLAF‑Bericht ergriffen worden sind.

7        Am 9. Juni 2020 beschloss das Präsidium des EWSA mehrere Maßnahmen, um den Empfehlungen des OLAF nachzukommen. Insbesondere forderte der EWSA den Kläger erstens auf, von seinem Amt als Vorsitzender der Gruppe I zurückzutreten sowie seine Kandidatur für das Amt des EWSA-Präsidenten zurückzuziehen, und entband ihn zweitens von allen Tätigkeiten im Bereich der Personalführung und ‑verwaltung.

8        Mit Schreiben vom 7. Juli 2020 unterrichtete der Präsident des EWSA das Parlament über die vom EWSA-Präsidium am 9. Juni 2020 beschlossenen Maßnahmen.

9        Mit Beschluss vom 15. Juli 2020 hob das Plenum des EWSA auf Antrag des Arbeitsauditorats von Brüssel (Belgien) die Immunität des Klägers auf. Anschließend entschied das Plenum des EWSA mit Beschluss vom 28. Juli 2020, in dem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren vor dem Tribunal correctionnel de Bruxelles (Strafgericht Brüssel) als Nebenkläger aufzutreten.

10      Mit dem Beschluss (EU) 2020/2046 des Europäischen Parlaments vom 20. Oktober 2020 über die Entlastung für die Ausführung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2018, Einzelplan VI – Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (ABl. 2020, L 420, S. 16) verweigerte das Parlament schließlich dem Generalsekretär des EWSA die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2018. In dieser Entschließung brachte das Parlament insbesondere seine Besorgnis über die Maßnahmen zum Ausdruck, die vom EWSA als Reaktion auf den OLAF‑Bericht ergriffen worden waren.

11      Am 25. März 2021 legte der Haushaltskontrollausschuss des Parlaments (im Folgenden: Haushaltskontrollausschuss) im Rahmen des Entlastungsverfahrens für die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2019 einen Bericht vor, in dem er empfahl, dem Generalsekretär des EWSA die Entlastung zu erteilen.

12      Am 28. April 2021 erließ das Parlament den angefochtenen Beschluss, mit dem es entschied, dem Generalsekretär des EWSA die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans dieser Einrichtung für das Haushaltsjahr 2019 zu erteilen.

13      Am nächsten Tag verabschiedete das Parlament die angefochtene Entschließung, in der es insbesondere heißt:

„Verweigerung der Entlastung im Jahr 2018, Interessenkonflikt, Belästigung/Mobbing und Hinweisgeber

[Das Parlament]

66.      weist darauf hin, dass mehrere Beschäftigte über einen langen Zeitraum hinweg von dem damaligen Vorsitzenden der Gruppe I gemobbt wurden; bedauert, dass dieser Situation mit den im Ausschuss ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung von Mobbing und Belästigung nicht früher Einhalt geboten werden konnte, weil das betreffende Mitglied eine leitende Position innehatte … verurteilt, dass es so lange gedauert hat, bis der Ausschuss die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung der Geschäftsordnung und des Verhaltenskodex des Ausschusses ergriffen hat, um eine derartige Situation in Zukunft zu vermeiden …

68.      weist darauf hin, dass es durch die Untätigkeit des Ausschusses in diesem Fall zu erheblichen Einbußen an öffentlichen Mitteln u. a. im Zusammenhang mit Gerichtskosten, krankheitsbedingten Abwesenheiten, Opferschutz, verringerter Produktivität sowie Sitzungen des Präsidiums und anderer Gremien kam; ist daher der Ansicht, dass diese Angelegenheit Anlass zu Bedenken gibt, was die Rechenschaftspflicht, die Haushaltskontrolle und die verantwortungsvolle Verwaltung der personellen Ressourcen in den Organen, Einrichtungen, Stellen und Agenturen der Europäischen Union betrifft …

69.      weist erneut darauf hin, dass das Parlament dem Generalsekretär des Ausschusses die Entlastung für das Haushaltsjahr 2018 verweigert hat, unter anderem wegen eines eklatanten Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht und der Untätigkeit der Verwaltung sowie der finanziellen Folgen; weist den Ausschuss darauf hin, dass die Verweigerung der Entlastung eine schwerwiegende Angelegenheit ist, die sofortige Maßnahmen erfordert; bedauert zutiefst, dass der damalige Direktor für Personal und Finanzen und jetzige Generalsekretär bis zur Verweigerung der Entlastung 2018 keine entschlossenen Maßnahmen, insbesondere zur Prävention und Wiedergutmachung, ergriffen hat;

70.      stellt fest, dass der Generalsekretär während des Entlastungsverfahrens 2018 und eines Teils des Entlastungsverfahrens 2019 nicht in der Lage war, dem Haushaltskontrollausschuss des Parlaments ausreichende, transparente und verlässliche Informationen zur Verfügung zu stellen …

75.      … ist besorgt darüber, dass ein bestimmtes Mitglied, das für Mobbing verantwortlich gemacht wurde, auch nach der OLAF‑Empfehlung noch im Präsidium aktiv war und es ihm gelang, die Verabschiedung des neuen Verhaltenskodex für die Mitglieder hinauszuzögern …

80.      … ist dagegen zutiefst besorgt darüber, dass der Täter vom Rat für ein neues Mandat ernannt wurde und dass Opfer und Hinweisgeber Gefahr laufen, dass er oder Personen, die ihn im Ausschuss unterstützen, Vergeltungsmaßnahmen gegen sie ergreifen; hebt hervor, dass er sein Fehlverhalten weder anerkennt noch bedauert, was einen völligen Mangel an Selbstreflexion und Respekt gegenüber den betroffenen Opfern offenbart …

83.      nimmt zur Kenntnis, dass die Plenarsitzung des Ausschusses am 15. und 16. Juli 2020 den Beschluss des Präsidiums vom 9. Juni 2020 bezüglich des Beitritts des Ausschusses als Zivilpartei in dem Verfahren, das vom Brüsseler Arbeitsauditor vor dem Brüsseler Strafgerichtshof eröffnet wird, bestätigt hat; stellt fest, dass der Brüsseler Arbeitsauditor über die Aufhebung der Immunität des Mitglieds in Kenntnis gesetzt wurde, aber bis heute keine weiteren Informationen über das Verfahren erhalten hat …“

 Anträge der Parteien

14      Der Kläger beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss sowie die angefochtene Entschließung für nichtig zu erklären;

–        das Parlament zu verurteilen, an ihn 100 000 Euro als Ersatz für seinen immateriellen Schaden zu zahlen;

–        dem Parlament die Kosten aufzuerlegen.

15      Das Parlament beantragt,

–        die Nichtigkeitsklage als unzulässig und hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        die Schadensersatzklage als unzulässig und hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

16      Ohne formal eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts zu erheben, macht das Parlament geltend, dass die Anträge auf Nichtigerklärung und Schadensersatz unzulässig seien.

 Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung

17      Das Parlament macht zum einen geltend, dass die angefochtenen Rechtsakte, deren alleiniger Adressat der EWSA sei, nicht dazu bestimmt seien, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die rechtliche Stellung Dritter veränderten. Zum anderen macht es geltend, dass der Kläger durch die angefochtenen Rechtsakte weder unmittelbar noch individuell betroffen sei, so dass er keine Klagebefugnis habe.

18      Der Kläger tritt diesem Vorbringen entgegen und macht im Wesentlichen geltend, dass die angefochtenen Rechtsakte ihn insoweit beschwerten, als sie ihn in Bezug auf angebliches Belästigungsverhalten beträfen. In diesem Zusammenhang führt er aus, dass diese Rechtsakte in Anbetracht ihrer Veröffentlichung unmittelbar seinen Ruf und seine Würde tangierten, indem sie ihn in ähnlicher Weise individualisierten wie ihren Adressaten.

19      Vorab ist, soweit die angefochtene Entschließung die Bemerkungen enthält, die fester Bestandteil des angefochtenen Beschlusses sind, die Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung zu prüfen, der sich gegen die gemeinsam angefochtenen Rechtsakte richtet.

20      In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass der Kläger die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte nicht insoweit beantragt, als das Parlament dem Generalsekretär des EWSA die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans dieser Einrichtung für das Haushaltsjahr 2019 erteilt hat, sondern nur insoweit, als er in der angefochtenen Entschließung als Mobbing-Täter identifiziert wird oder zumindest identifizierbar ist.

21      Mit anderen Worten verfolgt der Kläger die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte nur insoweit, als er von bestimmten Bemerkungen in der angefochtenen Entschließung betroffen ist, die fester Bestandteil des angefochtenen Beschlusses sind, ohne den verfügenden Teil des genannten Beschlusses, mit dem das Parlament dem EWSA die Entlastung erteilt hat, in Frage zu stellen.

22      In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung nur der verfügende Teil eines Rechtsakts Rechtswirkungen erzeugen und in der Folge beschwerend sein kann, unabhängig von den Gründen, auf denen dieser Rechtsakt beruht. Dagegen können die Erwägungen, die zur Begründung eines Rechtsakts angestellt werden, als solche nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein und können der Rechtmäßigkeitskontrolle des Unionsrichters nur insoweit unterworfen werden, als sie als Gründe eines beschwerenden Rechtsakts die notwendige Begründung des verfügenden Teils dieses Rechtsakts bilden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. September 1992, NBV und NVB/Kommission, T‑138/89, EU:T:1992:95, Rn. 31, und vom 1. Februar 2012, Région wallonne/Kommission, T‑237/09, EU:T:2012:38, Rn. 45).

23      Im vorliegenden Fall aber bilden die in der angefochtenen Entschließung enthaltenen Bemerkungen nicht die erforderliche Begründung des verfügenden Teils des angefochtenen Beschlusses. Denn das Parlament hat unabhängig von dem Teil der angefochtenen Entschließung, der es ermöglicht, den Kläger als Mobbing-Täter zu identifizieren, beschlossen, dem Generalsekretär des EWSA die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans dieser Einrichtung für das Haushaltsjahr 2019 zu erteilen.

24      Folglich kann die Bezugnahme auf den Kläger als Mobbing-Täter in der angefochtenen Entschließung nicht als solche Gegenstand einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht sein und jedenfalls, da sie nicht mit dem verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses in Verbindung gebracht werden kann, nicht der Rechtmäßigkeitskontrolle des Unionsrichters unterworfen werden.

25      Das Argument des Klägers, dass er durch den ihn betreffenden Teil der angefochtenen Entschließung beschwert sei, entkräftet diese Schlussfolgerung nicht. Dem Kläger wird der Zugang zu den Gerichten nämlich nicht verwehrt, da die in Art. 268 und Art. 340 Abs. 2 AEUV vorgesehene Klage aus außervertraglicher Haftung eröffnet bleibt, wenn das fragliche Verhalten des Parlaments geeignet ist, die Haftung der Union auszulösen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 82).

26      Soweit der Gegenstand des Nichtigkeitsantrags mit demjenigen des Schadensersatzantrags identisch ist, hat insofern die Zurückweisung des Nichtigkeitsantrags als unzulässig wegen Fehlens einer vom Kläger anfechtbaren Handlung nicht zur Folge, dass das Gericht der Möglichkeit beraubt wird, sich gegebenenfalls auf die Klagegründe und Argumente zu beziehen, die zu seiner Stützung vorgetragen worden sind, um die Rechtmäßigkeit des dem Parlament vorgeworfenen Verhaltens im Rahmen des Schadensersatzantrags zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 2010, Kommission/Strack, T‑526/08 P, EU:T:2010:506, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Zulässigkeit des Antrags auf Schadensersatz

28      Obwohl es einräumt, dass ein Antrag auf Schadensersatz zulässig gewesen wäre, wenn der Kläger nicht auch die Nichtigerklärung der angefochtenen Rechtsakte beantragt hätte, macht das Parlament gleichwohl geltend, dass der Antrag auf Schadensersatz im vorliegenden Fall als unzulässig zurückgewiesen werden müsse, und zwar nach der Rechtsprechung, der zufolge ein Antrag auf Ersatz eines materiellen oder immateriellen Schadens zurückgewiesen werden müsse, wenn er einen engen Zusammenhang mit dem Antrag auf Nichtigerklärung aufweise, der seinerseits als unbegründet oder unzulässig zurückgewiesen worden sei.

29      Zwar führt nach ständiger Rechtsprechung auf dem Gebiet des öffentlichen Dienstes in den Fällen, in denen ein Antrag auf Schadensersatz einen engen Zusammenhang mit einem Antrag auf Nichtigerklärung aufweist, wie es hier der Fall ist, die Zurückweisung des Letzteren entweder als unzulässig oder als unbegründet ebenfalls zur Zurückweisung des Antrags auf Schadensersatz (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, EU:C:2001:127, Rn. 129, und vom 30. September 2003, Martínez Valls/Parlament, T‑214/02, EU:T:2003:254, Rn. 43).

30      Insbesondere für den Fall der Unzulässigkeit eines Antrags auf Nichtigerklärung eines Rechtsakts ist diese Rechtsprechung jedoch in Fällen ergangen, in denen die Klageparteien es entweder versäumt hatten, die Rechtsakte, die den von ihnen behaupteten Schaden verursacht haben sollen, mit einer Nichtigkeitsklage anzufechten, oder sie dies verspätet getan hatten (Urteil vom 8. November 2018, Cocchi und Falcione/Kommission, T‑724/16 P, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:759, Rn. 82). Soweit sie darauf abzielt, eine Umgehung des Systems der Rechtsbehelfe zu verhindern, ist diese Rechtsprechung also nur in dem Fall anwendbar, in dem der behauptete Schaden ausschließlich auf einem bereits bestandskräftig gewordenen Rechtsakt beruht, den der Betroffene mit einer Nichtigkeitsklage hätte anfechten können (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 4. Mai 2005, Holcim [France]/Kommission, T‑86/03, EU:T:2005:157, Rn. 50).

31      Um die vom Parlament vorgebrachte Einrede der Unzulässigkeit zu verwerfen, genügt im vorliegenden Fall daher die Feststellung, dass der Antrag auf Nichtigerklärung wegen Fehlens eines anfechtbaren Rechtsakts als unzulässig zurückgewiesen worden ist, und nicht, weil der Kläger es versäumt hätte, diesen Rechtsakt anzufechten, oder er dies verspätet getan hätte.

32      Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Schadensersatz zulässig.

