Language of document : ECLI:EU:T:2009:141

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

6. Mai 2009(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Markt für Kupfer‑Industrierohre – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Aufteilung der Märkte – Geldbußen – Größe des betreffenden Marktes – Erschwerende Umstände – Wiederholungsfall“

In der Rechtssache T‑122/04

Outokumpu Oyj mit Sitz in Espoo (Finnland),

Luvata Oy, vormals Outokumpu Copper Products Oy, mit Sitz in Espoo,

Prozessbevollmächtigte: J. Ratliff, Barrister, und Rechtsanwälte F. Distefano und J. Luostarinen,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch É. Gippini Fournier als Bevollmächtigten,

Beklagte,

wegen einer Klage auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der in Art. 2 Buchst. b der Entscheidung K (2003) 4820 endg. der Kommission vom 16. Dezember 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR‑Abkommen (Sache COMP/E-1/38.240 – Industrierohre) gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße einerseits und einer Widerklage der Kommission auf Erhöhung der Geldbuße andererseits

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Achte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2008

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Die Outokumpu Oyj, eine börsennotierte Gesellschaft mit Sitz in Espoo (Finnland), ist die Muttergesellschaft einer insbesondere auf dem Gebiet der Herstellung von unedlem Metall sowie Edelstahl und Kupferprodukten und der Herstellungstechnologie für diese Produkte tätigen weltweiten Gruppe von Unternehmen. Zur Zeit des Sachverhalts hielt Outokumpu 100 % der Anteile der Luvata Oy (vormals Outokumpu Copper Products Oy), die u. a. Kupfer-Industrierohre herstellt (Outokumpu und Luvata werden im Folgenden unterschiedslos als Outokumpu oder Klägerinnen bezeichnet).

2        Auf die Mitteilung von Informationen der Mueller Industries Inc. hin führte die Kommission im März 2001 in den Räumlichkeiten der KME Germany AG (vormals KM Europa Metal AG), der KME France SAS (vormals Tréfimétaux SA), der KME Italy SpA (vormals Europa Metalli SpA) (im Folgenden zusammen: KME-Gruppe), der Wieland-Werke AG (im Folgenden: Wieland) und der Klägerinnen unangemeldete Nachprüfungen nach Art. 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), durch.

3        Am 9. April 2001 bot Outokumpu der Kommission eine Zusammenarbeit im Sinne der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4) (im Folgenden: Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit) an. Am 30. Mai 2001 übersandten die Klägerinnen ein Schreiben zu diesem Thema.

4        Am 30. September 2002 beantragte Wieland in ihrer Antwort auf ein an die KME-Gruppe und sie selbst gerichtetes Auskunftsverlangen der Kommission nach Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 vom Juli 2002 die Anwendung der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit.

5        Auf dasselbe Auskunftsverlangen hin beantragte die KME-Gruppe am 15. Oktober 2002 für sich selbst die Anwendung dieser Mitteilung.

6        Nachdem sie eine Untersuchung, die weitere Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Outokumpu und KME umfasste, durchgeführt, an Treffen mit Vertretern von Outokumpu, der KME-Gruppe und Wieland teilgenommen und gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 weitere Auskünfte von der KME-Gruppe und Wieland verlangt hatte, leitete die Kommission im Juli 2003 das Zuwiderhandlungsverfahren ein und erließ eine an die KME-Gruppe, Wieland und Outokumpu gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte. Eine Anhörung fand nicht statt, nachdem die genannten Unternehmen hierauf verzichtet hatten.

7        Am 16. Dezember 2003 erließ die Kommission die Entscheidung K (2003) 4820 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E‑1/38.240 – Industrierohre) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 28. April 2004 (ABl. L 125, S. 50) veröffentlicht wurde.

8        Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben die in der Vereinigung für die Qualität von Rohren für den Bereich der Klima‑ und Kältetechnik (Cuproclima Quality Association, im Folgenden: Cuproclima) organisierten Hersteller, darunter die Klägerinnen, ihre Zusammenarbeit gegen Ende der 80er Jahre auf Wettbewerbsfragen ausgedehnt.

9        Die Treffen, die Cuproclima zweimal im Jahr abgehalten habe, seien ein regelmäßiger Anlass gewesen, um im Anschluss an die offizielle Tagesordnung über Preise zu diskutieren und Preise sowie andere kommerzielle Bedingungen für Industrierohre festzulegen. Diese gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Treffen seien durch bilaterale Kontakte zwischen den betreffenden Unternehmen ergänzt worden. Die Unternehmen hätten Preisziele und andere kommerzielle Bedingungen für Industrierohre abgesprochen. Sie hätten Preiserhöhungen koordiniert, Kunden und Marktanteile zugeteilt sowie die Durchsetzung ihrer wettbewerbswidrigen Absprachen überwacht, indem sie eine Regelung bezüglich der Marktführerschaft getroffen und vertrauliche Informationen ausgetauscht hätten.

