Language of document : ECLI:EU:T:2021:241

URTEIL DES GERICHTS (Siebte erweiterte Kammer)

5. Mai 2021(*)(i)

„Humanarzneimittel – Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels Tecfidera – Beschluss der EMA, mit dem die Validierung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen abgelehnt wird – Früherer Beschluss der Kommission, mit dem festgestellt wird, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie Fumaderm – Einrede der Rechtswidrigkeit – Zulässigkeit – Zuvor genehmigte Arzneimittelkombination – Spätere Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Bestandteils der Arzneimittelkombination – Beurteilung des Bestehens zweier umfassender Genehmigungen für das Inverkehrbringen – Offensichtlicher Beurteilungsfehler“

In der Rechtssache T‑611/18,

Pharmaceutical Works Polpharma S.A. mit Sitz in Starogard Gdański (Polen), Prozessbevollmächtigte: M. Martens, N. Carbonnelle, Rechtsanwälte, und S. Faircliffe, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Europäische Arzneimittelagentur (EMA), vertreten durch T. Jabłoński, S. Drosos und R. Pita als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch A. Sipos und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

und durch

Biogen Netherlands BV mit Sitz in Badhoevedorp (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: C. Schoonderbeek, Rechtsanwältin,

Streithelfer,

betreffend eine Klage mit dem Antrag, eine Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses C(2014) 601 final der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat für zulässig und begründet zu erklären, soweit die Kommission mit diesem Durchführungsbeschluss festgestellt hat, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie Fumaderm, sowie mit dem Antrag nach Art. 263 AEUV, den Beschluss der EMA vom 30. Juli 2018, mit dem die Validierung des Antrags der Klägerin auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels Tecfidera abgelehnt wurde, für nichtig zu erklären,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos (Berichterstatter), der Richter V. Valančius, der Richterin I. Reine sowie der Richter L. Truchot und M. Sampol Pucurull,

Kanzler: S. Spyropoulos, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2020

folgendes

Urteil

I.      Sachverhalt

1        Die Klägerin, die Pharmaceutical Works Polpharma S.A., ist ein pharmazeutisches Unternehmen, das verschiedene Arzneimittel, darunter Generika, entwickelt und vertreibt.

2        Am 9. August 1994 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Deutschland; im Folgenden: BfArM) der Fumapharm AG zwei Zulassungen (Genehmigungen für das Inverkehrbringen) für zwei Dosierungen des Arzneimittels Fumaderm. Fumaderm enthält Dimethylfumarat (im Folgenden: DMF) und verschiedene Ethylhydrogenfumaratsalze (Monoethylfumaratsalze, im Folgenden: MEF). Fumaderm prae oder Fumaderm initial wird drei Wochen lang zur verträglichkeitsverbessernden Einleitung einer Fumaderm-Therapie angewandt. Es liegt in Form von Tabletten vor, die als Wirkstoffe 30 mg DMF, 67 mg MEF‑Calciumsalz, 5 mg MEF‑Magnesiumsalz und 3 mg MEF‑Zinksalz enthalten. Fumaderm wird nach der Verträglichkeitsanpassungsphase angewandt und liegt in Form von Tabletten vor, die als Wirkstoffe 120 mg DMF, 87 mg MEF‑Calciumsalz, 5 mg MEF‑Magnesiumsalz und 3 mg MEF‑Zinksalz enthalten. Fumaderm ist ein Arzneimittel zur Behandlung der Schuppenflechte.

3        Diese beiden Genehmigungen für das Inverkehrbringen wurden nacheinander auf die Almirall Hermal GmbH, die Fumedica AG und schließlich auf die Biogen Idec übertragen. Im Oktober 2003 erteilte Fumapharm Biogen Idec eine ausschließliche Lizenz für die Rechte zur Entwicklung und Vermarktung von DMF enthaltenden Erzeugnissen; 2006 erwarb Biogen Idec Fumapharm.

4        Am 8. Juni 2011 beantragte Biogen Idec Ltd bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), ihr zu bestätigen, dass sie einen Zulassungsantrag nach dem zentralisierten Verfahren auf der Ebene der Europäischen Union gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. 2004, L 136, S. 1) stellen könne. Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 sieht vor:

„Für ein nicht unter den Anhang [der Verordnung Nr. 726/2004] fallendes Arzneimittel kann von der [Union] gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werden, wenn […] der Antragsteller nachweist, dass das Arzneimittel eine bedeutende Innovation in therapeutischer, wissenschaftlicher oder technischer Hinsicht darstellt oder dass die Erteilung einer Genehmigung gemäß dieser Verordnung auf [Unions]ebene im Interesse der Patienten oder der Tiergesundheit ist.“

5        Der in der vorstehenden Rn. 4 genannte Antrag betraf ein Erzeugnis, das aus DMF bestand und zur Behandlung von multipler Sklerose bestimmt war. Im Begleitschreiben zu diesem Antrag führte Biogen Idec Folgendes aus. Erstens sei DMF ein Wirkstoff, der bisher noch nicht als Monosubstanz, d. h. als einziger Wirkstoff eines Arzneimittels, für irgendeine Indikation  zugelassen oder beurteilt worden sei. Zweitens beabsichtige sie, einen „vollständigen“ Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen zu stellen, d. h. unter Beifügung sämtlicher Angaben nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) und insbesondere der Ergebnisse der vorklinischen und der klinischen Versuche. Drittens sei sie Inhaberin der Zulassung, die Fumapharm 1994 für Fumaderm erteilt worden sei, das aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzt sei (siehe oben, Rn. 2).

6        Unter diesen Umständen beantragte Biogen Idec zum einen, ihr zu bestätigen, dass das Erzeugnis, für das sie um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nachsuchte und das aus DMF bestand, nicht unter die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen von Fumaderm im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 fällt.

7        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 sieht vor:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 … erteilt wurde.

Ist für ein Arzneimittel eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 erteilt worden, so müssen auch alle weiteren Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege und Verabreichungsformen sowie alle Änderungen und Erweiterungen gemäß Unterabsatz 1 genehmigt oder in die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen einbezogen werden. Alle diese Genehmigungen für das Inverkehrbringen werden insbesondere für den Zweck der Anwendung des Artikels 10 Absatz 1 als Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen angesehen.“

8        Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 lautet:

„Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechts über den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums ist der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann, dass es sich bei dem Arzneimittel um ein Generikum eines Referenzarzneimittels handelt, das gemäß Artikel 6 seit mindestens acht Jahren in einem Mitgliedstaat oder in der [Union] genehmigt ist oder wurde.

Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmung genehmigt wurde, wird erst nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der Erstgenehmigung für das Referenzarzneimittel in Verkehr gebracht.

Unterabsatz 1 gilt auch dann, wenn das Referenzarzneimittel nicht in dem Mitgliedstaat genehmigt wurde, in dem der Antrag für das Generikum eingereicht wird. In diesem Fall gibt der Antragsteller im Antragsformular den Namen des Mitgliedstaats an, in dem das Referenzarzneimittel genehmigt ist oder wurde. Auf Ersuchen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wird, übermittelt die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats binnen eines Monats eine Bestätigung darüber, dass das Referenzarzneimittel genehmigt ist oder wurde, sowie die vollständige Zusammensetzung des Referenzarzneimittels und erforderlichenfalls andere relevante Unterlagen.

Der in Unterabsatz 2 vorgesehene Zeitraum von zehn Jahren wird auf höchstens elf Jahre verlängert, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.“

9        Zum anderen beantragte Biogen Idec unter Bezugnahme auf das Vorstehende bei der EMA am 8. Juni 2011 auch, ihr zu bestätigen, dass das Erzeugnis, für das sie um eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nachsuchte, für den Fall, dass es auf der Grundlage eines vollständigen Antrags genehmigt würde, dem in Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 vorgesehenen Datenschutz unabhängig davon unterliegen würde, ob der darin enthaltene Wirkstoff, DMF, als „neuer Wirkstoff“ eingestuft würde oder nicht.

10      Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 lautet:

„Humanarzneimittel, die gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden sind, unterliegen unbeschadet des Rechts über den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von zehn Jahren, wobei letzterer auf höchstens elf Jahre verlängert wird, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden.“

11      Am 21. Juli 2011 befand der durch Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 eingerichtete Ausschuss für Humanarzneimittel (im Folgenden: CHMP), dass für das aus DMF bestehende Erzeugnis von Biogen Idec ein Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem zentralisierten Verfahren gestellt werden könne, da es eine bedeutende Innovation in therapeutischer Hinsicht im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 726/2004 darstelle (siehe oben, Rn. 4).

12      Mit Schreiben vom 3. August 2011 unterrichtete die EMA Biogen Idec davon, dass nach Ansicht des CHMP für ihr aus DMF bestehendes Erzeugnis ein Zulassungsantrag nach dem zentralisierten Verfahren gestellt werden könne. Die EMA erläuterte, dass die Genehmigung einer Arzneimittelkombination gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 nicht als unter die umfassenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen der einzelnen Wirkstoffe fallend gelte. Aufgrund dieser Beurteilung und der Tatsache, dass die Klägerin eine vollständige Entwicklung für ihr DMF enthaltendes Erzeugnis durchgeführt habe, gelte für das in Rede stehende Arzneimittel grundsätzlich die Datenausschließlichkeit nach Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 unabhängig davon, ob der Wirkstoff als „neuer Wirkstoff“ eingestuft werde oder nicht.

13      Am 28. Februar 2012 stellte Biogen Idec bei der EMA gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat (im Folgenden auch: Tecfidera). Dieser Antrag enthielt sämtliche in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 genannten Angaben. Biogen Idec führte in dem Antrag der Sache nach aus, Tecfidera sei für die Behandlung der multiplen Sklerose indiziert. Der Antrag bezog sich auf magensaftresistente Kapseln mit 120 mg und 240 mg DMF. Die empfohlene Dosierung bestand in einer Anfangsdosis von 120 mg zweimal täglich über sieben Tage und in einer Steigerung dieser Dosis bis zum Erreichen der empfohlenen Dosis von 240 mg zweimal täglich. In dem Begleitblatt zu ihrem Antrag erklärte Biogen Idec zudem, der Antrag beziehe sich auf einen bekannten Wirkstoff, und erklärte nicht, dass Tecfidera einen neuen, bisher in der Union noch nicht zugelassenen Wirkstoff enthalte.

14      Am 21. März 2013 gab der CHMP in Anbetracht sämtlicher ihm vorliegenden Angaben und der wissenschaftlichen Erörterungen im Ausschuss ein positives Gutachten zur Zulassung von Tecfidera ab.

15      Auf dieses Gutachten hin wandte sich Biogen Idec an die Europäische Kommission mit dem Antrag, dass in dem Zulassungsbeschluss angegeben werde, dass die Datenausschließlichkeit nach Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 gemäß der von der EMA in ihrem Schreiben vom 3. August 2011 zum Ausdruck gebrachten Position (siehe oben, Rn. 12) für Tecfidera gelte.

16      Am 16. Mai 2013 fand ein Treffen zwischen der Kommission und Biogen Idec statt. Dabei wies die Kommission darauf hin, dass in den Beschlüssen, mit denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werde, keine Aussage zur Datenausschließlichkeit getroffen werde, da die Datenausschließlichkeit ein dynamischer Begriff sei, der im Fall von Vermögensübertragungen zwischen Unternehmen Veränderungen unterliege. Zudem enthielten die Zulassungsbeschlüsse auf der Grundlage der wissenschaftlichen Beurteilung durch den CHMP lediglich eine Erklärung zum Status als „neuer Wirkstoff“ im Sinne von Anhang I Teil II Nr. 3 der Richtlinie 2001/83. Dort heißt es: „Enthält der Wirkstoff eines im Wesentlichen gleichen Arzneimittels die gleiche therapeutisch wirksame Komponente wie das zugelassene Originalarzneimittel, jedoch in Verbindung mit einem anderen Salz/Ester/Derivatkomplex, ist anhand von Belegen nachzuweisen, dass es zu keiner Änderung in der Pharmakokinetik der therapeutisch wirksamen Komponente, der Pharmakodynamik und/oder der Toxizität kommt, die zur Änderung des Sicherheits-/Wirksamkeitsprofil führen könnte. Ist dies nicht der Fall, so gilt diese Verbindung als neuer Wirkstoff.“ Ferner äußerte die Kommission Vorbehalte gegenüber der Auffassung der EMA zur Datenausschließlichkeit für Tecfidera unabhängig von dessen Status als „neuer Wirkstoff“ (siehe oben, Rn. 12). Biogen Idec stehe somit vor einer Wahl. Zum einen könne sie den Erlass eines Zulassungsbeschlusses durch die Kommission hinnehmen, der keine Erklärung zum Status als „neuer Wirkstoff“ enthalte. Da diese Frage im Beurteilungsbericht des CHMP nicht angesprochen werde, müsste Biogen Idec, falls ein Antrag auf Zulassung eines Generikums von Tecfidera validiert würde, gerichtlich dagegen vorgehen. Zum anderen könne Biogen Idec einen Antrag an die Kommission richten, das Zulassungsverfahren auszusetzen und eine Beurteilung der Frage des Status als „neuer Wirkstoff“ einzuholen. Dies könne Zeit in Anspruch nehmen, und das Ergebnis der wissenschaftlichen Beurteilung sei ungewiss. Abschließend forderte die Kommission Biogen Idec auf, ihr möglichst bald mitzuteilen, wie sie vorgehen wolle.

17      Mit Schreiben an die EMA vom 17. Mai 2013 teilte die Kommission dieser mit, dass ihr Zulassungsbeschluss für Tecfidera keine Erklärung zu dessen Status als „neuer Wirkstoff“ enthalten könne, da diese Frage im Beurteilungsbericht des CHMP nicht angesprochen werde.

18      Mit Schreiben an den Vorsitzenden des CHMP vom 18. September 2013 teilte die Kommission diesem mit, Biogen Idec habe eine Klärung der Frage beantragt, ob der Wirkstoff DMF als neuer Wirkstoff eingestuft werden könne. Sie führte aus, ein neuer Wirkstoff sei definiert als ein chemischer Stoff, der zuvor noch nicht als Arzneimittel in der Union zugelassen worden sei. Dazu verwies sie auf Anhang I der „Notice to applicants, Volume 2A, Procedures for marketing authorisation, Chapter 1, Marketing authorisations“ (Hinweise für Antragsteller, Band 2A, Verfahren zur Genehmigung für das Inverkehrbringen, Kapitel 1, Genehmigungen für das Inverkehrbringen; im Folgenden: Hinweise für Antragsteller) in der Fassung vom Juni 2013. DMF sei bisher nicht als Arzneimittel in der Union zugelassen, sei aber Bestandteil des Arzneimittels Fumaderm, das 1994 in Deutschland zugelassen worden sei. Um zu beurteilen, ob DMF ein neuer Wirkstoff sei, bat die Kommission daher den CHMP um die Prüfung der Frage, ob sich DMF von Fumaderm, das aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzt sei, unterscheide. Sie ersuchte den CHMP somit, seinen Beurteilungsbericht zu überprüfen und um eine Beurteilung der Frage zu ergänzen, ob das in Tecfidera enthaltene DMF ein „neuer Wirkstoff“ sei.

19      Am 23. September 2013 ging bei der EMA der Antrag von Biogen Idec ein, das in Tecfidera enthaltene DMF als „neuen Wirkstoff“ einzustufen.

20      In einem Beurteilungsbericht vom 9. Oktober 2013 zum Status des in Tecfidera enthaltenen DMF als „neuer Wirkstoff“ befand der Berichterstatter des CHMP, dass DMF sich von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheide. Aus Gründen der Kohärenz zu früheren gleichartigen Fällen ersuchte der Berichterstatter jedoch die Quality Working Party, eine ständige Arbeitsgruppe, die den CHMP u. a. zur Qualität von Arzneimitteln berät, um eine Stellungnahme zu der Frage, ob DMF und MEF als Derivat des jeweils anderen angesehen werden könnten.

21      In einem zweiten Beurteilungsbericht vom 9. Oktober 2013 gelangte der Ko-Berichterstatter des CHMP zu dem Schluss, dass sich das aus DMF bestehende Tecfidera von dem aus DMF und MEF zusammengesetzten Fumaderm unterscheide. Er fragte jedoch bei der Quality Working Party an, ob diese der Auffassung sei, dass sich zum einen DMF und MEF chemisch gesehen voneinander unterschieden und dass zum anderen beide kein Derivat des jeweils anderen seien.

22      In einem gemeinsamen Bericht vom 18. Oktober 2013 befanden der Berichterstatter und der Ko-Berichterstatter des CHMP (im Folgenden zusammen: Berichterstatter), dass zur Stützung des Vortrags, DMF unterscheide sich von dem aus DMF und MEF zusammengesetzten Fumaderm, zusätzliche Angaben vorgelegt werden müssten. Unter diesen Umständen richteten die Berichterstatter mehrere Einwände an Biogen Idec. Erstens müsse Biogen Idec darlegen, aus welchen Gründen MEF und DMF nicht als Ester und Derivate des jeweils anderen angesehen werden könnten. Zweitens forderten sie Biogen Idec auf, sich zu der Frage zu äußern, ob zwischen dem in Tecfidera enthaltenen DMF einerseits und der in Fumaderm enthaltenen Mischung aus DMF und MEF‑Salzen andererseits in Anbetracht ihrer Eigenschaften möglicherweise signifikante Unterschiede hinsichtlich Sicherheit und/oder Wirksamkeit bestünden.

23      In einer Sitzung am 24. Oktober 2013 erhob der CHMP zwei Haupteinwände gegenüber dem Antrag auf Zuerkennung des Status als „neuer Wirkstoff“ für DMF. Erstens müsse geklärt werden, ob DMF und MEF Ester oder Derivate des jeweils anderen seien, und zweitens müssten die relevanten klinischen Unterschiede hinsichtlich Sicherheit und/oder Wirksamkeit zwischen DMF einerseits sowie DMF in Verbindung mit MEF andererseits behandelt werden.

24      Am 4. November 2013 antwortete Biogen Idec auf die Einwände des CHMP.

25      In einem gemeinsamen Bericht vom 11. November 2013 prüften die Berichterstatter die Antworten von Biogen Idec und befanden, dass der in dem Arzneimittel Tecfidera enthaltene Wirkstoff DMF nicht als „neuer Wirkstoff“ eingestuft werden könne, da aus den vorgelegten Angaben nicht hervorgehe, dass sich die Eigenschaften von DMF hinsichtlich Sicherheit und/oder Wirksamkeit signifikant von dem Erzeugnis Fumaderm unterschieden, das bereits zugelassen sei und eine Mischung aus DMF und MEF‑Salzen enthalte.

26      Am 21. November 2013 gab der CHMP ein gegenüber seinem Gutachten vom 21. März 2013 (siehe oben, Rn. 14) überarbeitetes Gutachten ab. In diesem überarbeiteten Gutachten führte der CHMP aus, die Kommission habe in ihrem Ersuchen um Prüfung des Status des in Tecfidera enthaltenen DMF als „neuer Wirkstoff“ vom 18. September 2013 (siehe oben, Rn. 18) dargelegt, dass zum einen ein „neuer Wirkstoff“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 ein chemischer Stoff sei, der zuvor noch nicht als Arzneimittel in der Union zugelassen gewesen sei, und dass zum anderen DMF Bestandteil des Arzneimittels Fumaderm sei, das 1994 in Deutschland zugelassen worden, zuvor aber nicht als Arzneimittel in der Union zugelassen gewesen sei.

27      In diesem Gutachten empfahl der CHMP gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 726/2004 einvernehmlich die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tecfidera. Auf der Grundlage einer Prüfung der wissenschaftlichen Beweise und entsprechend den von der Kommission am 18. September 2013 gegebenen Erläuterungen (siehe oben, Rn. 18) befand der CHMP, dass sich DMF von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheide. Er schloss daraus, dass der Wirkstoff von Tecfidera, DMF, ein „neuer Wirkstoff“ sei.

28      Am 26. November 2013 nahm der CHMP den Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (im Folgenden: EPAR) für Tecfidera an. Der EPAR wurde gemäß Art. 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 veröffentlicht. Er enthält eine allgemein verständliche Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels und die Gründe für das Gutachten des CHMP zugunsten der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen. Der EPAR für Tecfidera besteht aus vier Teilen. In einem ersten Teil schildert der CHMP die Vorgeschichte des Verfahrens. Ein zweiter Teil enthält eine wissenschaftliche Erörterung u. a. der qualitativen, der nicht klinischen und der klinischen Aspekte sowie des Status des in Tecfidera enthaltenen DMF als „neuer Wirkstoff“. In einem dritten Teil nimmt der CHMP eine Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für Tecfidera vor und gelangt zu dem Schluss, dass dieses Verhältnis in Bezug auf die Behandlung von „Erwachsenen, die an einer zyklischen Form der multiplen Sklerose leiden“, positiv sei. In einem vierten Teil empfiehlt der CHMP die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen unter bestimmten Bedingungen.

29      Zum Status des in Tecfidera enthaltenen DMF als „neuer Wirkstoff“ wies der CHMP auf die oben in Rn. 18 erwähnten Erläuterungen der Kommission vom 18. September 2013 hin. Für die Frage, ob sich DMF von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheide, habe er Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 berücksichtigt, wonach „[d]ie verschiedenen Salze, Ester, Ether, Isomere, Mischungen von Isomeren, Komplexe oder Derivate eines Wirkstoffs … als ein und derselbe Wirkstoff [gelten], es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Sicherheit und/oder Wirksamkeit“. Der CHMP befand, dass MEF und DMF beide aktiv seien und nicht demselben Wirkstoff entsprächen, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe sei. Hierfür bezog sich der CHMP auf den oben in Rn. 16 erwähnten Anhang I Teil II Nr. 3 der Richtlinie 2001/83. Daraus folge, dass möglichen signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Sicherheits-/Wirksamkeitsprofils nicht weiter nachgegangen werden müsse. Der CHMP gelangte zu dem Schluss, dass der Wirkstoff von Tecfidera, DMF, ein neuer Wirkstoff sei.

30      Am 19. Dezember 2013 legte die Kommission dem durch Art. 121 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 errichteten und in Art. 87 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 genannten Ständigen Ausschuss für Humanarzneimittel den Entwurf eines Beschlusses zur Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat vor, um dessen Stellungnahme im schriftlichen Verfahren einzuholen.

31      Am 10. Januar 2014 beantragte eines der Mitglieder des Ständigen Ausschusses für Humanarzneimittel gemäß Art. 10 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 726/2004 die Abhaltung einer Plenarsitzung dieses Ausschusses. Dieses Mitglied war mit der Erteilung der Zulassung für Tecfidera auf der Grundlage des Nutzen-Risiko-Verhältnisses einverstanden. Dagegen stimmte es nicht der Beurteilung zu, dass das in Tecfidera enthaltene DMF ein neuer Wirkstoff sei, da DMF zusammen mit einem anderen Wirkstoff bereits in Fumaderm verwendet werde. Gleichwohl war es der Ansicht, dass Tecfidera unter eine neue umfassende Zulassung falle, da es weder eine Dosierung, eine Darreichungsform, ein Verabreichungsweg oder eine Verabreichungsform noch eine Erweiterung von Fumaderm sei.

32      Am 28. Januar 2014 fand in Brüssel (Belgien) eine Plenarsitzung des Ständigen Ausschusses für Humanarzneimittel zur Erörterung des Entwurfs des Durchführungsbeschlusses der Kommission zur Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 statt.

33      Bei dieser Sitzung äußerten zahlreiche Mitglieder die Auffassung, der Status als „neuer Wirkstoff“ könne keinem Stoff zuerkannt werden, der in einem bereits zugelassenen Arzneimittel enthalten sei, so dass DMF kein neuer Wirkstoff sei.

34      Unter diesen Umständen wurde der dritte Erwägungsgrund des Entwurfs des Durchführungsbeschlusses der Kommission dahin gehend geändert, dass zum einen die Bezugnahme auf den Status als „neuer Wirkstoff“ gestrichen und zum anderen darauf hingewiesen wurde, dass der Zulassungsantrag für Tecfidera auf Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 gestützt sei. Der Ständige Ausschuss für Humanarzneimittel gab sodann ein positives Gutachten zu dem geänderten Entwurf ab.

35      Am 30. Januar 2014 erließ die Kommission den Durchführungsbeschluss C(2014) 601 final zur Genehmigung für das Inverkehrbringen des Humanarzneimittels Tecfidera – Dimethylfumarat gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 (im Folgenden: Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014). Eine Zusammenfassung dieses Durchführungsbeschlusses wurde am 28. Februar 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (ABl. 2014, C 59, S. 1).

36      Im ersten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 führt die Kommission aus, dass das Arzneimittel Tecfidera – Dimethylfumarat den Anforderungen der Richtlinie 2001/83 entspreche.

37      Im zweiten Erwägungsgrund heißt es, dass daher die Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen sei.

38      Der dritte Erwägungsgrund dieses Durchführungsbeschlusses lautet:

„[DMF], der in Tecfidera – Dimethylfumarat enthaltene Wirkstoff, ist Bestandteil des zugelassenen Arzneimittels Fumaderm, das DMF sowie Calciumsalz von Ethylfumarat, Magnesiumsalz von Ethylhydrogenfumarat und Zinksalz von Ethylhydrogenfumarat (Salze von Monoethylfumarat) enthält und demselben Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen gehört. Der Ausschuss für Humanarzneimittel ist zu dem Schluss gelangt, dass MEF und DMF beide aktiv sind und nicht demselben Wirkstoff entsprechen, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe ist. Daher wird festgestellt, dass sich das DMF enthaltende Tecfidera von Fumaderm, von dem anderen, bereits zugelassenen und aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Arzneimittel, unterscheidet. Folglich sind ‚Tecfidera – Dimethylfumarat‘, dessen Zulassung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG beantragt worden ist, und das bereits zugelassene Arzneimittel ‚Fumaderm‘ nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen.“

39      Nach Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 wurde dem EPAR (siehe oben, Rn. 28) ein Vermerk hinzugefügt, wonach „[i]n Anbetracht der … Entwicklung der rechtlichen Erwägungen, wie sie im dritten Erwägungsgrund des [Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014] zum Ausdruck kommen, … die abschließende Feststellung im Gutachten des CHMP, dass der Wirkstoff von Tecfidera, [DMF], ein neuer Wirkstoff ist, gegenstandslos [ist]“. Der CHMP wies jedoch darauf hin, dass sämtliche übrigen wissenschaftlichen Erwägungen und Schlussfolgerungen seiner Beurteilung unberührt blieben.

40      Am 22. Juni 2015 stellte die Klägerin beim BfArM einen Antrag auf Informationszugang nach dem einschlägigen deutschen Gesetz. Dieser Antrag bezog sich der Sache nach auf sämtliche dem BfArM vorliegenden Dokumente betreffend den Zulassungsantrag für das Arzneimittel Fumaderm. Am 20. Februar 2017 lehnte das BfArM diesen Antrag mit der Begründung ab, die Informationen, zu denen Zugang begehrt werde, fielen unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis von Biogen Idec und diese habe dem Zugang widersprochen.

41      Am 22. November 2017 stellte die Klägerin beim BfArM einen erneuten Antrag auf Informationszugang. Dieser bezog sich auf sämtliche dem BfArM vorliegenden Dokumente betreffend den Zulassungsantrag für das Arzneimittel Fumaderm. Der Antrag bezog sich außerdem auf ein Erzeugnis mit dem Namen Panaclar 120 mg zur Behandlung von Schuppenflechte. Dieses Erzeugnis war Gegenstand eines 2005 bei der BfArM gestellten Zulassungsantrags, der später zurückgezogen wurde.

42      Am 27. November 2017 stellte die Klägerin einen Antrag bei der EMA. Mit diesem Antrag wollte sie die Bestätigung erlangen, dass sie einen Zulassungsantrag nach dem zentralisierten Verfahren gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 für ein Generikum mit dem Namen Dimethyl Fumarate Pharmaceutical Works Polpharma stellen könne. Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 kann ein Generikum eines von der Union genehmigten Referenzarzneimittels von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen gemäß der Richtlinie 2001/83 genehmigt werden.

43      Mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 bestätigte die EMA den Eingang des in der vorstehenden Rn. 42 genannten Antrags. Sie teilte der Klägerin mit, dass für Dimethyl Fumarate Pharmaceutical Works Polpharma auf der Grundlage der vorgelegten Dokumentation ein Zulassungsantrag nach dem zentralisierten Verfahren gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 726/2004 gestellt werden könne. Sie wies die Klägerin darauf hin, dass ihrem Zulassungsantrag erst stattgegeben werden könne nach Ablauf des Datenschutzzeitraums im Sinne von Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004, der dem Referenzarzneimittel Tecfidera zustehe, für das am 30. Januar 2014 eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden sei. Insoweit bezog sich die EMA auf den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 (siehe oben, Rn. 35). In diesem Durchführungsbeschluss habe die Kommission befunden, dass Tecfidera – Dimethylfumarat auf der einen Seite und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm auf der anderen nicht von derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 (siehe oben, Rn. 7) erfasst würden. Die EMA hob in diesem Schreiben hervor, dass kein Berichterstatter ernannt werde, bevor die Einreichung eines Zulassungsantrags möglich sei. Sie forderte die Klägerin abschließend auf, sie in Anbetracht des Datenschutzzeitraums für Tecfidera mindestens sieben Monate im Voraus von ihrer Absicht zu informieren, einen Zulassungsantrag zu stellen.

44      Am 19. März 2018 lehnte das BfArM den oben in Rn. 41 genannten Antrag auf Informationszugang ab.

45      Mit Schreiben vom 22. März 2018 nahm die EMA auf das Schreiben der Klägerin vom 27. November 2017 (siehe oben, Rn. 42) Bezug und teilte ihr mit, dass der CHMP und der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz in einer Sitzung im März 2018 einvernehmlich jeweils einen Berichterstatter ernannt hätten.

46      Am 19. April 2018 legte die Klägerin Widerspruch gegen die oben in Rn. 44 genannte Entscheidung des BfArM ein, mit der dieses ihren Antrag auf Informationszugang abgelehnt hatte.

47      Am 27. Juni 2018 reichte die Klägerin bei der EMA einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera ein. Dieser Antrag wurde am 5. und am 18. Juli 2018 abgeändert. Er bezog sich auf magensaftresistente Kapseln mit 120 mg und 240 mg DMF. Er war auf Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 gestützt, wonach ein Antrag auf Zulassung in einem sogenannten „abgekürzten“ Verfahren gestellt werden kann (siehe oben, Rn. 8).

48      Mit Schreiben vom 11. Juli 2018 forderte die EMA bei der Klägerin zusätzliche Angaben an.

49      Am 18. Juli 2018 beantwortete die Klägerin diese Anfrage der EMA.

50      In ihrem Schreiben vom 30. Juli 2018 (im Folgenden: angefochtener Beschluss) führte die EMA u. a. aus, nach dem dritten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 seien Tecfidera – Dimethylfumarat, dessen Zulassung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 beantragt worden sei, auf der einen Seite und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm auf der anderen nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen, da MEF und DMF beide aktiv seien und nicht demselben Wirkstoff entsprächen, denn ihre therapeutisch wirksame Komponente sei nicht dieselbe. Sie wies ferner darauf hin, dass nach Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 Humanarzneimittel, die gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung genehmigt worden seien, unbeschadet des Rechts über den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von zehn Jahren unterlägen. Somit genieße Tecfidera offenkundig einen eigenständigen Datenschutz von acht Jahren, und dieser Zeitraum sei noch nicht abgelaufen. Aufgrund dieser Feststellungen führte die EMA aus, die Bezugnahme auf die im Dossier von Tecfidera enthaltenen Daten der vorklinischen und klinischen Versuche für die Zwecke der Stellung eines Zulassungsantrags nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 sei gegenwärtig nicht zulässig. Die EMA gelangte zu dem Schluss, dass sie nicht in der Lage sei, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera zu validieren.

51      Am 8. Oktober 2018 wies das BfArM den oben in Rn. 46 erwähnten Widerspruch der Klägerin zurück, soweit dieser die mit der Zulassung von Fumaderm zusammenhängenden Dokumente betraf.

II.    Verfahren und Anträge der Parteien

52      Mit am 9. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichter Klageschrift hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

53      Die EMA hat ihre Klagebeantwortung am 17. Januar 2019 eingereicht.

54      Mit am 21. Dezember 2018 bzw. am 31. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten Schriftsätzen haben die Biogen Netherlands BV, das Unternehmen, auf das die Zulassung von Tecfidera übertragen worden war (im Folgenden: Biogen), und die Kommission beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der EMA zugelassen zu werden.

55      Mit Schriftsätzen vom 5., 7. und 25. Februar 2019 hat die EMA beantragt, bestimmte Angaben in den Anlagen zur Klagebeantwortung gegenüber Biogen und der Kommission vertraulich zu behandeln.

56      Die Klägerin hat ihre Erwiderung am 11. März 2019 eingereicht.

57      Mit Beschlüssen des Präsidenten der Neunten Kammer des Gerichts vom 19. März 2019 sind Biogen und die Kommission als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der EMA zugelassen worden. Die Entscheidung über die Anträge auf vertrauliche Behandlung ist vorbehalten worden.

58      Die EMA hat ihre Gegenerwiderung am 29. April 2019 eingereicht.

59      Auf der Grundlage der nicht vertraulichen Fassungen der Verfahrensunterlagen haben Biogen und die Kommission ihre Streithilfeschriftsätze am 16. bzw. 17. Mai 2019 eingereicht.

60      Die EMA und die Klägerin haben ihre Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen am 21. bzw. 24. Juni 2019 eingereicht.

61      Aufgrund einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter mit Wirkung vom 4. Oktober 2019 der Siebten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache daher gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts zugewiesen worden ist.

62      Auf Vorschlag der Siebten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung entschieden, die Rechtssache an eine mit einer höheren Richterzahl tagende Kammer zu verweisen.

63      Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht (Siebte erweiterte Kammer) die Eröffnung des mündlichen Verfahrens beschlossen und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung die Parteien zur Beantwortung mehrerer schriftlicher Fragen und zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert. Die Parteien sind dem fristgemäß nachgekommen.

64      Nach Verschiebung der ursprünglich für den 7. Mai 2020 vorgesehenen mündlichen Verhandlung haben die Parteien in der Sitzung vom 13. Juli 2020 mündliche Ausführungen gemacht und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

65      Die Klägerin beantragt,

–        die von ihr erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 für zulässig und für begründet zu erklären, soweit die Kommission mit diesem Durchführungsbeschluss festgestellt hat, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie Fumaderm;

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der EMA die Kosten aufzuerlegen.

66      Die EMA beantragt der Sache nach,

–        die Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 als unzulässig zurückzuweisen;

–        die Nichtigkeitsklage jedenfalls als in vollem Umfang unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die gesamten Kosten des vorliegenden Verfahrens aufzuerlegen.

67      Die Kommission beantragt,

–        die Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 als unzulässig zurückzuweisen und demgemäß die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        die Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen und demgemäß die Klage als unbegründet abzuweisen.

68      Biogen beantragt,

–        die Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 als unzulässig zurückzuweisen;

–        die Nichtigkeitsklage jedenfalls als in vollem Umfang unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten des vorliegenden Verfahrens, einschließlich ihrer eigenen Kosten, aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

69      Mit dem ersten Klageantrag beantragt die Klägerin, ihre Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 für zulässig und begründet zu erklären. Mit ihrem zweiten Klageantrag beantragt die Klägerin, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären.

A.      Zum ersten Klageantrag, der dahin geht, die Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 für zulässig und begründet zu erklären

70      Nach Art. 277 AEUV kann jede Partei in einem Rechtsstreit, in dem die Rechtmäßigkeit eines von einem Organ, einer Einrichtung oder einer sonstigen Stelle der Union erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung angefochten wird, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union die Unanwendbarkeit dieses Rechtsakts aus den in Art. 263 Abs. 2 AEUV genannten Gründen geltend machen.

71      Art. 277 AEUV ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht einräumt, zum Zweck der Nichtigerklärung eines an sie gerichteten Beschlusses im Wege der Vorfrage die Gültigkeit der Verordnungen in Zweifel zu ziehen, die die Rechtsgrundlage für diesen Beschluss bilden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 39, und vom 19. Januar 1984, Andersen u. a./Parlament, 262/80, EU:C:1984:18, Rn. 6).

72      Die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit wirkt nicht erga omnes, sondern führt zur Rechtswidrigkeit des individuellen Beschlusses und lässt den Rechtsakt mit allgemeiner Geltung in der Rechtsordnung bestehen, ohne die Rechtmäßigkeit der anderen auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsakte, die nicht innerhalb der Klagefrist angefochten wurden, zu berühren (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2018, KF/SATCEN, T‑286/15, EU:T:2018:718, Rn. 157 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Somit stellt die durch Art. 277 AEUV eröffnete Möglichkeit, die Unanwendbarkeit einer Maßnahme mit allgemeiner Geltung geltend zu machen, kein selbständiges Klagerecht dar und kann nur inzident ausgeübt werden (vgl. Beschluss vom 8. Juli 1999, Area Cova u. a./Rat, T‑194/95, EU:T:1999:141, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 6. Juni 2013, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission, T‑279/11, EU:T:2013:299, Rn. 96).

74      Zudem ist der Unionsrichter im Rahmen eines Antrags auf Aufhebung einer beschwerenden individuellen Maßnahme zwar befugt, inzident die Rechtswidrigkeit einer Vorschrift mit allgemeiner Geltung, auf die der angefochtene Rechtsakt gestützt ist, festzustellen. Er ist jedoch nicht befugt, derartige Feststellungen im Tenor seiner Urteile zu treffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2018, GQ u. a./Kommission, T‑525/16, EU:T:2018:964, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Im vorliegenden Fall beantragt die Klägerin mit einem eigenständigen Klageantrag, die von ihr erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 für zulässig und für begründet zu erklären, soweit die Kommission mit diesem Durchführungsbeschluss festgestellt hat, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie Fumaderm.

76      Aus der oben in den Rn. 70 bis 73 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass der erste Klageantrag unzulässig und zurückzuweisen ist.

77      Dieses Ergebnis steht jedoch in Anbetracht des Inhalts der Klageschrift einer Prüfung der Einrede der Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 durch das Gericht im Rahmen seiner Behandlung des zweiten Klageantrags, mit dem die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt wird, nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2018, GQ u. a./Kommission, T‑525/16, EU:T:2018:964, Rn. 38 und 39, sowie vom 12. Dezember 2019, Feral/Ausschuss der Regionen, T‑529/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:851, Rn. 27, 33 und 58).

B.      Zum zweiten Klageantrag, mit dem die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses begehrt wird

78      Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie die Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 geltend macht, soweit die Kommission mit diesem festgestellt hat, dass Tecfidera – Dimethylfumarat nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen falle wie Fumaderm. Nach Ansicht der Klägerin ist der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, der die einzige Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses sei, rechtswidrig und muss gemäß Art. 277 AEUV für nicht anwendbar erklärt werden. Folglich fehle dem angefochtenen Beschluss, mit dem die Validierung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera abgelehnt werde, die Rechtsgrundlage, und er müsse u. a. wegen fehlender Begründung gemäß Art. 296 AEUV für nichtig erklärt werden.

79      Die EMA, unterstützt von der Kommission und von Biogen, erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit.

1.      Zur Zulässigkeit

80      Die EMA, unterstützt von der Kommission und von Biogen, macht der Sache nach geltend, wenn der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sein sollte, soweit die Kommission mit ihm befunden habe, dass Tecfidera nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen falle wie Fumaderm, müsse die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit als unzulässig zurückgewiesen werden. Da die Klägerin nämlich diesen Durchführungsbeschluss auf der Grundlage von Art. 263 AEUV hätte anfechten können, hätte sie eine Nichtigkeitsklage dagegen erheben müssen, was sie nicht getan habe.

81      Die EMA macht zum einen geltend, wenn der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, wie die Klägerin meine, in Anbetracht seines dritten Erwägungsgrundes ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei, so wirke sich dieser Rechtsakt unmittelbar und ohne Durchführungsmaßnahmen auf die Rechtsstellung der Klägerin aus. Dieser Durchführungsbeschluss hätte Tecfidera einen gesonderten Datenschutzzeitraum verschafft und folglich die Klägerin bis zum Ablauf dieses Zeitraums daran gehindert, sich auf das Dossier von Tecfidera zu stützen.

82      Zum anderen macht die EMA, unterstützt von Biogen, geltend, die Klägerin sei zur Erhebung einer Klage gegen den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 befugt gewesen, soweit die Kommission mit ihr bestätigt habe, dass Tecfidera und Fumaderm nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien. Eine Nichtigerklärung dieses Durchführungsbeschlusses hätte zu der Feststellung geführt, dass Tecfidera Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen sei, und hätte der Klägerin erlaubt, sofort einen Antrag auf Zulassung eines Generikums von Tecfidera zu stellen.

83      Nach Ansicht der EMA war die Rechtsstellung der Klägerin im Zeitraum zwischen dem 28. Februar 2014, dem Tag der Veröffentlichung einer Zusammenfassung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union, und dem Ablauf der Frist zur Erhebung einer Klage gegen diesen Durchführungsbeschluss mit Gewissheit berührt.

84      Die Kommission macht zudem geltend, es bestehe kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Beschluss und bestimmten vorbereitenden Maßnahmen zum Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014.

a)      Zur Einstufung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 als „Rechtsakt mit allgemeiner Geltung“

85      Gemäß Art. 277 AEUV kann eine Einrede der Rechtswidrigkeit nur gegenüber einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung erhoben werden (siehe oben, Rn. 70).

86      Nach Art. 288 Abs. 4 AEUV sind „Beschlüsse … in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich.“

87      Im vorliegenden Fall erging der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 zu einem von Biogen Idec gestellten Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen. Mit diesem Durchführungsbeschluss wurde einem bestimmten Unternehmen, nämlich Biogen Idec, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt. Biogen Idec ist schließlich alleinige Adressatin des Durchführungsbeschlusses.

88      Formal stellt sich somit der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 als ein Einzelbeschluss und nicht als ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung dar.

89      Indes kann die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Maßnahme nicht ändern, so dass zu prüfen ist, ob der Inhalt einer Maßnahme tatsächlich der für sie gewählten Form entspricht (Urteil vom 13. Dezember 1989, Grimaldi, C‑322/88, EU:C:1989:646, Rn. 14, und Beschluss vom 27. Oktober 2015, Belgien/Kommission, T‑721/14, EU:T:2015:829, Rn. 20). Der Unionsrichter kann sich bei der Bestimmung der Tragweite einer Maßnahme nicht mit deren amtlicher Bezeichnung begnügen, sondern muss in erster Linie auf ihren Gegenstand und Inhalt abstellen (Urteil vom 14. Dezember 1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a./Rat, 16/62 und 17/62, nicht veröffentlicht, EU:C:1962:47, S. 978).

90      Ein Rechtsakt hat allgemeine Geltung, wenn er für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen erzeugt (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 29).

91      Der Anwendungsbereich von Art. 277 AEUV muss sich deshalb auf diejenigen Rechtshandlungen der Organe erstrecken, die, obwohl nicht in Form einer Verordnung ergangen, gleichartige Wirkungen entfalten (Urteil vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 40). Die Einrede der Rechtswidrigkeit kann mit anderen Worten nicht auf die Handlungen beschränkt werden, die in Form eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung im Sinne von Art. 277 AEUV ergangen sind, damit für Personen, die von der direkten Klage gegen Rechtshandlungen der Organe mit allgemeiner Geltung ausgeschlossen sind, eine effektive Kontrolle solcher Rechtshandlungen sichergestellt wird, wenn sie von Durchführungsentscheidungen betroffen sind, die sie unmittelbar und individuell betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 1993, Reinarz/Kommission, T‑6/92 und T‑52/92, EU:T:1993:89, Rn. 56).

92      Im vorliegenden Fall befand die Kommission im dritten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014, dass sich das DMF enthaltende Tecfidera von Fumaderm, dem anderen, bereits zugelassenen und aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Arzneimittel unterscheide. Folglich seien Tecfidera – Dimethylfumarat, dessen Zulassung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 beantragt worden sei, und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm nicht nach Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen.

93      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 auf deren Art. 10 Abs. 1 verweist und damit den Begriff „umfassende Genehmigung“ ausdrücklich mit der Regelung des Schutzzeitraums für die Daten der Referenzarzneimittel in diesem Art. 10 Abs. 1 verknüpft, unabhängig von der Tatsache, dass dieser Begriff verschiedene Entwicklungen des Ursprungsarzneimittels abdeckt, für die verschiedene Daten zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgelegt werden müssen (vgl. Urteil vom 28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission, C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2017:498, Rn. 64). Diese Feststellung gilt auch für den in Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 geregelten Datenschutzzeitraum.

94      Somit folgt aus der Feststellung im dritten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014, wonach Tecfidera – Dimethylfumarat und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm nicht nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien, dass dieser Durchführungsbeschluss dahin auszulegen ist, dass er die Geltung eines Datenschutzzeitraums für die Daten zu Tecfidera impliziert.

95      Daher findet der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 aufgrund der mit ihm getroffenen Feststellung der jeweiligen Merkmale von Fumaderm und Tecfidera Anwendung auf objektiv bestimmte Sachverhalte. Da die Geltung des Schutzzeitraums für die Daten zu Tecfidera aus dieser Feststellung folgt, kann dieser Durchführungsbeschluss Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt bezeichneten Personengruppen entfalten, d. h. gegenüber jedem Wirtschaftsbeteiligten, dessen Tätigkeit im Zusammenhang mit Tecfidera stehen kann, insbesondere einem solchen, der ein Generikum von Tecfidera herstellen kann.

96      Folglich ist der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, wie im Übrigen die EMA und die Kommission in der Sitzung ausgeführt haben, ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung im Sinne von Art. 277 AEUV, soweit in seinem dritten Erwägungsgrund festgestellt wird, dass Tecfidera nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen sei wie Fumaderm.

b)      Zum Bestehen eines Zusammenhangs zwischen dem angefochtenen Beschluss und den von der Klägerin beanstandeten Beurteilungen

97      Nach Ansicht der Kommission besteht ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Beschluss und dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, da die mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Ablehnung erstens unmittelbar mit der Feststellung verknüpft sei, dass sich Tecfidera von Fumaderm unterscheide, und zweitens mit dem aus dieser Einstufung folgenden eigenständigen Datenschutzzeitraum. Dagegen besteht aus der Sicht der Kommission kein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Beschluss und bestimmten Vorbereitungsmaßnahmen zum Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, nämlich dem überarbeiteten Gutachten des CHMP vom 21. November 2013 (siehe oben, Rn. 26) und erst recht nicht dem EPAR vom 26. November 2013 zu Tecfidera (siehe oben, Rn. 28).

98      Da Art. 277 AEUV nicht den Zweck hat, einer Partei zu gestatten, die Anwendbarkeit jedes beliebigen Rechtsakts allgemeinen Charakters im Rahmen einer beliebigen Klage in Abrede zu stellen, ist die Tragweite einer Rechtswidrigkeitseinrede auf das zu beschränken, was zur Entscheidung über den Rechtsstreit unerlässlich ist. Daraus folgt, dass der allgemeine Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, unmittelbar oder mittelbar auf den streitgegenständlichen Fall anwendbar sein muss (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2018, KF/SATCEN, T‑286/15, EU:T:2018:718, Rn. 156 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Demgemäß hat der Gerichtshof im Rahmen von Nichtigkeitsklagen gegen Einzelbeschlüsse anerkannt, dass Gegenstand einer Einrede der Rechtswidrigkeit die Bestimmungen eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung sein können, die diesen Beschlüssen zugrunde liegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Oktober 1981, Krupp Stahl/Kommission, 275/80 und 24/81, EU:C:1981:247, Rn. 32, und vom 11. Juli 1985, Salerno u. a./Kommission und Rat, 87/77, 130/77, 22/83, 9/84 und 10/84, EU:C:1985:318, Rn. 36) oder die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit solchen Beschlüssen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1965, Macchiorlati Dalmas/Hohe Behörde, 21/64, EU:C:1965:30, S. 259, vom 9. September 2003, Kik/HABM, C‑361/01 P, EU:C:2003:434, Rn. 76, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 237).

100    Es trifft zu, dass das Gericht mit dem von der Kommission angeführten Urteil vom 22. Januar 2015, Teva Pharma und Teva Pharmaceuticals Europe/EMA (T‑140/12, EU:T:2015:41, Rn. 52 und 53), eine Einrede der Rechtswidrigkeit eines Kurzberichts und eines Gutachtens des Ausschusses für Arzneimittel für seltene Leiden als unzulässig zurückgewiesen hat. In diesem Urteil hat das Gericht ausgeführt, dass diese Handlungen vorbereitende Handlungen waren und dass die Kommission von ihnen abweichen konnte. Daraus hat es geschlossen, dass diese Handlungen keine Rechtsakte mit allgemeiner Geltung und ihrer Art nach keine Rechtsakte waren, die die Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses bilden oder einen unmittelbaren Zusammenhang mit ihm haben konnten, so dass seine vermeintliche Rechtswidrigkeit keine Auswirkung auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben konnte.

101    Erstens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Klage keine förmliche Einrede der Rechtswidrigkeit des Gutachtens des CHMP oder des EPAR erhebt. Sie macht nämlich geltend, die wissenschaftliche Beurteilung des CHMP sei offensichtlich unrichtig, soweit darin auf einen relevanten Unterschied zwischen Tecfidera und Fumaderm geschlossen werde. Der Klägerin zufolge ergibt sich daraus, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, mit dem den Feststellungen des CHMP insoweit gefolgt werde, rechtswidrig und nicht anwendbar sei.

102    Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, soweit ein Beschluss das Gutachten der EMA lediglich bestätigt, der Inhalt dieses Gutachtens ebenso wie derjenige der Beurteilungsberichte, auf die es sich stützt, ein Bestandteil der Gründe des angefochtenen Beschlusses insbesondere hinsichtlich der wissenschaftlichen Beurteilung des in Rede stehenden Arzneimittels ist (vgl. Urteil vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission, T‑452/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:373, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Im Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 hat die Kommission nicht die Schlussfolgerung des CHMP übernommen, dass der Wirkstoff von Tecfidera, DMF, ein neuer Wirkstoff sei. Sie hat sich in diesem Durchführungsbeschluss jedoch ausdrücklich zum einen auf die Beurteilung des CHMP gestützt, dass MEF und DMF beide aktiv seien und nicht demselben Wirkstoff entsprächen, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe sei, und zum anderen auf dessen Schlussfolgerung, dass sich DMF von Fumaderm unterscheide. Daraus hat sie geschlossen, dass Tecfidera und Fumaderm nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien. Demgemäß wurde nach Erlass dieses Durchführungsbeschlusses dem EPAR betreffend Tecfidera ein Vermerk hinzugefügt, wonach „[i]n Anbetracht der … Entwicklung der rechtlichen Erwägungen, wie sie im dritten Erwägungsgrund des [Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014] zum Ausdruck kommen, … die abschließende Feststellung im Gutachten des CHMP, dass der Wirkstoff von Tecfidera, [DMF], ein neuer Wirkstoff ist, gegenstandslos [ist]“. Der CHMP wies jedoch darauf hin, dass sämtliche übrigen wissenschaftlichen Erwägungen und Schlussfolgerungen seiner Beurteilung unberührt blieben.

104    Daher ist festzustellen, dass der Inhalt des überarbeiteten Gutachtens des CHMP wie im Übrigen auch der des diesem zugrunde liegenden EPAR integraler Bestandteil der Begründung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 sind, insbesondere hinsichtlich der wissenschaftlichen Beurteilung des Bestehens eines Unterschieds zwischen Tecfidera und Fumaderm.

105    Somit ist die Klägerin, um die Rechtswidrigkeit des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 darzutun, berechtigt, die Beurteilungen zu beanstanden, die erstens im überarbeiteten Gutachten des CHMP und im EPAR enthalten sind und zweitens diesem Durchführungsbeschluss zugrunde liegen.

106    Das Vorbringen der Kommission, es fehle an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem angefochtenen Beschluss und bestimmten Vorbereitungsmaßnahmen zum Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, wird demnach zurückgewiesen.

c)      Zum Recht der Klägerin zur Erhebung einer Klage gegen den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014

107    Art. 277 AEUV ist Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der jeder Partei das Recht gewährleistet, zum Zweck der Nichtigerklärung eines sie unmittelbar und individuell betreffenden Beschlusses die Gültigkeit derjenigen früheren Rechtshandlungen der Unionsorgane zu bestreiten, die die Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beschluss bilden, falls die Partei nicht das Recht hatte, gemäß Art. 263 AEUV unmittelbar gegen diese Rechtshandlungen zu klagen, deren Folgen sie nunmehr erleidet, ohne dass sie ihre Nichtigerklärung hätte beantragen können (Urteile vom 6. März 1979, Simmenthal/Kommission, 92/78, EU:C:1979:53, Rn. 39, und vom 17. Juni 1999, ARAP u. a./Kommission, T‑82/96, EU:T:1999:127, Rn. 46).

108    War ein Kläger zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung befugt, deren Rechtswidrigkeit er später einredeweise geltend macht, so wird die Einrede der Rechtswidrigkeit dieser Handlung mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, dass er mit dieser inzidenten Beanstandung einer endgültigen Handlung ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2011, Regione autonoma della Sardegna u. a./Kommission, T‑394/08, T‑408/08, T‑453/08 und T‑454/08, EU:T:2011:493, Rn. 68). Würde nämlich zugelassen, dass ein Kläger im Rahmen einer gegen einen Beschluss gerichteten Nichtigkeitsklage die Rechtswidrigkeit einer früheren Rechtshandlung gleicher Art im Wege der Einrede geltend macht, würde damit die mittelbare Anfechtung früherer Beschlüsse, die nicht innerhalb der Klagefrist des Art. 263 AEUV angefochten worden sind, und somit die Umgehung dieser Frist ermöglicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 1995, Spanien/Kommission, C‑135/93, EU:C:1995:201, Rn. 17).

109    Daher ist zu prüfen, ob nach den Akten eine Klage der Klägerin gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV gegen den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 zulässig gewesen wäre.

110    Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“.

111    Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 nicht an die Klägerin gerichtet war.

112    Die Zulässigkeit einer Klage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV setzt voraus, dass dieser Person eine Klagebefugnis zuerkannt wird, die in zwei Fällen vorliegt. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft (Urteile vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 59 und 91, sowie vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 39).

113    Was als Erstes die Voraussetzung der individuellen Betroffenheit der Klägerin betrifft, so kann nach ständiger Rechtsprechung eine Person, die nicht Adressat eines Beschlusses ist, nur dann geltend machen, von ihm individuell betroffen zu sein, wenn der Beschluss sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteile vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, EU:C:1963:17, S. 238, vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 72, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 46).

114    Die Möglichkeit, die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau zu bestimmen, bedeutet keineswegs, dass sie als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern diese Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. November 2001, Antillean Rice Mills/Rat, C‑451/98, EU:C:2001:622, Rn. 52, und vom 19. Dezember 2013, Telefónica/Kommission, C‑274/12 P, EU:C:2013:852, Rn. 47).

115    Im vorliegenden Fall ist zunächst der Umstand, dass die Klägerin ein Hersteller von Generika ist und möglicherweise beabsichtigt, ein Generikum von Tecfidera in den Verkehr zu bringen, als solcher nicht geeignet, sie zu individualisieren, da andere Wirtschaftsbeteiligte sich in derselben Lage wie sie befinden konnten.

116    Sodann ist festzustellen, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 zu einem von Biogen Idec gestellten Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen ergangen ist.

117    Das Verfahren zum Erlass einer Genehmigung für das Inverkehrbringen im Rahmen der Richtlinie 2001/83 oder der Verordnung Nr. 726/2004 ist indes als zweiseitiges Verfahren ausgestaltet, an dem nur der Antragsteller und die zuständige Behörde beteiligt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2014, Olainfarm, C‑104/13, EU:C:2014:2316, Rn. 34). Es handelt sich um ein Verfahren zwischen dem Antragsteller und der Verwaltung, in dessen Rahmen die Verwaltung das Interesse des Antragstellers am Erhalt einer Verkehrsgenehmigung und das öffentliche Interesse am Schutz der menschlichen Gesundheit berücksichtigen muss. Dritte können an diesem Verfahren nicht teilnehmen und sich nicht zum Gesprächspartner des Ausschusses und der Kommission aufschwingen, soweit es um die Beurteilung der wissenschaftlichen Daten zu dem betreffenden Arzneimittel geht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2003, Olivieri/Kommission und EMEA, T‑326/99, EU:T:2003:351, Rn. 94).

118    Schließlich ist hervorzuheben, dass die Kommission im Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 befunden hat, dass sich das DMF enthaltende Tecfidera von Fumaderm, dem anderen, bereits zugelassenen und aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Arzneimittel, unterscheide und dass folglich Tecfidera – Dimethylfumarat, dessen Zulassung auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 beantragt worden sei, und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm nicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien.

119    Somit geht aus dem Verfahren zum Erlass und aus dem Inhalt des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 hervor, dass die individuelle Lage der Klägerin beim Erlass dieses Durchführungsbeschlusses nicht berücksichtigt worden ist, und zwar auch hinsichtlich der von der Kommission in diesem getroffenen Feststellung, dass Tecfidera und das bereits zugelassene Arzneimittel Fumaderm nicht nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien.

120    Die Klägerin war daher von dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 allein aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Hersteller von Arzneimitteln, insbesondere Generika, betroffen wie jeder andere Wirtschaftsbeteiligte, der sich zur gleichen Zeit möglicherweise in derselben Lage befand.

121    Demnach steht nicht fest, dass die Klägerin von dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 individuell betroffen war.

122    Was als Zweites das Bestehen eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, angeht, umfasst der Begriff „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV alle Rechtsakte ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 28).

123    Im vorliegenden Fall hat der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, wie dargelegt, allgemeine Geltung hinsichtlich der von der Klägerin beanstandeten Beurteilungen (siehe oben, Rn. 85 bis 96). Zudem steht fest, dass dieser Durchführungsbeschluss kein Rechtsakt mit Gesetzescharakter ist.

124    Dieser Durchführungsbeschluss ist somit ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, soweit in seinem dritten Erwägungsgrund festgestellt wird, dass Tecfidera nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen ist wie Fumaderm.

125    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Wendung „die … keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV vor dem Hintergrund zu sehen, dass diese Vorschrift, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, verhindern soll, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter unmittelbar auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person keinen wirksamen Rechtsschutz hätte, wenn sie vor dem Unionsrichter keinen Rechtsbehelf einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter in Frage zu stellen. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte sie nämlich, obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist, dessen gerichtliche Überprüfung erst erwirken, nachdem sie gegen seine Bestimmungen verstoßen hat, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

126    Hingegen ist, wenn ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, die gerichtliche Kontrolle der Beachtung des Unionsrechts unabhängig davon gewährleistet, ob diese Maßnahmen von der Union oder den Mitgliedstaaten erlassen werden. Natürliche oder juristische Personen, die aufgrund der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter der Union nicht unmittelbar vor dem Unionsrichter anfechten können, sind durch die Möglichkeit, die Durchführungsmaßnahmen anzufechten, die dieser Rechtsakt nach sich zieht, davor geschützt, dass ein derartiger Rechtsakt ihnen gegenüber angewandt wird (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

127    Obliegt die Durchführung eines solchen Rechtsakts den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, können natürliche oder juristische Personen unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Voraussetzungen vor den Unionsgerichten unmittelbar gegen die Durchführungsmaßnahmen klagen und sich zur Begründung dieser Klage nach Art. 277 AEUV auf die Rechtswidrigkeit des fraglichen Basisrechtsakts berufen (vgl. Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

128    Der Gerichtshof hat im Übrigen wiederholt entschieden, dass es für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person ankommt, die sich auf das Klagerecht nach Art. 263 Abs. 4 dritte Variante AEUV beruft. Ob der fragliche Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen gegenüber anderen Personen nach sich zieht, spielt also keine Rolle (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

129    Zudem muss sich diese Beurteilung ausschließlich am Klagegegenstand orientieren; falls ein Kläger lediglich die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts begehrt, sind nur diejenigen Durchführungsmaßnahmen, die dieser Teil des Rechtsakts möglicherweise nach sich zieht, gegebenenfalls zu berücksichtigen (Urteil vom 10. Dezember 2015, Kyocera Mita Europe/Kommission, C‑553/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:805, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 61).

130    Schließlich ist es nach dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 letzter Satzteil AEUV für die Einstufung einer Maßnahme als Maßnahme zur Durchführung eines Rechtsakts mit Verordnungscharakter nicht erforderlich, dass dieser Rechtsakt die Rechtsgrundlage dieser Maßnahme bildet. Ein und dieselbe Maßnahme kann eine Maßnahme zur Durchführung sowohl des Rechtsakts, dessen Bestimmungen ihre Rechtsgrundlage bilden, als auch eines gesonderten Rechtsakts sein, wenn alle oder ein Teil der Rechtswirkungen des zuletzt genannten Rechtsakts nur über diese Maßnahme gegenüber der Rechtsmittelführerin eintreten werden (Urteil vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 72).

131    Ob diese Maßnahmen mechanischen Charakter haben oder nicht, ist unerheblich (Urteil vom 13. März 2018, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 47). Ob der angefochtene Rechtsakt mit Verordnungscharakter den mit den Durchführungsmaßnahmen betrauten Behörden einen Ermessensspielraum lässt oder nicht, ist mit anderen Worten nicht relevant für die Frage, ob er Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV nach sich zieht (Urteil vom 6. Juni 2013, T & L Sugars und Sidul Açúcares/Kommission, T‑279/11, EU:T:2013:299, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Beschluss vom 14. Juli 2015, Forgital Italien/Rat, C‑84/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:517, Rn. 44).

132    Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Inhalt des dritten Erwägungsgrundes des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 in dem angefochtenen Beschluss wiedergegeben ist. Zudem steht fest, dass der angefochtene Beschluss auf den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 gestützt ist. In ihrem Streithilfeschriftsatz hat die Kommission nämlich ausgeführt, dass die mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Ablehnung der Validierung unmittelbar an die im Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 enthaltenen Beurteilungen geknüpft war. In ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts hat die Kommission hinzugefügt, dass die EMA durch den Inhalt des dritten Erwägungsgrundes des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 gebunden gewesen sei.

133    Zum anderen hatte die Kommission bei einem Treffen zwischen ihren Dienststellen und Biogen Idec am 16. Mai 2013 darauf hingewiesen, dass in den Beschlüssen, mit denen eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt werde, keine Aussage zur Datenausschließlichkeit getroffen werde, da die Datenausschließlichkeit ein dynamischer Begriff sei, der im Fall von Vermögensübertragungen zwischen Unternehmen Veränderungen unterliege. Zudem prüfe die EMA, so die Kommission in ihrem Streithilfeschriftsatz, im Rahmen des Validierungsverfahrens, ob der rechtlich festgelegte Datenschutzzeitraum für das Referenzarzneimittel abgelaufen sei. In ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts hat die EMA erläutert, dass für die Feststellung, ob das Referenzarzneimittel seit weniger als acht Jahren zugelassen sei, geprüft werden müsse, ob der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen des Referenzarzneimittels auch über Zulassungen für andere Erzeugnisse mit demselben Wirkstoff verfüge. Wie schließlich die EMA und die Kommission in der Sitzung ausgeführt haben, prüft die EMA im Rahmen ihrer Validierungszuständigkeit ganz allgemein, ob das Dossier des Antragstellers für eine Genehmigung für das Inverkehrbringen vollständig im Sinne von Art. 8 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ist.

134    Daher ist festzustellen, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, mit dem festgestellt wird, dass Tecfidera nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen sei wie Fumaderm, seine Rechtswirkungen gegenüber der Klägerin nur über den angefochtenen Beschluss entfaltet hat, der zu einem Antrag auf Zulassung im sogenannten „abgekürzten“ Verfahren (siehe oben, Rn. 8) ergangen ist und mit dem die Validierung dieses Antrags abgelehnt wurde.

135    Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass es abwegig wäre, vom Mitbewerber des durch eine nationale Maßnahme Begünstigten zu verlangen, dass er bei den nationalen Behörden die Gewährung dieses Vorteils beantragt und den diesen Antrag ablehnenden Rechtsakt vor einem nationalen Gericht anficht, um dieses zu veranlassen, den Gerichtshof zur Gültigkeit des die genannte Maßnahme betreffenden Kommissionsbeschlusses zu befragen (Urteil vom 6. November 2018, Scuola Elementare Maria Montessori/Kommission, Kommission/Scuola Elementare Maria Montessori und Kommission/Ferracci, C‑622/16 P bis C‑624/16 P, EU:C:2018:873, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

136    Im vorliegenden Fall war die Klägerin jedoch nur durch die Stellung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera in der Lage, schlüssig darzutun, aus welchen Gründen sich der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 unmittelbar, konkret und mit Gewissheit auf ihre Rechtsstellung auswirken konnte. Somit kann die Stellung eines Zulassungsantrags für ein Generikum von Tecfidera nicht als konstruiert angesehen werden, da die Klägerin damit dartun konnte, dass sie in der Lage sei, ein Generikum von Tecfidera herzustellen, und beschlossen habe, ein solches Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Zudem hat die EMA auf diesen Antrag hin geprüft, ob für das von der Klägerin bezeichnete Referenzarzneimittel, nämlich Tecfidera, ein Datenschutzzeitraum nach Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 galt.

137    Daraus folgt zum einen, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, soweit in dessen drittem Erwägungsgrund festgestellt wird, dass Tecfidera nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen sei wie Fumaderm, und zum anderen, dass der angefochtene Beschluss, der an die Klägerin gerichtet ist, eine dieser Maßnahmen darstellt.

138    Jedenfalls ist ein Kläger nicht daran gehindert, gegen einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung eine Einrede der Rechtswidrigkeit mit der Begründung zu erheben, dass er innerhalb der Frist zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV kein entsprechendes Rechtsschutzinteresse habe dartun können (vgl. Urteil vom 27. März 2019, Canadian Solar Emea u. a./Rat, C‑236/17 P, EU:C:2019:258, Rn. 103, und Schlussanträge des Generalanwalts Pitruzzella in der Rechtssache Compagnie des pêches de Saint-Malo, C‑212/19, EU:C:2020:179, Nrn. 49 und 50).

139    Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung dieser Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und der Rechtsbehelf der Partei, die ihn eingelegt hat, damit im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

140    Hingegen fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse, wenn ein Obsiegen auf keinen Fall geeignet wäre, dem Kläger Genugtuung zu verschaffen (vgl. Urteil vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission, C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

141    Das Rechtsschutzinteresse eines Klägers muss bestehend und gegenwärtig sein. Es darf sich nicht auf eine zukünftige und hypothetische Situation beziehen (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

142    Das Rechtsschutzinteresse stellt somit die wesentliche Grundvoraussetzung für jede vor Gericht erhobene Klage dar (vgl. Urteil vom 17. September 2015, Mory u. a./Kommission, C‑33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

143    Im vorliegenden Fall trifft es zu, dass die Klägerin am 27. Februar 2014, d. h. einen Tag vor der Veröffentlichung einer Zusammenfassung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union,  beim Europäischen Patentamt Einspruch gegen ein Biogen Idec im Mai 2013 erteiltes europäisches Patent eingelegt hat, das „Zusammensetzungen und deren Verwendung zur Behandlung von multipler Sklerose“ betraf und die Verwendung von DMF bei der Behandlung von multipler Sklerose mittels der für Tecfidera zugelassenen spezifischen Dosierungen deckte. Zudem hat Biogen eine Publikation der Klägerin vorgelegt, die sich zum einen auf pharmazeutische Wirkstoffe bezieht, die sich im ersten Quartal 2014 in der Entwicklung befanden, und in der zum anderen DMF zur Behandlung von multipler Sklerose genannt ist.

144    In der von Biogen vorgelegten Publikation der Klägerin heißt es jedoch, dass sich die Entwicklung von DMF im ersten Quartal 2014 in einem frühen Stadium befunden habe. Zudem hat die Klägerin ausgeführt, ohne dass die anderen Parteien dem in der Sitzung widersprochen hätten, dass der Prozess der Entwicklung eines Generikums zahlreiche Abschnitte und Studien umfasse, um die für das Dossier für den Zulassungsantrag erforderlichen Daten zu generieren. Die Ergebnisse mancher dieser Studien seien bis zu deren Abschluss ungewiss. Manche der notwendigen Studien, wie etwa Bioäquivalenzstudien, könnten nicht begonnen oder durchgeführt werden, solange das Referenzarzneimittel, im vorliegenden Fall Tecfidera, nicht auf dem Markt sei.

145    Zum einen zeigt somit das Vorbringen der Klägerin, dass sie für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 zu dem Zeitpunkt, da sie zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen diesen Durchführungsbeschluss befugt gewesen wäre, kein bestehendes und gegenwärtiges, sondern ein zukünftiges Rechtsschutzinteresse hatte, da die Stellung eines Zulassungsantrags für ein Generikum von Tecfidera durch sie zu diesem Zeitpunkt nicht in Betracht kam und für die Stellung eines solchen Antrags ein weitaus längerer Zeitraum als die Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage erforderlich war. Zum anderen zeigt dieses Vorbringen auch, dass die Fähigkeit der Klägerin zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera zu dem Zeitpunkt, da sie zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen den Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 befugt gewesen wäre, ungewiss war.

146    Daher steht in Anbetracht der Situation der Klägerin zwischen dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 im Amtsblatt der Europäischen Union und dem Ende der Frist für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen diesen nicht fest, dass die Klägerin insoweit über ein bestehendes und gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse verfügte.

147    Zudem ist entschieden worden, dass eine bloße Erklärung der Absicht eines Markteintritts, da sie sich auf eine ungewisse, in der Zukunft liegende Situation bezieht, ein bestehendes und gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse nicht zu begründen vermag (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2017, Bionorica und Diapharm/Kommission, C‑596/15 P und C‑597/15 P, EU:C:2017:886, Rn. 114 und 115).

148    Folglich ist festzustellen, dass sich aus dem Inhalt der Akten nicht ergibt, dass die Erhebung einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 durch die Klägerin zulässig gewesen wäre.

149    Die Einrede der Rechtswidrigkeit ist somit zurückzuweisen.

2.      Zur Begründetheit

150    Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe mit der Schlussfolgerung, dass sich Tecfidera und Fumaderm voneinander unterschieden und Tecfidera deshalb nicht unter dieselbe Zulassung falle wie Fumaderm, ein falsches Kriterium angewandt und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Als Erstes macht sie geltend, die Kommission habe für die Feststellung, ob sich Tecfidera und Fumaderm für die Zwecke der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen voneinander unterschieden, ein falsches Kriterium angewandt, das nicht sämtliche relevanten Faktoren berücksichtige. Als Zweites meint sie, wenn der CHMP und die Kommission das angemessene Kriterium angewandt und sämtliche relevanten Faktoren berücksichtigt hätten, hätten sie nicht entscheiden können, dass Tecfidera nicht in den Anwendungsbereich der Zulassung für Fumaderm falle. In Anbetracht des Inhalts der Klageschrift ist das Gericht der Auffassung, dass diese beiden Rügen zusammen zu prüfen sind, da mit beiden in der Sache geltend gemacht wird, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 mit einem Beurteilungsfehler behaftet sei, weil sich die Kommission beim Erlass dieses Beschlusses auf Gesichtspunkte gestützt habe, die nicht die Gesamtheit der zu berücksichtigenden verfügbaren und relevanten Daten darstellten. Im Einzelnen macht die Klägerin geltend, im Fall eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Wirkstoffs, der Bestandteil einer bereits zugelassenen Arzneimittelkombination sei, hänge die Beurteilung des Bestehens eines Unterschieds zwischen dieser Kombination und diesem Wirkstoff für sich genommen davon ab, ob die einzelnen Wirkstoffe des Kombinationspräparats einen dokumentierten und relevanten Beitrag innerhalb dieser Kombination leisteten.

151    Daher wird das Gericht zunächst einige Vorbemerkungen zur Tragfähigkeit des einzigen Klagegrundes und zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle machen. Sodann wird es untersuchen, ob die Kommission beim Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, und dabei nacheinander die folgenden Fragen prüfen: erstens die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen und ihre Ziele, zweitens das anwendbare Unionsrecht und die Entwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse zwischen 1994 und 2014, drittens den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Entscheidungen der nationalen Behörden und viertens die Daten zur Rolle von MEF in Fumaderm, über die die Kommission und die EMA verfügten oder verfügen konnten.

a)      Vorbemerkungen

152    Vorab ist die Tragfähigkeit des einzigen Klagegrundes zu prüfen und der Umfang der gerichtlichen Kontrolle zu bestimmen.

1)      Zur Tragfähigkeit des einzigen Klagegrundes

153    Im Rahmen ihrer Antworten auf die oben in Rn. 63 erwähnten prozessleitenden Maßnahmen hat die EMA geltend gemacht, aus dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses ergebe sich, dass dieser auf zwei voneinander verschiedenen Rechtsgrundlagen beruhe, nämlich Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 zum einen und dem Durchführungsbeschluss der Kommission vom 30. Januar 2014 zum anderen. Zudem lägen dem angefochtenen Beschluss zum einen ein Vergleich der qualitativen Wirkstoffzusammensetzung von Fumaderm und von Tecfidera und zum anderen der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 zugrunde. Diese beiden Rechtsgrundlagen seien voneinander verschieden, da sie auf leicht unterschiedlichen Überlegungen beruhten.

154    In Anbetracht dessen hat die EMA in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts vorgetragen, dass der einzige Klagegrund ins Leere gehe, da die Klägerin einen Punkt der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht beanstandet habe, nämlich den Vergleich der qualitativen Zusammensetzung von Fumaderm und von Tecfidera, den die EMA selbst im Stadium der Validierung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Dimethyl Fumarate Pharmaceutical Works Polpharma vorgenommen habe.

155    Erstens ist jedoch festzustellen, dass die EMA in dem angefochtenen Beschluss zunächst auf den Wortlaut des dritten Erwägungsgrundes des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 Bezug genommen hat, der seinerseits auf die vom CHMP vorgenommenen Beurteilungen verweist. Sodann hat sie auf Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 hingewiesen. Schließlich hat die EMA darauf aufmerksam gemacht, dass sich Tecfidera und Fumaderm hinsichtlich ihrer qualitativen Wirkstoffzusammensetzung unterschieden. Insoweit hat sie den Inhalt von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 angeführt. Dem hat die EMA hinzugefügt, dass Tecfidera und Fumaderm, wie die Kommission in ihrem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 ausgeführt habe, nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fielen und dass für Tecfidera offensichtlich ein eigenständiger Datenschutzzeitraum von acht Jahren gelte.

156    Daraus hat die EMA geschlossen, dass sie in Anbetracht des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014, mit dem festgestellt werde, dass Tecfidera und Fumaderm nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen seien, und von Art. 14 Abs. 11 der Verordnung Nr. 726/2004 nicht in der Lage sei, den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera zu validieren.

157    Wie somit aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, hat sich die EMA ausschließlich auf die schon im Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 enthaltene Schlussfolgerung gestützt, dass „MEF und DMF beide aktiv sind und nicht demselben Wirkstoff entsprechen, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe ist[, und dass daher] festgestellt [wird], dass sich das DMF enthaltende Tecfidera von Fumaderm, dem anderen, bereits zugelassenen und aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Arzneimittel, unterscheidet“.

158    Der angefochtene Beschluss kann demnach nicht dahin ausgelegt werden, dass die EMA selbst im Stadium der Validierung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera einen Vergleich der qualitativen Zusammensetzung von Fumaderm und von Tecfidera vorgenommen hätte.

159    Da sich im Übrigen die Kommission bereits zum Vergleich der qualitativen Zusammensetzung von Fumaderm und von Tecfidera geäußert hatte, bestand für die EMA kein Anlass, selbst einen solchen Vergleich anzustellen.

160    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Auslegung des angefochtenen Beschlusses durch die EMA in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts nicht mit ihren Ausführungen in der Klagebeantwortung und in der Gegenerwiderung vereinbar ist.

161    Die EMA erläutert zwar in der Klagebeantwortung, dass die Feststellung des Bestehens unterschiedlicher umfassender Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf der Grundlage eines Vergleichs der Zusammenfassung der Merkmale der betreffenden Erzeugnisse (Summary of Product Characteristics, im Folgenden: SmPC) im Lauf der Validierung jedes Zulassungsantrags für ein Generikum von Tecfidera unabhängig davon getroffen werden könne, ob der Antrag bei der EMA oder bei einer nationalen Behörde gestellt worden sei. Ihr Beschluss beruhe darauf, dass Tecfidera nicht unter die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen von Fumaderm falle, da die qualitative Zusammensetzung von Tecfidera und von Fumaderm unterschiedlich sei.

162    Ebenfalls in der Klagebeantwortung macht die EMA jedoch geltend, dass das Kriterium des Vergleichs der qualitativen Zusammensetzung der beiden Arzneimittel, wie sie zugelassen worden seien, auf zweifache Weise erfüllt werden könne: entweder durch einen Vergleich der jeweiligen SmPC von Fumaderm und von Tecfidera, wie die EMA in ihrem Schreiben vom 3. August 2011 ausgeführt habe (siehe oben, Rn. 12), oder durch eine Beurteilung mit dem Ergebnis, dass DMF und MEF unterschiedliche Wirkstoffe seien (ein Kriterium, das die Kommission zur Zeit der Erteilung der Zulassung von Tecfidera angewandt habe). Wie zudem aus den Schriftsätzen der EMA hervorgeht, hat diese geltend gemacht, sie hätte sich auf einen Vergleich der SmPC der beiden Arzneimittel beschränken können und die bloße, auf der Grundlage eines Vergleichs dieser SmPC getroffene Feststellung einer unterschiedlichen qualitativen Wirkstoffzusammensetzung lasse einen Schluss zu. Mit anderen Worten hat die EMA erläutert, es „wäre möglich gewesen“, in dieser Weise vorzugehen, und in Zukunft werde so vorgegangen. Dagegen hat die EMA weder in der Klagebeantwortung noch in der Gegenerwiderung vorgetragen, sie sei im vorliegenden Fall in dem angefochtenen Beschluss tatsächlich so vorgegangen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass die EMA ihre Argumentation mehrfach auf den in ihrem Schreiben vom 3. August 2011 empfohlenen Ansatz und nicht auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses stützt. Außerdem enthält der angefochtene Beschluss keinerlei Bezugnahme auf die jeweiligen SmPC von Fumaderm und von Tecfidera.

163    Daher ist das Vorbringen der EMA, der einzige Klagegrund gehe ins Leere, weil die Klägerin einen Punkt der Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht beanstandet habe, zurückzuweisen.

2)      Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle

164    Ist der Beschluss der Verwaltungsbehörde – z. B. im medizinisch-pharmazeutischen Bereich – das Ergebnis komplexer technischer Beurteilungen, so unterliegen diese grundsätzlich einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle, was bedeutet, dass der Unionsrichter die von der Verwaltungsbehörde vorgenommene Beurteilung des Sachverhalts nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen darf (vgl. Urteil vom 19. November 2008, Schräder/CPVO [SUMCOL 01], T‑187/06, EU:T:2008:511, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

165    Ein Unionsorgan, das komplexe Bewertungen vorzunehmen hat, verfügt dabei nämlich über ein weites Ermessen, dessen Ausübung einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, die sich nur darauf erstreckt, ob die fragliche Maßnahme mit einem offensichtlichen Irrtum oder Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die zuständige Behörde die Grenzen ihres Ermessensspielraums offensichtlich überschritten hat (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission, T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

166    Auch wenn der Unionsrichter der Verwaltung in wirtschaftlichen oder technischen Fragen einen Beurteilungsspielraum zugesteht, bedeutet dies jedoch nicht, dass er sich einer Kontrolle der Auslegung derartiger Daten durch die Kommission zu enthalten hat. Er muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 19. November 2008, Schräder/CPVO [SUMCOL 01], T‑187/06, EU:T:2008:511, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

167    Für die gerichtliche Kontrolle ist es aber, auch wenn sie begrenzt ist, erforderlich, dass die Unionsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 34, und vom 30. April 2015, Polynt und Sitre/ECHA, T‑134/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:254, Rn. 53).

168    Ein die Nichtigerklärung dieses Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum eines Organs bei der Würdigung eines komplexen Sachverhalts kann nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die in dem Rechtsakt vorgenommene Sachverhaltswürdigung nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2011, Frankreich/Kommission, T‑257/07, EU:T:2011:444, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

169    Was das Gutachten des CHMP angeht, kann das Gericht die vom Ausschuss vorgenommene Beurteilung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich nämlich nur darauf, ob der Ausschuss ordnungsgemäß vorgegangen ist, sowie auf die Schlüssigkeit und die Begründung seines Gutachtens. Unter dem letztgenannten Aspekt kann das Gericht nur prüfen, ob das Gutachten eine Begründung enthält, anhand deren die Erwägungen beurteilt werden können, auf die es sich stützt, und ob ein verständlicher Zusammenhang zwischen den medizinischen oder wissenschaftlichen Feststellungen und den Schlussfolgerungen im Gutachten hergestellt wird. Insoweit muss der Ausschuss in seinem Gutachten die wichtigsten wissenschaftlichen Berichte und Expertisen angeben, auf die er sich stützt, und im Fall einer erheblichen Divergenz die Gründe erläutern, aus denen er von den Schlussfolgerungen in den von den betroffenen Unternehmen vorgelegten Berichten oder Expertisen abweicht. Diese Verpflichtung besteht insbesondere im Fall wissenschaftlicher Ungewissheit. Indem sie den kontradiktorischen und transparenten Charakter der Konsultation des Ausschusses gewährleistet, ermöglicht sie es, sich zu vergewissern, dass der betreffende Stoff Gegenstand einer eingehenden und objektiven wissenschaftlichen Beurteilung war, die auf einer Gegenüberstellung der repräsentativsten wissenschaftlichen Auffassungen und der von den betroffenen Arzneimittelbetrieben vertretenen wissenschaftlichen Standpunkte beruhte (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission, T‑189/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1056, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

170    Nach ständiger Rechtsprechung ist schließlich bei einer Nichtigkeitsklage die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Rechtsakts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Rechtsakts (vgl. Urteile vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 260) und der Informationen zu beurteilen, über die das den Rechtsakt erlassende Organ bei deren Erlass verfügte (vgl. Urteil vom 9. September 2009, Brink’s Security Luxembourg/Kommission, T‑437/05, EU:T:2009:318, Rn. 96; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. April 2013, Du Pont de Nemours [France] u. a./Kommission, T‑31/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:167, Rn. 157).

171    Ein Kläger kann sich somit vor dem Unionsrichter nicht auf Tatsachen berufen, die nach dem Erlass des Rechtsakts eingetreten sind, dessen Rechtmäßigkeit in Frage gestellt wird und von denen dessen Urheber beim Erlass des Rechtsakts keine Kenntnis haben konnte. Ein auf solche Tatsachen gestütztes Vorbringen geht deshalb ins Leere.

172    Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission mit der Feststellung, dass das nur aus DMF bestehende Tecfidera nicht Bestandteil der 1994 vom BfArM erteilten umfassenden Zulassung von Fumaderm sei, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

b)      Zur umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen und ihren Zielen

173    Nach Ansicht der Klägerin kann der Umstand, dass Tecfidera in einem anderen Verfahren, für eine andere Indikation und mit einem anderen Handelsnamen als Fumaderm zugelassen worden ist, nicht als solcher dafür angeführt werden, dass Tecfidera nicht in den Geltungsbereich der umfassenden Zulassung von Fumaderm falle. Entscheidend für die Frage, ob zwischen Tecfidera und Fumaderm für die Zwecke der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen irgendein Unterschied bestehe, sei die therapeutische Wirksamkeit oder das Fehlen einer solchen. Zudem müsse die therapeutische Wirkung der MEF‑Salze in Fumaderm relevant sein. Es sei unangemessen, zwei Erzeugnisse nur deshalb als „unterschiedlich“ anzusehen, weil eines von ihnen einen besonderen Bestandteil enthalte, der irgendeine pharmazeutische Wirkung hervorrufe, die bei dem Vergleichserzeugnis fehle. Andernfalls könnte der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen zu leicht einen langen zusätzlichen rechtlich festgelegten Datenschutzzeitraum erlangen, indem er bei der Erstreckung des Erzeugnisses auf eine neue therapeutische Indikation einen Wirkstoff zusetze oder entferne, der pharmazeutisch gesehen ein solcher sei, klinisch aber nicht relevant sei. Gleiches gelte für einen Stoff mit relevanter Wirksamkeit, der in einer Zusammensetzung vorhanden sei, allerdings in einer zu geringen Dosierung, um irgendeine signifikante therapeutische Wirkung hervorzurufen, und der ebenfalls ohne spürbare Auswirkung auf die therapeutische Wirksamkeit aus der Zusammensetzung entfernt werden könne. Derartige Änderungen durch die Gewährung eines neuen rechtlich festgelegten Datenschutzzeitraums zu belohnen, nur weil die betreffenden Wirkstoffe einzeln eine (gewisse) therapeutische Wirksamkeit gezeigt hätten, würde den Zielen der Richtlinie 2001/83 zuwiderlaufen und es nicht erlauben, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Interessen der innovativen Unternehmen und der Notwendigkeit, im Allgemeininteresse die Herstellung von Generika zu fördern.

174    Die EMA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen, dass das von der Kommission angewandte rechtliche Kriterium dafür, ob zwei Arzneimittel Bestandteil gesonderter umfassender Genehmigungen für das Inverkehrbringen seien, den Unternehmen eine Möglichkeit zur Umgehung der Regeln über den Datenschutz bieten könnte. Nach Ansicht der EMA ist die von der Klägerin angeführte Umgehungsgefahr völlig hypothetisch.

175    Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 (siehe oben, Rn. 8) soll den ausreichenden Schutz der von den innovativen pharmazeutischen Unternehmen unternommenen Forschungs‑ und Entwicklungsarbeiten mit dem Bestreben in Einklang bringen, überflüssige Versuche an Menschen und Tieren zu vermeiden. Demgemäß heißt es im neunten Erwägungsgrund dieser Richtlinie „dass jene Fälle noch genauer bestimmt werden müssen, in denen für die Genehmigung eines Arzneimittels, das im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Arzneimittel gleicht, die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche und ärztlichen oder klinischen Prüfungen nicht angegeben [zu] werden brauchen, wobei darauf zu achten ist, dass innovative Unternehmen nicht benachteiligt werden“, während im zehnten Erwägungsgrund darauf hingewiesen wird, dass es „[a]us Gründen des Gemeinwohls … nicht möglich [ist], Versuche an Menschen oder Tieren ohne zwingende Notwendigkeit durchzuführen“ (Urteil vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission, T‑472/12, EU:T:2015:637, Rn. 62).

176    Der Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 in geänderter Fassung (siehe oben, Rn. 7) ist vom Gerichtshof in gefestigter Rechtsprechung insbesondere mit dem Ziel entwickelt worden, dem Zweck des sogenannten „abgekürzten“ Verfahrens Rechnung zu tragen, das es ermöglichen soll, die Zeit und die Kosten zu sparen, die für die Sammlung der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Versuche erforderlich sind, und zu vermeiden, dass Versuche am Menschen oder am Tier wiederholt werden. Diese Zielsetzung wäre offensichtlich beeinträchtigt, wenn der Hersteller des ursprünglichen Arzneimittels den Schutzzeitraum für die Daten unbegrenzt verlängern und auf diese Weise die Hersteller generischer Arzneimittel daran hindern könnte, es nach Ablauf des Datenschutzzeitraums, den der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen hat, um die Interessen der innovativen Unternehmen mit dem Allgemeininteresse in Einklang zu bringen, als Referenzarzneimittel zu verwenden (vgl. Urteil vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission, T‑472/12, EU:T:2015:637, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    In Anbetracht des Wortlauts von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 und des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels hat das Gericht entschieden, dass zum einen der Anwendungsbereich der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne der Definition in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 in geänderter Fassung die Entwicklungen umfasst, die Gegenstand gesonderter Zulassungen nach dem zentralisierten Verfahren sind, und dass zum anderen der Umstand, dass ein Zulassungsinhaber in diesem Verfahren eine Zulassung für neue therapeutische Indikationen unter einem neuen Namen erhalten konnte, daher für die Anwendung des rechtlich festgelegten Schutzzeitraums für die Daten keine Relevanz hat (Urteil vom 15. September 2015, Novartis Europharm/Kommission, T‑472/12, EU:T:2015:637, Rn. 82). Auch der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass der Begriff „umfassende Genehmigung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 alle weiteren Entwicklungen des Ursprungsarzneimittels unabhängig von ihren Genehmigungsverfahren, ob mittels einer Änderung der Erstzulassung dieses Arzneimittels oder einer gesonderten Zulassung, umfasst (Urteil vom 28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission, C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2017:498, Rn. 72).

178    Hinzu kommt schließlich, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf das Ziel, „die Forschung auf dem Gebiet neuer therapeutischer Indikationen zu fördern, die einen erheblichen klinischen Nutzen darstellen und zugleich eine Verbesserung des Wohlergehens und der Lebensqualität der Patienten mit sich bringen“, und gleichzeitig darauf zu achten, dass „das notwendige Gleichgewicht zwischen einer Förderung derartiger Innovationen und der Notwendigkeit einer Begünstigung der Produktion von Generika erhalten [bleibt]“, in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie 2001/83 vorgesehen hat, dass der Zehnjahreszeitraum des Marktexklusivitätsrechts für ein Referenzarzneimittel um ein Jahr verlängert wird, „wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien betrachtet werden“. Mit dieser Verlängerung des Zeitraums des Marktexklusivitätsrechts um ein Jahr werden somit aus der Sicht des Unionsgesetzgebers die Investitionen in neue therapeutische Indikationen angemessen vergütet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission, C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2017:498, Rn. 77 und 78).

179    In diesem Sinne sieht Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83 vor, dass „[z]usätzlich zu den Bestimmungen des Absatzes 1 …, wenn es sich um einen Antrag für eine neue Indikation eines bereits gut etablierten Wirkstoffs handelt, eine nicht kumulierbare Ausschließlichkeitsfrist von einem Jahr für die Daten gewährt [wird], sofern bedeutende vorklinische oder klinische Studien im Zusammenhang mit der neuen Indikation durchgeführt wurden“. Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83 betrifft bereits gut etablierte Wirkstoffe, die Bestandteil der Zusammensetzung von Arzneimitteln sind, für die der Datenschutzzeitraum abgelaufen ist. Zudem gilt der in dieser Bestimmung vorgesehene einjährige Datenschutz nur für die die neue Indikation betreffenden Daten und nicht für die Gesamtheit der Daten des bereits zugelassenen Arzneimittels.

180    Folglich ist der im dritten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 erwähnte Umstand, dass der Zulassungsantrag für Tecfidera auf Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 gestützt, d. h. ein „vollständiger“ Antrag war (siehe oben, Rn. 5), ohne Bedeutung für den Anwendungsbereich des Begriffs der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen (siehe oben, Rn. 177). Zudem ist anhand der in den vorstehenden Rn. 174 bis 179 genannten Ziele zu prüfen, ob, wie die Klägerin der Sache nach geltend macht, im vorliegenden Fall eine Gefahr bestand, dass Biogen Idec ein vollständiger Datenschutzzeitraum von acht Jahren allein deshalb zugutegekommen wäre, weil sie zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen für eine andere als die von Fumaderm erfasste Indikation MEF, das ein Bestandteil der Zusammensetzung von Fumaderm war, jedoch klinisch nicht relevant war und in Fumaderm in einer zu geringen Dosierung vorlag, um irgendeine signifikante therapeutische Wirkung hervorzurufen, daraus entfernt hatte.

c)      Zum anwendbaren Unionsrecht und zur Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse von 1994 bis 2014

181    Die Klägerin macht geltend, im vorliegenden Fall könne nicht mit der Begründung, dass Fumaderm bereits vom BfArM beurteilt und von diesem zugelassen worden sei, davon ausgegangen werden, dass die MEF‑Salze in Fumaderm einen relevanten therapeutischen Beitrag leisteten. Die Richtlinie 2001/83 verlange nicht, für alle Wirkstoffe in fixen Arzneimittelkombinationen einen therapeutischen Beitrag darzutun. Zudem habe sich der Inhalt der Leitlinien für Arzneimittelkombinationen und der von diesen geforderte Beweismaßstab im Lauf der Zeit weiterentwickelt. Da diese Leitlinien außerdem nicht verbindlich seien, könne von ihnen abgewichen werden.

182    In der Erwiderung tritt die Klägerin dem Vorbringen der EMA entgegen, dass das angemessene rechtliche Kriterium dasjenige sei, das die EMA in ihrem Schreiben an Biogen Idec vom 3. August 2011 (siehe oben, Rn. 12) dargelegt habe und wonach die Genehmigung einer Arzneimittelkombination nicht als unter die umfassenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen der einzelnen Wirkstoffe, aus denen diese Kombination bestehe, fallend gelte. Zum einen ergebe sich diese Auslegung weder aus dem Wortlaut der Richtlinie 2001/83 noch aus den Hinweisen für Antragsteller. Zum anderen liefere die EMA damit eine nachträgliche Rechtfertigung, und die Schlichtheit des vorgeschlagenen Kriteriums sei dem im vorliegenden Fall befolgten Verfahren nicht angemessen. Wenn die von der EMA befürwortete Auslegung zuträfe, hätte es nie zur Erörterung der Möglichkeit eines vollständigen Datenschutzzeitraums und zu der hier von der Kommission veranlassten wissenschaftlichen Beurteilung kommen können.

183    Die EMA hält die Schlussfolgerung, dass Fumaderm und Tecfidera nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fielen, für möglich, weil Fumaderm als die beiden Wirkstoffe DMF und MEF enthaltende fixe Kombination zugelassen worden sei, während Tecfidera als ausschließlich den Wirkstoff DMF enthaltende Monotherapie zugelassen sei. Diese Betrachtungsweise spiegle die Anwendung von zwei seit Langem in den Rechtsvorschriften etablierten Grundsätzen wider. Der erste Grundsatz hänge mit dem Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen und der Beurteilung zusammen, dass zwei Arzneimittel unter gesonderte Genehmigungen für das Inverkehrbringen fielen, wenn sie sich in ihrer qualitativen Wirkstoffzusammensetzung unterschieden. Sei ein Erzeugnis als fixe Kombination zugelassen, bedeute das nach diesem ersten Grundsatz automatisch, dass sich seine qualitative Wirkstoffzusammensetzung von der jedes als Monotherapie zugelassenen Arzneimittels unterscheide. Der zweite Grundsatz hänge mit der Harmonisierung der Unionsbestimmungen über die Zulassung von Humanarzneimitteln zusammen, die gewährleiste, dass Arzneimittel innerhalb der Union nach denselben Bestimmungen und Normen hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit zugelassen würden.

184    Als Erstes ist festzustellen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Stellung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tecfidera durch Biogen Idec erstmals auf Unionsebene die Frage aufwarf, ob eine zugelassene Arzneimittelkombination auf der einen Seite und ein Bestandteil dieser Kombination auf der anderen unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fallen oder nicht.

185    Diese Feststellung wird durch die Änderungen bestätigt, die der Teil der Hinweise für Antragsteller erfahren hat, der dem Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen gewidmet ist.

186    In der Fassung der Hinweise für Antragsteller vom Juni 2013 hieß es lediglich:

„Wenn das beurteilte Arzneimittel eine Änderung eines bestehenden Stoffes enthält und demselben Antragsteller/Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen gehört, ist im Lauf des Zulassungsverfahrens festzustellen, ob das Arzneimittel einen neuen Wirkstoff enthält oder nicht. Diese Feststellung wirkt sich auf die Frage aus, ob eine umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen besteht oder nicht. Diese Beurteilung erfolgt gemäß den in Anhang I am Ende dieses Kapitels aufgeführten Kriterien, und ihr Ergebnis wird zumindest in den Beurteilungsbericht aufgenommen. Wird in diesem nicht festgestellt, dass das Arzneimittel einen neuen Wirkstoff enthält, so wird davon ausgegangen, dass das betreffende Arzneimittel denselben Wirkstoff enthält und unter die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt.“

187    Nach dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014, nämlich im Juli 2015, wurden jedoch in dem Teil der Hinweise für Antragsteller, der dem Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen gewidmet ist, die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Begriffs auf Anträge festgelegt, die sich auf einen Bestandteil einer bereits zugelassenen Arzneimittelkombination beziehen.

188    So heißt es in Nr. 2.3 Abs. 3 der Fassung der Hinweise für Antragsteller vom Juli 2015 u. a.:

„Enthält das beurteilte Arzneimittel nur einen Wirkstoff, der Bestandteil einer zugelassenen Arzneimittelkombination war, so ist das neue Arzneimittel ein neues und eigenständiges Arzneimittel, das einer gesonderten Genehmigung für das Inverkehrbringen bedarf. Da der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen im Verfahren zur Beurteilung der bereits zugelassenen Arzneimittelkombination bereits dargetan hat, dass jeder Stoff der fixen Kombination einen dokumentierten therapeutischen Beitrag innerhalb der Kombination erbringt und daher sämtliche Bestandteile unterschiedliche Wirkstoffe sind, wird die Zulassung dieses neuen Arzneimittels nicht als unter die umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen der bereits zugelassenen Arzneimittelkombination fallend im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 angesehen.“

189    Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 das Inverkehrbringen von Tecfidera genehmigt und befunden hat, dass dieses Arzneimittel nicht unter dieselbe Genehmigung für das Inverkehrbringen falle wie Fumaderm. Fumaderm war 1994 vom BfArM zugelassen worden, also mehr als 15 Jahre vor der Stellung des Zulassungsantrags für Tecfidera.

190    Als die Zulassung von Fumaderm erteilt wurde, galten für die Prüfung von Zulassungsanträgen für Arzneimittelkombinationen erstens die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, 22, S. 369) mit mehrfachen Änderungen, zweitens die Richtlinie 75/318/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die analytischen, toxikologisch- pharmakologischen und ärztlichen oder klinischen Vorschriften und Nachweise über Versuche mit Arzneimittelspezialitäten (ABl. 1975, L 147, S. 1) mit mehrfachen Änderungen und drittens die Zweite Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1975, L 147, S. 13) mit mehrfachen Änderungen.

191    Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b der Richtlinie 65/65 in der durch die Richtlinie 87/21/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 (ABl. 1987, L 15, S. 36) geänderten Fassung sah vor, dass „[b]ei einer neuen Arzneispezialität, die aus bekannten Bestandteilen besteht, welche bisher zu therapeutischen Zwecken noch nicht miteinander in Verbindung gebracht worden sind, … die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche sowie der ärztlichen oder klinischen Prüfungen der Verbindung vorzulegen [sind]; Unterlagen über jeden einzelnen Bestandteil müssen nicht vorgelegt werden“.

192    Wie sich zudem aus den schriftlichen Antworten der EMA auf die Fragen des Gerichts ergibt, waren die Angaben und Unterlagen, die dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Art. 4 der Richtlinie 65/65 beizufügen waren, in Anhang I der Richtlinie 75/318 in der durch die Richtlinie 91/507/EWG der Kommission vom 19. Juli 1991 (ABl. 1991, L 270, S. 32) geänderten Fassung genannt. Dieser Anhang bestand aus den vier Teilen „Zusammenfassung der Unterlagen“, „Chemische, pharmazeutische und biologische Versuche mit Arzneimitteln“, „Versuche toxikologischer und pharmakologischer Art“ und „Klinische Unterlagen“.

193    Teil 3 dieses Anhangs („Versuche toxikologischer und pharmakologischer Art“), enthielt einen Abschnitt II „Durchführung der Versuche“. In Abschnitt II F, der die Pharmakodynamik betraf, d. h. die durch das Arzneimittel verursachten Veränderungen der normalen oder experimentell veränderten Funktionen des Organismus, hieß es:

„Prüfungen von Wirkstoffkombinationen können das Ergebnis pharmakologischer Überlegungen oder klinischer Hinweise sein.

Im ersten Fall müssen die pharmakodynamischen Untersuchungen die Wechselwirkungen herausstellen, die die Stoffkombinationen als solche für die klinische Anwendung empfehlen.

Im zweiten Fall, in dem die Stoffkombination durch klinische Versuche wissenschaftlich zu rechtfertigen ist, muss untersucht werden, ob die erwarteten Wirkungen der Stoffkombination am Tier nachgewiesen werden können; hierbei muss zumindest das Ausmaß der Nebenwirkungen nachgeprüft werden.

Wird in der Stoffkombination ein neuer Wirkstoff verwendet, so ist letzterer vorher sorgfältig zu prüfen.“

194    In Abschnitt II G, der die Pharmakokinetik betraf, d. h. das Verhalten des Wirkstoffs im Organismus, nämlich Resorption, Verteilung, Biotransformation und Exkretion des Stoffes, hieß es, dass „[b]ei neuen Stoffkombinationen aus bekannten und nach den Bestimmungen dieser Richtlinie geprüften Stoffen … die pharmakokinetischen Untersuchungen unterbleiben [können], wenn die Toxizitätsprüfungen und die klinischen Prüfungen dies rechtfertigen“.

195    Teil 4 dieses Anhangs („Klinische Unterlagen“) enthielt in Abschnitt C („Vorlage der Ergebnisse“) eine Nr. 6 mit folgendem Wortlaut: „Angaben über neue Stoffkombinationen müssen den für ein neues Arzneimittel geforderten Angaben entsprechen, wobei die Stoffkombinationen in Bezug auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu rechtfertigen sind.“

196    Erstens vermag das Gericht den von den Parteien vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, ob Fumaderm das Ergebnis pharmakologischer Überlegungen oder klinischer Hinweise war. Ebenso wenig geht aus den Akten hervor, ob das BfArM MEF und DMF als bekannte oder als neue Stoffe angesehen hat. Allgemeiner gesagt lassen die Akten nicht erkennen, welche Methode das BfArM zur Analyse von Fumaderm und der verschiedenen Stoffe, aus denen es zusammengesetzt ist, angewandt hat.

197    Dagegen enthalten die dem Gericht vorliegenden Akten eine Publikation von Nieboer, C., de Hoop, D., van Loenen, A. C., Langendijk, P. N. J. und van Dijk, E., mit dem Titel „Systemic therapy with fumaric acid derivatives: New possibilities in the treatment of psoriasis“ (J Am Acad Dermatol, 1989; 20(4):601–608, im Folgenden: Studie von Nieboer u. a. von 1989), die der EMA bei der Prüfung des Zulassungsantrags für Tecfidera vorlag. In dieser Publikation heißt es, dass im Lauf der letzten 20 Jahre in Westeuropa unter der Bezeichnung „Therapie auf der Grundlage von Fumarsäure“ eine neue Therapie bei tausenden unter Schuppenflechte leidenden Patienten Verbreitung gefunden habe. Diese Therapie sei von einem selbst unter Schuppenflechte leidenden Biochemiker eingeführt worden, der 1959 und 1966 Arbeiten veröffentlicht habe. Anschließend habe ein deutscher Allgemeinmediziner sie standardisiert und um eine strenge Diät erweitert sowie 1982 und 1984 Studien veröffentlicht. Der Studie von Nieboer u. a. von 1989 zufolge wurde in der Schweiz eine auf diese Therapie spezialisierte Klinik gegründet. Zudem ergibt sich aus einer anderen Publikation von 1998, die sich bei den dem Gericht vorgelegten Akten befindet und von der die EMA und die Kommission bei der Prüfung des Zulassungsantrags für Tecfidera Kenntnis haben konnten, dass Fumarsäureester seit 1959 von einer kleinen Gruppe von Ärzten in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden verschrieben wurden.

198    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die oben in den Rn. 190 bis 195 angeführten Regelungen keine Angaben dazu enthalten, in welcher Form die Arzneimittelkombination in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit gerechtfertigt werden kann.

199    Wenn es in Teil 3 von Anhang I der Richtlinie 75/318 heißt, dass im Fall von Wirkstoffkombinationen, die das Ergebnis pharmakologischer Überlegungen sind, die pharmakodynamischen Untersuchungen die Wechselwirkungen herausstellen müssen, die die Stoffkombinationen als solche für die klinische Anwendung empfehlen, so wird dort nicht gesagt, wie dies zu geschehen hat. Zudem bezieht sich diese Bestimmung darauf, ob die Kombination insgesamt zu empfehlen ist. In Bezug auf Wirkstoffkombinationen, die das Ergebnis klinischer Hinweise sind, heißt es in diesem Teil von Anhang I der Richtlinie 75/318 schließlich, dass die erwarteten Wirkungen „der Stoffkombination“ am Tier nachgewiesen werden können.

200    Drittens hatte 1994, wie die EMA in ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts erläutert hat, der Rat der Europäischen Union tatsächlich in Anhang V der Empfehlung 83/571/EWG des Rates vom 26. Oktober 1983 zu den Versuchen mit Arzneispezialitäten im Hinblick auf deren Inverkehrbringen (ABl. 1983, L 332, S. 11) geregelt, welche Angaben mit einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Arzneimittelkombination zu machen waren. Dieser Anhang V („Fixe Arzneimittelkombinationen“) enthielt Hinweise zur Erläuterung von Teil 3 Abschnitt II Nr. C.2 des Anhangs der Richtlinie 75/318 [später Teil 4 Abschnitt C Nr. 6 des Anhangs der Richtlinie 75/318 in geänderter Fassung, oben in Rn. 195 angeführt] im Hinblick auf eine Genehmigung zum Inverkehrbringen eines neuen Arzneimittels.

201    Insoweit hieß es zwar in Anhang V der Empfehlung 83/571:

„Der Antragsteller hat die besondere Kombination der betreffenden aktiven Wirkstoffe zu begründen. Präparate fixer Kombination sind nur dann als begründet anzusehen, wenn die vorgeschlagene Kombination auf gültigen therapeutischen Grundsätzen beruht.

Die Indikationen für eine fixe Arzneimittel-Kombination müssen so sein, dass das Vorhandensein eines jeden Bestandteils für jede der Indikationen nötig ist. Das Präparat muss so zusammengesetzt sein, dass Dosis und Anteil jedes Bestandteils für alle empfohlenen Verwendungszwecke geeignet sind.

Eine neue Kombination muss klinisch auf einen oder mehrere Bestandteile getestet werden, damit die Rolle eines jeden Bestandteils im Gesamtpräparat ermittelt werden kann.

Die Möglichkeit von Wechselwirkungen zwischen den Bestandteilen muss immer in Betracht gezogen werden. Wenn eine pharmazeutische, pharmakokinetische oder pharmakodynamische Wechselwirkung möglich erscheint, muss der Antragsteller den Nachweis bringen, dass eine solche Wechselwirkung nicht stattfindet oder dass sie klar erkannt und genau definiert ist.“

202    Aus Wortlaut, Inhalt und Kontext des Erlasses dieser Empfehlung geht jedoch nicht hervor, dass diese rechtlich bindende Wirkung für die Mitgliedstaaten und genauer die nationalen Behörden hatte.

203    Zudem haben sich, wie die Klägerin ausführt, der Inhalt der Leitlinien für Arzneimittelkombinationen und der Umfang der von den Antragstellern verlangten Auskünfte insoweit zwischen der Zulassung von Fumaderm am 9. August 1994 und dem Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 erheblich weiterentwickelt.

204    Mit anderen Worten zeigt die Prüfung der aufeinanderfolgenden Fassungen der Empfehlungen oder der Leitlinien für Arzneimittelkombinationen, dass diese schrittweise ergänzt worden sind und dass diese Ergänzungen zum Ziel hatten, zwischen verschiedenen Arten von Arzneimittelkombinationen zu unterscheiden und den nationalen Behörden zu empfehlen, mehr und mehr Informationen von den Antragstellern anzufordern.

205    In dieser Hinsicht weisen die Leitlinien in der überarbeiteten Fassung vom April 1996 (Note for Guidance concerning the application of section C.6 Part 4 of the Annex to Directive 75/318/EEC as amended) folgende Unterschiede gegenüber der Empfehlung 83/571 auf:

–        Sie sehen vor, dass der Antragsteller klar angeben muss, ob die beanspruchte Indikation eine Erstlinientherapie (bestimmt für Patienten, die keinen der in Rede stehenden Stoffe erhielten) oder eine Zweitlinientherapie (eingesetzt, wenn die Monotherapie kein zufriedenstellendes Nutzen-Risiko-Verhältnis gezeigt hat) oder einer anderen Anwendung entspricht. Nach diesen Leitlinien in der überarbeiteten Fassung vom April 1996 müssen entsprechende klinische Entwicklungen durchgeführt werden.

–        Sie enthalten einen Abschnitt über pharmakodynamische und pharmakokinetische Studien, für die zusätzliche Anforderungen an die Antragsteller gestellt werden können. Diese Studien sind von besonderer Bedeutung hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen den die Kombination bildenden Stoffen. So heißt es in den Leitlinien in der überarbeiteten Fassung vom April 1996, dass der Antragsteller dartun muss, dass die einzelnen Stoffe nicht deren jeweiliges pharmakokinetisches Profil beeinträchtigen dürfen.

–        Sie enthalten einen Abschnitt über die Zusammensetzung und die Dosierung, in dem empfohlen wird, dass die vorgeschlagenen Dosierungen zu begründen sind. Danach muss „[j]eder Stoff in der fixen Kombination … so dosiert sein, dass diese für eine signifikante Bevölkerungsuntergruppe sicher und wirksam ist und dass die Beurteilung der Vorteile und Risiken der fixen Kombination derjenigen jedes einzelnen dieser Stoffe für sich genommen entspricht oder günstiger als diese ist. Das Multilevel Factorial Design kann verwendet werden, es gibt jedoch andere Mittel, um zu bestätigen, dass die Kombination ihren Stoffen überlegen ist. Beschreibende Methoden wie die Response Surface Methods können nützlich sein (vgl. Dose Response Information to Support Product Authorisation).

–        Sie enthalten einen therapeutische Versuche betreffenden Punkt, wonach bestätigende klinische Versuche nötig sind, um die Wirksamkeit nachzuweisen, vorzugsweise durch Parallelgruppenvergleiche, bei denen die fixe Kombination mit ihren Einzelstoffen verglichen wird. Es wird empfohlen, eine Placebogruppe einzubeziehen, wo dies möglich ist.

206    Zudem wurde in Anhang V der Empfehlung 83/571 nicht ausdrücklich verlangt, dass jeder Stoff der Arzneimittelkombination einen dokumentierten Beitrag innerhalb der Kombination erbringt. Vielmehr ist erstmals in den Leitlinien in ihrer Fassung vom April 1996 die Rede davon, dass jeder Stoff der Kombination einen „dokumentierten Beitrag“ innerhalb der Kombination erbringen muss. In der Folge war dann in den Leitlinien in ihrer Fassung von 2009 (Guideline on clinical development of fixed combination medicinal products) von einem dokumentierten „therapeutischen“ Beitrag die Rede.

207    Allgemein wurden in den auf die überarbeiteten Leitlinien von 1996 folgenden Leitlinien die Empfehlungen noch stärker ausgeweitet und von den Antragstellern noch mehr und genauere Informationen verlangt.

208    So war zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassung für Fumaderm in keinem verbindlichen Rechtsakt genau vorgesehen, welche Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen einer Arzneimittelkombination galten und wie die Kombination zu begründen war. Zudem sah Anhang V der Empfehlung 83/571 zwar vor, dass der Antragsteller die besondere Kombination der betreffenden aktiven Wirkstoffe zu begründen hatte und dass eine neue Kombination klinisch auf einen oder mehrere Bestandteile getestet werden musste, damit die Rolle eines jeden Bestandteils im Gesamtpräparat ermittelt werden konnte. Diese in einem nicht verbindlichen Rechtstext enthaltenen Voraussetzungen waren jedoch beschränkt und im Hinblick auf ihre Anwendung wenig genau, zumal im Verhältnis zu den später aufgestellten Voraussetzungen, mit denen u. a. der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden sollte.

209    Insoweit ist festzustellen, dass Biogen Idec in einem Schreiben vom 1. Mai 2013 an die Kommission, das diese dem Gericht vorgelegt hat, ausgeführt hat, dass das BfArM Fumaderm als Kombination von vier Wirkstoffen zugelassen habe. Biogen Idec hat jedoch darauf hingewiesen, dass „[d]em BfArM zufolge … das Dossier keine klinischen Daten zu den einzelnen pharmazeutischen Wirkstoffen (API) [enthält]; es enthält nur Daten zur Sicherheit und zur Wirksamkeit der Arzneimittelkombination als Ganzes gesehen, die Eigenschaften von DMF für sich genommen sind nicht bekannt“.

210    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Vertreter der EMA in Beantwortung einer Frage des Gerichts in der Sitzung erläutert hat, dass nach seiner Kenntnis der Begriff „Wirkstoff“ vor Inkrafttreten der Richtlinie 2001/83 auf Unionsebene nicht definiert gewesen sei. Diese Richtlinie ist jedoch nach der Entscheidung des BfArM zur Zulassung von Fumaderm in Kraft getreten.

211    Schließlich ist noch 2013 entschieden worden, dass sich beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts kaum vermeiden lässt, dass bei der Einstufung von Erzeugnissen im Kontext der Richtlinie 2001/83 Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen bleiben, solange die Harmonisierung der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erforderlichen Maßnahmen nicht vollständiger ist (vgl. Urteil vom 3. Oktober 2013, Laboratoires Lyocentre, C‑109/12, EU:C:2013:626, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

212    Als Drittes ist zu beachten, dass nach dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 „[d]ie Begriffe Schädlichkeit und therapeutische Wirksamkeit … nur in ihrer wechselseitigen Beziehung geprüft werden [können] und … nur eine relative Bedeutung [haben], die nach Maßgabe des Standes der Wissenschaft und unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Arzneimittels beurteilt wird“.

213    In dieser Hinsicht ist bereits entschieden worden, dass die zuständige nationale Behörde, die unter der Kontrolle der Gerichte tätig wird, die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter den Begriff „Arzneimittel“ im Sinne der Richtlinie 2001/83 fällt, von Fall zu Fall treffen muss und dabei alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen hat, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften, wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen, die Modalitäten seines Gebrauchs, das Ausmaß seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann (vgl. Urteil vom 10. Juli 2014, D. und G., C‑358/13 und C‑181/14, EU:C:2014:2060, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

214    Eine Genehmigung für das Inverkehrbringen wird somit nach Maßgabe des Standes der Wissenschaft bei Erlass des Genehmigungsbeschlusses erteilt.

215    Im vorliegenden Fall liegt ein Zeitraum von mehr als 15 Jahren zwischen der Zulassung von Fumaderm und der Einreichung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tecfidera. Wie sich aber aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergibt, haben sich die wissenschaftlichen Kenntnisse über die Stoffe, aus denen Fumaderm zusammengesetzt ist, ihre jeweilige Wirkungsweise und die Mittel zu ihrer Untersuchung erheblich weiterentwickelt.

216    Wie sich im Übrigen aus den Akten ergibt, hat Biogen Idec während der Prüfung der Frage, ob Tecfidera Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen ist wie Fumaderm, Beweise aus der Zeit nach der Entscheidung des BfArM vorgelegt, die vom CHMP auch berücksichtigt worden sind. In ihrem Antrag auf Zuerkennung des Status als „neuer Wirkstoff“ hat sich Biogen Idec nämlich auf mehrere nach der Entscheidung des BfArM veröffentlichte Studien bezogen. Zudem hat Biogen Idec zur Stützung ihres Antrags u. a. ein Schreiben vom 9. September 2013 mit der Bezeichnung „Comments on the Chemical Structural Differences Between Tecfidera and the Combination Product Fumaderm“ (Kommentar zu den Unterschieden in der chemischen Struktur zwischen Tecfidera und der Arzneimittelkombination Fumaderm) vorgelegt. Die in diesem Schreiben angeführte wissenschaftliche Literatur stammt jedoch mit einer Ausnahme aus der Zeit nach der Entscheidung des BfArM. Schließlich hat der CHMP im EPAR befunden, dass MEF und DMF beide aktiv seien und nicht denselben Wirkstoff darstellten, und dies u. a. auf der Grundlage von Daten aus der Zeit nach der Entscheidung des BfArM, die Biogen Idec vorgelegt hatte.

217    Im Licht des Vorstehenden ist festzustellen, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall vor die neuartige Frage gestellt sah, ob die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels, dessen einziger Wirkstoff ein Bestandteil einer bereits zugelassenen Arzneimittelkombination ist, Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen wie diese Kombination ist oder nicht. Diese neuartige Frage stellte sich zudem in einem besonderen Kontext, der dadurch gekennzeichnet war, dass die Zulassungsentscheidung für die betreffende Arzneimittelkombination 1994, also mehr als 15 Jahre vor der Stellung des Antrags des aus einem einzigen Wirkstoff bestehenden Arzneimittels, von einer nationalen Behörde erlassen worden war. Der Stand des Unionsrechts und die wissenschaftlichen Kenntnisse waren aber im Jahr 1994 erheblich anders.

218    In diesem besonderen Kontext ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht zum einen nicht dem von der EMA in ihrem Schreiben an Biogen Idec vom 3. August 2011 dargelegten Ansatz gefolgt ist, die Zulassung einer Arzneimittelkombination nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 als Bestandteil der umfassenden Genehmigungen für das Inverkehrbringen der einzelnen Wirkstoffe anzusehen (siehe oben, Rn. 12), und zum anderen in ihrem Schreiben vom 18. September 2013 den CHMP um die Prüfung der Frage gebeten hat, ob sich DMF von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheidet (siehe oben, Rn. 18).

d)      Zum Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Entscheidungen der nationalen Behörden

219    Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission prüfen müssen, ob eine relevante therapeutische Wirkung der MEF‑Salze in Fumaderm nachgewiesen sei. Der CHMP und die Kommission hätten diese Prüfung jedoch unterlassen. Es liege kein Beweis dafür vor, dass dieses Kriterium des dokumentierten therapeutischen Beitrags im Lauf der Erstbeurteilung von Fumaderm hinsichtlich der MEF‑Salze tatsächlich angewandt worden sei. Zudem gebe es keinen Beweis, dass der CHMP im Lauf der Beurteilung von Tecfidera zu irgendeinem Zeitpunkt das BfArM um Auskunft ersucht habe, um sich zu vergewissern, dass die Wirkung der MEF‑Salze in Fumaderm ordnungsgemäß beurteilt worden sei.

220    Die EMA beruft sich auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und macht geltend, es sei ausgeschlossen, dass eine Behörde wie die Kommission oder sie selbst im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels die Beurteilung einer anderen Behörde überprüfe. Die EMA sei nämlich, von Ausnahmefällen abgesehen (z. B. im Fall einer Befassung nach Art. 31 der Richtlinie 2001/83), rechtlich nicht zu einer erneuten Beurteilung der wissenschaftlichen Erstbeurteilung eines zugelassenen Arzneimittels befugt. Zudem sei die Frage der Beurteilung der therapeutischen Wirkung sowohl von DMF als auch von MEF in Fumaderm bereits im Rahmen der Beurteilung durch das BfArM behandelt worden, und Fumaderm hätte, wenn dies nicht geschehen wäre, nicht als Arzneimittelkombination zugelassen werden können.

221    Die EMA tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen, der vermutete therapeutische Beitrag von MEF in Fumaderm sei im Lauf der Beurteilung durch den CHMP zu keiner Zeit geprüft und im Beschlussverfahren der Kommission nicht berücksichtigt worden. Die Prüfung des dokumentierten therapeutischen Beitrags von MEF in Fumaderm habe de facto außerhalb der Beurteilung gelegen, um die die Kommission den CHMP hinsichtlich von DMF ersucht habe. Überdies liege diese Prüfung auch de lege außerhalb des Bereichs der Beurteilung durch den CHMP, da dieser im Rahmen der Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tecfidera nicht befugt sei, die vom BfArM vorgenommene wissenschaftliche Beurteilung von Fumaderm wieder aufzugreifen.

222    Schließlich enthalte der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 entgegen dem Vorbringen der Klägerin eine klare Bezugnahme auf die Zulassung von Fumaderm durch das BfArM und auf den Umstand, dass Fumaderm bereits als die Wirkstoffe MEF und DMF enthaltendes Arzneimittel zugelassen gewesen sei. Eine solche Bezugnahme schließe notwendig einen Verweis auf die wissenschaftliche Beurteilung des therapeutischen Beitrags jedes einzelnen Stoffes der Kombination ein, die zur Zulassung von Fumaderm als Arzneimittelkombination geführt habe.

223    Was das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 angeht, hat der Gerichtshof zwar die Auslegung zurückgewiesen, dass ein mit einem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befasster Mitgliedstaat – abgesehen vom Fall einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit im Sinne von Art. 29 dieser Richtlinie – eine Neubeurteilung der Daten zur wesentlichen Gleichheit vornehmen könne, aufgrund deren der Referenzmitgliedstaat einem abgekürzten Antrag stattgegeben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Oktober 2008, Synthon, C‑452/06, EU:C:2008:565, Rn. 31). Nach Ansicht des Gerichtshofs liefe eine solche Auslegung nicht nur dem Wortlaut der Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 zuwider, sondern nähme diesen Bestimmungen ihre praktische Wirksamkeit. Dürfte nämlich ein Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung einer bereits von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Zulassung beantragt wird, diese Anerkennung von einer zweiten Prüfung des gesamten Zulassungsantrags oder eines Teils desselben abhängig machen, so liefe dies darauf hinaus, dem vom Unionsgesetzgeber geschaffenen Verfahren der gegenseitigen Anerkennung jeden Sinn zu nehmen und die Erreichung der mit der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele wie insbesondere des freien Verkehrs mit Arzneimitteln im Binnenmarkt ernsthaft zu gefährden (Urteil vom 16. Oktober 2008, Synthon, C‑452/06, EU:C:2008:565, Rn. 32).

224    Auch zum dezentralisierten Verfahren nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83 hat der Gerichtshof befunden, dass nach Feststellung des Einverständnisses aller Mitgliedstaaten deren zuständige Behörden bei Erlass ihrer Entscheidung über das Inverkehrbringen dieses Arzneimittels in ihrem Hoheitsgebiet nicht mehr die Möglichkeit haben, das Ergebnis dieses Verfahrens in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass eine Auslegung, die diese Möglichkeit eröffnen würde, im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 28 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83 stünde, würde sie dem dezentralisierten Verfahren jeden Sinn nehmen und insbesondere die Verwirklichung des im 14. Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziels des freien Verkehrs mit Arzneimitteln gefährden (Urteil vom 14. März 2018, Astellas Pharma, C‑557/16, EU:C:2018:181, Rn. 26).

225    Zunächst ist jedoch zu beachten, dass der Gerichtshof mit den oben in den Rn. 223 und 224 angeführten Urteilen nicht in Rechtssachen zu entscheiden hatte, in denen, wie hier, die EMA mit einem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen wie dem für Tecfidera im Rahmen des zentralisierten Verfahrens nach der Verordnung Nr. 726/2004 befasst und die Kommission die Behörde war, die über diesen Antrag zu entscheiden hatte.

226    In den mit den Urteilen vom 16. Oktober 2008, Synthon (C‑452/06, EU:C:2008:565), und vom 14. März 2018, Astellas Pharma (C‑557/16, EU:C:2018:181), entschiedenen Rechtssachen war der Gerichtshof nämlich mit Fragen zu den Befugnissen der Behörden der Mitgliedstaaten im Kontext des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung bzw. des dezentralisierten Verfahrens befasst. Nach den Art. 28 und 29 der Richtlinie 2001/83 betreffen diese Verfahren aber die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in mehr als einem Mitgliedstaat und somit die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten.

227    Aus den von der EMA in der Klagebeantwortung angeführten Urteilen vom 16. Oktober 2008, Synthon (C‑452/06, EU:C:2008:565), und vom 14. März 2018, Astellas Pharma (C‑557/16, EU:C:2018:181), lässt sich daher nicht ableiten, dass die Kommission nicht befugt war, den CHMP um eine wissenschaftliche Neubeurteilung eines Arzneimittels zu ersuchen oder zumindest beim BfArM die Informationen anzufordern, die sie zur Überprüfung der von dieser nationalen Behörde zuvor vorgenommenen Beurteilung benötigte.

228    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Hauptaufgabe der EMA nach dem 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 726/2004 darin bestehen sollte, den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten wissenschaftliche Gutachten auf möglichst hohem Niveau bereitzustellen, damit diese die Befugnisse hinsichtlich der Genehmigung und Überwachung von Arzneimitteln ausüben können, die ihnen durch die Unionsvorschriften im Arzneimittelbereich übertragen wurden. Wie es im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 726/2004 weiter heißt, sollte die Union erst, nachdem die EMA eine einheitliche wissenschaftliche Beurteilung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von technologisch hochwertigen Arzneimitteln auf möglichst hohem Niveau vorgenommen hat, in einem beschleunigten Verfahren, das eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gewährleistet, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilen.

229    Gemäß der Verordnung Nr. 726/2004 ist die EMA verantwortlich für die Koordinierung der vorhandenen Wissenschaftsressourcen, die ihr von den Mitgliedstaaten zur Beurteilung, Überwachung und Pharmakovigilanz von Arzneimitteln zur Verfügung gestellt werden und umfasst u. a. den CHMP, der die Gutachten der Agentur zu Fragen der Beurteilung von Humanarzneimitteln ausarbeitet. Nach Art. 57 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 erteilt die EMA den Mitgliedstaaten und den Organen der Union den bestmöglichen wissenschaftlichen Rat in Bezug auf alle Fragen der Beurteilung der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit von Humanarzneimitteln oder Tierarzneimitteln, die gemäß den Bestimmungen der Rechtsvorschriften der Union über Arzneimittel an sie herangetragen werden. Nach Art. 60 der Verordnung Nr. 726/2004 sammelt die EMA auf Verlangen der Kommission in Bezug auf genehmigte Arzneimittel alle verfügbaren Informationen über die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verwendeten Methoden zur Bestimmung des zusätzlichen therapeutischen Nutzens neuer Arzneimittel.

230    Schließlich sollte nach dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/83 im Fall von Unstimmigkeiten zwischen Mitgliedstaaten über die Qualität, die Sicherheit oder die Wirksamkeit eines Arzneimittels auf Unionsebene eine wissenschaftliche Beurteilung der Angelegenheit vorgenommen werden, die zu einer einheitlichen Entscheidung über den strittigen Punkt führt, die für die betreffenden Mitgliedstaaten bindend ist. Diese Entscheidung sollte in einem raschen Verfahren erlassen werden, das eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sicherstellt. Zudem sollten der Union nach dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 726/2004 die nötigen Mittel für eine wissenschaftliche Beurteilung der Arzneimittel zur Verfügung stehen, für die eine Genehmigung gemäß den dezentralisierten Unionsverfahren beantragt wird. Um eine wirksame Harmonisierung der Verwaltungsentscheidungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich Arzneimitteln zu erreichen, für die eine Genehmigung nach den dezentralisierten Verfahren beantragt wird, müssen für die Union zudem die nötigen Mittel bereitgestellt werden, damit sie zwischen den Mitgliedstaaten auftretende Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln ausräumen kann.

231    So kann nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83, wenn für ein bestimmtes Arzneimittel zwei oder mehr Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß den Art. 8, 10, 10a, 10b, 10c und 11 dieser Richtlinie gestellt werden und die Mitgliedstaaten abweichende Entscheidungen bezüglich der Genehmigung des Arzneimittels oder ihrer Aussetzung oder ihrer Rücknahme getroffen haben, ein Mitgliedstaat, die Kommission, der Antragsteller oder der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen die Angelegenheit an den CHMP verweisen, um das Verfahren nach den Art. 32, 33 und 34 einzuleiten.

232    Nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 befassen zudem die Mitgliedstaaten, die Kommission, der Antragsteller oder der Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen in besonderen Fällen von Unionsinteresse den CHMP mit der Anwendung des Verfahrens nach den Art. 32, 33 und 34, bevor sie über einen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, über die Aussetzung oder den Widerruf einer solchen Genehmigung bzw. über jede andere Änderung der Genehmigung für das Inverkehrbringen, die für erforderlich gehalten wird, entscheiden.

233    Mit dem Erlass der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83 (ABl. 2004, L 136, S. 34) hat der Unionsgesetzgeber der Kommission die Zuständigkeit für den Erlass von Rechtsakten mit verbindlichen Wirkungen für die Mitgliedstaaten übertragen, insbesondere nach Änderung von Art. 31 der Richtlinie 2001/83.

234    Ist der CHMP im Rahmen des Verfahrens nach Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 mit besonderen Fällen von Unionsinteresse befasst, so obliegt es ihm, auf Unionsebene seine eigene Beurteilung des in Rede stehenden Arzneimittels vorzunehmen. Die Beurteilung durch den CHMP ist unabhängig von derjenigen durch die nationalen Behörden. Insoweit kann dem CHMP hinsichtlich der Informationen, die er erstmals zu analysieren hat, nicht entgegengehalten werden, wie eine nationale Behörde in der Vergangenheit diese Informationen beurteilt haben mag (Urteil vom 3. Dezember 2015, PP Nature-Balance Lizenz/Kommission, C‑82/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:796, Rn. 37; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 19. September 2019, GE Healthcare/Kommission, T‑783/17, EU:T:2019:624, Rn. 101).

235    Das Verfahren nach Art. 31 der Richtlinie 2001/83 kann somit, u. a. auf Betreiben der Kommission, nach einer unabhängigen Beurteilung durch den CHMP zu einem Beschluss der Kommission führen, mit der diese die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, selbst eine Entscheidung auf der Grundlage von Art. 116 der Richtlinie 2001/83 zu erlassen, d. h. eine Entscheidung, mit der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen ausgesetzt, zurückgenommen oder geändert wird, wenn sie der Ansicht sind, dass das Arzneimittel schädlich ist, dass ihm die therapeutische Wirksamkeit fehlt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist oder dass das Arzneimittel nicht die angegebene quantitative und qualitative Zusammensetzung aufweist.

236    In Anbetracht des Vorstehenden und ohne dass über die Anwendbarkeit von Art. 31 der Richtlinie 2001/83 im vorliegenden Fall entschieden zu werden braucht, ist festzustellen, dass im Rahmen der auf Unionsebene oder in den Mitgliedstaaten geschaffenen Zulassungsverfahren der EMA und der Kommission eine besondere Funktion zukommt, die mit derjenigen der nationalen Behörden nicht vergleichbar ist. Der von der EMA angeführte Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung hindert demnach den CHMP nicht daran, nach Stellung eines Zulassungsantrags im zentralisierten Verfahren die zuvor von einer nationalen Behörde vorgenommene Beurteilung zu prüfen oder selbst eine unabhängige Beurteilung vorzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Zulassungsantrag auf Unionsebene für einen Stoff gestellt wird, der Bestandteil einer 15 Jahre zuvor auf nationaler Ebene zugelassenen Arzneimittelkombination ist, und wenn die dem CHMP vorliegenden Daten geeignet sind, die Hypothese, dass der aus dieser Kombination entfernte Stoff, im vorliegenden Fall MEF, in der Kombination eine Rolle spielt, nicht plausibel erscheinen zu lassen.

237    Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als sich nach der Stellung des Zulassungsantrags für Tecfidera im zentralisierten Verfahren die EMA durch den CHMP und sodann die Kommission zu der Frage geäußert haben, ob Tecfidera unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen wie Fumaderm fällt. Diese Beurteilung wirkte sich auf Unionsebene auf den Schutzzeitraum für die Daten zu Tecfidera aus und konnte der Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums von Tecfidera durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder der Kommission entgegenstehen. Somit stellte die Frage, ob Tecfidera unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fiel wie Fumaderm, und in diesem Rahmen die Frage, ob MEF in Fumaderm eine Rolle spielte, einen besonderen Fall von Unionsinteresse dar im Hinblick auf die mit der Richtlinie 2001/83 verfolgten Ziele im Allgemeinen, d. h. das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit und das Ziel des freien Verkehrs mit Arzneimitteln, zum einen und auf die mit dem Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen verfolgten, oben in den Rn. 174 bis 179 erläuterten Ziele zum anderen.

238    Das Verhalten der Kommission im Lauf des Verfahrens, das dem Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 vorausgegangen war, und die vom CHMP auf Ersuchen der Kommission zu Tecfidera durchgeführten Analysen bestätigen die besondere Rolle beider. Sie zeigen, dass sich die Kommission nicht durch die 1994 vom BfArM erlassene Entscheidung gebunden sah. Sie befand nämlich, dass die Feststellung, dass Tecfidera nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen falle wie Fumaderm, von der Beurteilung der Frage des Status von Tecfidera als „neuer Wirkstoff“ abhänge. Unter diesen Umständen ersuchte die Kommission den CHMP mit Schreiben vom 18. September 2013 um die Beurteilung der Frage, ob sich DMF von Fumaderm unterschied (siehe oben, Rn. 18). Auf dieses Ersuchen hin prüften die Berichterstatter, ob DMF und MEF unterschiedliche Wirkstoffe waren und ob sich das aus DMF und MEF zusammengesetzte Fumaderm hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit von DMF unterschied. Das Ersuchen der Kommission vom 18. September 2013 sowie die vom CHMP gesammelten Daten und die von ihm auf dieses Ersuchen hin durchgeführte Prüfung konnten aber zu Beurteilungen und zu einer Schlussfolgerung führen, die im Widerspruch zu der Entscheidung des BfArM stand, Fumaderm als Arzneimittelkombination zuzulassen.

e)      Zu den Daten, über die die EMA und die Kommission hinsichtlich der Rolle von MEF in Fumaderm verfügten oder verfügen konnten

239    In ihrem Schreiben vom 18. September 2013 an den Vorsitzenden des CHMP führte die Kommission aus, Biogen Idec habe die Prüfung der Frage beantragt, ob DMF als neuer Wirkstoff eingestuft werden konnte. Ein neuer Wirkstoff sei als ein chemischer Stoff definiert, der zuvor noch nicht als Arzneimittel in der Union zugelassen worden sei. DMF sei in der Union noch nicht als Arzneimittel zugelassen, sei aber Bestandteil des Arzneimittels Fumaderm, das 1994 in Deutschland zugelassen worden sei (siehe oben, Rn. 18).

240    Auf dieses Schreiben und die Beurteilungen der Berichterstatter in einem gemeinsamen Bericht vom 18. Oktober 2013 (siehe oben, Rn. 22) hin erhob der CHMP bei einer Sitzung am 24. Oktober 2013 zwei Haupteinwände gegenüber dem Antrag auf Zuerkennung des Status als „neuer Wirkstoff“ für DMF (siehe oben, Rn. 23). Erstens müsse geklärt werden, ob DMF und MEF Ester oder Derivate des jeweils anderen seien, und zweitens müssten die relevanten klinischen Unterschiede hinsichtlich Sicherheit und/oder Wirksamkeit zwischen DMF einerseits und DMF in Verbindung mit MEF andererseits behandelt werden. Am 4. November 2013 antwortete Biogen Idec auf die Einwände des CHMP. In einem gemeinsamen Bericht vom 11. November 2013 prüften die Berichterstatter die Antworten von Biogen Idec und erstellten ihre Beurteilung (siehe oben, Rn. 25).

241    Im EPAR befand der CHMP, dass MEF und DMF beide aktiv seien und nicht demselben Wirkstoff entsprächen, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe sei. Daraus folge, dass möglichen signifikanten Unterschieden hinsichtlich des Sicherheits-/Wirksamkeitsprofils nicht weiter nachgegangen werden müsse. Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Beweise und entsprechend den von der Kommission am 18. September 2013 vorgelegten Erläuterungen befand der CHMP, dass sich DMF von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheide. Diese Feststellung sowie eine Darstellung des Inhalts des Schreibens der Kommission vom 18. September 2013 sind ebenfalls im Gutachten des CHMP vom 21. November 2013 enthalten (siehe oben, Rn. 26).

242    Unter diesen Umständen trug der CHMP die klinischen Daten insbesondere zur pharmakologischen Wirkungsweise von MEF zum einen für sich genommen und zum anderen in Fumaderm zusammen. Diese klinischen Daten hat die Klägerin dem Gericht zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegt.

243    Die Klägerin macht der Sache nach geltend, die von Biogen Idec vorgelegten und im Verfahren zum Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 berücksichtigten Beweise reichten weder aus, noch seien sie stichhaltig genug, um den Schluss auf das Bestehen eines relevanten „Unterschieds“ zwischen Tecfidera und Fumaderm zuzulassen. Auf der Grundlage der verfügbaren Beweise hätte der CHMP nicht auf eine relevante therapeutische Wirksamkeit der MEF‑Salze in der Kombination von DMF und MEF‑Salzen in Fumaderm schließen können. Daher sei DMF der einzige relevante Wirkstoff in Fumaderm. Diese Feststellungen würden zudem dadurch bestätigt, dass die verfügbaren klinischen Beweise keine therapeutische Wirksamkeit von MEF für sich genommen belegten.

244    Die EMA macht geltend, der CHMP habe zutreffend auf der Grundlage begrenzter klinischer Beweise auf die pharmakologische Wirksamkeit von MEF geschlossen, denn zum einen seien diese Beweise durch nicht klinische Daten dokumentiert und zum anderen sei Fumaderm bereits zugelassen gewesen und seine pharmakologische Wirksamkeit sei bereits von der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats festgestellt worden. Das gegen die Beurteilung durch den CHMP gerichtete Vorbringen der Klägerin gehe ins Leere. Im Rahmen ihrer Beanstandung der vom CHMP vorgenommenen Beurteilung der klinischen und nicht klinischen Daten verkenne die Klägerin das mit dieser Beurteilung verfolgte Ziel und gehe von der unrichtigen Prämisse aus, dass der CHMP verpflichtet gewesen sei, die therapeutische Wirkung von MEF in Fumaderm zu beurteilen. Diese Beurteilung habe jedoch bereits das BfArM vorgenommen, und die Tatsache, dass Fumaderm als Arzneimittelkombination zugelassen worden sei, bedeute, dass sich bei dieser Beurteilung herausgestellt habe, dass MEF und DMF einen dokumentierten Beitrag in der Kombination leisteten. Somit sei der CHMP nicht gehalten gewesen, die im Rahmen des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von Tecfidera erneut zu beurteilen. Der CHMP habe die von Biogen Idec vorgelegten und dann von der Klägerin angeführten klinischen Daten nur analysiert, um die pharmakologische Wirksamkeit von MEF zu bestimmen. Da die klinischen Daten zu MEF allein relativ begrenzt seien, sei die Wirksamkeit von MEF indirekt geprüft worden, indem die Daten von Patienten, bei denen MEF in Kombination mit DMF angewandt worden sei, mit den Daten von Patienten verglichen worden seien, bei denen nur DMF angewandt worden sei. Der CHMP habe sich insoweit auf die Publikation von Nieboer, C., de Hoop, D., Langendijk, P. N. J., van Loenen, A. C., und Gubbels, J., mit dem Titel „Fumaric acid therapy in psoriasis: a double-blind comparison between fumaric acid compound therapy and monotherapy with dimethylfumaric acid ester“ (Dermatologica, 1990; 181(1):33–37, im Folgenden: Studie von Nieboer u. a. von 1990), allein zur Stützung seiner Schlussfolgerung berufen, dass MEF pharmakologisch aktiv sei.

245    Als Erstes ist zur klinischen Wirksamkeit von MEF für sich genommen festzustellen, dass der CHMP die Studie Nieboer u. a. von 1989 (siehe oben, Rn. 197) untersucht hat, in der sechs therapeutische Schemata auf der Grundlage von DMF und von MEF bei der Behandlung von Schuppenflechte beschrieben werden.

246    In der Klagebeantwortung führt die EMA aus, die Untersuchungen im Rahmen dieser Studie hätten gezeigt, dass „der Juckreiz-Score in der Gruppe, die [MEF] erhalten hat, signifikanter zurückgegangen ist als in der Gruppe, die ein Placebo erhalten hat“, und dass „[s]ignifikante Unterschiede (p < 0,05) … festgestellt [wurden] zwischen den Endscores bei Schuppenbildung und Juckreiz für beide Gruppen“ von Patienten, die MEF in unterschiedlicher Dosierung erhalten hätten.

247    Nach Ansicht der EMA geht daraus klar hervor, dass die Verabreichung von MEF für das Kriterium Juckreiz andere Ergebnisse erbracht habe als die Verabreichung des Placebos und dass unterschiedliche Dosierungen von MEF sehr unterschiedliche Ergebnisse für das Kriterium Schuppenbildung und Juckreiz erbracht hätten.

248    Zum einen führen jedoch die Berichterstatter in ihrem gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 18. Oktober 2013 aus, die Studie von Nieboer u. a. von 1989 beziehe sich auf Formulierungen des Erzeugnisses, die nicht vollständig beschrieben seien, und auf eine Bevölkerungsgruppe, für die die Kriterien ihrer Einbeziehung und die Schwere der Symptome nicht näher angegeben seien. Zudem heißt es im gemeinsamen Beurteilungsbericht der Berichterstatter vom 11. November 2013, dass „DMF und MEF‑Salze … keinen klinisch relevanten Unterschied hinsichtlich der Sicherheit [zeigen]“, dass „nicht auf das Bestehen von klinisch relevanten Unterschieden im Hinblick auf die Wirksamkeit geschlossen werden [kann], da die einzig verfügbaren Daten aus der [Studie von Nieboer u. a. von 1989] stammen“, und dass „[i]m vorliegenden Fall … nur zehn unter Schuppenflechte leidende Patienten ausschließlich MEF im Rahmen einer Studie angewandt [haben], deren Methodik nicht zuverlässig beurteilt werden kann“.

249    Zum anderen erläutert der CHMP im EPAR, dass die verfügbaren klinischen Daten zu MEF für sich genommen der veröffentlichten Literatur entnommen und begrenzt seien.

250    Somit zeigen die Akten, dass die Studie von Nieboer u. a. von 1989 keine relevanten und ausreichenden Daten zur klinischen Wirksamkeit von MEF für sich genommen liefert.

251    Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die Studie von Nieboer u. a. von 1989 MEF‑Sodiumsalz (MEF‑Na) mit einem Placebo verglichen hat. MEF‑Na ist jedoch in der Zusammensetzung von Fumaderm nicht enthalten (siehe oben, Rn. 2). Zudem heißt es in dieser Studie zum Vergleich zwischen der Gruppe, die eine Tagesdosis von 240 mg MEF‑Sodiumsalz (MEF‑Na), und der Gruppe, die das Placebo erhalten hat, dass es keinen Unterschied hinsichtlich Verbesserungen, des Ausbleibens von Verbesserungen und Verschlechterungen gebe. Weiter wird dort ausgeführt, der mittlere Endscore in den beiden Gruppen sei derselbe und nur für den Juckreiz-Score sei eine signifikante Verringerung in der Gruppe verzeichnet worden, die MEF‑Na erhalten habe. Die Autoren der Studie erläutern auch, dass eine Studie durchgeführt worden sei, in der die tägliche Einnahme von 720 mg MEF‑Na mit der von 240 mg MEF‑Na verglichen worden sei, weil sich die Tagesdosis von 240 mg als unwirksam erwiesen habe. In der Studie von Nieboer u. a. von 1989 stellen deren Autoren jedoch fest, dass zwischen der Einnahme von 720 mg MEF‑Na und von 240 mg MEF‑Na kein Unterschied hinsichtlich der Zahl der Patienten, deren Zustand sich verbessert habe, beobachtet worden sei.

252    Was als Zweites den Vergleich zwischen DMF allein und der Kombination von DMF und MEF‑Salzen angeht, führt die EMA erstens zur Studie von Nieboer u. a. von 1989 aus, der CHMP habe im EPAR auch „darauf hingewiesen, dass die Wirkungen der Behandlung schneller beobachtet wurden, wenn DMF mit MEF kombiniert, als wenn DMF allein verabreicht wurde“. Nach Ansicht der EMA lässt sich die Tatsache, dass die Verabreichung von DMF in Kombination mit MEF schneller Wirkungen zeitigt als die Verabreichung von DMF allein, nur durch die pharmakologische Wirksamkeit von MEF erklären.

253    Zunächst ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Methodik der Studie von Nieboer u. a. von 1989 nicht zuverlässig beurteilt werden konnte (siehe oben, Rn. 248). Somit zeigen die Akten, dass die Studie von Nieboer u. a. von 1989 keine relevanten und ausreichenden Daten zur klinischen Wirksamkeit von MEF in Fumaderm liefert.

254    Sodann geht aus dem gemeinsamen Beurteilungsbericht der Berichterstatter vom 18. Oktober 2013 hervor, dass die Studie von Nieboer u. a. von 1989 keine Beurteilung des Ausmaßes der pharmakologischen Wirksamkeit von DMF und von MEF in Fumaderm zuließ. Daher befanden die Berichterstatter der Sache nach, dass Biogen Idec die jeweilige Wirksamkeit von DMF und von MEF eingehender beschreiben müsse, um bei der Bestimmung der Rolle von MEF in Fumaderm zu helfen.

255    In der Studie von Nieboer u. a. von 1989 haben zudem deren Autoren darauf hingewiesen, dass DMF im Rahmen der Kombination von DMF und MEF erheblich höher dosiert gewesen sei als in den Versuchen mit DMF allein. Somit genügten in Anbetracht der verwendeten Dosierungen die Ergebnisse der Studie von Nieboer u. a. von 1989 nicht für den Schluss, dass die Wirkungen der Behandlung mit einer Kombination von DMF und MEF schneller festgestellt worden seien als mit DMF allein.

256    In der Studie von Nieboer u. a. von 1989 haben deren Autoren schließlich ausgeführt, dass die Frage, ob der Zusatz von MEF‑Salzen zu DMF eine zusätzliche oder auch nur eine potenzielle Wirkung habe, untersucht werden müsse.

257    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der CHMP bei der Prüfung der Frage, ob Tecfidera unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie Fumaderm, auch die Studie Nieboer u. a. von 1990 (siehe oben, Rn. 244) geprüft hat, die einen Doppelblindversuch zum Vergleich der Wirkungen von DMF als einzigem Wirkstoff und der Wirkungen der Kombination von DMF und MEF betrifft.

258    Hierzu macht die EMA geltend, im Gefolge der Studie Nieboer u. a. von 1990 habe der CHMP befunden, dass „der Prozentsatz der Verbesserung (d. h. eine Verringerung um mehr als die Hälfte des Schwere-Scores der Schuppenflechte) … 55 % in der Gruppe, die mit DMF, und 80 % in der Gruppe, die mit der Kombination DMF/MEF‑Salze behandelt worden sei, [betrug]“ und dass „[d]ie Entwicklung des Gesamtscores und der einzelnen Parameter über die vier Monate der Studie … eine Tendenz zu einem schnelleren Ergebnis bei der Gruppe, die die Kombination DMF/MEF‑Salze erhalten hat, als bei der Gruppe, die die Behandlung auf der Grundlage von DMF allein erhalten hat, gezeigt [hat]“. Die EMA folgert daraus, dass die Verabreichung von DMF in Kombination mit MEF andere Wirkungen habe als die Verabreichung von DMF allein.

259    In der Studie Nieboer u. a. von 1990 erläutern die Autoren jedoch einleitend, dass DMF und MEF‑Salze die Wirkstoffe der magensaftresistenten Tabletten seien, die gewöhnlich im Rahmen von Therapien auf der Grundlage von Fumarsäure verschrieben würden. Diese Kombination scheine eher auf historischen Faktoren als auf einem rationalen therapeutischen Ansatz zu beruhen.

260    Zudem gebe, so die Klägerin, die vom CHMP vorgenommene Zusammenfassung die wesentlichen Feststellungen und Schlussfolgerungen der Autoren nicht angemessen wieder, wonach

–        „[d]ie] beobachteten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen … sich nicht als erheblich erwiesen [haben]“;

–        die Entwicklung des mittleren Gesamtscores der beiden Gruppen, von denen die eine nur mit DMF und die andere mit DMF und MEF behandelt worden sei, „zu keinem Zeitpunkt signifikant unterschiedlich [war]“, „[i]n der Folge … auch die einzelnen Parameter im Lauf der Zeit keine spürbaren Unterschiede zeigten“ und „[n]ach vier Monaten … die Ergebnisse keinen statistischen Unterschied auf[wiesen]“;

–        „[d]ie Entwicklung des Gesamtscores und der einzelnen Parameter über die vier Monate der Studie … eine Tendenz zu einem schnelleren Ergebnis mit der [Kombination DMF/MEF] als mit der [DMF‑]Monotherapie [zeigte]“, aber „[g]leichwohl … dieser Unterschied nicht signifikant und der Endscore in beiden Gruppen derselbe [war]“;

–        zusammenfassend „gesagt werden [kann], dass die Behandlung von Schuppenflechte mit der [Kombination von DMF und MEF) nicht zu einem besseren klinischen Ergebnis [geführt hat] als die [DMF‑]Monotherapie“.

261    Im Übrigen haben Rostami-Yazdi, M., Clement, B., und Mrowietz, U., in ihrer Publikation „Pharmacokinetics of anti-psoriatic fumaric acid esters in psoriasis patients“ (Arch Dermatol Res., 2010; 302(7):531-538), die dem CHMP bei der Prüfung von Tecfidera vorlag, die Ergebnisse der Studie Nieboer u. a. von 1990 dahin interpretiert, dass sie zeige, „dass DMF der wesentliche Bestandteil von Fumaderm war, da die Behandlung der Schuppenflechte mit einer Mischung aus DMF und MEF im Vergleich zu einer Monotherapie mit DMF nicht überlegen war“.

262    Drittens haben die Berichterstatter in ihrem gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 18. Oktober 2013 erläutert, dass ein besonderes Interesse am Beitrag der MEF‑Salze zur pharmakologischen Wirksamkeit von Fumaderm bestehe. