Language of document : ECLI:EU:T:2019:490

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

9. Juli 2019(*)

„Rechtsangleichung – Verordnung (EU) Nr. 305/2011 – Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 – Bauprodukte – Harmonisierte Normen EN 13341:2005 + A1:2011 und EN 12285-2:2005 – Begründungspflicht“

In der Rechtssache T‑53/18

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch T. Henze und J. Möller, dann durch J. Möller als Bevollmächtigte, im Beistand der Rechtsanwälte M. Winkelmüller, F. van Schewick und M. Kottmann,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch C. Hermes und A. Sipos als Bevollmächtigte,

Beklagte,


betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung erstens des Beschlusses (EU) 2017/1995 der Kommission vom 6. November 2017 über das Belassen der Fundstelle der harmonisierten Norm EN 13341:2005 + A1:2011 „Ortsfeste Tanks aus Thermoplasten für oberirdische Lagerung von Haushalts-Heizölen, Kerosin und Dieselkraftstoffen“ nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2017, L 288, S. 36) und zweitens des Beschlusses (EU) 2017/1996 der Kommission vom 6. November 2017 über das Belassen der Fundstelle der harmonisierten Norm EN 12285-2:2005 „Werksgefertigte Tanks aus Stahl“ nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2017, L 288, S. 39)

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter V. Valančius (Berichterstatter) und U. Öberg,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 26. Februar 1999 erteilte die Europäische Kommission dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) den Auftrag M/131 zur Erarbeitung harmonisierter Normen für Rohre, Behälter und Zubehörteile, die nicht mit Trinkwasser in Berührung kommen. Diese Normen sollten eine Reihe wesentlicher Merkmale wie mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Bruchfestigkeit, Tragfähigkeit und Dichtigkeit erfassen.

2        Im Jahr 2004 verabschiedete das CEN die harmonisierte Norm EN 12285-2:2005 für Tanks aus Stahl. Das im Auftrag M/131 genannte Leistungsmerkmal „mechanische Festigkeit und Standsicherheit“ wird in den Tabellen des Abschnitts ZA. behandelt, in denen vorgesehen ist, dass die Waren hinsichtlich der Wanddicke die in Abschnitt 4.3.6.1 und Tabelle 3 der harmonisierten Norm aufgestellten Anforderungen erfüllen müssen. In diesem Abschnitt und in dieser Tabelle sind die Mindestwanddicken aufgeführt, die bei den fraglichen Tanks einzuhalten sind.

3        In den Jahren 2005 und 2010 verabschiedete das CEN die harmonisierte Norm EN 13341:2005 + A1:2011 für ortsfeste Tanks aus Thermoplasten. Diese Norm enthielt Verfahren und Kriterien zur Beurteilung der Leistung für eine Reihe wesentlicher Merkmale. Das im Auftrag M/131 genannte Leistungsmerkmal „mechanische Festigkeit und Standsicherheit“ wird in den Tabellen des Abschnitts ZA.1 von Anhang ZA behandelt, in denen vorgesehen ist, dass die Waren die in den Tabellen 4 bis 6 der harmonisierten Norm aufgestellten Anforderungen an die Wanddicke erfüllen müssen. In diesen Tabellen 4 bis 6 sind die Mindestwanddicken aufgeführt, die bei den fraglichen Tanks einzuhalten sind.

4        Die harmonisierten Normen enthalten keine besonderen Anforderungen an die oder Verfahren zur Beurteilung für den Fall einer Verwendung dieser Tanks in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten. Ebenso wenig enthalten sie Anforderungen an die Verankerung der Behälter im Baugrund.

5        Dasselbe gilt für die Leistungsmerkmale „Bruchfestigkeit“ und „Tragfähigkeit“, hinsichtlich deren die genannten harmonisierten Normen keine Verfahren oder Kriterien für die Bewertung dieser Leistungen enthalten.

6        Am 21. August 2015 erhob die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 18 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates (ABl. 2011, L 88, S. 5) bei der Kommission formale Einwände gegen die harmonisierten Normen EN 13341:2005 + A1:2011 und EN 12285-2:2005.

7        Sie war der Auffassung, dass die beiden streitigen Normen nicht vollständig mit dem von der Kommission erteilten Auftrag M/131 übereinstimmten und Festlegungen in Bezug auf wesentliche Merkmale von Bauprodukten im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 vermissen ließen. Diese beiden Normen verstießen gegen Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 sowie gegen das Mandat M/131, da Verfahren zur Bestimmung der Leistung in Bezug auf die mechanische Festigkeit und Standsicherheit sowie die Bruchfestigkeit und Tragfähigkeit und insbesondere in Bezug auf die Verwendung dieser Produkte in Erdbeben- und Überschwemmungsgebieten fehlten.

8        In der Folge regte die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der harmonisierten Normen EN 13341:2005 + A1:2011 und EN 12285-2:2005 an, bis zum Vorliegen harmonisierter Prüfmethoden zur mechanischen Festigkeit und Standfestigkeit sowie zur Bruchfestigkeit und Tragfähigkeit bei Verwendung in Erdbeben- und Überschwemmungsgebieten die Fundstellen der Normen für ortsfeste Tanks aus Thermoplasten und werksgefertigte Tanks aus Stahl im Amtsblatt der Europäischen Union unter Vorbehalt zu veröffentlichen oder, hilfsweise, sie aus dem Amtsblatt der Europäischen Union zu streichen.

9        Nachdem sie den aufgrund von Art. 64 der Verordnung Nr. 305/2011 eingesetzten Ständigen Ausschuss für das Bauwesen konsultiert hatte, befasste die Kommission den Ausschuss nach Art. 22 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung, zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 98/34/EG, 2004/22/EG, 2007/23/EG, 2009/23/EG und 2009/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 87/95/EWG des Rates und des Beschlusses Nr. 1673/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2012, L 316, S. 12). Dieser Ausschuss nahm zu den formalen Einwänden Stellung.

10      Am 6. November 2017 erließ die Kommission zwei Beschlüsse betreffend die von der Bundesrepublik Deutschland gegen die harmonisierten Normen EN 13341:2005 + A1:2011 und EN 12285-2:2005 erhobenen formalen Einwände, nämlich den Beschluss (EU) 2017/1995 der Kommission vom 6. November 2017 über das Belassen der Fundstelle der harmonisierten Norm EN 13341:2005 + A1:2011 „Ortsfeste Tanks aus Thermoplasten für oberirdische Lagerung von Haushalts-Heizölen, Kerosin und Dieselkraftstoffen“ nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2017, L 288, S. 36) und den Beschluss (EU) 2017/1996 der Kommission vom 6. November 2017 über das Belassen der Fundstelle der harmonisierten Norm EN 12285-2:2005 „Werksgefertigte Tanks aus Stahl“ nach der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2017, L 288, S. 39) (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse).

11      Art. 1 des Beschlusses 2017/1995 sieht vor:

„Die Fundstelle der harmonisierten Norm EN 13341:2005 + A1:2011 ‚Ortsfeste Tanks aus Thermoplasten für oberirdische Lagerung von Haushalts-Heizölen, Kerosin und Dieselkraftstoffen – Tanks, die aus blasgeformtem und rotationsgeformtem Polyethylen sowie aus rotationsgeformtem anionisch polymerisiertem Polyamid 6 hergestellt wurden – Anforderungen und Prüfverfahren‘ wird im Amtsblatt der Europäischen Union belassen.“

12      Art. 1 des Beschlusses 2017/1996 sieht vor:

„Die Fundstelle der harmonisierten Norm EN 12285-2:2005 ‚Werksgefertigte Tanks aus Stahl – Teil 2: Liegende zylindrische ein- und doppelwandige Tanks zur oberirdischen Lagerung von brennbaren und nichtbrennbaren wassergefährdenden Flüssigkeiten‘ wird im Amtsblatt der Europäischen Union belassen.“

 Verfahren und Anträge der Parteien

13      Mit Klageschrift, die am 31. Januar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland die vorliegende Klage erhoben.

14      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

–        die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

16      Zur Stützung ihrer Klage macht die Bundesrepublik Deutschland zwei Klagegründe geltend, mit denen sie im Wesentlichen erstens einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und zweitens die Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011 rügt.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungpflicht

17      Mit dem ersten Klagegrund macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass in den angefochtenen Beschlüssen gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 Abs. 2 AEUV verstoßen werde.

18      Erstens gehe aus den Begründungserwägungen und aus dem Kontext der angefochtenen Beschlüsse nicht eindeutig hervor, ob die Kommission der Auffassung sei, dass die betreffenden harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats und den Grundanforderungen an Bauwerke entsprächen, oder ob diese Frage im Rahmen der angefochtenen Beschlüsse irrelevant sei.

19      Zweitens stehe die von der Kommission in der Klagebeantwortung zum Ausdruck gebrachte Auffassung in Widerspruch zum zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Beschlüsse. Die Kommission behaupte dort nämlich, in den zuständigen Ausschüssen habe niemand die Forderung der Bundesrepublik Deutschland nach einer Streichung der Fundstellen unterstützt, während es in den angefochtenen Beschlüssen heiße, dass „weitgehende Einigkeit“ bestanden habe, die Fundstelle der betreffenden Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu belassen.

20      Drittens gehe aus den angefochtenen Beschlüssen weder hervor, dass der aufgrund von Art. 5 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1998, L 204, S. 37) eingesetzte Ausschuss, nunmehr der Ausschuss nach Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012, zu den formalen Einwänden der Bundesrepublik Deutschland Stellung genommen habe, noch in welchem Sinne. Es sei bezeichnend, dass die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses nach Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 weder vorgelegt noch nähere Ausführungen zu deren Inhalt gemacht habe. Zudem sei nicht einmal eine inhaltliche Befassung dieses Ausschusses mit ihrer Hauptforderung, einen Vorbehalt bei der Fundstellenveröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union aufzunehmen, erfolgt.

21      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

22      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Art. 296 Abs. 2 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 Abs. 2 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 6. März 2003, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Außerdem ist zu beachten, dass es sich nach ständiger Rechtsprechung bei der Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (vgl. Urteil vom 22. Mai 2012, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑17/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:243, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Im Licht dieser Erwägungen ist der erste von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachte Klagegrund zu prüfen, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird.

26      Was erstens das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland anbelangt, die Kommission habe sich nicht klar und präzise dazu geäußert, ob die in Rede stehenden harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats und den Grundanforderungen an Bauwerke entsprächen, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen die Stichhaltigkeit der Begründung der angefochtenen Beschlüsse und nicht die Einhaltung der Begründungspflicht in diesen Beschlüssen betrifft.

27      Folglich wird dieses Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft.

28      Was zweitens das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland betrifft, dass zwischen der Behauptung der Kommission, in den zuständigen Ausschüssen habe niemand die Forderung der Bundesrepublik Deutschland nach einer Streichung der Fundstellen unterstützt, und der Angabe in den angefochtenen Beschlüssen, dass „weitgehende Einigkeit“ bestanden habe, die Fundstelle der betreffenden Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu belassen, ein Widerspruch bestehe, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, irrelevant ist.

29      Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

30      Was drittens das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland betrifft, dass sich aus den angefochtenen Beschlüssen nicht ergebe, dass der Ausschuss nach Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 zu den formalen Einwänden der Bundesrepublik Deutschland Stellung genommen habe, und dass die Kommission die Stellungnahme dieses Ausschusses in den angefochtenen Beschlüssen nicht „vorgelegt“ habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011, dann, wenn ein Mitgliedstaat oder die Kommission der Auffassung ist, dass eine harmonisierte Norm den Anforderungen des dazugehörigen Mandats nicht vollständig entspricht, die Kommission nach Konsultation des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen den aufgrund von Art. 5 der Richtlinie 98/34 eingesetzten Ausschuss, der zu dem aufgrund von Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 eingesetzten Ausschuss geworden ist, mit dieser Angelegenheit befasst.

31      Im Übrigen sieht Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 vor, dass die Kommission anhand der Stellungnahme dieses Ausschusses beschließt, ob die Fundstelle der betreffenden harmonisierten Norm im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, nicht zu veröffentlichen, unter Vorbehalt zu veröffentlichen, zu belassen, unter Vorbehalt zu belassen oder zu streichen ist.

32      Aus diesen Bestimmungen folgt, dass die Kommission zwar verpflichtet ist, nach Konsultation des Ständigen Ausschusses für das Bauwesen den Ausschuss nach Art. 22 der Verordnung Nr. 1025/2012 zu befassen, dass sie aber keineswegs verpflichtet ist, den Inhalt dieser Stellungnahme vorzulegen oder ihn in den angefochtenen Beschlüssen darzulegen.

33      Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

34      Demgemäß ist der erste Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011

35      Mit dem zweiten Klagegrund macht die Bundesrepublik Deutschland im Wesentlichen geltend, dass die angefochtenen Beschlüsse gegen materiell-rechtliche Vorschriften der Verordnung Nr. 305/2011 verstießen. Der zweite Klagegrund besteht aus vier Teilen.

36      Als Erstes verstoßen die angefochtenen Beschlüsse nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 305/2011, weil die Kommission nicht geprüft habe, inwieweit die betreffenden harmonisierten Normen mit dem dazugehörigen Mandat übereinstimmten. Diese Normen enthielten nicht die Verfahren und Kriterien, um die Leistungen in Bezug auf die wesentlichen Merkmale mechanische Festigkeit und Standsicherheit sowie Bruchfestigkeit und Tragfähigkeit, insbesondere bei Verwendung der Tanks in Erdbeben- und Überschwemmungsgebieten, beurteilen zu können.

37      Als Zweites habe die Kommission gegen Art. 18 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 verstoßen, indem sie nicht geprüft habe, ob die betreffenden harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke sicherstellten. Diese Normen seien damit hinsichtlich wesentlicher Merkmale von Bauprodukten unvollständig, und die Einhaltung der Grundanforderungen könne durch die betreffenden harmonisierten Normen nicht sichergestellt werden.

38      Als Drittes habe die Kommission einen Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 begangen, indem sie die erste Forderung der Bundesrepublik Deutschland nach Anbringung eines Vorbehalts als unzulässig zurückgewiesen habe. Die Kommission habe im Wesentlichen zu Unrecht angenommen, dass die Bundesrepublik Deutschland auf Regelungen zur Installation und Verwendung von Bauprodukten abziele, die mit der Produktleistung und dem Inhalt der harmonisierten Normen nichts zu tun hätten. Insbesondere sei erstens der Anwendungsbereich einer technischen Norm elementarer Bestandteil derselben. Zweitens bezögen sich die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung der in Rede stehenden Produkte auch auf einen bestimmten Verwendungszweck. Drittens sei der Standpunkt der Kommission zu beanstanden, dass das Harmonisierungssystem der Verordnung Nr. 305/2011 nur die Vermarktung der in Rede stehenden Produkte betreffe, deren Installation und Verwendung aber unberührt lasse. Viertens könne bei Installation der betreffenden Produkte in Erdbeben- und Überschwemmungsgebieten anhand der in Rede stehenden harmonisierten Normen nicht die Leistung dieser Produkte bewertet werden. Fünftens wäre der geforderte Vorbehalt eine Entscheidung im Rahmen von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 gewesen.


39      Als Viertes macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, die Kommission habe einen „Beurteilungsfehler“ bei der Anwendung von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 begangen, indem sie die geforderte hilfsweise Streichung der Fundstellen der betreffenden harmonisierten Normen als unbegründet abgelehnt habe. Die Kommission nehme zu Unrecht an, dass die Mitgliedstaaten die Installation und die Verwendung der fraglichen Bauprodukte in Erdbeben- und Überschwemmungsgebieten verbieten oder beschränken dürften.

40      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland entgegen.

41      Mit dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, die Kommission habe – unter Verstoß gegen Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 305/2011 – nicht geprüft, inwieweit die betreffenden harmonisierten Normen mit dem Mandat M/131 übereinstimmten, wird im Wesentlichen das von der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des ersten Klagegrundes geltend gemachte Vorbringen aufgegriffen, nach dem sich die Kommission nicht klar und präzise dazu geäußert habe, ob die in Rede stehenden harmonisierten Normen den Anforderungen des dazugehörigen Mandats entsprächen.

42      Hierzu ist festzustellen, dass die betreffenden harmonisierten Normen nicht vollständig dem dazugehörigen Mandat entsprechen und dass die Leistungsmerkmale wie Bruchfestigkeit, Tragfähigkeit und Dichtigkeit nicht in den die Bewertung der Leistung betreffenden Verfahren und Kriterien der in Rede stehenden harmonisierten Normen enthalten sind.

43      Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass in keinem der Erwägungsgründe der angefochtenen Beschlüsse erwähnt wird, dass hinsichtlich der vorstehend erwähnten Leistungsmerkmale in den betreffenden harmonisierten Normen Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung fehlen, so dass es nicht möglich ist, zu prüfen, ob die Kommission die Übereinstimmung der betreffenden harmonisierten Normen mit dem dazugehörigen Mandat untersucht hat.

44      Dieser Umstand kann allerdings im vorliegenden Fall nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse führen, da in diesem Mandat keine Angaben in Bezug auf die Aufstellung von Leistungskriterien für die Installation oder die Verwendung der Tanks in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten enthalten sind.

45      Folglich ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

46      Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, die Kommission habe unter Verstoß gegen Art. 18 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 nicht geprüft, ob die betreffenden harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke sicherstellten, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 17 Abs. 3 der Verordnung Nr. 305/2011 harmonisierte Normen die Verfahren und Kriterien für die Bewertung der Leistung von Bauprodukten enthalten. Somit ermöglichen sie die Bewertung dieser Leistung. Indessen bezwecken sie nicht, die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke zu gewährleisten. Diese Anforderungen werden, wie dies u. a. in den Erwägungsgründen 1, 4, 12 und 41 der Verordnung Nr. 305/2011 bestätigt wird, von den Mitgliedstaaten festgelegt. Die Mitgliedstaaten haben in ihren Vorschriften über Bauprodukte, die die Einhaltung der Grundanforderungen sicherstellen, zur Gewährleistung des freien Verkehrs dieser Produkte die harmonisierten Normen in Bezug auf die Leistungsbewertung zu verwenden.

47      Folglich ist es, da die harmonisierten Normen bezwecken, die Bewertung der Leistung von Bauprodukten zu ermöglichen, nicht Sache der Kommission, zu prüfen, ob die betreffenden harmonisierten Normen die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke in Bezug auf die im Mandat M/131 genannten wesentlichen Merkmale – Bruchfestigkeit und Standsicherheit, Tragfähigkeit und Dichtigkeit – gewährleisten.

48      Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes kann daher nicht durchgreifen.

49      Bezüglich des dritten Teils des zweiten Klagegrundes, mit dem ein „Beurteilungsfehler“ gerügt wird, den die Kommission nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland dadurch begangen hat, dass sie deren erste Forderung nach Anbringung eines Vorbehalts im Anwendungsbereich der Fundstellen der betreffenden harmonisierten Normen zurückgewiesen habe, ist festzustellen, dass diese Forderung auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 keinen Erfolg haben kann, denn sie bezieht sich auf andere Fragen als den Inhalt der betreffenden harmonisierten Normen und zielt darauf ab, diese Normen um eine zusätzliche Anforderung hinsichtlich der Installation oder der Verwendung der Tanks in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten zu ergänzen. Eine solche Ergänzungsmöglichkeit ist in Art. 18 Abs. 2 dieser Verordnung indes nicht vorgesehen.

50      Diese Feststellung kann erstens nicht durch das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt werden, wonach die Kommission den begehrten Vorbehalt zum einen hätte hinzufügen können, indem sie die Bandbreite der vorgesehenen Verwendungszwecke insbesondere bei Installation oder Verwendung in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten beschränkte, und zum anderen, indem sie feststellte, dass die betreffenden wesentlichen Merkmale der betreffenden Tanks bei Installation oder Verwendung in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten nicht harmonisiert seien.

51      Zweitens ist zum Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass es den Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung Nr. 305/2011 untersagt sei, die Bereitstellung auf dem Markt sowie die Verwendung von Bauprodukten, die die CE‑Kennzeichnung tragen, zu behindern, festzustellen, dass diese Bestimmung, die die Bereitstellung der Bauprodukte auf dem Markt betrifft, auch deren Verwendung umfasst, aber nur für die Bauprodukte, die von den harmonisierten Normen erfasst sind. Die Verwendung der Tanks in Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten fällt indessen nicht in den Anwendungsbereich der betreffenden harmonisierten Normen.

52      Überdies ist hinsichtlich der „Endverwendung“ der von den betreffenden harmonisierten Normen erfassten Produkte hervorzuheben, dass diese Verwendung die technischen Verwendungen, für die diese Produkte bestimmt sein können, betrifft und nicht die Bedingungen für die Verwendung dieser Produkte in spezifischen Gebieten wie Erdbeben- oder Überschwemmungsgebieten, für die die Mitgliedstaaten zuständig bleiben.

53      Außerdem besteht entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland kein Widerspruch zwischen den angefochtenen Beschlüssen und den Beschlüssen, die in der Rechtssache T‑229/17, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, beanstandet wurden, in der die Kommission die streitigen Bestimmungen – für die kein Verfahren und keine Kriterien zur Bewertung der Leistungen in Bezug auf die Abgabe anderer gefährlicher Stoffe bestanden – vom Geltungsbereich der Fundstellen der betreffenden Normen EN 14342:2013 (Holzfußböden und Parkett) und EN 14904:2006 (Sportböden) ausgeschlossen hatte.

54      Mit ihren Beschlüssen (EU) 2017/133 vom 25. Januar 2017 über die Belassung mit Einschränkung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14342:2013 „Holzfußböden und Parkett – Eigenschaften, Bewertung der Konformität und Kennzeichnung“ im Amtsblatt der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (ABl. 2017, L 21, S. 113) und (EU) 2017/145 vom 25. Januar 2017 über die Beibehaltung des Verweises auf die harmonisierte Norm EN 14904:2006 „Sportböden – Sportböden für Hallen und Räume mehrfunktionaler Sportnutzung und Mehrzwecknutzung – Anforderungen“ im Amtsblatt der Europäischen Union mit einer Einschränkung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (ABl. 2017, L 22, S. 62) hat die Kommission nämlich bestimmte streitige Abschnitte der genannten harmonisierten Normen vom Geltungsbereich der Fundstellen dieser harmonisierten Normen ausgeschlossen, was nach dem in Art. 18 der Verordnung Nr. 305/2011 vorgesehenen Verfahren der formalen Einwände möglich ist, da die betreffenden Normen nicht inhaltlich ergänzt wurden.

55      Dagegen ist es, wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, nicht möglich, im Rahmen des Verfahrens von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 harmonisierten Normen hinsichtlich der Verwendung eine Beschränkung hinzuzufügen, die in diesen Normen nicht vorgesehen ist. Eine solche inhaltliche Änderung der harmonisierten Normen fällt nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung Nr. 305/2011 in die Zuständigkeit der Normungsgremien und nicht in die der Kommission, die ihrerseits nur im Rahmen des in Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 vorgesehenen Verfahrens handeln kann.


56      Folglich ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

57      Was schließlich den vierten Teil des zweiten Klagegrundes betrifft, mit dem die Bundesrepublik Deutschland geltend macht, die Kommission habe bei der Anwendung von Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 einen „Beurteilungsfehler“ begangen, indem sie die hilfsweise geforderte Streichung der Fundstellen der betreffenden harmonisierten Normen abgelehnt habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach dieser Bestimmung über ein weites Ermessen verfügt und dass sie nicht verpflichtet ist – es sei denn, dass das System der harmonisierten Normen seiner praktischen Wirksamkeit beraubt würde –, systematisch die Fundstellen der unvollständigen harmonisierten Normen aus dem Amtsblatt der Europäischen Union zu streichen oder die Fundstellen dieser Normen unter Vorbehalt zu belassen, indem sie eine Beschränkung in Bezug auf das Bereitstellen oder die Verwendung der betreffenden Bauprodukte auf dem Markt beschließt, da andernfalls dem System der harmonisierten Normen seine praktische Wirksamkeit genommen würde.

58      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission, die nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung Nr. 305/2011 über ein weites Ermessen verfügt, mit ihrer Annahme, dass die formalen Einwände der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die angebliche Unvollständigkeit der betreffenden harmonisierten Normen nicht die vollständige Streichung dieser Normen rechtfertigen könnten, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Anwendung dieser Bestimmung begangen hat.

59      Daher ist der zweite Klagegrund in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

60      Da keiner der von der Bundesrepublik Deutschland geltend gemachten Klagegründe begründet ist, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

62      Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten.

Pelikánová

Valančius

Öberg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Juli 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      P. Nihoul


*      Verfahrenssprache: Deutsch.