10      Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

„Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben durch ihre Beteiligung, während der angegebenen Zeiträume, an einer Reihe von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in Form von Preisabsprachen und Marktaufteilung in der Industrierohrbranche gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und, ab 1. Januar 1994, Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen verstoßen:

a)      [Wieland] vom 3. Mai 1988 bis 22. März 2001;

b)      Outokumpu …: allein vom 3. Mai 1988 bis 30. Dezember 1988 und gesamtschuldnerisch haftend mit [Luvata] vom 31. Dezember 1988 bis 22. März 2001;

c)      [Luvata]: vom 31. Dezember 1988 bis 22. März 2001 (gesamtschuldnerisch haftend mit [Outokumpu]);

d)      [KME Germany]: allein vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME France] und [KME Italy] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001;

e)      [KME Italy]: gesamtschuldnerisch haftend mit [KME France] vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Germany] und [KME France] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001;

f)      [KME France]: gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Italy] vom 3. Mai 1988 bis 19. Juni 1995 und gesamtschuldnerisch haftend mit [KME Germany] und [KME Italy] vom 20. Juni 1995 bis 22. März 2001.

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen werden folgende Geldbußen festgesetzt:

a)      [Wieland]: 20,79 Mio. EUR;

b)      Outokumpu … und [Luvata], gesamtschuldnerisch haftend: 18,13 Mio. EUR;

c)      [KME Germany], [KME France] und [KME Italy], gesamtschuldnerisch haftend: 18,99 Mio. EUR;

d)      [KME Germany]: 10,41 Mio. EUR;

e)      [KME Italy] und [KME France] gesamtschuldnerisch haftend: 10,41 Mio. EUR.“

11      In einem ersten Schritt stufte die Kommission zur Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße die Zuwiderhandlung, die hauptsächlich in der Festsetzung von Preisen und der Aufteilung von Märkten bestanden habe, als eine ihrem Wesen nach besonders schwere Zuwiderhandlung ein (Randnr. 294 der angefochtenen Entscheidung).

12      Bei der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigte die Kommission auch, dass das Kartell das gesamte Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) betreffe (Randnr. 316 der angefochtenen Entscheidung). Sie untersuchte ferner die tatsächlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung und stellte fest, die Vereinbarung habe „unter dem Strich Marktwirkungen gezeitigt“ (Randnr. 314 der angefochtenen Entscheidung).

13      Schließlich berücksichtigte die Kommission im Rahmen der Feststellung der Schwere der Zuwiderhandlung noch, dass die Branche der Kupfer-Industrierohre einen wichtigen Industriezweig darstelle, dessen Marktwert bezogen auf den EWR mit 288 Millionen Euro veranschlagt werde (Randnr. 318 der angefochtenen Entscheidung).

14      Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände stellte die Kommission fest, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung besonders schwer sei (Randnr. 320 der angefochtenen Entscheidung).

15      In einem zweiten Schritt nahm die Kommission eine differenzierte Behandlung der betreffenden Unternehmen entsprechend ihrer Möglichkeit vor, den Wettbewerb aufgrund ihrer tatsächlichen Wirtschaftskraft erheblich zu schädigen. In dieser Hinsicht stellte die Kommission einen Unterschied zwischen den Anteilen am Kupferrohrmarkt im EWR fest, die die KME-Gruppe, Marktführerin im EWR mit [vertraulich](1) % Marktanteil, einerseits und die Klägerinnen und Wieland mit [vertraulich] bzw. 13,4 % Marktanteil andererseits halten. In Anbetracht dieses Unterschieds wurde der Ausgangsbetrag der Geldbuße für Outokumpu und für Wieland auf 33 % der Geldbuße für die KME-Gruppe festgesetzt, also auf 11,55 Millionen Euro für Outokumpu und für Wieland und 35 Millionen Euro für die KME-Gruppe (Randnrn. 322 bis 323 und 326 bis 328 der angefochtenen Entscheidung).

16      In einem dritten Schritt erhöhte die Kommission, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Geldbuße in einer Höhe festzusetzen, die ihre abschreckende Wirkung sicherstellt, den Ausgangsbetrag der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße um 50 % auf 17,33 Millionen Euro, da der weltweite Gesamtumsatz von Outokumpu von über 5 Milliarden Euro auf eine diese Erhöhung rechtfertigende Größe und Wirtschaftskraft hindeute (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung).

17      In einem vierten Schritt bewertete die Kommission die Zuwiderhandlung, die sich über einen Zeitraum vom 3. Mai 1988 bis 22. März 2001 erstreckte, im Hinblick auf ihre Dauer als „lang“. Sie hielt es daher für angemessen, den Ausgangsbetrag der gegen die betreffenden Unternehmen verhängten Geldbußen für jedes Jahr der Teilnahme am Kartell um 10 % zu erhöhen. Daher wurde der Ausgangsbetrag der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße um 125 % auf 38,98 Millionen Euro erhöht (Randnrn. 338, 342 und 347 der angefochtenen Entscheidung).

18      In einem fünften Schritt wurde der Grundbetrag der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße im Hinblick auf den erschwerenden Umstand um 50 % erhöht, dass sie als Adressatin der Entscheidung 90/417/EGKS der Kommission vom 18. Juli 1990 in einem Verfahren nach Artikel 65 [KS] betreffend eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von europäischen Herstellern von kaltgewalzten, nichtrostenden, flachen Stahlerzeugnissen (ABl. L 220, S. 28) Wiederholungstäterin sei (Randnr. 354 der angefochtenen Entscheidung).

19      In einem sechsten Schritt berücksichtigte die Kommission als mildernden Umstand, dass sie ohne die Zusammenarbeit von Outokumpu das rechtswidrige Verhalten nur für einen Zeitraum von vier Jahren hätte beweisen können, und reduzierte daher den Grundbetrag ihrer Geldbuße um 22,22 Millionen Euro, so dass der Grundbetrag der Geldbuße entspricht, die für einen solchen Zeitraum gegen sie verhängt worden wäre (Randnr. 386 der angefochtenen Entscheidung).

20      In einem siebten Schritt schließlich ermäßigte die Kommission gemäß Abschnitt D der Mitteilung von 1996 über Zusammenarbeit den Betrag der Geldbußen für Outokumpu um 50 %, für Wieland um 20 % und für die KME-Gruppe um 30 % (Randnrn. 402, 408 und 423 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

21      Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 29. März 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

22      Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Achten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist.

23      Die Kommission hat in ihrer Gegenerwiderung beantragt, die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße zu erhöhen, weil diese in ihrer Erwiderung bestimmte im Verwaltungsverfahren nicht bestrittene Tatsachen in Frage gestellt hätten. Das Gericht hat die Klägerinnen aufgefordert, zu diesem Gegenantrag Stellung zu nehmen, und die Klägerinnen sind dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

24      Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen im Sinne von Art. 64 seiner Verfahrensordnung gebeten, bestimmte Unterlagen vorzulegen, und ihnen schriftliche Fragen gestellt, auf die sie innerhalb der gesetzten Fristen geantwortet haben.

25      Die Parteien haben in der Sitzung vom 5. März 2008 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Bei dieser Gelegenheit haben die Klägerinnen ihren bereits in ihren Stellungnahmen zum Sitzungsbericht zum Ausdruck gebrachten Willen bekräftigt, auf zwei im Rahmen des Klagegrundes der fehlerhaften Feststellung des Wiederholungsfalls vorgebrachte Argumente zu verzichten, die sich auf die Bedeutung einer früheren Verhängung einer Geldbuße und auf die zeitliche Beschränkung der Befugnis der Kommission zur Feststellung eines Wiederholungsfalls im vorliegenden Fall beziehen.

26      Die Klägerinnen beantragen,

–        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären oder die in Art. 2 Buchst. b dieser Entscheidung verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße zu erhöhen;

–        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

28      Mit Schreiben vom 1. April 2008 haben die Klägerinnen erklärt, ihren dritten Klagegrund, der auf eine fehlerhafte Erhöhung der Geldbuße um 50 % zu Abschreckungszwecken gestützt war, zurückzunehmen. Mit Beschluss vom 23. April 2008 hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung gemäß Art. 62 seiner Verfahrensordnung wieder zu eröffnen, und dieses Schreiben gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung zu den Akten zu nehmen. Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 hat die Kommission zu dieser Rücknahme Stellung genommen.

29      Die mündliche Verhandlung ist am 2. Juni 2008 geschlossen worden.

 Gründe

30      Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie eine fehlerhafte Erhöhung der Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Tatwiederholung und eine unzutreffende Beurteilung des Volumens des von der Zuwiderhandlung betroffenen Marktes zum Zweck der Berechnung des Ausgangsbetrags geltend machen.

31      Einleitend ist zum einen daran zu erinnern, dass aus den Randnrn. 290 bis 387 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass die von der Kommission wegen der Zuwiderhandlung festgesetzten Geldbußen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängt wurden, und zum anderen daran, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zwar nicht ausdrücklich auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), Bezug nimmt, es aber unstreitig ist, dass sie den Betrag der Geldbußen unter Anwendung der dort dargelegten Methode bestimmt hat.

32      Die Leitlinien können zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, stellen aber eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Praxis enthält und von der die Kommission im Einzelfall nur unter Angabe von Gründen abweichen kann (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Es ist somit Sache des Gerichts, im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der mit der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen zu prüfen, ob die Kommission ihr Ermessen gemäß der in den Leitlinien dargelegten Methode ausgeübt hat, und, soweit es feststellt, dass sie davon abgewichen ist, zu prüfen, ob diese Abweichung gerechtfertigt und rechtlich hinreichend begründet ist. Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof die Gültigkeit zum einen des Prinzips der Leitlinien selbst und zum anderen der darin angegebenen Methode bestätigt hat (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 252 bis 255, 266 bis 267, 312 und 313).

34      Die aus dem Erlass der Leitlinien resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission ist nämlich nicht unvereinbar mit dem Fortbestand eines erheblichen Wertungsspielraums der Kommission. Die Leitlinien enthalten verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 267).

35      Darüber hinaus ist in Bereichen wie dem der Festsetzung der Höhe einer verhängten Geldbuße gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, in dem die Kommission über einen Ermessensspielraum verfügt, was beispielsweise den Erhöhungssatz unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung angeht, die Rechtmäßigkeitskontrolle dieser Wertungen auf die Prüfung beschränkt, dass kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnrn. 64 und 79).

36      Im Übrigen greifen der Wertungsspielraum und die diesem von ihr selbst gezogenen Grenzen grundsätzlich nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vor (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 538), die ihn ermächtigt, die von der Kommission verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären, zu ermäßigen oder zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnrn. 60 bis 62; Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T‑368/00, Slg. 2003, II‑4491, Randnr. 181).

 Zum ersten Klagegrund: Fehlerhafte Erhöhung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Tatwiederholung

 Vorbringen der Parteien

37      Die Klägerinnen führen aus, dass der Grundbetrag der gegen Outokumpu verhängten Geldbuße von der Kommission unter dem Gesichtspunkt der erschwerenden Umstände mit der Begründung um 50 % erhöht worden sei, dass Outokumpu sich einer wiederholten Zuwiderhandlung schuldig gemacht habe, da sie in die Sache Nichtrostender Stahl verwickelt gewesen sei, die zur Entscheidung 90/417 geführt habe.

38      Die Kommission habe mit der Erhöhung der Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Tatwiederholung gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, die Leitlinien, die Begründungspflicht nach Art. 253 EG und den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Ferner habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler in Bezug auf die relevanten Tatsachen begangen. Insoweit bringen sie die nachstehenden Rügen vor.

39      Erstens könne die in Rede stehende Zuwiderhandlung keinen Wiederholungsfall darstellen, da die frühere Zuwiderhandlung unter den EGKS-Vertrag gefallen sei, während das in Rede stehende Kartell gemäß dem EG-Vertrag geahndet werde.

40      Zweitens seien die beiden Zuwiderhandlungen nicht gleichartig. Die Kommission habe gegen die Leitlinien verstoßen und den Begriff des Wiederholungsfalls verkannt, wie er sich aus dem Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission (T‑141/94, Slg. 1999, II‑347), ergebe, indem sie bei der Prüfung, ob die beiden Zuwiderhandlungen gleichartig seien, allein auf die Art der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (Festlegung von Preisen und Quoten sowie Marktaufteilung) abgestellt und dabei den Zusammenhang, in dem die Zuwiderhandlungen begangen worden seien, außer Acht gelassen habe. Die Vorgehensweise der Kommission sei zu formalistisch. Sie hätte bei der Prüfung, ob ein Wiederholungsfall vorliege, die besonderen Umstände der mit der Entscheidung 90/417 festgestellten Zuwiderhandlung berücksichtigen müssen, zumal diese aus jener Entscheidung eindeutig hervorgingen.

41      In dieser Hinsicht nehmen die Klägerinnen auf die Entscheidung 90/417 und die Akte der Kommission in dieser Sache sowie auf andere sich hierauf beziehende Unterlagen Bezug. Diese Beweisstücke belegten, dass die Sache Nichtrostender Stahl auf die fehlende Koordination zwischen der Handelspolitik und der Wettbewerbspolitik der Kommission zurückzuführen gewesen sei. In dieser Sache habe sich Outokumpu unter einem Druck, der von der Kommission und von bestimmten Regierungen im Rahmen der damals zwischen der Gemeinschaft und Finnland praktizierten Handelspolitik auf sie und die Branche insgesamt ausgeübt worden sei, widerstrebend und gegen ihre eigenen Interessen, ohne die Absicht zu haben, den Wettbewerb zu beschränken, und in dem Glauben, nicht gegen Art. 65 KS zu verstoßen, einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung angeschlossen.

42      Die mit der Entscheidung 90/417 festgestellte Zuwiderhandlung sei somit eine außergewöhnliche Zuwiderhandlung gewesen und habe zu Kontakten zwischen der Kommission und den nationalen Behörden Anlass gegeben, um zu einer rechtlich zulässigen Lösung der Krise zu gelangen, die die Stahlbranche auf Gemeinschaftsebene getroffen habe, während die hier in Rede stehende Zuwiderhandlung eine gewöhnliche gewesen sei und vorsätzliche Handlungen ohne das Wissen der Kommission betreffe, mit denen die Klägerinnen ihre eigenen kommerziellen Interessen hätten schützen wollen.

43      Die Klägerinnen machen außerdem geltend, dass die Kommission entgegen Art. 253 EG die Gründe nicht angemessen erläutert habe, aus denen die Geldbuße trotz dieser besonderen Umstände aufgrund einer wiederholten Zuwiderhandlung zu erhöhen gewesen sei.