 Zur Begründetheit des Antrags auf Schadensersatz

33      Die außervertragliche Haftung der Union im Sinne des Art. 340 Abs. 2 AEUV setzt voraus, dass drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich die Rechtswidrigkeit des dem Unionsorgan vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten des Organs und dem geltend gemachten Schaden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2020, Rat u. a./K. Chrysostomides & Co. u. a., C‑597/18 P, C‑598/18 P, C‑603/18 P und C‑604/18 P, EU:C:2020:1028, Rn. 79).

34      Sofern eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die anderen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union zu prüfen sind (vgl. Urteil vom 25. Februar 2021, Dalli/Kommission, C‑615/19 P, EU:C:2021:133, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      Im vorliegenden Fall macht der Kläger zum Nachweis eines rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments vier Rügen geltend, die auf Verstöße gegen Rechtsnormen gestützt werden, die dem Einzelnen Rechte verleihen sollen, nämlich erstens das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten, zweitens den Grundsatz der Unschuldsvermutung, drittens den Grundsatz der Vertraulichkeit der Untersuchungen des OLAF und viertens das Recht auf eine gute Verwaltung sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 Zur ersten Rüge: Verstoß gegen das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten

36      Der Kläger macht geltend, dass die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten in der angefochtenen Entschließung keine rechtmäßige Verarbeitung im Sinne von Art. 5 der Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. 2018, L 295, S. 39) darstelle.

37      Insbesondere sei die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht für die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung erforderlich gewesen, da das OLAF in seinem Bericht zu dem Schluss gelangt sei, dass das Verhalten des Klägers keine finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt der Union gehabt habe. Daher sei die Veröffentlichung der ihn betreffenden Informationen nicht erforderlich, um einen Beschluss über die Entlastung für die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA zu fassen.

38      Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

39      Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/1725 ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn und soweit sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt, oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Organ oder der Einrichtung der Union übertragen worden ist.

40      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament gemäß Art. 14 EUV gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union nach Maßgabe der Verträge Gesetzgebungs- und Haushaltsaufgaben sowie Aufgaben der politischen Kontrolle und beratende Aufgaben wahrnimmt. Im Rahmen der in Art. 319 AEUV vorgesehenen demokratischen Kontrolle der Verwendung öffentlicher Mittel verfügt das Parlament über einen weiten Ermessensspielraum bei seinen Bemerkungen dazu, wie Organe und Einrichtungen den sie betreffenden Haushaltsplan ausgeführt haben.

41      Außerdem verfügen die Organe über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Frage, inwieweit eine Verarbeitung personenbezogener Daten für die Erfüllung einer den öffentlichen Stellen übertragenen Aufgabe erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2016, Oikonomopoulos/Kommission, T‑483/13, EU:T:2016:421, Rn. 57, nicht veröffentlicht, und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Das Vorbringen des Klägers erfordert deshalb die Prüfung, ob das Parlament seinen Ermessensspielraum nicht überschritten hat, als es davon ausging, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten des Klägers für die Erfüllung seiner im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe, die darin bestand, die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2019 zu kontrollieren, erforderlich sei.

43      Im vorliegenden Fall ist erstens darauf hinzuweisen, dass das Parlament bei der Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2018 dem EWSA die Entlastung verweigert hat, insbesondere, weil es der Ansicht war, dass die Maßnahmen, die diese Einrichtung als Reaktion auf den OLAF‑Bericht und zur Vermeidung einer Wiederholung derartiger Situationen ergriffen hat, im Wesentlichen unzureichend gewesen seien.

44      Nach Art. 262 Abs. 2 der Verordnung (EU, Euratom) 2018/1046 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juli 2018 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1296/2013, (EU) Nr. 1301/2013, (EU) Nr. 1303/2013, (EU) Nr. 1304/2013, (EU) Nr. 1309/2013, (EU) Nr. 1316/2013, (EU) Nr. 223/2014, (EU) Nr. 283/2014 und des Beschlusses Nr. 541/2014/EU sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 (ABl. 2018, L 193, S. 1) ist es Sache des Parlaments, die Maßnahmen zu überwachen, die von dem Adressaten der Entlastung ergriffen werden, um die Bemerkungen umzusetzen, die dem Entlastungsbeschluss beigefügt sind.

45      Da das Parlament im vorliegenden Fall der Auffassung war, dass die Maßnahmen des EWSA zur Umsetzung der in der Entschließung für das Haushaltsjahr 2018 enthaltenen Bemerkungen im Wesentlichen unzureichend gewesen seien, erschien die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers zur Erfüllung der Aufgabe, die Ausführung des Haushaltsplans des EWSA für das Haushaltsjahr 2019 zu überwachen, erforderlich.

46      Zweitens konnte auch die Schwere der finanziellen Folgen, die sich aus den vom Parlament festgestellten Missständen ergaben, die Notwendigkeit einer solchen Verarbeitung rechtfertigen.

47      Denn in Anbetracht der Tatsache, dass das dem Kläger angelastete Mobbing-Verhalten die Ursache für schwerwiegende Funktionsstörungen beim EWSA war, die sich in Ausgaben niederschlugen, die hätten vermieden werden können und die dieser Einrichtung in Rn. 68 der angefochtenen Entschließung (zitiert oben, Rn. 13) vorgeworfen werden, musste das Parlament darüber berichten.

48      Somit erschien die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers angesichts der Gefahr der Wiederholung dieses Verhaltens und seiner Auswirkungen auf die gute Verwaltung der Humanressourcen erforderlich, um das in Erwägungsgrund A der angefochtenen Entschließung genannte Ziel zu erreichen, das im Wesentlichen darin besteht, die demokratische Legitimität der Organe der Union zu stärken, indem insbesondere eine gute Verwaltung der Humanressourcen gefördert wird.

49      Drittens ist, selbst wenn der Kläger der Ansicht ist, dass die Veröffentlichung der angefochtenen Entschließung eine Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten darstelle, die gegen Art. 5 der Verordnung 2018/1725 verstoße, darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 37 Abs. 1 der Verordnung 2018/1046 „[f]ür … die Rechnungslegung … der Grundsatz der Transparenz [gilt]“.

50      Insoweit ist entschieden worden, dass der in Art. 15 AEUV verankerte Grundsatz der Transparenz eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess ermöglicht und eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System gewährleistet (Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 68). Diese Bestimmung ist Ausdruck des in einer demokratischen Gesellschaft bestehenden Rechts der Steuerzahler und der Öffentlichkeit im Allgemeinen, über die Verwendung der öffentlichen Einnahmen, insbesondere im Bereich der Personalausgaben, informiert zu werden. Solche Informationen sind geeignet, zur öffentlichen Debatte über eine Frage von allgemeinem Interesse beizutragen, und dienen deshalb dem öffentlichen Interesse (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 85).

51      Somit zielt im Rahmen des Entlastungsverfahrens die Veröffentlichung der angefochtenen Rechtsakte darauf ab, die öffentliche Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans zu stärken und zur angemessenen Verwendung der öffentlichen Mittel durch die Unionsverwaltung beizutragen (vgl. entsprechend Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52      Folglich war die Veröffentlichung der angefochtenen Entschließung für die Erfüllung der vom Parlament ausgeübten Aufgabe von öffentlichem Interesse notwendig.

53      Aus alledem folgt, dass das Parlament die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten hat, als es die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers für erforderlich hielt, um seine Aufgabe der Kontrolle der Ausführung des Haushaltsplans durch den EWSA zu erfüllen. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers ist daher im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung 2018/1725 rechtmäßig.

54      Das Vorbringen des Klägers, das OLAF habe in seinem Bericht darauf hingewiesen, dass die ihm zur Last gelegten Handlungen keine finanziellen Auswirkungen gehabt hätten, steht dieser Schlussfolgerung nicht entgegen.

55      Denn die angefochtene Entschließung ist im Rahmen der Kontrolle der Ausführung des Haushalts des EWSA verabschiedet worden und hat daher nicht zum Ziel, das Verhalten des Klägers zu kontrollieren oder darüber zu urteilen.

56      Mit der angefochtenen Entschließung sollen lediglich die Art und Weise, wie der EWSA seinen Haushalt ausgeführt hat, bewertet sowie Bemerkungen zur künftigen Tätigung der Ausgaben abgegeben werden. In diesem Kontext hat das Parlament in Rn. 68 der angefochtenen Entschließung die finanziellen Auswirkungen, die das Mobbing-Verhalten, wie es im vorliegenden Fall in Rede steht, auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Einrichtungen und Organe der Union haben kann, klar benannt. In Anbetracht der schwerwiegenden Verwaltungsmängel, die festgestellt worden sind, hinderte die Tatsache, dass das OLAF der Ansicht war, das Verhalten des Klägers gegenüber einigen Beschäftigten habe keine finanziellen Auswirkungen gehabt, das Parlament also nicht daran, hierauf einzugehen.

57      Aus alledem folgt, dass die erste Rüge die Feststellung eines rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments nicht zulässt.

 Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung

58      Der Kläger macht geltend, dass das Parlament den Grundsatz der Unschuldsvermutung missachtet habe, indem es ihn in der angefochtenen Entschließung als Mobbing-Täter bezeichnet habe, obwohl ihn kein Gericht wegen solcher Taten verurteilt habe. Als Reaktion auf eine vom Gericht angeordnete prozessleitende Maßnahme hat der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich das Strafverfahren zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entschließung erst im Stadium „staatsanwaltlicher Ermittlungen [information judiciaire]“ befunden habe und dass der Arbeitsauditor insbesondere noch entscheiden könne, die Akte ohne weitere Maßnahmen zu schließen.

59      Vor diesem Hintergrund würden die Erklärungen des Parlaments die Einschätzung zum Ausdruck bringen, dass der Kläger sich schuldig gemacht habe, oder zumindest die Öffentlichkeit dazu verleiten, an seine Schuld zu glauben, oder der Beurteilung des Sachverhalts durch das zuständige Gericht vorgreifen.

60      Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

61      Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Beachtung der Unschuldsvermutung, die in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) niedergelegt ist, verlangt, dass jede Person, die einer Straftat beschuldigt wird, bis zum gesetzlichen Nachweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Dalli/Kommission, T‑399/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:384, Rn. 168 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Einerseits beschränkt sich dieser Grundsatz nicht auf eine Verfahrensgarantie in Strafsachen; sein Anwendungsbereich ist weiter gefasst und verlangt, dass keine Behörde eine Person für schuldig erklärt, bevor ihre Schuld von einem Gericht festgestellt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Dalli/Kommission, T‑399/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:384, Rn. 173 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann eine Verletzung der Unschuldsvermutung nicht nur von einem Richter oder einem Gericht, sondern auch von anderen öffentlichen Stellen ausgehen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Nanopoulos, T‑308/10 P, EU:T:2012:370, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

63      Andererseits können Art. 6 Abs. 2 EMRK und Art. 48 Abs. 1 der Charta die Behörden mit Blick auf Art. 10 EMRK und Art. 11 der Charta, die das Recht auf freie Meinungsäußerung garantieren, nicht daran hindern, die Öffentlichkeit über laufende strafrechtliche Ermittlungen zu informieren, sondern verlangen, dass sie dies mit aller Diskretion und Zurückhaltung tun, die die Achtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung gebietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 212 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64      Ferner ist entschieden worden, dass eine parlamentarische Versammlung, solange eine Person, die einer Straftat beschuldigt wird, noch nicht rechtskräftig von einem Gericht verurteilt worden ist, den Grundsatz der Unschuldsvermutung beachten muss und daher verpflichtet ist, Diskretion und Zurückhaltung an den Tag zu legen, wenn sie sich in einer Entschließung zu Tatsachen äußert, derentwegen gegen diese Person ein Strafverfahren geführt wird (vgl. in diesem Sinne EGMR, 18. Februar 2016, Rywin/Polen, CE:ECHR:2016:0218JUD000609106, §§ 207 und 208 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

65      Im vorliegenden Fall steht fest, dass am 29. April 2021, dem Datum der Verabschiedung der angefochtenen Entschließung, kein Gericht die Verantwortlichkeit des Klägers für die ihm vorgeworfenen Straftaten festgestellt hatte. Allenfalls war zu diesem Zeitpunkt ein Strafverfahren eröffnet, das im Jahr 2020 von den belgischen Behörden eingeleitet worden war. Der Kläger hat im Übrigen angegeben, ohne dass das Parlament ihm widersprochen hätte, dass dieses Strafverfahren noch immer nicht abgeschlossen sei und dass kein Gericht in der Sache angerufen worden sei, um den strittigen Sachverhalt zu prüfen.

66      Gleichwohl muss das Vorbringen des Klägers, wonach der Grundsatz der Unschuldsvermutung es dem Parlament verbiete, den Bericht des OLAF, in dem er als Mobbing-Täter dargestellt werde, zu erwähnen, ohne den Ausgang des Strafverfahrens abzuwarten, zurückgewiesen werden.

67      Denn für Erklärungen, die von einer Behörde nach Abschluss einer Untersuchung des OLAF abgegeben wurden, ist bereits entschieden worden, dass die Beachtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung es nicht ausschließt, dass im Bestreben, die Öffentlichkeit so genau wie möglich über die im Zusammenhang mit etwaigen Funktionsstörungen oder Betrugsfällen ergriffenen Maßnahmen zu informieren, ein Unionsorgan die wichtigsten Ergebnisse eines OLAF‑Berichts, der ein Mitglied eines Organs betrifft, mit ausgewogenen und maßvollen Worten und in einer im Wesentlichen tatsachenbasierten Art und Weise wiedergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2019, Dalli/Kommission, T‑399/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:384, Rn. 175 bis 178).

68      Folglich stellt die bloße Tatsache, dass das Parlament in den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung aufgezählten Rn. 66 bis 70, 72, 75, 78, 79 und 82 die Identifizierung des Klägers als Mobbing-Täter ermöglicht hat, was der wichtigsten Schlussfolgerung des OLAF‑Berichts entspricht, für sich genommen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung dar.

69      Genauer gesagt, ist für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt, vielmehr die Wortwahl in der angefochtenen Entschließung maßgeblich.

70      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass der Kläger in der Klageschrift, abgesehen von Zitaten aus der angefochtenen Entschließung ohne Kommentar im einleitenden Teil, keinen Abschnitt dieser Entschließung genau bezeichnet hat, der seiner Ansicht nach aufgrund der Wortwahl gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt. Im Übrigen hat er sich im Stadium der Erwiderung darauf beschränkt, auf bestimmte Auszüge aus den Dokumenten zu verweisen, die im Rahmen des Entlastungsverfahrens für das Haushaltsjahr 2018, d. h. das dem streitigen Haushaltsjahr vorangehende Haushaltsjahr, erstellt worden sind und daher im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht Gegenstand einer Prüfung durch das Gericht sein können.

71      Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hin hat der Kläger in spezifischer Weise lediglich Rn. 75 der angefochtenen Entschließung (zitiert oben, Rn. 13) beanstandet, weil es dort heiße, dass er wegen Belästigung „verurteilt“ worden sei, obwohl hierzu kein Urteil gesprochen worden sei.

72      Insofern ist die Verwendung des Ausdrucks „verurteilt“ in Ermangelung einer Verurteilung des Klägers sicherlich ungenau. Das Parlament hat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen eingeräumt, dass diese Formulierung „nicht besonders glücklich“ sei.

73      Die Rechtsprechung hat jedoch betont, dass es bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung vorliegt, wichtig ist, den wirklichen Sinn der fraglichen Erklärungen und nicht ihre wörtliche Bedeutung sowie die besonderen Umstände, unter denen sie abgegeben wurden, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 211 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Hier lassen die besonderen Umstände des vorliegenden Falles erkennen, dass die Verwendung des Wortes „jugé“ in der französischen Fassung der angefochtenen Entschließung die Feststellung des OLAF wiedergeben sollte, dass das Verhalten des Klägers gegenüber zwei Beschäftigten als Mobbing zu qualifizieren sei. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich jedoch, dass eine solche Aussage, die sich darauf beschränkt, die Feststellungen des OLAF aufzugreifen, die Unschuldsvermutung des Klägers nicht verletzt.

75      Diese Schlussfolgerung wird durch verschiedene Sprachfassungen von Rn. 75 der angefochtenen Entschließung bestätigt, die keinen Hinweis auf ein Urteil im justiziellen Sinne enthalten, und zwar insbesondere in der englischen („was found responsible“), der deutschen („verantwortlich gemacht wurde“), der spanischen („fue declarado responsable“) oder auch der niederländischen („verantwoordelijk werd bevonden“) Fassung. Der eigentliche Sinn dieser Aussagen besteht also darin, die Verantwortung des Klägers für Mobbing-Handlungen, wie sie aus dem OLAF‑Bericht hervorgehen, herauszustellen, ohne in irgendeiner Weise seine mögliche Verantwortlichkeit im Rahmen des vor der belgischen Justiz geführten Strafverfahrens zu präjudizieren.

76      Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Parlament in Rn. 83 der angefochtenen Entschließung auch darauf hingewiesen hat, dass bis zum Tag der Verabschiedung der Entschließung keine weiteren Informationen über das Strafverfahren eingegangen waren. Eine solche Erwähnung ist geeignet, jegliche Unklarheit hinsichtlich der Frage zu vermeiden, ob ein „Urteil“ gegen den Kläger ergangen ist oder nicht.

77      Daher stellt die Verwendung des Wortes „jugé“ in Rn. 75 der französischen Fassung der angefochtenen Entschließung, auch wenn sie unangemessen und unangebracht ist, keine Verletzung der Unschuldsvermutung des Klägers dar.

78      Da der Kläger in spezifischer Weise nur Rn. 75 der angefochtenen Entschließung beanstandet hat, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, zu untersuchen und zu prüfen, ob andere Passagen dieser Entschließung seine Unschuldsvermutung verletzen könnten.

79      Aus alledem folgt, dass die zweite Rüge die Feststellung eines rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments nicht zulässt.

 Zur dritten Rüge: Verletzung der Vertraulichkeit der Untersuchungen des OLAF

80      Zum einen wirft der Kläger dem OLAF im Wesentlichen vor, den vertraulichen Inhalt seines Untersuchungsberichts gegenüber dem Parlament in einer Sitzung des Haushaltskontrollausschusses am 3. Februar 2020 offengelegt zu haben, in deren Anschluss der Haushaltskontrollausschuss einen Berichtsentwurf zur Entlastung des EWSA vorgelegt habe, in dem der Kläger insbesondere mit seinem Nachnamen erwähnt worden sei. Die angefochtene Entschließung, die auf diesen Bericht des Haushaltskontrollausschusses gestützt sei, sei somit unter Verstoß gegen die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1) verabschiedet worden.

81      Zum anderen macht der Kläger geltend, dass der Grundsatz der Vertraulichkeit es dem Parlament verbiete, den Inhalt eines Berichts, der im Rahmen eines Disziplinar- oder Justizverfahrens verwendet werde, offenzulegen, wobei sich dieser Grundsatz aus Art. 10 und Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2013 ergebe.

82      Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

83      Soweit der Kläger dem OLAF vorwirft, bei einer Sitzung des Haushaltskontrollausschusses am 3. Februar 2020 seine Verpflichtung zur Vertraulichkeit verletzt zu haben, genügt zum einen der Hinweis darauf, dass ein solches Vorbringen unzulässig ist, da es darauf abzielt, die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens darzulegen, das dieser Einrichtung und nicht dem Beklagten zuzurechnen ist. Die Kommission, der das OLAF zugeordnet ist, ist jedoch nicht am vorliegenden Verfahren beteiligt.

84      Zum anderen ist, soweit der Kläger ein Verhalten des Parlaments angreift, daran zu erinnern, dass die Verpflichtung zur Vertraulichkeit eine Ausprägung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 213).

85      Aus dem Vorstehenden ergibt sich jedoch, dass dieser Grundsatz das Parlament nicht daran hindert, im Rahmen seiner Aufgabe, die Verwendung öffentlicher Mittel zu kontrollieren, die wichtigsten Schlussfolgerungen des Berichts des OLAF zu erwähnen. Unter diesen Umständen kann dem Parlament nicht vorgeworfen werden, dass es die Vertraulichkeit, die an den OLAF‑Bericht, von dem es gemäß Art. 17 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2013 Kenntnis erlangt hat, geknüpft ist, verletzt hat, indem es in der angefochtenen Entschließung auf die wichtigste Schlussfolgerung dieses Berichts eingegangen ist.

86      Aus alledem folgt, dass die dritte Rüge die Feststellung eines rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments nicht zulässt.

 Zur vierten Rüge: Verletzung des Rechts auf eine gute Verwaltung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

87      Der Kläger wirft dem Parlament vor, seine Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit missachtet zu haben, indem es eine natürliche Person in einem an den EWSA gerichteten Dokument zum Thema der Haushaltsführung namentlich genannt habe.

88      Das Parlament tritt diesem Vorbringen entgegen.

89      Im Hinblick auf das in Art. 41 der Charta vorgesehene Recht auf eine gute Verwaltung ist darauf hinzuweisen, dass dieses als solches dem Einzelnen keine Rechte verleiht, außer wenn es Ausdruck spezifischer Rechte ist, wie des Rechts darauf, dass die eigenen Angelegenheiten unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden (Urteil vom 4. Oktober 2006, Tillack/Kommission, T‑193/04, EU:T:2006:292, Rn. 127). Was die Pflicht zur Unparteilichkeit angeht, die nach Ansicht des Klägers verletzt worden ist, so umfasst diese zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein Mitglied des betreffenden Organs, das mit dem Fall befasst ist, eine Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile zeigen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um insoweit jeden berechtigten Zweifel auszuschließen (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Im vorliegenden Fall beschränkt sich der Kläger, um eine Verletzung der Pflicht zur subjektiven Unparteilichkeit durch das Parlament darzulegen, darauf, geltend zu machen, dass die angefochtene Entschließung „Angaben zu [seiner] Schuld auf [der] Grundlage angeblicher Taten, die in einem vertraulichen Bericht des OLAF dargestellt werden“, enthalte.

91      Die Tatsache, dass die angefochtene Entschließung den Kläger als Mobbing-Täter kenntlich gemacht hat, was eine der Schlussfolgerungen des OLAF‑Berichts ist, lässt jedoch keineswegs die Feststellung zu, dass ein Mitglied des Parlaments eine Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile in dieser Hinsicht gezeigt hätte.

92      Im Übrigen beschränkt sich der Kläger im Hinblick auf die Pflicht zur objektiven Unparteilichkeit darauf, geltend zu machen, dass sein Verhalten laut dem OLAF keinerlei finanzielle Auswirkungen gehabt habe.

93      Ein solches Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, Zweifel an der objektiven Unparteilichkeit des Parlaments aufkommen zu lassen.

94      Was den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, so hat der Kläger auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hin mitgeteilt, dass das Vorbringen hierzu nicht unabhängig von demjenigen sei, das zur Begründung der ersten Rüge vorgetragen worden sei.

95      Unter diesen Umständen ist zu folgern, dass die vierte Rüge die Feststellung eines rechtswidrigen Verhaltens des Parlaments nicht zulässt.

96      Nach alledem ist der Antrag auf Schadensersatz daher in vollem Umfang zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden muss, ob die beiden anderen Voraussetzungen für die Haftung der Union erfüllt sind. Ebenso wenig muss über den Antrag des Parlaments entschieden werden, das angebliche Protokoll der Sitzung des Haushaltskontrollausschusses vom 3. Februar 2020 aus der Akte des Falles zu entfernen, da dieses Dokument, soweit es zum Nachweis eines rechtswidrigen Verhaltens des OLAF herangezogen wird, für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung hat.

 Kosten

97      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Parlaments die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

Für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      KN trägt die Kosten.

van der Woude

Svenningsen

Mac Eochaidh

Pynnä

 

      Laitenberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2022.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.