Language of document : ECLI:EU:T:2021:218

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

28. April 2021(*)

„Unionsmarke – Widerspruchsverfahren – Internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union – Bildmarke HB Harley Benton – Ältere Unionswortmarke HB – Älteres nationales Unternehmenskennzeichen – Relatives Eintragungshindernis – Verwechslungsgefahr – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 4 der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑284/20,

Klaus Berthold Besitzgesellschaft GmbH & Co. KG mit Sitz in Thalhausen (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin E. Strauß,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S. Hanne als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO:

Thomann GmbH mit Sitz in Burgebrach (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 11. März 2020 (Sache R 1359/2019‑4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Thomann GmbH und der Klaus Berthold Besitzgesellschaft GmbH & Co. KG

erlässt


DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tomljenović (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Schalin und I. Nõmm,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 13. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 22. Juni 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des Umstands, dass keine der Parteien innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, und des gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliches Verfahren zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 9. November 2017 wurde für die andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer, die Thomann GmbH, beim Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) unter der Nr. 1380752 eine internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union vorgenommen (im Folgenden: internationale Registrierung Nr. 1380752).

2        Die auf die deutsche Marke Nr. 302017108588 vom 25. August 2017 gestützte internationale Registrierung Nr. 1380752, für die der Schutz beantragt wurde, ist folgendes Bildzeichen (im Folgenden: angemeldete Marke):

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3        Die Waren, für die die internationale Registrierung Nr. 1380752 bewilligt worden ist, gehören zu den Klassen 9, 15 und 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung. Nach einer von der Thomann GmbH am 3. April 2018 an der fraglichen internationalen Registrierung vorgenommenen Einschränkung des Verzeichnisses der Waren der Klasse 25, deren Eintragung ursprünglich beantragt worden war, erfasst die Registrierung u. a. folgende Waren der Klasse 25:

„Bekleidungsstücke; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; ausgenommen Arbeits- und Schutzbekleidung“.

4        Am 21. Dezember 2017 wurde die internationale Registrierung Nr. 1380752 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) gemäß der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (ABl. 2017, L 154, S. 1) angemeldet. Die Anmeldung wurde im Blatt für Unionsmarken Nr. 2017/243 vom 22. Dezember 2017 veröffentlicht.

5        Am 20. April 2018 legte die Klägerin, die Klaus Berthold Besitzgesellschaft GmbH & Co. KG, gemäß Art. 196 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1 Buchst. a und c der Verordnung 2017/1001 Widerspruch gegen die angemeldete Marke ein.

6        Der Widerspruch war erstens auf die Unionswortmarke HB gestützt, die am 13. April 2017 angemeldet und am 7. November 2018 unter der Nr. 16602104 eingetragen worden ist (im Folgenden: ältere Marke).

7        Die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen gehören zu den Klassen 9, 24, 25 und 42 des Abkommens von Nizza. Diese Waren und Dienstleistungen der genannten Klassen entsprechen folgender Beschreibung:

–        Klasse 9: „Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalgeräte sowie Sicherungs-, Sicherheits-, Schutz- und Signalausrüstung; Schutzbekleidung zum Schutz vor Hitze, Kälte und Strahlung; Feuerschutzbekleidungsstücke; Bekleidungsstücke zum Schutz vor Unfällen; Schutzbekleidung zur Verhinderung von Verletzungen; Schutzschuhe; Spezialbekleidung für Lebensrettungsmaßnahmen; Gesichtsschutzschirme; Schutzbrillen; Schutzmasken; Schutzbekleidung für Arbeiten im Reinraumbereich; Arbeitsschutzbekleidung; Arbeitsunfallbekleidung; Unfallschutzbekleidung; Schutzbekleidung hergestellt aus antistatischem, flammhemmendem Multinormengewebe (Schutzbekleidung und Sicherheitsbekleidung); aus leitfähigen (antistatischen) Geweben hergestellte Bekleidung (Schutzbekleidung); flammfestes Gewebe aus Aramidfasern und daraus hergestellte Schutzbekleidung; antistatisches und gegen elektrische, magnetische und elektromagnetische Strahlen schützendes Gewebe und daraus hergestellte Abschirmflächen und Schutzbekleidung; Schutzbekleidung für extreme Beanspruchung gegenüber Störlichtbogen, speziell geeignet für Arbeiten unter Spannung (Schutz- und Sicherheitsbekleidung); Bekleidung und Berufsbekleidung zum Personenschutz (PSA) aus retroreflektierendem Material, insbesondere sowohl Gewebe mit diversen Materialzusammensetzungen aus natürlichen und/oder synthetisch hergestellten Fasern, als auch Gewirke und Gestricke mit diversen Materialzusammensetzungen aus natürlichen und/oder synthetisch hergestellten Fasern; insbesondere in Verbindung mit den zur Herstellung außerdem benötigten Zutaten, hierunter fallen sämtliche retroreflektierende Oberstoffe (auch laminiert und im Verbund)“.

–        Klasse 24: „Stoffe; Textilwaren und Textilersatzstoffe; Webstoffe und Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Futterstoffe; Fleece; Softshell; Jerseyware; beschichtete und laminierte Textilwaren; Textilien, welche Nano- oder Lotuseffekte aufweisen oder hiermit versehen sind; sämtliche vorgenannten Waren nur für Arbeits- und Schutzkleidung sowie für persönliche Schutzausrüstung und ESD-Schutzbekleidung zum Eigenschutz sowie zum Produktschutz, eingeschlossen Kopfbedeckungen und Schuhe hierfür“.

–        Klasse 25: „Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren; sämtliche vorgenannten Waren soweit in dieser Klasse enthalten nur für den Bereich der Arbeitskleidung und als ESD-Schutzbekleidung (Bekleidung zum Produktschutz), eingeschlossen Kopfbedeckungen und Schuhe hierfür“.

–        Klasse 42: „Prüfung, Authentifizierung und Qualitätskontrolle neuer Produkte, insbesondere Schutzbekleidung, Textilien, Bekleidung, Kopfbedeckungen und Schuhe“.

8        Der Widerspruch war zweitens auf das Unternehmenskennzeichen HB Protective Wear GmbH & Co. KG (im Folgenden: älteres Zeichen) gestützt. Die Klägerin hat erklärt, dass sie diese Firmenbezeichnung seit dem 22. Juni 2017 in Deutschland benutze. Ferner hat sie darauf hingewiesen, dass sie im Hinblick auf diese Firmenbezeichnung Schutz nach deutschem Recht beanspruchen könne.

9        Die Klägerin hat sich für folgende Waren auf ihr Unternehmenskennzeichen berufen:

„Herstellung und Vertrieb von Bekleidungsstücken, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, sowie von Schutzbekleidung zum Schutz vor Hitze, Kälte und Strahlung; Feuerschutzbekleidungsstücke; Bekleidungsstücke zum Schutz vor Unfällen; Schutzbekleidung zur Verhinderung von Verletzungen; Schutzschuhe; Spezialbekleidung für Lebensrettungsmaßnahmen; Gesichtsschutzschirme; Schutzbrillen; Schutzmasken; Schutzbekleidung für Arbeiten im Reinraumbereich; Arbeitsschutzbekleidung; Arbeitsunfallbekleidung; Unfallschutzbekleidung; Schutzbekleidung hergestellt aus antistatischem, flammhemmendem Multinormengewebe (Schutzbekleidung und Sicherheitsbekleidung); aus leitfähigen (antistatischen) Geweben hergestellte Bekleidung (Schutzbekleidung); flammfestes Gewebe aus Aramidfasern und daraus hergestellte Schutzbekleidung; antistatisches und gegen elektrische, magnetische und elektromagnetische Strahlen schützendes Gewebe und daraus hergestellte Abschirmflächen und Schutzbekleidung; Schutzbekleidung für extreme Beanspruchung gegenüber Störlichtbogen, speziell geeignet für Arbeiten unter Spannung (Schutz- und Sicherheitsbekleidung); Bekleidung und Berufsbekleidung zum Personenschutz (PSA) aus retroreflektierendem Material, insbesondere sowohl Gewebe mit diversen Materialzusammensetzungen aus natürlichen und/oder synthetisch hergestellten Fasern, als auch Gewirke und Gestricke mit diversen Materialzusammensetzungen aus natürlichen und/oder synthetisch hergestellten Fasern; insbesondere in Verbindung mit den zur Herstellung außerdem benötigten Zutaten, hierunter fallen sämtliche retroreflektierende Oberstoffe (auch laminiert und im Verbund)“.

10      Der Widerspruch war auf alle Waren und Dienstleistungen gestützt, hinsichtlich deren die Klägerin erklärt hat, dass sie aufgrund ihrer älteren Rechte Schutz beanspruchen könne (siehe oben, Rn. 7 und 9). Er richtete sich gegen alle oben in Rn. 3 angeführten Waren. Folglich war er insbesondere gegen alle Waren der Klasse 25 gerichtet (im Folgenden: angegriffene Waren).

11      Der Widerspruch war auf die Eintragungshindernisse des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützt. Im Einzelnen hat sich die Klägerin zur Stützung des Eintragungshindernisses des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 auf die ältere Marke und zur Stützung des Eintragungshindernisses des Art. 8 Abs. 4 der Verordnung auf ihr Unternehmenskennzeichen berufen.

12      Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin zur Substantiierung ihres Vorbringens zur Stützung des Eintragungshindernisses aus Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 bestimmte Beweisstücke vor, die die Existenz ihres Unternehmenskennzeichens belegen sollten, nämlich Auszüge aus den Handelsregistern des Amtsgerichts Neuwied (Deutschland) und des Amtsgerichts Montabaur (Deutschland). Ebenfalls zur Stützung des Eintragungshindernisses aus Art. 8 Abs. 4 führte die Klägerin die §§ 5, 6, 12 und 15 des Gesetzes über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082)] (im Folgenden: Markengesetz) an, ohne jedoch deren Wortlaut wiederzugeben.

13      Am 6. November 2018 nahm die Thomann GmbH im Widerspruchsverfahren Stellung. Hierbei verwies sie u. a. auf die am 3. April 2018 vorgenommene Einschränkung des Verzeichnisses ihrer Waren der Klasse 25 (siehe oben, Rn. 3).

14      Mit Entscheidung vom 24. April 2019 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch teilweise – nämlich für die angegriffenen Waren – mit der Feststellung statt, dass für diese Waren das Bestehen einer Gefahr von Verwechslungen im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu bejahen sei. Deshalb lehnte die Widerspruchsabteilung es ab, der angemeldeten Marke in der Union für die angegriffenen Waren Schutz zu gewähren. Für die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 15 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch dagegen zurück. Soweit der Widerspruch auf Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützt war, hielt ihn die Widerspruchsabteilung mangels der erforderlichen Substantiierung für unbegründet. Schließlich legte die Widerspruchsabteilung jeder Partei ihre eigenen Kosten auf.

15      Am 21. Juni 2019 legte die Thomann GmbH beim EUIPO nach den Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

16      Mit Entscheidung vom 11. März 2020 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) gab die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO der Beschwerde der Thomann GmbH in vollem Umfang statt. Infolgedessen hob sie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und wies den Widerspruch der Klägerin auch in Bezug auf die angegriffenen Waren zurück. Anschließend erlegte die Beschwerdekammer der Klägerin die Kosten, die ihr und der Thomann GmbH im Widerspruchsverfahren entstanden waren, und die Kosten auf, die diesen Parteien im Beschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer entstanden waren.

17      Was erstens das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 anbelangt, bejahte die Beschwerdekammer beim Vergleich der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen das Vorliegen eines mittleren Ähnlichkeitsgrades zwischen den angegriffenen Waren und den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 (siehe oben, Rn. 7). Ihrer Ansicht nach sind die angegriffenen Waren weder den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 noch den von ihr erfassten Dienstleistungen der Klasse 42 ähnlich. Auch bestehe kein höherer Ähnlichkeitsgrad zwischen den von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 25 und den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 9. Beim Vergleich der einander gegenüberstehenden Marken kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in bildlicher und klanglicher Hinsicht eine „unterdurchschnittliche“ Ähnlichkeit aufwiesen. Ferner bleibe der begriffliche Vergleich neutral. Abschließend kam die Beschwerdekammer bei der umfassenden Beurteilung ausgehend von der Prämisse, dass im Bereich der Waren der Klasse 25 dem bildlichen Aspekt bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine größere Bedeutung zukomme, unter Berücksichtigung dessen, dass sich die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen jeweils an ein anderes Publikum richteten, im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen sei.

18      Was zweitens das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 anbelangt, wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die Klägerin die maßgeblichen Vorschriften des Markengesetzes zwar zitiert, aber nicht vorgelegt habe. Daher blieben die genauen Voraussetzungen für die Entstehung von Rechten an einem Unternehmenskennzeichen unklar. Jedenfalls bestehe im vorliegenden Fall keine Verwechslungsgefahr. Die jeweiligen Bekleidungsbranchen, an die sich einerseits die angemeldete Marke und andererseits der Handelsname der Klägerin richteten, seien einander fern. Aufgrund der Wortbestandteile des Unternehmenskennzeichens der Klägerin, nämlich den Wörtern „protective wear“, die beschreibend und nicht unterscheidungskräftig seien und zum dominierenden Bestandteil „HB“ hinzukämen, lasse sich das Bestehen eines größeren Grades an Zeichenähnlichkeit nicht bejahen.

 Anträge der Parteien

19      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Widerspruch für die Waren der Klasse 25 stattzugeben;

–        dem EUIPO aufzuerlegen, die Eintragung der internationalen Registrierung Nr. 1380752 in der Europäischen Union für die Waren der Klasse 25 zu versagen;

–        der Thomann GmbH die Kosten der Verfahren vor dem EUIPO und gegebenenfalls dem EUIPO die Kosten des vorliegenden Gerichtsverfahrens aufzuerlegen.

20      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit der Beweisstücke, die zum ersten Mal beim Gericht vorgelegt worden sind

21      Die Klägerin hat erstens im Rahmen ihres ersten Klagegrundes u. a. ihren Gesamtkatalog aus dem Jahr 2018 als Anlage A.15 zur Klageschrift eingereicht.

22      Insoweit macht das EUIPO geltend, die Klägerin habe im Verfahren vor dem EUIPO den genannten Katalog nicht vollständig vorgelegt, sondern lediglich einige Auszüge davon. Es ist hervorzuheben, dass diese Auszüge, die sich als Seiten 78 bis 111 in der EUIPO-Akte befinden, von der Klägerin auch als Anlage A.8 zur Klageschrift eingereicht worden sind. Nach Ansicht des EUIPO stellen die übrigen Teile des Katalogs, die nicht diesen Auszügen entsprächen, einen neuen Sachvortrag und entsprechende Nachweise dar, die von der Klägerin zum ersten Mal beim Gericht vorgelegt worden seien. Eine etwaige Berücksichtigung dieses neuen Sachvortrags und dieser neuen Nachweise würde den Streitgegenstand ändern, wie er vor der Beschwerdekammer bestanden habe. Daher sei Anlage A.15 unzulässig.

23      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klage vor dem Gericht auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des EUIPO erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 72 der Verordnung 2017/1001 gerichtet ist, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, den Sachverhalt anhand erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen zu überprüfen (vgl. Urteil vom 27. Februar 2018, Gramberg/EUIPO – Mahdavi Sabet [Hülle für Mobiltelefone], T‑166/15, EU:T:2018:100, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ferner können die im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht eingereichten Schriftsätze der Parteien nach Art. 188 seiner Verfahrensordnung den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern.

24      Soweit Anlage A.15 Seiten enthält, die über die Auszüge aus dem Gesamtkatalog der Klägerin aus dem Jahr 2018 hinausgehen, die im Verfahren vor dem EUIPO vorgelegt worden sind und auf den Seiten 78 bis 111 der EUIPO-Akte (Anlage A.8 zur Klageschrift) stehen, enthält diese Anlage Bestandteile, die zum ersten Mal beim Gericht vorgelegt worden sind. Diese Teile von Anlage A.15 zur Klageschrift stellen einen neuen Sachvortrag und entsprechende Nachweise dar. Eine Berücksichtigung dieses neuen Sachvortrags und der Nachweise würde den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand ändern. Unter Berücksichtigung der oben in Rn. 23 gemachten Ausführungen sind die Teile der Anlage A.15 zur Klageschrift als unzulässig zurückzuweisen, die über die im Verfahren vor dem EUIPO vorgelegten Auszüge des genannten Katalogs hinausgehen.

25      Die Klägerin hat zweitens zur Stützung ihres Klagegrundes eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 als Anlage A.13 zur Klageschrift den Inhalt der §§ 5, 6, 12 und 15 des Markengesetzes dargelegt. Die Klägerin hatte diese Paragrafen weder im Verfahren vor der Widerspruchsabteilung noch im Verfahren vor der Beschwerdekammer im Wortlaut wiedergegeben (siehe oben, Rn. 12).

26      Unter Berücksichtigung dessen, dass die Klägerin die genannten Bestimmungen zum ersten Mal beim Gericht vorgelegt hat, und in Anbetracht der oben in den Rn. 23 und 24 gemachten Ausführungen ist Anlage A.13 für unzulässig zu erklären.

 Zu den Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand der Klage sind

27      Zunächst ist hervorzuheben, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 15 (siehe oben, Rn. 3) nicht Gegenstand der Klage sind. So hatte erstens in Bezug auf diese Waren die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch der Klägerin nicht stattgegeben, so dass gemäß Art. 67 der Verordnung 2017/1001 die von der Thomann GmbH bei der Beschwerdekammer eingelegte Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung diese Waren nicht erfasste. Aus Art. 67 der Verordnung 2017/1001 ergibt sich im Wesentlichen, dass bei der Beschwerdekammer nur insoweit eine Beschwerde gegen eine von einer untergeordneten Dienststelle erlassene Entscheidung eingelegt werden kann, als der Beschwerdeführer durch sie beschwert ist. Zweitens hat die Klägerin bei der Beschwerdekammer keine Anschlussbeschwerde, mit der sich der Umfang des bereits den Gegenstand des Verfahrens vor der Beschwerdekammer bildenden Warenkomplexes erweitern ließe, eingelegt, weil die Streithelferin Beschwerde bei der Beschwerdekammer eingelegt hatte. Ferner ist festzustellen, dass die Entscheidung der Widerspruchsabteilung bestandskräftig geworden ist, soweit sie die von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 15 (siehe oben, Rn. 3) betraf.

28      Sodann ist festzustellen, dass die Klägerin keine konkrete Rüge gegen die angefochtene Entscheidung erhoben hat, soweit die Beschwerdekammer die angegriffenen Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 (siehe oben, Rn. 7) verglichen hat. Auch wenn sich die Klägerin nicht dazu geäußert hat, wie mit den Erwägungen der Beschwerdekammer zu den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 (vgl. die Erwägungsgründe 22 und 24 der angefochtenen Entscheidung) verfahren werden soll, kann daraus nicht geschlossen werden, dass diese Waren und Dienstleistungen nicht Gegenstand der Klage sind. In den nachstehenden Erwägungen ist nur zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht anzweifelt, dass die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der genannten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 richtig ist.

 Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001

29      Zur Stützung ihres Antrags auf Aufhebung (siehe oben in Rn. 19 erster Gedankenstrich den ersten Teil des ersten Antrags) trägt die Klägerin einen Klagegrund vor, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 rügt. Insoweit macht sie geltend, die Beschwerdekammer habe zum Teil Fehler begangen, als sie die angegriffenen Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren und die einander gegenüberstehenden Zeichen miteinander verglichen habe. Also habe die Beschwerdekammer zu Unrecht eine Verwechslungsgefahr „zwischen den zu vergleichenden Marken“ verneint.

30      Das EUIPO weist dieses Vorbringen zurück.

31      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Art. 189 Abs. 1 der Verordnung 2017/1001 eine internationale Registrierung, in der die Europäische Union benannt ist, vom Tage der Registrierung gemäß Art. 3 Abs. 4 des Madrider Protokolls an dieselbe Wirkung wie die Anmeldung einer Unionsmarke hat. Nach Art. 196 Abs. 1 der Verordnung kann gegen internationale Registrierungen, in denen die Europäische Union benannt ist, ebenso Widerspruch erhoben werden wie gegen veröffentlichte Anmeldungen von Unionsmarken. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 196 Abs. 3 der Verordnung die Verweigerung des Schutzes einer internationalen Registrierung mit Benennung der Europäischen Union an die Stelle der Zurückweisung einer Anmeldung einer Unionsmarke tritt.

32      Schließlich ist festzustellen, dass nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

33      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gefahr von Verwechslungen beim Publikum als die Gefahr definiert, dass das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 setzt voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich dabei um kumulative Voraussetzungen (Beschluss vom 3. Juni 2015, The Sunrider Corporation/HABM, C‑142/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:371, Rn. 108). Die Verwechslungsgefahr ist umfassend, gemäß der Wahrnehmung der betreffenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen (Urteil vom 4. Juli 2019, FTI Touristik/EUIPO, C‑99/18 P, EU:C:2019:565, Rn. 20).

35      Anhand dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Beschwerdekammer im Wesentlichen annehmen durfte, dass im vorliegenden Fall Verwechslungsgefahr bestand.

–       Zum maßgeblichen Gebiet

36      Aus Rn. 16 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass nach Ansicht der Beschwerdekammer das für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebliche Gebiet die Europäische Union ist. Die von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung im Hinblick auf das maßgebliche Gebiet wird von der Klägerin nicht in Frage gestellt.

37      Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 ist das Bestehen von Verwechslungsgefahr aus der Sicht des Publikums im Schutzgebiet der älteren Marke zu beurteilen (Urteile vom 26. April 2007, Alcon/HABM, C‑412/05 P, EU:C:2007:252, Rn. 51, und vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, EU:C:2007:514, Rn. 59).

38      Da die ältere Marke eine im gesamten Unionsgebiet geschützte Unionsmarke ist, muss im vorliegenden Fall das Vorliegen von Verwechslungsgefahr auf der Ebene dieses Gebiets beurteilt werden. Folglich ist die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung, dass das maßgebliche Gebiet das Unionsgebiet sei, zu bestätigen.

–       Zum maßgeblichen Publikum und seinem Aufmerksamkeitsgrad

39      Erstens nahm die Beschwerdekammer hinsichtlich der angegriffenen Waren im dritten Satz des 24. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich an, dass sie sich an die Allgemeinheit richteten. Aus dem 34. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geht ausdrücklich und aus ihren Erwägungsgründen 20, 23 und 24 implizit, aber zwangsläufig hervor, dass die Beschwerdekammer hinsichtlich der angegriffenen Waren annahm, dass der Aufmerksamkeitsgrad des breiten Publikums durchschnittlich sei.

40      Zweitens nahm die Beschwerdekammer hinsichtlich der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 in den Erwägungsgründen 20 und 34 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich an, dass diese Waren nur an das Fachpublikum gerichtet seien, dessen Aufmerksamkeitsgrad erhöht sei.

41      Drittens wies die Beschwerdekammer hinsichtlich der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass sich diese Waren ausschließlich an das Fachpublikum der Hersteller von Arbeits- und Schutzbekleidung und nicht an den „Endverbraucher“ richteten. Unter dem Begriff „Endverbraucher“ versteht die Beschwerdekammer das „breite Publikum“. Aus einer Gesamtschau der Erwägungsgründe 23 und 34 der angefochtenen Entscheidung geht implizit hervor, dass nach Ansicht der Beschwerdekammer der Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums als das für die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 maßgebliche Publikum erhöht ist.

42      Viertens und letztens geht aus dem 22. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die von der Beschwerdekammer in Bezug auf das maßgebliche Publikum und seinen Aufmerksamkeitsgrad im Hinblick auf die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 vorgenommene Beurteilung (vgl. u. a. den 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und siehe oben, Rn. 40) für die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 „entsprechend“ gilt. Das umfasst auch ihre Erwägungen zur Festlegung des maßgeblichen Publikums und seines Aufmerksamkeitsgrades. Daher ist festzustellen, dass sich die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 nach Ansicht der Beschwerdekammer an ein Fachpublikum mit einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad richten.

43      Die Klägerin beanstandet nur einen Teil dieser Beurteilung.

44      Erstens beanstandet die Klägerin nicht die Feststellung der Beschwerdekammer, dass sich die angegriffenen Waren an das breite Publikum richteten, dessen Aufmerksamkeitsgrad durchschnittlich sei.

45      Zweitens ist die Klägerin der Ansicht, dass sich die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25, anders als es aus dem 34. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, nicht nur an das Fachpublikum, dessen Aufmerksamkeitsgrad erhöht sei, richteten, sondern sich sowohl an das Fachpublikum als auch an das breite Publikum richteten, „so dass sich die Verkehrskreise der sich gegenüberstehenden Marken nicht unterscheiden, sondern überschneiden“.

46      Dies sei der Fall, weil zum Ersten Arbeitsbekleidung von einem Großteil des breiten Publikums getragen, ausgesucht und beschafft werde. Arbeitsbekleidung sei Kleidung, die während der Arbeitszeit getragen werde. Im vorliegenden Fall handele es sich um vielseitige Bekleidung, die sich für bestimmte Berufe als zweckmäßig erwiesen habe und für sie üblich geworden sei. Hierunter falle beispielsweise ein Anzug, generell Business-Kleidung, Kochkleidung, Arztkleidung oder Bekleidung für Kellner bzw. Handwerker.

47      Zum Zweiten sei der Übergang zwischen einerseits „Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen“, wie die von der angemeldeten Marke erfassten, und andererseits „Arbeits- und Schutzbekleidung einschließlich Kopfbedeckungen und Schuhen hierfür“, wie die von der älteren Marke erfassten, „fließend“. Dies treffe insbesondere auf Arbeits- und Schutzbekleidung, die gegen Kälte schütze, sowie herkömmliche Funktionsbekleidung, insbesondere für das Heimwerken, zu. Wie sich aus einigen Screenshots der Website eines bestimmten bekannten deutschen Bekleidungsherstellers (Anlage A.7 zur Klageschrift) schließen lasse, sei im Onlineshop dieses Herstellers Arbeitsbekleidung neben herkömmlicher Bekleidung zu finden. Auch die Klägerin biete Bekleidung wie Parkas, Jacken, Fleece-Jacken, Westen, T-Shirts, Funktionsunterwäsche, Strickmützen und Handschuhe an, die sich nicht von herkömmlicher Bekleidung unterscheide. Dies lasse sich anhand bestimmter Auszüge aus dem Produktkatalog der Klägerin (Anlage A.8 zur Klageschrift bzw. S. 78 bis 111 der EUIPO-Akte) sowie ihrem Gesamtkatalog aus dem Jahr 2018 (Anlage A.15 zur Klageschrift) überprüfen. Schließlich weist die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens, das im Wesentlichen lautet, dass die Grenze zwischen den Bezeichnungen von Waren wie den angegriffenen Waren und ihren eigenen Arbeits- und Schutzwaren fließend sei, darauf hin, dass sie in der Vergangenheit ihre eigenen Waren, u. a. gesteppte und gefütterte Anoraks und Parkas usw., einer bestimmten gemeinnützigen Einrichtung gestiftet habe. Hierzu legt die Klägerin als Anlage A.9 zur Klageschrift Screenshots zweier Artikel aus den Jahren 2017 und 2018 vor, aus denen die Einzelheiten der Waren hervorgingen, die gespendet worden seien.

48      Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, dass in Anbetracht dessen, dass sich das maßgebliche Publikum für die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 sowohl aus dem Fachpublikum als auch dem breiten Publikum zusammensetze, nicht die Annahme eines erhöhten, sondern eines durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrades gerechtfertigt sei.

49      Drittens beanstandet die Klägerin nicht die im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung von der Beschwerdekammer in Bezug auf das maßgebliche Publikum für die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 vorgenommene Beurteilung, dass insoweit das Fachpublikum der Hersteller von Arbeits- und Schutzbekleidung zugrunde zu legen sei. Die Klägerin zweifelt ebenso wenig an, dass dieses Publikum einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweise.

50      Viertens und letztens beanstandet die Klägerin nicht die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung in Bezug auf das maßgebliche Publikum und seinen Aufmerksamkeitsgrad bei den von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42.

51      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

52      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach der Rechtsprechung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren und Dienstleistungen abzustellen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (vgl. Urteile vom 12. Januar 2006, Ruiz-Picasso u. a./HABM, C‑361/04 P, EU:C:2006:25, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. Februar 2007, Mundipharma/HABM – Altana Pharma [RESPICUR], T‑256/04, EU:T:2007:46, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Erstens ist hinsichtlich der angegriffenen Waren die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung, dass sich diese Waren an das breite Publikum richteten, das über einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad verfüge (siehe oben, Rn. 39), zu bestätigen. Diese Waren betreffen nämlich Gegenstände, die vom breiten Publikum im Alltag benutzt werden. In Bezug auf die in Klasse 25 des Abkommens von Nizza enthaltene herkömmliche Bekleidung wie diejenige, die von der angemeldeten Marke erfasst wird, hat das Gericht bereits entschieden, dass der Verbraucher von Waren dieser Art den in Rede stehenden Waren einen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad widmet, sofern es sich nicht um besonders teure Kleidungsstücke handelt oder diese Bekleidung einen erhöhten technologischen oder schützenden Charakter hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2004, New Look/HABM – Naulover [NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection], T‑117/03 bis T‑119/03 und T‑171/03, EU:T:2004:293, Rn. 43, und vom 7. Juli 2005, Miles International/HABM – Biker Miles [Biker Miles], T‑385/03, EU:T:2005:276, Rn. 28 und 29).

54      Zweitens ist das oben in den Rn. 45 und 47 angeführte Vorbringen der Klägerin nicht geeignet, einen Beurteilungsfehler der Beschwerdekammer hinsichtlich der Frage, an welches Publikum sich die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 richten, darzutun.

55      Entgegen dem Vorbringen der Klägerin geht aus der Beschreibung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 nicht hervor, dass diese Waren für das breite Publikum bestimmt sind. Aus dieser Beschreibung geht vielmehr hervor, dass diese Waren für Fachleute bestimmt sind. Diese Waren werden nämlich nicht einfach mit den Wörtern „Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; Schuhwaren“ beschrieben, wie es bei den angegriffenen Waren der Fall ist. Demgegenüber ist die Beschreibung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 einer Angabe untergeordnet, die die Eigenschaft einer Bedingung hat und die mögliche Zahl der von der älteren Marke erfassten Waren begrenzen soll. Es handelt sich um folgende konkrete Angabe: „sämtliche vorgenannten Waren soweit in dieser Klasse enthalten nur für den Bereich der Arbeitskleidung und als ESD-Schutzbekleidung (Bekleidung zum Produktschutz), eingeschlossen Kopfbedeckungen und Schuhe hierfür“.

56      Arbeitsbekleidung und ESD-Schutzbekleidung ist aber für Fachleute bestimmt.

57      Zum Ersten wird Arbeitsbekleidung im Allgemeinen nämlich zu beruflichen Zwecken entsprechend den Spezifikationen des Arbeitgebers gekauft. In bestimmten Fällen handelt es sich um vom Arbeitgeber gestellte Bekleidung. Arbeitsbekleidung hat spezielle Eigenschaften, die Bedürfnisse erfüllen, die über die Bedürfnisse hinausgehen, die herkömmliche Bekleidung erfüllt. So kann Arbeitsbekleidung ein Schutzniveau bieten, das nur bestimmte Situationen in einem Berufsfeld erfordern. Dies ist beispielsweise der Fall bei einer Jacke, die es ermöglicht, für einen bestimmten Zeitraum in Kühllagern oder Kühlräumen mit Temperaturen von bis zu ‑49° C zu bleiben. Alternativ kann Arbeitsbekleidung bloß eine Form oder Farbe haben, anhand deren sich die Personen, die diese Kleidung in einer besonderen beruflichen Situation benutzen, von den Personen unterscheiden lassen, die sich nicht in dieser Situation befinden. Dies ist beispielsweise der Fall bei Kleidung für Ärzte, Köche, Anwälte oder Priester, die kein erhöhtes Schutzniveau bietet. Zudem ist Arbeitsbekleidung nicht in allgemeinen Bekleidungsgeschäften erhältlich, sondern nur in Fachgeschäften, seien es physische oder Online-Geschäfte. Schließlich hat Arbeitsbekleidung im Allgemeinen einen höheren Kaufpreis als herkömmliche Bekleidung.

58      Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Klägerin das Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 so auslegt, dass für den Alltag geeignete Arbeitsbekleidung von einem „Großteil“ der Bevölkerung getragen, ausgesucht und beschafft werde. Ganz allgemein lasse sich Arbeits- und Schutzbekleidung nicht von herkömmlicher Bekleidung, insbesondere für das Heimwerken, unterscheiden (siehe oben, Rn. 45).

59      Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass ein dem breiten Publikum angehörender Verbraucher seinen Kälteschutzbedarf dadurch decken möchte, dass er Arbeitskleidung trägt, die es ermöglicht, für einen bestimmten Zeitraum in Kühllagern oder Kühlräumen mit Temperaturen von bis zu ‑49° C zu bleiben. Allerdings ist solch eine Situation selten und außergewöhnlich, so dass sie an der oben in Rn. 56 gezogenen Folgerung nichts ändert. Wie die Beschwerdekammer im 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, werden Verbraucher, die Sport- oder Funktionsbekleidung erwerben wollen, im Allgemeinen diese Waren nicht in einem Berufsbekleidungsfachgeschäft nachfragen, und wer Berufsbekleidung braucht, geht nicht in ein Kaufhaus oder Sportgeschäft. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird sich nur ein zu vernachlässigender Teil des breiten Publikums an ein Fachgeschäft richten, um für den Alltag geeignete Arbeitsbekleidung zu kaufen.

60      Zum anderen legt die Klägerin das Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 folgendermaßen aus: „Arbeitskleidung ist Kleidung, die während der Arbeitszeit getragen wird“. Somit vertritt die Klägerin im Wesentlichen die Ansicht, dass jede herkömmliche Bekleidung, beispielsweise ein Anzug, Arbeitsbekleidung sein könnte.

61      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 die Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den beantragten Schutzumfang bestimmen können. Daraus folgt, dass eine bestimmte Unionsmarke durch ihre Eintragung den zuständigen Behörden und der Öffentlichkeit, insbesondere den Wirtschaftsteilnehmern, zugänglich gemacht werden soll. Die zuständigen Behörden müssen hinreichend klar und eindeutig die von einer Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen erkennen können, damit sie in der Lage sind, ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Vorprüfung der Markenanmeldungen sowie auf die Veröffentlichung und den Fortbestand eines zweckdienlichen und genauen Markenregisters nachzukommen. Die Wirtschaftsteilnehmer müssen in der Lage sein, klar und eindeutig in Erfahrung zu bringen, welche Eintragungen oder Anmeldungen ihre gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerber veranlasst haben, und auf diese Weise einschlägige Informationen über die Rechte Dritter zu erlangen (vgl. Urteil vom 19. Juni 2012, Chartered Institute of Patent Attorneys, C‑307/10, EU:C:2012:361, Rn. 46 bis 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62      Die von der Klägerin vorgenommene Auslegung des Verzeichnisses der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 (siehe oben, Rn. 46) läuft aber dem Ziel von Art. 33 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 zuwider, so dass ihr nicht gefolgt werden kann. Sie macht nämlich die Grenze zwischen herkömmlicher Bekleidung und Arbeitsbekleidung fließend und wirkungslos. Wäre dieser von der Klägerin vorgenommenen Auslegung zu folgen – was nicht der Fall ist –, hätte dies zur Konsequenz, dass die Beschreibung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 und mithin der Umfang des von dieser Marke gewährten Schutzes so weit gefasst wären, dass der von der älteren Marke gewährte Schutz nicht mehr hinreichend sicher im Sinne des genannten Art. 33 Abs. 2 von den zuständigen Behörden und den Wirtschaftsteilnehmern bestimmt werden könnte. Die von der Klägerin angeregte Auslegung entspricht auch nicht dem Bedürfnis nach Klarheit und Eindeutigkeit, von dem in der oben in Rn. 61 angeführten Rechtsprechung die Rede ist.

63      Schließlich ist festzustellen, dass der Umstand, dass ein deutscher Hersteller in seinem Onlineshop Arbeitsbekleidung und herkömmliche Bekleidung anbietet, was aus Screenshots der Website dieses deutschen Herstellers hervorgehen soll (Anlage A.7 zur Klageschrift, siehe oben, Rn. 47), die oben in den Rn. 54 bis 62 gemachten Ausführungen unberührt lässt. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Klägerin Arbeitsbekleidung anbietet, die sich nicht von herkömmlicher Bekleidung unterscheiden soll, was sich nach Ansicht der Klägerin anhand der Durchsicht ihres Gesamtkatalogs aus dem Jahr 2018 (Anlage A.15 zur Klageschrift) oder zumindest bestimmter Auszüge aus diesem Katalog (Anlage A.8 zur Klageschrift) oder anhand der Lektüre der Artikel überprüfen lassen soll, die zeigten, dass sie einige ihrer Waren einer gemeinnützigen Einrichtung gestiftet habe (Anlage A.9 zur Klageschrift, siehe oben, Rn. 47). Denn ohne dass auf die Beweiskraft dieser Beweisstücke als solcher eingegangen zu werden braucht, und unter Berücksichtigung dessen, dass ein Teil dieser Anlagen, nämlich bestimmte Teile von Anlage A.15, unzulässig ist (siehe oben, Rn. 24), ist festzustellen, dass die von der Klägerin angeführten Beispiele der Praxis eines bestimmten deutschen Herstellers oder ihrer eigenen Praxis einen punktuellen und zufälligen Charakter haben. Die von der Klägerin angeführten Beispiele ändern nichts an der Feststellung, dass es sich bei Arbeitsbekleidung um Bekleidung handelt, die im Allgemeinen von spezialisierten Händlern über Vertriebswege, die für ein Fachpublikum und nicht für das breite Publikum bestimmt sind, zu einem höheren Kaufpreis als herkömmliche Bekleidung verkauft wird (siehe oben, Rn. 57).

64      Zum Zweiten ist – wie die Beschwerdekammer im 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht ausgeführt hat – ESD-Schutzbekleidung (Bekleidung zum Produktschutz), die ebenfalls zu den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 gehört, eine spezielle Bekleidung, die in der Industrie z. B. bei hochsensibler Bauteilfertigung zu tragen ist, um die empfindlichen Komponenten in der Chip-Industrie vor elektrostatischer Entladung zu schützen. Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass der Fachverkehr und nicht das breite Publikum an dieser Warenart interessiert ist.

65      Zum Dritten gelten die oben in den Rn. 52 bis 64 dargelegten Erwägungen entsprechend für Handschuhe und Schuhwaren, die zu der Beschreibung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 gehören.

66      Schließlich ist festzustellen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums, an das sich alle von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 richten, entgegen dem Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Rn. 48) erhöht ist.

67      Jedenfalls werden die wenigen Verbraucher, die zum breiten Publikum gehören und in Betracht ziehen könnten, Arbeitsbekleidung, Arbeitshandschuhe oder Arbeitsschuhe zur Deckung ihres Alltagsbedarfs zu einem hohen Preis zu kaufen, einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweisen. Denn eine solche Situation ist selten oder gar außergewöhnlich. Einer so speziellen und kostspieligen Bekleidung wird erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet.

68      Drittens ist hinsichtlich der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung (siehe oben, Rn. 41), die im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandet wird (siehe oben, Rn. 49) und nach der sich diese Waren ausschließlich an das Fachpublikum der Hersteller von Arbeits- und Schutzbekleidung richten, zu bestätigen. Denn nur das Fachpublikum verarbeitet Stoffe von der Art der mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren der Klasse 24 zu Arbeitsbekleidung. Schließlich ist auch der Schluss der Beschwerdekammer zu bestätigen, dass der Aufmerksamkeitsgrad des Fachpublikums als das für die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 maßgebliche Publikum erhöht ist.

69      Viertens und letztens ist der von der Beschwerdekammer im 22. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung implizit vorgenommene und im Übrigen von der Klägerin nicht beanstandete Schluss, der im Wesentlichen lautet, dass sich die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 an ein Fachpublikum mit einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad richten, zu bestätigen. Denn die mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 betreffen allesamt hochgradig spezialisierte Artikel oder Dienstleistungen.

–       Zum Vergleich der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen

70      In den Erwägungsgründen 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung führte die Beschwerdekammer aus, dass die angegriffenen Waren den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 zu einem „mittleren Grad“ ähnlich seien. Sodann stellte die Beschwerdekammer im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass die angegriffenen Waren den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 nicht ähnlich seien. Schließlich geht aus dem 22. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervor, dass auch die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 den angegriffenen Waren nicht ähnlich seien.

71      Nach Ansicht der Klägerin hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren der Klasse 25 ähnlich seien. Allerdings meint die Klägerin, dass die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 entgegen der Annahme der Beschwerdekammer den angegriffenen Waren ähnlich seien. Dies sei der Fall, weil Stoffe und Textilwaren wie insbesondere Fleece und Softshell nicht ausschließlich Arbeits- und Schutzkleidung beträfen. Insbesondere Stoffe wie Fleece und Softshell kämen regelmäßig in normaler Bekleidung vor. Fast jeder besitze heutzutage eine Fleece-Jacke oder eine Softshell-Jacke, die in den unterschiedlichsten Situationen sowie an den unterschiedlichsten Orten zum Einsatz komme.

72      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

73      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen nach der Rechtsprechung alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen sind, die das Verhältnis kennzeichnen, in dem diese Waren und Dienstleistungen zueinanderstehen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere ihre Art, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihr Charakter als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Es können auch andere Faktoren wie beispielsweise die Vertriebswege der betreffenden Waren berücksichtigt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74      Was insbesondere das Ergänzungsverhältnis der Waren und Dienstleistungen anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen solche sind, zwischen denen ein enger Zusammenhang in dem Sinne besteht, dass die eine für die Verwendung der anderen unentbehrlich oder wichtig ist, so dass die Verbraucher denken können, dass die Herstellung dieser Waren oder die Erbringung dieser Dienstleistungen in der Verantwortung desselben Unternehmens liegt (vgl. Urteile vom 11. Juli 2007, PiraÑAM diseño original Juan Bolaños, T‑443/05, EU:T:2007:219, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 22. Januar 2009, Commercy/HABM – easyGroup IP Licensing [easyHotel], T‑316/07, EU:T:2009:14, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ist für die Beurteilung, ob Waren und Dienstleistungen einander ergänzen, letztlich darauf abzustellen, wie wichtig eine Ware oder Dienstleistung aus Sicht des genannten Publikums für die Verwendung einer anderen Ware oder Dienstleistung ist.

75      Im vorliegenden Fall ist die von der Beschwerdekammer in den Erwägungsgründen 19 und 20 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Feststellung, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren der Klasse 25 zu einem „mittleren Grad“ ähnlich seien, zu berichtigen. Das Gericht stellt fest, dass die von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren der Klasse 25 nur einen geringen Ähnlichkeitsgrad aufweisen. Denn all diese Waren stimmen zwar hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Bekleidung, ihres gemeinsamen Zieles, den Körper zu schützen, und ihrer Verwendungsweise überein. Allerdings werden sie über verschiedene Vertriebskanäle vertrieben und sind dazu bestimmt, von verschiedenen Verkehrskreisen benutzt zu werden, und zwar die angegriffenen Waren durch das breite Publikum und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 durch das Fachpublikum. Bei näherer Betrachtung erweisen sich die angegriffenen Waren als Waren des täglichen Bedarfs, wohingegen die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 Eigenschaften haben, die einen über den täglichen Bedarf hinausgehenden Bedarf decken. Wie die Beschwerdekammer im 21. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, gilt dasselbe für Handschuhe und Schuhwaren.

76      Sodann ist entsprechend den Ausführungen der Beschwerdekammer im 23. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass die angegriffenen Waren den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 nicht ähnlich sind. Denn die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 unterscheiden sich von den angegriffenen Waren durch ihre Art und ihre Verwendungsweise. Stoffe, Webstoffe, Fleece, Softshell, Jerseyware und alle anderen im Verzeichnis der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 genannten Materialien sind Materialien, die ausschließlich zur Herstellung von Bekleidung, Schuhwaren und Kopfbedeckungen wie die von der älteren Marke erfassten verwendet werden. Das ergibt sich eindeutig aus der Beschreibung der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24, die wie folgt lautet: „sämtliche vorgenannten Waren nur für Arbeits- und Schutzkleidung sowie für persönliche Schutzausrüstung und ESD-Schutzbekleidung zum Eigenschutz sowie zum Produktschutz, eingeschlossen Kopfbedeckungen und Schuhe hierfür“.

77      Eine Ähnlichkeit der angegriffenen Waren zu den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 lässt sich auch nicht aus einer Anwendung der Kriterien ableiten, die das Ergänzungsverhältnis zwischen zwei Warenarten im Sinne der oben in Rn. 74 angeführten Rechtsprechung betreffen.

78      Die oben in Rn. 74 genannte Definition des Ergänzungsverhältnisses der Waren oder Dienstleistungen in der Rechtsprechung bedeutet nämlich, dass die einander ergänzenden Waren oder Dienstleistungen zusammen verwendet werden können, was voraussetzt, dass sie sich an dasselbe Publikum richten (vgl. Urteil vom 16. Mai 2013, Nath Kalsi/HABM – American Clothing Associates [RIDGE WOOD], T‑80/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:251, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79      Die angegriffenen Waren richten sich aber an das breite Publikum (siehe oben, Rn. 53). Dagegen hat das Gericht die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung (siehe oben, Rn. 41), die insoweit von der Klägerin nicht beanstandet worden ist (siehe oben, Rn. 49) und nach der sich die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 ausschließlich an das Fachpublikum richten, bestätigen müssen, wie oben in Rn. 68 bereits festgestellt worden ist.

80      Folglich hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass die angegriffenen Waren den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 nicht ähnlich sind.

81      Was schließlich die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 anbelangt, stellt die Klägerin die von der Beschwerdekammer in den Erwägungsgründen 22 und 24 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung nicht in Frage. Insoweit ist erstens festzustellen, dass den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 9 und den von der angemeldeten Marke erfassten Waren der Klasse 25 gemein ist, dass sie in bestimmten Situationen als Schutz, insbesondere gegen Hitze oder Kälte, dienen können. Allerdings haben die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 9 Eigenschaften und Besonderheiten, die über den Verwendungszweck der angegriffenen Waren hinausgehen, und unterscheiden sich die Vertriebswege all dieser Waren voneinander. Daher ist entsprechend der Feststellung, die hinsichtlich der von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 getroffen worden ist (siehe oben, Rn. 75), der Schluss zu ziehen, dass die zwischen den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 9 und den angegriffenen Waren bestehende Ähnlichkeit gering ist. Zweitens und letztens unterscheiden sich die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 42 von den angegriffenen Waren durch ihre Art, ihre gewöhnlichen Lieferanten oder Hersteller und das Zielpublikum. Die genannten Dienstleistungen und Waren sind also unähnlich. Daher ist die von der Beschwerdekammer in Bezug auf die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 vorgenommene Beurteilung zu bestätigen.

82      Deshalb ist als Zwischenfazit festzustellen, dass die angegriffenen Waren weder eine Ähnlichkeit zu den von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 noch zu den von ihr erfassten Dienstleistungen der Klasse 42 aufweisen (siehe oben, Rn. 80 und 81). Dagegen weisen die angegriffenen Waren einen geringen Ähnlichkeitsgrad zu den von der älteren Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 25 auf. Ungeachtet der Berichtigungen, die im Hinblick auf die Feststellungen der Beschwerdekammer zur Ähnlichkeit der angegriffenen Waren mit den von der älteren Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 25 geboten sind (geringer statt „mittlerer“ Ähnlichkeitsgrad), ist das Vorbringen der Klägerin in Bezug auf die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Ähnlichkeit der im vorliegenden Fall einschlägigen Waren und Dienstleistungen als unbegründet zurückzuweisen.

–       Zur originären Unterscheidungskraft der älteren Marke und zu den unterscheidungskräftigen und dominierenden Bestandteilen der einander gegenüberstehenden Zeichen

83      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr die originäre Unterscheidungskraft der älteren Marke zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2014, Progust/HABM – Sopralex & Vosmarques [IMPERIA], T‑216/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:34, Rn. 43). Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je größer die Unterscheidungskraft der älteren Marke ist (Urteil vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24).

84      Im 35. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die originäre Unterscheidungskraft der älteren Marke „normal“ sei. Eine infolge intensiver Benutzung erhöhte Unterscheidungskraft der älteren Marke sei von der Klägerin weder geltend gemacht noch nachgewiesen worden. Daraus ist zu schließen, dass die Beschwerdekammer mit dem Begriff „normal“ eine originäre Unterscheidungskraft mittleren Grades der älteren Marke meint.

85      Die Klägerin stellt diese Beurteilung in Frage und trägt vor, dass sie bereits seit über 65 Jahren unter der Bezeichnung „HB“ firmiere und diese als Marke für Ihre Produkte nutze. Die Klägerin macht geltend, dass sie einer der führenden Hersteller von Arbeits- und Schutzbekleidung sei, die unter der älteren Marke vertrieben werde, so dass von einer „mindestens durchschnittlichen“ Unterscheidungskraft der Marke auszugehen sei.

86      Das EUIPO weist dieses Vorbringen zurück.

87      Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin vor der Beschwerdekammer keine aufgrund der Benutzung der älteren Marke erhöhte Unterscheidungskraft geltend gemacht hat. Es handelt sich somit um ein von der Klägerin nicht vor der Beschwerdekammer vorgebrachtes Argument, das diese nicht von Amts wegen prüfen musste und das daher unzulässig ist (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Januar 2020, Aldi/EUIPO – Titlbach [ALTISPORT], T‑697/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:14, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedenfalls ist hinsichtlich der Stichhaltigkeit dieses Arguments festzustellen, dass die bloße Behauptung, dass die Klägerin die Bezeichnung „HB“ seit über 65 Jahren als Marke für ihre Produkte benutze, kein hinreichend substantiiertes Argument darstellt. Denn allein auf der Grundlage dieses Arguments und der anderen in der Klageschrift vorgebrachten Argumente lässt sich nicht verstehen, wie die Marke von der Klägerin im Unionsgebiet tatsächlich benutzt wird. Für ihre Behauptung hat die Klägerin keinen Beweisantritt unternommen, obgleich sie vom EUIPO bestritten worden ist. Auf der Grundlage dieser bloßen Behauptung lässt sich daher das Vorliegen einer Unterscheidungskraft der älteren Marke, die nach dem Vorbringen der Klägerin „mindestens durchschnittlich“ sei, nicht bejahen.

88      Daher ist die Prüfung des ersten Klagegrundes ausgehend von der Prämisse der Beschwerdekammer fortzusetzen, dass die ältere Marke eine originäre Unterscheidungskraft mittleren Grades aufweist (siehe oben, Rn. 84).

89      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass für den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen, der zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr vorzunehmen ist, ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Bestandteile zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Oktober 2009, CureVac/HABM – Qiagen [RNAiFect], T‑80/08, EU:T:2009:416, Rn. 26). Zunächst ist zur Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Markenbestandteils nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob er geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Bei dieser Beurteilung sind insbesondere die Eigenschaften des fraglichen Bestandteils darauf zu prüfen, ob er in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, beschreibend ist oder nicht (Urteil vom 24. September 2015, Primagaz/HABM – Reeh [PRIMA KLIMA], T‑195/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:681, Rn. 41). Sodann ist hinsichtlich der dominierenden Bestandteile darauf hinzuweisen, dass das maßgebliche Publikum nach ständiger Rechtsprechung einen beschreibenden Bestandteil einer zusammengesetzten Marke im Allgemeinen zwar nicht als unterscheidungskräftiges und dominierendes Merkmal des Gesamteindrucks dieser Marke ansehen wird, doch bedeutet die geringe Unterscheidungskraft eines Bestandteils einer solchen Marke nicht zwangsläufig, dass er nicht ein dominierender Bestandteil sein kann, da er sich insbesondere durch seine Position im Zeichen, seine Größe oder die Nachrangigkeit der übrigen Bestandteile des Zeichens der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und in sein Gedächtnis einprägen kann (vgl. Urteile vom 13. Juni 2006, Inex/HABM – Wiseman [Darstellung einer Kuhhaut], T‑153/03, EU:T:2006:157, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 11. Februar 2015, Fetim/HABM – Solid Floor [Solidfloor The professional’s choice], T‑395/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:92, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

90      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer bei ihrer Untersuchung der Rügen, die im Verfahren vor ihr von der Klägerin auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 gestützt worden sind, nicht ausdrücklich geprüft, ob die ältere Marke unterscheidungskräftige oder dominierende Bestandteile aufweist. Die Beschwerdekammer hat ebenso wenig ausdrücklich die Frage geprüft, ob die angemeldete Marke unterscheidungskräftige Bestandteile aufweist.

91      Gleichwohl stellte die Beschwerdekammer beim bildlichen Vergleich in den Erwägungsgründen 27 und 29 der angefochtenen Entscheidung fest, dass sich in der angemeldeten Marke ein grafischer Bestandteil unterscheiden lasse, der „größenmäßig hervorgehoben“ sei und „als ‚HB‘ oder ‚H3‘ wahrgenommen“ werde (vgl. 27. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) oder „trotz seiner Stilisierung als ‚HB‘ wahrgenommen“ werde (vgl. 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

92      Daraus ist zu folgern, dass die Beschwerdekammer mit dieser Argumentation angenommen hat, dass der grafische Bestandteil „hb“ in der angemeldeten Marke als der dominierende Bestandteil anzusehen ist. Dieses Ergebnis ist zu bestätigen. Denn aufgrund seiner Position in der angemeldeten Marke, seiner Größe und der Stellung der Bestandteile „harley benton“ kann sich der Bestandteil „hb“ der Wahrnehmung des Verbrauchers aufdrängen und in sein Gedächtnis einprägen (siehe die oben in Rn. 89 angeführte Rechtsprechung). Ferner ist festzustellen, dass die Klägerin – wie sich aus den Rn. 40 und 41 der Klageschrift ergibt – vorgetragen hat, dass die Beschwerdekammer zutreffend angenommen habe, dass der in der angemeldeten Marke vorhandene grafische Bestandteil „hb“ der dominierende Bestandteil dieser Marke sei.

93      Desgleichen ist in Bezug auf das Vorliegen unterscheidungskräftiger Bestandteile in der angemeldeten Marke festzustellen, dass die Beschwerdekammer im 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung insoweit, als sie darauf hinweist, dass sich die einander gegenüberstehenden Zeichen „im Hinblick auf die weiteren Wortelemente ‚Harley Benton‘ [unterscheiden]“, implizit das Vorliegen unterscheidungskräftiger Bestandteile in der angemeldeten Marke annahm. Es handelt sich dabei um die Wörter „harley benton“. Diese implizite Annahme der Beschwerdekammer ist zu bestätigen. Denn das, was in der angemeldeten Marke als ein Vorname, nämlich Harley, erscheint, sowie das als Familienname benutzte Wort Benton sind geeignet, dazu beizutragen, die angegriffenen Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu identifizieren und damit diese Waren von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und zwar im Sinne der oben in Rn. 89 angeführten Rechtsprechung über die Unterscheidungskraft bestimmter Markenbestandteile. Da die Wörter „harley“ und „benton“ außer dem Umstand, dass sie jeweils als ein Vorname und ein Familienname erscheinen, keine weiteren Besonderheiten aufweisen, ist ihre Unterscheidungskraft als durchschnittlich anzusehen.

–       Zum Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen

94      In den Erwägungsgründen 29 und 30 der angefochtenen Entscheidung kam die Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass die einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht „unterdurchschnittlich“ ähnlich seien. In bildlicher Hinsicht unterschieden sich die einander gegenüberstehenden Marken ungeachtet des Vorliegens des Bestandteils „hb“ im Hinblick auf die Wortbestandteile „harley benton“ sowie im Hinblick auf die auffällige Stilisierung der angemeldeten Marke. Diese Wortbestandteile und diese Stilisierung fänden in der älteren Marke jedoch keine Entsprechung (vgl. 29. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Im Hinblick auf die klangliche Ähnlichkeit stellte die Beschwerdekammer im Wesentlichen fest, dass, selbst wenn der im oberen Teil der angemeldeten Marke stehende Bestandteil tatsächlich als „hb“ wahrgenommen und ausgesprochen werde, die übrigen Wortbestandteile bei der Benennung der Marke nicht vernachlässigt würden. In diesem Fall würden die Zeichen als [H|B|Har|ley|Ben|ton] einerseits und [HB] andererseits ausgesprochen, entsprechend den jeweiligen Ausspracheregelungen (vgl. 30. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Im 31. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung nahm die Beschwerdekammer schließlich an, dass der begriffliche Vergleich „neutral [bleibt]“, da keines der Zeichen eine Bedeutung habe. Insbesondere komme auch dem Namen Harley Benton in der angemeldeten Marke kein Begriffsgehalt zu.

95      Die Klägerin rügt gegenüber der Beschwerdekammer erstens, dass sie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass die einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher Hinsicht unterdurchschnittlich ähnlich seien. Nach Ansicht der Klägerin weisen die zu vergleichenden Zeichen eine mindestens durchschnittliche oder gar überdurchschnittliche bildliche Ähnlichkeit auf. Denn die ältere Marke sei eine aus den Großbuchstaben „HB“ bestehende Wortmarke. Grundsätzlich schütze eine Wortmarke jede beliebige Schreibweise, so dass der Schutzumfang dieser Marke auch die Schreibweise der angemeldeten Marke umfasse. Allein die spezifische Schriftart der angemeldeten Marke, die auch die Großbuchstaben „HB“ umfasse, werde nicht dazu führen, die angemeldete Marke von der älteren Marke zu unterscheiden, da die Schriftart vom angesprochenen Publikum als einfache Verzierung des Wortbestandteils aufgefasst werden könne. Sodann meint die Klägerin, dass die ältere Marke entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer identisch in der angemeldeten Marke übernommen worden sei. Zudem werde der Durchschnittsverbraucher den Bestandteil „hb“ in der angemeldeten Marke bei spontaner Wahrnehmung identifizieren und ihn als solchen memorieren bzw. in Erinnerung behalten. Somit sei „hb“ das Hauptelement, das eine selbständig kennzeichnende Stellung in der angemeldeten Marke einnehme, während „harley benton“ lediglich als Zusatz zu verstehen sei. Schließlich sei die Folgerung der Beschwerdekammer, dass die angemeldete Marke als „H3“ wahrgenommen werden könne, abwegig.

96      Zweitens meint die Klägerin in Bezug auf den Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen in klanglicher Hinsicht, dass diese Zeichen entgegen der Ansicht der Beschwerdekammer (siehe oben, Rn. 94) ähnlich seien. Dies sei der Fall, weil sich der dominierende Bestandteil „hb“ der angemeldeten Marke identisch in der älteren Marke wiederfinde und es zu erwarten sei, dass die einander gegenüberstehenden Marken identisch, nämlich als „hb“, benannt würden. Dagegen lasse allein der Umstand, dass die in der angemeldeten Marke vorhandenen Wortbestandteile „harley benton“ in der älteren Marke nicht vorhanden seien, nicht den Schluss zu, dass zwischen den betreffenden Marken „keine klangliche Ähnlichkeit besteht“.

97      Drittens und letztens ist festzustellen, dass die Klägerin die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung des begrifflichen Vergleichs (siehe oben, Rn. 94) nicht in Frage stellt.

98      Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

99      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung zwei Marken einander ähnlich sind, wenn sie aus der Sicht des maßgeblichen Publikums hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte zumindest teilweise übereinstimmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind der bildliche, der klangliche und der begriffliche Aspekt relevant (Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 23, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, EU:C:1999:323, Rn. 25). Es ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (Urteile vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM – Petit Liberto [Fifties], T‑104/01, EU:T:2002:262, Rn. 28, und vom 30. Juni 2004, BMI Bertollo/HABM – Diesel [DIESELIT], T‑186/02, EU:T:2004:197, Rn. 38).

100    Erstens ist in Bezug auf die bildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken festzustellen, dass ihnen in der Tat der Bestandteil „hb“ gemein ist. Wie die Klägerin geltend macht (siehe oben, Rn. 95), wird das Publikum bei einer Gesamtbetrachtung der angemeldeten Marke den im oberen Teil dieser Marke stehenden Bestandteil als die Aneinanderreihung der Großbuchstaben „H“ und „B“ und nicht als Kombination des Großbuchstabens „H“ und der Ziffer „3“ lesen.

101    Sodann ist daran zu erinnern, dass der Bestandteil „hb“, wie die Beschwerdekammer implizit angenommen hat, ohne dass ihr die Klägerin insoweit widersprochen hat, durchaus eine dominierende Position in der angemeldeten Marke hat (siehe oben, Rn. 92). Die ältere Marke besteht zwar aus denselben Buchstaben. Gleichwohl unterscheidet sich die angemeldete Marke in mehreren Punkten von der älteren Marke, so dass entgegen dem Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Rn. 95) nicht angenommen werden kann, dass die bildliche Ähnlichkeit durchschnittlich oder überdurchschnittlich ist.

102    Zum Ersten ist nämlich festzustellen, dass der Wortbestandteil „hb“, der der dominierende Bestandteil der angemeldeten Marke ist, deren Anfang bildet.

103    Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Verbraucher dem Anfang einer Wortmarke in der Regel größere Beachtung schenkt (vgl. Urteil vom 11. Februar 2020, Dalasa/EUIPO – Charité – Universitätsmedizin Berlin [charantea], T‑732/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:43, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch muss das Gericht nicht von der Prämisse ausgehen, dass der Verbraucher dem Anfang eines Wortzeichens mehr Aufmerksamkeit widmet als dessen Ende. Es kann stattdessen die Ansicht vertreten, dass das Ende der im Widerspruchsverfahren in Rede stehenden Zeichen unterscheidungskräftiger oder dominierender als der Anfang dieser Zeichen ist oder dass keiner ihrer Bestandteile unterscheidungskräftiger oder dominierender ist als der andere (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 28. Juni 2012, TofuTown.com/Meica, C‑599/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:403, Rn. 31). Sodann ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht bedeutet, dass nur ein Bestandteil einer komplexen Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 41). Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf ihre verschiedenen Einzelheiten (vgl. Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der Rechtsprechung kann es nur dann für die Beurteilung der Ähnlichkeit allein auf den dominierenden Bestandteil ankommen, wenn alle anderen Markenbestandteile zu vernachlässigen sind (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, EU:C:2007:333, Rn. 42). Insoweit hat der Gerichtshof deutlich gemacht, dass die Tatsache, dass ein Bestandteil nicht dominierend ist, keineswegs bedeutet, dass er zu vernachlässigen ist (Urteil vom 20. September 2007, Nestlé/HABM, C‑193/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:539, Rn. 44).

104    Im vorliegenden Fall kann man sich unter Berücksichtigung der oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechung nicht darauf beschränken, nur den Bestandteil „hb“ als dominierender Anfangsbestandteil in der angemeldeten Marke mit der aus diesen beiden Buchstaben bestehenden älteren Marke zu vergleichen und somit die Wörter „harley benton“ zu vernachlässigen. Aufgrund ihrer Länge und des Vorliegens mehrerer besonderer Buchstaben neben den Großbuchstaben „H“ und „B“ sind die Wörter „harley benton“, die die unterscheidungskräftigen Bestandteile der angemeldeten Marke sind, nicht zu vernachlässigen. Durch die Präsenz der Wörter „harley benton“ am Ende der angemeldeten Marke entsteht ein Bild, das die angemeldete Marke in bildlicher Hinsicht von der älteren Marke deutlich unterscheidet. Schließlich ruft die Kombination aus den Großbuchstaben „HB“ und „harley benton“ insgesamt betrachtet den Eindruck eines einheitlichen Bildzeichens hervor. Dem ist insbesondere so, weil die Großbuchstaben „HB“ als Abkürzung von „harley benton“ wahrgenommen werden. Dieses Zeichen und die ältere Wortmarke unterscheiden sich deutlich und weisen daher nur einen geringen Ähnlichkeitsgrad auf.

105    Zum Zweiten ist in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, dass der Schutz einer Wortmarke wie der, den sie im vorliegenden Fall geltend macht, „[grundsätzlich] jede beliebige Schreibweise“ erfasse (siehe oben, Rn. 95), Folgendes festzustellen.

106    Der Inhaber einer Wortmarke darf sie zwar in verschiedenen Schriftzügen benutzen (Urteil vom 26. März 2020, Alcar Aktiebolag/EUIPO – Alcar Holding [alcar.se], T‑77/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:126, Rn. 65). Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass eine Wortmarke ausschließlich aus Buchstaben, Wörtern oder Wortkombinationen in normaler Schriftart ohne spezifische grafische Elemente besteht. Demzufolge erstreckt sich der Schutz, der sich aus der Eintragung einer Wortmarke ergibt, auf das in der Anmeldung angegebene Wort und nicht auf die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die diese Marke möglicherweise annehmen könnte (vgl. Urteil vom 16. September 2013, Müller‑Boré & Partner/HABM – Popp u. a. [MBP], T‑338/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:447, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

107    In Anbetracht der oben in Rn. 106 angeführten Rechtsprechung ist festzustellen, dass die ältere Wortmarke grundsätzlich in einer Vielzahl von Schriftarten dargestellt werden kann. Aufgrund der grafischen Besonderheiten der angemeldeten Marke ist dieser Umstand allerdings keine ausreichende Grundlage für die Annahme, dass die einander gegenüberstehenden Marken in bildlicher Hinsicht ähnlich sind. Denn wenn eine Bildmarke, die Wortbestandteile enthält, in bildlicher Hinsicht mit einer Wortmarke verglichen wird, sind die Marken in bildlicher Hinsicht als ähnlich zu erachten, wenn sie eine erhebliche Zahl von Buchstaben in derselben Position haben und wenn der Wortbestandteil des Bildzeichens nicht stark stilisiert ist, auch wenn die Buchstaben in verschiedenen Schriftarten grafisch dargestellt sind, sei es in Kursivschrift oder in Fettbuchstaben, in Klein- oder Großbuchstaben oder auch in Farbe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2017, Keturi kambariai/EUIPO – Coffee In [coffee inn], T‑202/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:750, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

108    Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, dass den einander gegenüberstehenden Marken keine erhebliche Zahl von Buchstaben in derselben Position gemein ist. Die Buchstaben, die ihnen gemein sind („hb“), sind nämlich nur zwei. Zum anderen ist der sich in dem Bildzeichen befindliche Wortbestandteil „hb“ stark stilisiert. Dieser Bestandteil erzeugt einen dynamischen Eindruck, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Großbuchstaben „H“ und „B“ miteinander verschlungen und in der Höhe verschoben sind. Die beiden Striche, die den Großbuchstaben „H“ bilden, und der Strich, der den Großbuchstaben „B“ erkennen lässt, sind von einer wechselnden Dicke, die entfernt an die chinesisch-japanische Kalligraphie erinnert. Denn der Anfang der beiden den Großbuchstaben „H“ bildenden Striche ist dicker als das Ende dieser beiden Striche, als ob sie mit einem Pinsel gezeichnet worden wären.

109    In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen kommt das Gericht im Unterschied zu der von der Beschwerdekammer in den Erwägungsgründen 29 und 37 der angefochtenen Entscheidung vertretenen Ansicht zu dem Ergebnis, dass die bildliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen nicht „unterdurchschnittlich“ ist. Entgegen den Ausführungen der Klägerin (siehe oben, Rn. 95) handelt es sich im vorliegenden Fall ebenso wenig um eine „durchschnittliche oder gar überdurchschnittliche“ bildliche Ähnlichkeit. Vielmehr ist festzustellen, dass die einander gegenüberstehenden Marken nur einen geringen Grad an bildlicher Ähnlichkeit aufweisen.

110    Zweitens ist in Bezug auf den klanglichen Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen festzustellen, dass der Umstand, dass sich der dominierende Bestandteil „hb“ der angemeldeten Marke in der älteren Marke wiederfindet, entgegen der Ansicht der Klägerin (siehe oben, Rn. 96) nicht den Schluss zulässt, dass alle Verbraucher von Waren der betreffenden Art die einander gegenüberstehenden Marken zwangsläufig und ausschließlich mit den Großbuchstaben „HB“ bezeichnen werden. Allenfalls ein Teil des Publikums wird sich auf die angemeldete Marke ausschließlich unter Benutzung der Buchstaben „hb“ beziehen.

111    Ein nicht zu vernachlässigender Teil des maßgeblichen Publikums wird sich auf die angemeldete Marke unter Benutzung der Wörter „harley benton“ beziehen. Diese Wörter sorgen für einen bedeutenden klanglichen Unterschied zur älteren Marke, und zwar unabhängig davon, ob sie „englisch“ ausgesprochen werden oder nicht (zur „englischen“ Aussprache vgl. Urteile vom 4. Mai 2005, Reemark/HABM – Bluenet [Westlife], T‑22/04, EU:T:2005:160, Rn. 31, und vom 31. Januar 2012, Spar/HABM – Spa Group Europe [SPA GROUP], T‑378/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:34, Rn. 42).

112    In Anbetracht dessen ist festzustellen, dass die klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen gering ist.

113    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass der Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen in begrifflicher Hinsicht nach Ansicht der Beschwerdekammer „neutral bleibt“, denn keines der Zeichen habe eine Bedeutung (siehe oben, Rn. 94). Die Klägerin hat diese Auslegung nicht in Frage gestellt (siehe oben, Rn. 97).

114    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die begriffliche Ähnlichkeit nach der Rechtsprechung bedeutet, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen in ihrem Sinngehalt übereinstimmen (Urteil vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24). Zum einen haben die in beiden Marken vorliegenden Buchstaben „hb“ jedoch keinen Sinngehalt. Soweit beide Marken diese Buchstaben verwenden, ist kein begrifflicher Vergleich möglich. Zum anderen hat das Gericht nicht zu entscheiden, ob die Wörter „harley benton“ einen Sinngehalt als Vorname und Familienname haben. Soweit die angemeldete Marke diese Wörter verwendet, ist im vorliegenden Fall jedenfalls in begrifflicher Hinsicht kein Vergleich der einander gegenüberstehenden Zeichen möglich, da die ältere Wortmarke keinen Namen oder Vornamen enthält. Folglich ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall kein begrifflicher Vergleich möglich ist.

–       Zur umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr

115    In den Erwägungsgründen 34 bis 38 der angefochtenen Entscheidung kam die Beschwerdekammer im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 vorliege, da die bildliche und klangliche Ähnlichkeit der in Rede stehenden Zeichen „unterdurchschnittlich“ sei und sich die einander gegenüberstehenden Waren jeweils an ein anderes Publikum richteten, nämlich an das breite Publikum mit einem durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad in Bezug auf die angegriffenen Waren einerseits und an das Fachpublikum mit einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad in Bezug auf die von der älteren Marke erfassten Waren andererseits. Die Beschwerdekammer führte auch aus, dass ebenso wenig unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens Verwechslungsgefahr bestehe. Insoweit habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie eine am Markt präsente Markenserie geltend machen könne. Ferner habe die Klägerin zwar auf das Bestehen dieser Marken hingewiesen, die jeweils aus dem Anfangsbestandteil „hb“ gefolgt von einem weiteren, in der Regel beschreibenden Wort bestünden. Die angemeldete Marke enthalte aber das stilisierte Element „hb“ oder „H3“, kombiniert mit einem Vornamen und einem Familiennamen. Diese Unterschiede in der Zeichenbildung sprächen ebenfalls gegen die Annahme, das maßgebliche Publikum werde die angemeldete Marke der Markenserie der Klägerin zuordnen.

116    Die Klägerin trägt insoweit vor, dass erstens Verwechslungsgefahr insbesondere wegen des Ähnlichkeitsgrades der zu vergleichenden Marken bestehe, wie er von ihr in ihrer Klageschrift festgestellt worden sei. Zweitens ergebe sich im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklicher Verbindung durch die Wahrnehmung der angemeldeten Marke als „Untermarke“ der älteren Marke, die somit als „Dachmarke“ fungiere. Vom Blickpunkt des Publikums aus sei die Wahrnehmung der angemeldeten Marke die, dass diese Marke somit eine Produktlinie der Klägerin kennzeichne. Dies werde durch den Umstand verstärkt, dass HB der Anfangsbestandteil einer Markenserie der Klägerin sei, deren Benutzung aus den von ihr als Anlage A.11 zur Klageschrift vorgelegten Auszügen aus ihrem Gesamtkatalog hervorgehe. Solche Serienzeichen seien auf dem Bekleidungssektor nämlich üblich.

117    Das EUIPO tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

118    Wie bereits oben in Rn. 34 festgestellt, setzt für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 eine Verwechslungsgefahr voraus, dass Identität oder Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und zugleich Identität oder Ähnlichkeit zwischen den mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen besteht. Es handelt sich hierbei um kumulative Voraussetzungen. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Rede stehenden Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der betreffenden Waren oder Dienstleistungen, zu beurteilen. In Anwendung des Grundsatzes der Wechselbeziehung kann trotz eines geringen Grades der Ähnlichkeit zwischen den in Rede stehenden Marken eine Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn die Ähnlichkeit zwischen den von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen groß ist (vgl. Urteil vom 23. Oktober 2002, Fifties, T‑104/01, EU:T:2002:262, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Desgleichen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Verwechslungsgefahr umso größer ist, je größer sich die Unterscheidungskraft der älteren Marke darstellt (Urteile vom 11. November 1997, SABEL, C‑251/95, EU:C:1997:528, Rn. 24, und vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 18). Darüber hinaus variiert die Verwechslungsgefahr je nach dem Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise. So ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich dem maßgeblichen Publikum zwar nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, so dass es sich auf „das unvollkommene Bild, das es im Gedächtnis behalten hat“, verlassen muss, doch lässt eine erhöhte Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums darauf schließen, dass es die fraglichen Marken trotz fehlender Möglichkeit eines unmittelbaren Vergleichs zwischen den verschiedenen Marken nicht verwechseln wird (vgl. Urteil vom 13. Juli 2017, Migros-Genossenschafts-Bund/EUIPO – Luigi Lavazza [CReMESPRESSO], T‑189/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:488, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

120    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung in den Bekleidungsgeschäften die Kunden die Kleidung, die sie kaufen möchten, im Allgemeinen entweder selbst auswählen oder sich von einem Verkäufer helfen lassen können. Ein Gespräch über die Ware und die Marke ist zwar nicht ausgeschlossen, die Auswahl des Bekleidungsstücks erfolgt jedoch im Allgemeinen nach seinen äußeren Merkmalen. Die optische Wahrnehmung der fraglichen Marken geht daher in der Regel dem Kauf voraus. Dem bildlichen Aspekt kommt bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr demnach größere Bedeutung zu (Urteil vom 6. Oktober 2004, NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection, T‑117/03 bis T‑119/03 und T‑171/03, EU:T:2004:293, Rn. 50).

121    Im vorliegenden Fall weist die ältere Marke eine originäre Unterscheidungskraft mittleren Grades auf (siehe oben, Rn. 88). Wie oben in Rn. 82 zusammengefasst, weisen die angegriffenen Waren nur einen geringen Ähnlichkeitsgrad zu den von der älteren Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 25 auf, während die Beschwerdekammer annehmen durfte, dass die angegriffenen Waren und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 24 nicht ähnlich sind. Die von der älteren Marke erfassten Dienstleistungen der Klasse 42 sind ebenso wenig den angegriffenen Waren ähnlich. Sodann ist festzustellen, dass die bildliche und klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen gering ist, während der Vergleich der Zeichen in begrifflicher Hinsicht nicht möglich ist (siehe oben, Rn. 109, 112 und 114).

122    In Anbetracht dessen kann für das Fachpublikum, das in Bezug auf die von der älteren Marke erfassten Waren einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweist, keine Verwechslungsgefahr angenommen werden. Das gilt nicht nur für die von der älteren Marke erfassten Waren der Klassen 9 und 25, die den angegriffenen Waren zu einem geringen Grad ähnlich sind, sondern insbesondere für die von der älteren Marke erfassten Waren und Dienstleistungen der Klassen 24 und 42, die den angegriffenen Waren keineswegs ähnlich sind.

123    Sodann ist insoweit, als sich die angegriffenen Waren an das breite Publikum richten und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 auch dieses Publikum interessieren könnten, Folgendes festzustellen. In Anbetracht dessen, dass die bildliche Ähnlichkeit der Zeichen gering ist, wird der Durchschnittsverbraucher – selbst wenn man seinen durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad berücksichtigt – aufgrund seiner Erinnerung an das Bild der älteren Marke nicht zu der Auffassung gelangen, dass die angegriffenen Waren und die von der älteren Marke erfassten Waren der Klasse 25 eine gemeinsame betriebliche Herkunft haben. Denn für den zum breiten Publikum gehörenden Durchschnittsverbraucher kommt dem bildlichen Aspekt bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr größere Bedeutung zu (siehe die oben in Rn. 120 angeführte Rechtsprechung), und daher wird er dem Erscheinungsbild der Kleidungsstücke einschließlich der dort angebrachten Marken mehr Aufmerksamkeit schenken. Das gilt umso mehr, als für einen nicht zu vernachlässigenden Teil des maßgeblichen Publikums, der mit den angegriffenen Waren konfrontiert wird, nur eine geringe klangliche Ähnlichkeit besteht. Denn der Teil des Publikums, der die angemeldete Marke mit den Großbuchstaben „HB“ bezeichnen wird, wird im Geist die Wörter „harley benton“ nicht vernachlässigen (siehe oben, Rn. 110). Zudem wird sich ein weiterer nicht zu vernachlässigender Teil des maßgeblichen Publikums unter der bloßen Verwendung der Wörter „harley benton“ auf die angemeldete Marke beziehen (siehe oben, Rn. 111). Schließlich gelten all diese Erwägungen umso mehr für den Teil des Publikums, der aus den wenigen Verbrauchern besteht, die ausnahmsweise in Betracht ziehen könnten, Arbeitsbekleidung, Arbeitshandschuhe oder Arbeitsschuhe zu kaufen, um ihren Alltagsbedarf zu decken, und der einen erhöhten Aufmerksamkeitsgrad aufweist (siehe oben, Rn. 67). Daher hat die Beschwerdekammer zu Recht angenommen, dass insoweit keine Verwechslungsgefahr besteht.

124    In Bezug auf die Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklicher Verbindung, die von der Klägerin in Verbindung mit einer Liste von Marken geltend gemacht worden ist, die die Großbuchstaben „HB“ enthielten und zu ihren Gunsten eingetragen seien (vgl. Rn. 65 der Klageschrift), ist Folgendes festzustellen.

125    Die Gefahr einer gedanklichen Verbindung, die einen speziellen Fall der Verwechslungsgefahr darstellt, ist dadurch gekennzeichnet, dass die fraglichen Marken zwar nicht so beschaffen sind, dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie unmittelbar miteinander verwechseln werden, dass sie aber doch als zwei Marken desselben Inhabers wahrgenommen werden könnten. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die beiden Marken als Teil einer Markenserie erscheinen, die aus einem gemeinsamen Stammbestandteil gebildet wurde, oder wenn die ältere Marke zugleich der Name des Unternehmens ist, dem die Marke gehört (vgl. Urteil vom 19. November 2008, Ercros/HABM – Degussa [TAI CROS], T‑315/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:513, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Gefahr der gedanklichen Verbindung kann nur dann geltend gemacht werden, wenn der Inhaber einer Serie älterer Eintragungen den Nachweis der Benutzung aller zu der Serie gehörender Marken oder zumindest einer Reihe von Marken, die eine Serie bilden können, erbringt. Damit die Gefahr bestehen kann, dass sich die Verkehrskreise über die Zugehörigkeit der angemeldeten Marke zu der Serie irren, müssen die älteren Marken, die dieser Serie angehören, notwendigerweise auf dem Markt präsent sein (Urteil vom 19. November 2008, TAI CROS, T‑315/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:513, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Erstens besteht jede Marke der von der Klägerin geltend gemachten Markenserie – wie die Beschwerdekammer im 38. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat – jeweils aus dem Anfangsbestandteil „hb“ gefolgt von einem weiteren, in der Regel beschreibenden Wort (z. B. „climatic“ und „protection“), während die angemeldete Marke das stilisierte Element „hb“ oder „H3“, kombiniert mit einem Vornamen und einem Familiennamen (Harley Benton), enthält. Insoweit ist desgleichen hervorzuheben, dass die angemeldete Marke einen markanten grafischen Stil aufweist, während die geltend gemachte Markenserie bloß aus Wortzeichen besteht. Diese Unterschiede in der Zeichenbildung sprechen gegen das Argument der Klägerin, dass das maßgebliche Publikum die angemeldete Marke der von ihr geltend gemachten Markenserie zuordnen werde.

127    Zweitens hat im vorliegenden Fall die Klägerin nicht dargetan, dass die Serie älterer Marken mit den Großbuchstaben „HB“ zwangsläufig auf dem Markt vertreten sei. Die Vorlage bestimmter Auszüge aus ihrem Gesamtkatalog aus dem Jahr 2018 stellt keinen hinreichenden Nachweis dar, denn diese Auszüge zeigen nicht die Position der Klägerin auf dem maßgeblichen Markt (vgl. in Bezug auf dieses Kriterium Urteil vom 4. Mai 2017, Haw Par/EUIPO – Cosmowell [GELENKGOLD], T‑25/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:303, Rn. 85). Zudem betrifft der Gesamtkatalog der Klägerin aus dem Jahr 2018 unabhängig davon, ob es sich um seine zulässigen oder unzulässigen Teile handelt, einen Zeitraum, der nach der Einreichung der Anmeldung durch die Thomann GmbH liegt (vgl. in Bezug auf dieses Kriterium Urteil vom 4. Mai 2017, GELENKGOLD, T‑25/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:303, Rn. 87).

128    Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass nicht nachgewiesen worden ist, dass das maßgebliche Publikum all die älteren Marken tatsächlich als Markenserie wahrnimmt.

129    Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001

130    Zur Stützung ihres Antrags auf Aufhebung führt die Klägerin als Klagegrund auch einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 an.

131    Zur Erinnerung (siehe oben, Rn. 18) geht aus dem 39. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen hervor, dass die Klägerin im Verfahren vor der Beschwerdekammer die maßgeblichen Vorschriften des Markengesetzes zwar angeführt, aber nicht ihren Wortlaut wiedergegeben habe. Die genauen Voraussetzungen für die Entstehung von Rechten an einem Unternehmenskennzeichen seien daher unklar geblieben. Ferner wies die Beschwerdekammer im 40. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass jedenfalls keine Verwechslungsgefahr vorliege. Insoweit hob sie hervor, dass in Anbetracht der in den Auszügen aus dem Gesamtkatalog der Klägerin aus dem Jahr 2018 angegebenen Waren die Kerntätigkeit der Klägerin „deutlich entfernt“ von der allgemeinen Bekleidungs- und Schuhbranche sei, der die angegriffenen Waren zuzurechnen seien. Zudem füge das ältere Unternehmenskennzeichen HB Protective Wear GmbH & Co. KG der Klägerin der älteren Marke lediglich die englische Angabe „protective wear“ hinzu, die für die von dem älteren Zeichen erfassten Waren und Dienstleistungen beschreibend und nicht unterscheidungskräftig sei. Dominierender Bestandteil im Gesamteindruck des Unternehmenskennzeichens bleibe damit die Großbuchstabenfolge „HB“, die mit der älteren Marke identisch sei. Die Beschwerdekammer vertrat die Ansicht, dass der Zeichenvergleich zwischen dem Unternehmenskennzeichen und dem angegriffenen Zeichen somit nicht zu einem größeren Grad der Zeichenähnlichkeit führen könne.

132    Im Hinblick auf die von der Beschwerdekammer in den Erwägungsgründen 39 und 40 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung macht die Klägerin geltend, sie benutze die geschäftliche Bezeichnung bzw. das Unternehmenskennzeichen HB Protective Wear GmbH & Co. KG deutschlandweit, was sich aus der eidesstattlichen Versicherung der „Klägerin“ (Anhang A.14 zur Klageschrift) und aus ihrem Gesamtkatalog (Anhang A.15 zur Klageschrift) ableiten lasse. Nach Ansicht der Klägerin besteht eine Verwechslungsgefahr zwischen ihrem Unternehmenskennzeichen HB Protective Wear GmbH & Co. KG einerseits und der angemeldeten Marke andererseits. Zwar habe die Beschwerdekammer annehmen dürfen, dass die Bestandteile „protective wear“ beschreibend und nicht unterscheidungskräftig seien. Dominierender Bestandteil im Gesamteindruck bleibe aber die Großbuchstabenfolge „HB“, die mit der älteren Marke identisch sei. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdekammer lasse sich nicht vertreten, dass die Branchen, in denen die Klägerin und die Thomann GmbH tätig seien, voneinander entfernt seien. Denn das Geschäftsfeld, in der die Klägerin tätig sei, sei nicht auf Schutz- und Arbeitsbekleidung beschränkt, sondern umfasse auch herkömmliche Bekleidung. Die Klägerin habe bereits aufgezeigt, dass zwischen herkömmlicher Bekleidung und Arbeitsbekleidung Überschneidungen bestünden. Schließlich hat die Klägerin – wie oben in Rn. 25 festgestellt – die §§ 5, 6, 12 und 15 des Markengesetzes als Anlage A.13 zur Klageschrift vorgelegt. Diese Bestimmungen seien in ihrem Widerspruchsschriftsatz vom 7. September 2018 geltend gemacht worden.

133    Das EUIPO weist dieses Vorbringen zurück.

134    Aus Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 ergibt sich, dass das Vorliegen eines Kennzeichens, das keine eingetragene Marke ist, zum Widerspruch gegen die Eintragung einer Unionsmarke berechtigt, wenn es kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt: Erstens muss es im geschäftlichen Verkehr benutzt werden, zweitens muss es von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sein, drittens muss das Recht an diesem Kennzeichen entsprechend dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Kennzeichen vor dem Tag der Anmeldung der Unionsmarke, gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der Unionsmarke in Anspruch genommenen Priorität, erworben worden sein, und viertens muss dieses Kennzeichen seinem Inhaber das Recht verleihen, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen. Diese vier Voraussetzungen beschränken die Zahl der sonstigen Kennzeichen, die geltend gemacht werden können, um die Gültigkeit einer Unionsmarke für das gesamte Unionsgebiet gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001 anzugreifen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2016, BR IP Holder/HABM – Greyleg Investments [HOKEY POKEY], T‑62/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:23, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese vier Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Erfüllt ein Zeichen eine dieser Voraussetzungen nicht, bleibt einem Widerspruch, der auf eine ältere nicht eingetragene Marke oder andere im geschäftlichen Verkehr benutzte Kennzeichnungsrechte im Sinne von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützt wird, somit der Erfolg versagt (Urteil vom 30. Juni 2009, Danjaq/HABM – Mission Productions [Dr. No], T‑435/05, EU:T:2009:226, Rn. 35).

135    Die ersten beiden Voraussetzungen, d. h. die der Benutzung und der nicht lediglich örtlichen Bedeutung des geltend gemachten Kennzeichens, ergeben sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 und sind daher im Licht des Unionsrechts auszulegen. Demgegenüber ergibt sich aus der Wendung „wenn und soweit nach dem für den Schutz des Kennzeichens maßgeblichen Recht … des Mitgliedstaats“, dass die beiden weiteren in Art. 8 Abs. 4 Buchst. a und b der Verordnung 2017/1001 anschließend genannten Voraussetzungen im Unterschied zu den vorangehenden gemäß dieser Verordnung nach Kriterien zu beurteilen sind, die das Recht festlegt, dem das geltend gemachte Kennzeichen unterliegt (Urteil vom 29. Juni 2016, Group/EUIPO – Iliev [GROUP Company TOURISM & TRAVEL], T‑567/14, EU:T:2016:371, Rn. 27 und 28). Somit sind bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 insbesondere die geltend gemachte innerstaatliche Regelung und die in dem betreffenden Mitgliedstaat ergangenen Gerichtsentscheidungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage muss der Widersprechende belegen, dass das in Rede stehende Kennzeichen in den Anwendungsbereich des geltend gemachten Rechts des Mitgliedstaats fällt und es erlauben würde, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 190).

136    Das oben in Rn. 132 angeführte Vorbringen ist nicht geeignet, Fehler der Beschwerdekammer bei der Anwendung der vorstehend aufgezählten Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 aufzuzeigen.

137    Zum einen hat die Beschwerdekammer nämlich annehmen dürfen, dass die Klägerin verpflichtet war, den Inhalt der deutschen Rechtsvorschriften darzutun, nach denen sie in Deutschland Schutz für das ältere Kennzeichen HB Protective Wear GmbH & Co. KG beanspruchen könnte. Zum anderen hat die Beschwerdekammer annehmen dürfen, dass die Klägerin diese Pflicht nicht zufriedenstellend erfüllt hat.

138    Nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung 2018/625 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung 2017/1001 und zur Aufhebung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1430 hat der Widersprechende in dem Fall, dass der Widerspruch auf ein älteres Recht im Sinne des Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützt wird, die Benutzung dieses Rechts im Handelsverkehr von mehr als lediglich örtlicher Bedeutung sowie den Erwerb, den Fortbestand und den Schutzumfang dieses Rechts nachzuweisen; wenn das ältere Recht nach dem Gesetz eines Mitgliedstaats geltend gemacht wird, ist auch eine eindeutige Angabe des Inhalts des zugrunde liegenden nationalen Gesetzes durch Beifügung von Veröffentlichungen der relevanten Bestimmungen oder Rechtsprechung erforderlich.

139    Zwar muss sich das EUIPO nach der Rechtsprechung, wenn es veranlasst sein kann, insbesondere das nationale Recht des Mitgliedstaats zu berücksichtigen, in dem ein älteres Recht geschützt ist, auf das der Widerspruch gestützt wird, von Amts wegen mit den ihm hierzu zweckdienlich erscheinenden Mitteln über das nationale Recht des betreffenden Mitgliedstaats informieren, soweit entsprechende Kenntnisse für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen eines relativen Eintragungshindernisses und vor allem für die Würdigung der vorgetragenen Tatsachen oder der Beweiskraft der vorgelegten Unterlagen erforderlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 45).

140    Allerdings obliegt dem EUIPO diese Pflicht, sich von Amts wegen über das nationale Recht zu informieren, gegebenenfalls dann, wenn es bereits über Angaben zum nationalen Recht verfügt, sei es in Form eines Vorbringens zu dessen Inhalt oder in Form von Unterlagen, die in die Erörterung eingebracht worden sind und deren Beweiskraft geltend gemacht wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 50, vom 27. März 2014, HABM/National Lottery Commission, C‑530/12 P, EU:C:2014:186, Rn. 35, und vom 29. Juni 2016, GROUP Company TOURISM & TRAVEL, T‑567/14, EU:T:2016:371, Rn. 79).

141    Mit anderen Worten greift die Pflicht des EUIPO, sich von Amts wegen über das maßgebliche nationale Recht zu informieren, nur dann, wenn der Widersprechende seine Pflicht nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung 2018/625 zufriedenstellend erfüllt hat (vgl. in Bezug auf die Beweislast des Widersprechenden auch Urteile vom 29. März 2011, Anheuser-Busch/Budějovický Budvar, C‑96/09 P, EU:C:2011:189, Rn. 188 und 189, sowie vom 20. April 2005, Atomic Austria/HABM – Fabricas Agrupadas de Muñecas de Onil [ATOMIC BLITZ], T‑318/03, EU:T:2005:136, Rn. 33).

142    Wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, lässt sich insbesondere durch Vorlage von Dokumenten, die die nationalen Rechtsvorschriften enthalten, das in Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung 2018/625 genannte nationale Gesetz dartun (Urteil vom 29. Juni 2016, GROUP Company TOURISM & TRAVEL, T‑567/14, EU:T:2016:371, Rn. 20).

143    Im vorliegenden Fall ist die Klägerin ihrer Beweislast nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Delegierten Verordnung 2018/625 nicht nachgekommen, da sie vor der Beschwerdekammer den Inhalt der §§ 5, 6, 12 und 15 des Markengesetzes, die sie in ihrem Widerspruchsschriftsatz erwähnt hatte, nicht dargelegt hat.

144    Des Weiteren ist festzustellen, dass es der Klägerin bekannt war, dass es ihr zumindest nach Ansicht der Widerspruchsabteilung oblag, den Inhalt der §§ 5, 6, 12 und 15 des Markengesetzes darzulegen. Die Widerspruchsabteilung hatte nämlich auf S. 9 ihrer Entscheidung unter Buchst. a ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Widersprechende gemäß Art. 7 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2018/625 nicht nur Angaben zu den „maßgeblichen Rechtsvorschriften (Artikelnummer sowie Nummer und Titel der Rechtsvorschrift)“ machen müsse, sondern auch zu deren „Inhalt (Text)“, „indem sie Veröffentlichungen der relevanten Bestimmungen oder Rechtsprechung vorlegt (z. B. Auszüge aus einem Amtsblatt, einem Gesetzeskommentar, juristischen Enzyklopädien oder einem Gerichtsurteil)“. Folglich hat die Klägerin in Kenntnis ihrer nach Art. 7 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2018/625 bestehenden Pflicht beschlossen, ihre auf einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 4 der Verordnung 2017/1001 gestützten Rügen nicht dadurch zu substantiieren, dass sie bei der Beschwerdekammer den Inhalt der §§ 5, 6, 12 und 15 des Markengesetzes in ihrer für den dem Erlass der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt geltenden Fassung darlegt.

145    Schließlich ist abgesehen davon, dass eine bestimmte Anzahl von Beweisstücken, die von der Klägerin zur Stützung ihres zweiten Klagegrundes geltend gemacht worden sind, unzulässig sind, wie oben in den Rn. 25 und 26 bereits ausgeführt worden ist, festzustellen, dass die oben in Rn. 132 angeführten Rügen und Beweisstücke die These der Klägerin untermauern sollen, dass bestimmte Voraussetzungen des deutschen Rechts, die den Schutz ihres Unternehmenskennzeichens beträfen, vorliegend erfüllt seien. Folglich sind diese Argumente und Beweisstücke nur insoweit erheblich, als der Inhalt der nationalen Bestimmungen, auf die sich die Klägerin beruft, dargelegt worden wäre. Das ist vorliegend aber nicht der Fall. Der Beschwerdekammer waren die Bestimmungen des deutschen Rechts, auf die sich die Klägerin im Verfahren vor dem EUIPO berufen hat, nicht bekannt.

146    Daher sind der zweite Klagegrund und infolgedessen der erste Antrag als unbegründet zurückzuweisen.

 Zu den Anträgen, die neben dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gestellt worden sind

147    Alle Anträge, die neben dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung gestellt worden sind, sind unter Berücksichtigung dessen, dass ihr Schicksal davon abhängt, wie über den Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung entschieden wird, und in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ebenfalls zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage ihrer Zulässigkeit eingegangen zu werden braucht.

148    Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

149    Nach Art. 191 in Verbindung mit Art. 134 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

150    Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Klaus Berthold Besitzgesellschaft GmbH & Co. KG trägt die Kosten.

Tomljenović

Schalin

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 28. April 2021.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

      M. van der Woude


*      Verfahrenssprache: Deutsch.