44      Auch die Tatsache, dass die Kommission in nach der Entscheidung 90/417 erlassenen Entscheidungen die gegen andere in der Sache Nichtrostender Stahl beteiligten Gesellschaften verhängten Geldbußen nicht unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung erhöht habe, bestätige, dass diese Sache so ungewöhnlich gewesen sei, dass nicht habe erwartet werden können, dass die Klägerinnen sie als relevante Warnung in Bezug auf das mit der angefochtenen Entscheidung geahndete wettbewerbswidrige Verhalten auffassen würden.

45      Jedenfalls sei im Hinblick auf die besonderen Umstände der Sache Nichtrostender Stahl die Erhöhung der im vorliegenden Fall verhängten Geldbuße um 50 % unverhältnismäßig. Eine nicht vorsätzliche Zuwiderhandlung müsse zu einem niedrigeren Erhöhungssatz für den Wiederholungsfall führen. Zur Stützung dieser Behauptung nehmen die Klägerinnen ferner auf mehrere frühere Entscheidungen der Kommission Bezug, in denen die Erhöhung der Geldbußen unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung geringer gewesen sei.

46      Schließlich machen die Klägerinnen geltend, die Tatsache, dass die Kommission von einer Entscheidung ohne Verhängung einer Geldbuße zu einer Entscheidung mit einer wegen wiederholter Zuwiderhandlung erhöhten Geldbuße übergegangen sei, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

47      Die Kommission beantragt die Zurückweisung des Klagegrundes. Außerdem weist sie darauf hin, dass die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Hinblick auf die Entscheidungspraxis der Kommission bei der Bußgelderhöhung für den Wiederholungsfall erstmals in ihrer Erwiderung geltend machten und dieses Vorbringen folglich für unzulässig erklärt werden müsse.

 Würdigung durch das Gericht

48      Was erstens die Behauptung der unzureichenden Begründung angeht, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann.

49      Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, weil die Frage, ob sie den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Zusammenhangs, in dem dieser Rechtsakt erlassen wurde, sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Was die Festlegung von Geldbußen für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht betrifft, so sind die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 463 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Im vorliegenden Fall stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass die beiden Zuwiderhandlungen gleichartig seien, da sie die Festlegung von Quoten und Preisen mit dem Ziel der Kontrolle der Produktion und Aufteilung der Märkte betroffen hätten (Randnr. 353). Ferner führte sie aus (Randnr. 352): „[Es liegt] eine wiederholte Zuwiderhandlung vor, wenn bei einem Unternehmen, an das die Kommission in der Vergangenheit eine Entscheidung wegen seiner Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gerichtet hat, später für eine weitere Zuwiderhandlung derselben Art festgestellt wird. Mit einer solchen Entscheidung soll das betreffende Unternehmen nicht nur zur Abstellung der Zuwiderhandlung aufgefordert, sondern auch gewarnt und davon abgehalten werden, in Zukunft ähnliche Zuwiderhandlungen zu begehen, selbst wenn aus irgendeinem Grund keine Geldbuße auferlegt wurde“. Die Kommission stellte fest (Randnr. 354): „Dass Outokumpu [seine Teilnahme] an der Zuwiderhandlung in der Industrierohrbranche fortsetzte, nachdem es durch Entscheidung der Kommission aufgefordert worden war, seine Zuwiderhandlung in der Branche Nichtrostender Stahl abzustellen, zeigt ganz klar, dass – was das Marktverhalten von Outokumpu anbelangt – mit jener Entscheidung keine hinreichend abschreckende Wirkung erzielt worden ist. Daher muss der Geldbußenbetrag erhöht werden, damit die beabsichtigte Abschreckung in Zukunft tatsächlich greift.“ Die Kommission hat damit ihre Entscheidung, die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung zu erhöhen, rechtlich hinreichend begründet.

52      Zweitens, in Bezug auf die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit, ist festzustellen, dass der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von den Klägerinnen im Rahmen dieses Klagegrundes tatsächlich nicht ausdrücklich geltend gemacht worden ist.

53      Jedoch ergibt sich aus der Rechtsprechung sowie aus Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, die Vertragsbestimmungen oder die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die er geltend macht, zu zitieren. Es genügt, dass das Tatsachenvorbringen, die Klagegründe und die Anträge des Klägers in der Klageschrift enthalten sind, so dass die Kommission ihre Interessen wirksam verteidigen und das Gericht seine Kontrolle ausüben kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Mai 1991, Jongen/Kommission, T‑18/90, Slg. 1991, II‑187, Randnr. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall erfüllt, da aus der Klageschrift hervorgeht, dass die Klägerinnen die Erhöhung der gegen sie verhängten Geldbuße um 50 % insbesondere im Hinblick auf die von der Kommission in ihren früheren Entscheidungen aufgrund wiederholter Zuwiderhandlung angewandten Erhöhungssätze als fehlerhaft beanstanden.

54      Daher sind alle zur Stützung dieses Klagegrundes vorgetragenen Rügen für zulässig zu erklären.

55      Was drittens die Begründetheit des Klagegrundes betrifft, ist daran zu erinnern, dass die Gründungsverträge eine einheitliche Rechtsordnung eingeführt haben, in der der EAG-Vertrag und, bis 23. Juli 2002, der EGKS-Vertrag eine von der lex generalis des EG-Vertrags abweichende lex specialis darstellt (vgl. Urteil des Gerichts vom 5. Juni 2001, ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi/Kommission, T‑6/99, Slg. 2001, II‑1523, Randnr. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Kartellverbot ist nach der Rechtsprechung in zwei analogen Vorschriften verankert, nämlich in Art. 81 EG und Art. 65 KS, die, obwohl sie in zwei verschiedenen Verträgen enthalten sind, identische Rechtsbegriffe betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 269, 270 und 277, vom 11. März 1999, Unimétal/Kommission, T‑145/94, Slg. 1999, II‑585, Randnrn. 248 und 252, und vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 181).

56      Daher kann, wenn die Kommission die Teilnahme eines Unternehmens an einem Kartell gemäß der ihr von der Rechtsordnung der Gemeinschaft verliehenen Befugnis im Wege einer Entscheidung festgestellt hat, diese Entscheidung als Grundlage dienen, um im Rahmen einer neuen Entscheidung mit Bezug zum Gemeinschaftsrecht die Neigung dieses Unternehmens zu beurteilen, gegen die Gemeinschaftsregeln in Bezug auf Kartelle zu verstoßen.

57      Im Übrigen ergibt sich aus den Leitlinien nicht, dass die Angabe, dass ein „erneuter, gleichartiger Verstoß des/derselben Unternehmen(s)“ vorliegen muss, dahin zu verstehen ist, dass die Kommission für die Feststellung einer wiederholten Zuwiderhandlung im Rahmen der Anwendung von Art. 81 EG Zuwiderhandlungen, die gemäß dem EGKS-Vertrag festgestellt wurden, nicht berücksichtigen darf. Im Gegenteil ergibt sich aus dem Titel der Leitlinien, dass diese für die Berechnung sowohl von gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verhängten als auch von gemäß Art. 65 § 5 KS verhängten Geldbußen gelten.

58      Das Argument, dass die besonderen Umstände der früheren Zuwiderhandlung die Kommission daran hinderten, auf eine wiederholte Zuwiderhandlung der Klägerinnen zu erkennen, ist zurückzuweisen, da sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass der Begriff des Wiederholungsfalls lediglich die Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft voraussetzt (Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 41).

59      Im vorliegenden Fall war Outokumpu aber mit den Art. 1 und 4 der Entscheidung 90/417 klar bewusst gemacht worden, dass sie durch die mit ihren Wettbewerbern getroffenen Preisabsprachen und vereinbarte Aufteilung von Märkten und Kunden gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verstoßen hatte und von einer Wiederholung dieses Verhaltens künftig absehen musste. Trotzdem haben sich die Klägerinnen Art. 1 der angefochtenen Entscheidung zufolge an einer praktisch identischen Zuwiderhandlung beteiligt.

60      In Bezug auf das Vorbringen, die Klägerinnen seien gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt worden, denen die Entscheidung 90/417 nicht als erschwerender Umstand zur Last gelegt worden sei, ist zu betonen, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bestimmte Gesichtspunkte bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße nicht als erschwerenden Umstand angesehen hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, in einer späteren Entscheidung ebenso zu verfahren (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 57).

61      Folglich hat die Kommission keinen Fehler begangen, indem sie eine wiederholte Zuwiderhandlung der Klägerinnen festgestellt hat.

62      Was die gegen den in der angefochtenen Entscheidung angewandten Erhöhungssatz von 50 % vorgebrachten Rügen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Festsetzung eines Erhöhungssatzes unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung die Anhaltspunkte berücksichtigen kann, die eine Neigung des betreffenden Unternehmens zur Verletzung der Wettbewerbsregeln bestätigen, einschließlich des zwischen den betreffenden Verstößen verstrichenen Zeitraums.

63      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das Kartell, das Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung 90/417 am 18. Juli 1990 bereits begonnen hatte. Trotz der Feststellung einer praktisch identischen Zuwiderhandlung der Klägerinnen gegen die Wettbewerbsregeln in der Entscheidung 90/417 haben diese jedoch beschlossen, ihre Teilnahme an dem neuen Kartell fortzusetzen. Dieser Umstand rechtfertigt für sich genommen den in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Erhöhungssatz.

64      Die Klägerinnen nehmen zwar auf eine Reihe von Umständen Bezug, die bei der in der Entscheidung 90/417 festgestellten Zuwiderhandlung vorlagen und in deren Titel X Nr. 12 dargelegt werden. Diese Umstände, die es in der Tat rechtfertigen, mit dieser Entscheidung keine Geldbuße gegen die Klägerinnen zu verhängen, sind jedoch notwendigerweise für diese Entscheidung spezifisch und stehen in keinem Zusammenhang mit der Neigung der Klägerinnen, nach dem 18. Juli 1990 gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Folglich können sie bei der Festsetzung des Erhöhungssatzes der Geldbuße für die wiederholte Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt werden.

65      In Bezug auf das Vorbringen, die Klägerinnen seien gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt worden, bei denen die Feststellung eines Wiederholungsfalls nicht zu einer so starken Erhöhung geführt habe wie bei den Klägerinnen, ist zu betonen, dass erstens die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission, T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnr. 292) und dass zweitens die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 17 bei der Bemessung der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, um auf das Verhalten der Unternehmen im Sinne der Einhaltung der Wettbewerbsregeln einzuwirken (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 216), und das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 33 angeführt, Randnr. 169).

66      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der wiederholten Zuwiderhandlung um 50 % erhöht hat. Das Gericht hält es auch nicht für erforderlich, diesen Satz im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu ändern.

 Zum zweiten Klagegrund: Unzutreffende Beurteilung der Größe der von der Zuwiderhandlung betroffenen Branche zum Zweck der Berechnung des Ausgangsbetrags der Geldbuße

 Vorbringen der Parteien

67      Mit dem zweiten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe, indem sie ein Marktvolumen von 288 Millionen Euro festgestellt habe, die Größe des betroffenen Marktes und damit die Schwere der Zuwiderhandlung überzeichnet, was zu einer zu hohen Geldbuße geführt habe.

68      Die Klägerinnen stellen einleitend fest, dass sich der Gesamtpreis der Produkte im Industrierohrsektor normalerweise aus dem nach dem Kurs an der Londoner Metallbörse (London Metal Exchange, im Folgenden: LME) bestimmten Kupferpreis und den Bearbeitungskosten, die der Wertschöpfung des Herstellers entsprächen (im Folgenden: Bearbeitungsspanne), zusammensetze. Die für die Herstellung von Industrierohren aus Kupfer notwendigen Einsatzmetalle würden entweder vom Kunden bereitgestellt oder vom Rohrhersteller selbst beschafft und dann im Vollpreis weiterberechnet.

69      Die Größe des betroffenen Marktes sei wichtig für die Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße. Zumindest habe die Kommission im vorliegenden Fall den Ausgangsbetrag nach Maßgabe der Größe des betroffenen Marktes bestimmt.

70      Die Klägerinnen behaupten, sie hätten als Hersteller von Industrierohren keinen Einfluss auf den Preis des wichtigsten Rohstoffs, Kupfer, der ungefähr zwei Drittel des von ihren Kunden bezahlten Endpreises ausmache. Der Metallpreis werde durch die täglichen Preisnotierungen an der LME festgelegt, und die Klägerinnen folgten bei der Beschaffung des Metalls lediglich den Weisungen der Käufer der Industrierohre. Daher bestimmten die Kunden selbst den Metallpreis. Der Kupferpreis sei folglich nur ein an den Kunden weitergegebener durchlaufender Posten. Das tatsächliche wirtschaftliche Gewicht des betroffenen Marktes sei daher auf die Bearbeitungsspanne beschränkt gewesen.

71      Gestützt auf das Vorstehende bringen die Klägerinnen vor, die Kommission hätte ungefähr zwei Drittel vom Gesamtpreis der in Rede stehenden Produkte bei der Beurteilung der Größe des betroffenen Marktes abziehen müssen, was zur Festsetzung eines niedrigeren Ausgangsbetrags der Geldbuße geführt hätte. Die Kommission habe, indem sie den Kupferpreis nicht vom Umsatz des betroffenen Marktes abgezogen habe, die wirtschaftliche Realität des Marktes verkannt und einen im Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung überzogenen Ausgangsbetrag der Geldbuße festgesetzt.

72      Die Kommission beantragt die Zurückweisung des von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegrundes. Außerdem verlangt sie in ihrer Gegenerwiderung, dass die Klägerinnen klarstellen, ob sie bestreiten, an einer die gesamte Industrierohrbranche betreffenden Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben. In diesem Fall würde es sich nach Ansicht der Kommission um einen unzulässigen Klagegrund handeln, da er nicht bereits in der Klageschrift geltend gemacht worden sei. Im Übrigen veranlasse ein solches Bestreiten sie dazu, beim Gericht zu beantragen, die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße zu erhöhen, da diese einen Abschlag von 50 % von dieser Geldbuße erhalten hätten, u. a., weil sie die Tatsachen, auf die die Kommission ihre Vorwürfe gestützt habe, nicht bestritten hätten.

73      Die Klägerinnen machen in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu dem Antrag der Kommission geltend, dass sie nicht bestritten, an einer einzigen Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben, die die Aufteilung von Märkten und Kunden, die Einrichtung eines Systems der Marktführerschaft auf dem betreffenden Markt sowie Absprachen über die Lieferbedingungen für Industrierohre umfasst habe. Sie räumen ferner ein, dass diese Zuwiderhandlung die gesamte Industrierohrbranche betroffen habe. Allerdings habe sich die Zuwiderhandlung nicht auf den Kupferpreis erstreckt.

 Würdigung durch das Gericht

74      Vorab ist festzustellen, dass weder über die Einrede der Unzulässigkeit noch über die Widerklage der Kommission zu entscheiden ist. Die Klägerinnen haben nämlich in ihrer Stellungnahme zu dem Antrag der Kommission eindeutig eingeräumt, dass die Zuwiderhandlung die Industrierohrbranche als Ganzes betroffen habe.

75      In der Sache ist zunächst hervorzuheben, dass die in den Leitlinien dargelegte Methode, die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angewandt wurde (siehe oben, Randnr. 32), einer Pauschallogik entspricht, wonach der allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße nach Maßgabe der Schwere des Verstoßes berechnet wird, die unter Berücksichtigung seiner Art und der konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt wird (Nr. 1 A Abs. 1 der Leitlinien). Danach wird der allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße für jeden Teilnehmer nach Maßgabe insbesondere seiner Größe individualisiert.

76      Im Übrigen kann die Kommission bei der Ermittlung des allgemeinen Ausgangsbetrags der Geldbuße die Größe des betroffenen Marktes berücksichtigen, ohne jedoch hierzu verpflichtet zu sein (Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 134, und vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnrn. 149 und 150).

77      In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist die Prämisse der Klägerinnen, dass die Größe des relevanten Marktes als solche ein entscheidender Faktor für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung und damit für die Bestimmung des Ausgangsbetrags einer Geldbuße sei, nicht begründet.

78      Aus der angefochtenen Entscheidung geht allerdings klar hervor, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Größe des Industrierohrmarkts im EWR bei der Beurteilung der Schwere der in Rede stehenden Zuwiderhandlung berücksichtigt hat. Obwohl die Kommission bereits auf der Grundlage der Art der Zuwiderhandlung festgestellt hat, dass diese „besonders schwer“ im Sinne ihrer Leitlinien gewesen sei (Randnr. 294), hat sie nämlich die Schwere der Zuwiderhandlung und damit den allgemeinen Ausgangsbetrag der Geldbuße in der angefochtenen Entscheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen des Kartells auf den Markt (Randnrn. 295 bis 314), der räumlichen Ausdehnung des fraglichen Marktes (Randnrn. 315 bis 317) und der Tatsache bestimmt, dass der von der Zuwiderhandlung betroffene Sektor ein wichtiger Markt sei, dessen Wert für den EWR mit 288 Millionen Euro veranschlagt werde (Randnrn. 318 und 319).

79      Auch wenn die Größe des betreffenden Marktes bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bestimmung des allgemeinen Ausgangsbetrags der Geldbuße nur einer der Gesichtspunkte war, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogen hat, ist sie doch jedenfalls von der Kommission bei der Festsetzung dieses Betrags tatsächlich berücksichtigt worden. Damit ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass der Ausgangsbetrag der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße nicht notwendigerweise geringer als 11,55 Millionen Euro gewesen wäre, wenn der Kupferpreis von dem Marktumsatz abgezogen worden wäre.

80      Folglich ist zu prüfen, ob die Kommission bei der Beurteilung der Größe des relevanten Marktes zu Unrecht den Kupferpreis berücksichtigt hat.

81      Die Klägerinnen führen hierzu aus, dass sich der Kupferpreis der Kontrolle der Industrierohrhersteller entziehe, da er an der LME festgelegt werde, und dass die Käufer von Industrierohren selbst entschieden, zu welchem Preis das Metall erworben werde.

82      Es gibt jedoch keinen stichhaltigen Grund dafür, dass bei der Berechnung des Umsatzes eines Marktes bestimmte Produktionskosten außer Betracht gelassen werden müssten. Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, gibt es in allen Industriezweigen Kosten des Endprodukts, die der Hersteller nicht beherrschen kann, die aber gleichwohl einen wesentlichen Bestandteil seiner gesamten Tätigkeit bilden und daher im Rahmen der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße nicht von seinem Umsatz ausgenommen werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnrn. 5030 und 5031). Der Umstand, dass der Kupferpreis einen bedeutenden Teil des Endpreises der Industrierohre darstellt oder dass die Preisschwankungen bei Kupfer sehr viel höher sind als bei anderen Rohstoffen, steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

83      Somit ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht den Kupferpreis bei der Bestimmung der Größe des betreffenden Marktes berücksichtigt hat. Damit ist auch der zweite Klagegrund nicht begründet.

84      Die Klage ist daher abzuweisen.

 Kosten

85      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Outokumpu Oyj und die Luvata Oy tragen die Kosten.

Martins Ribeiro

Papasavvas

Wahl

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Mai 2009.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.


1 – Nicht veröffentlichte vertrauliche Daten.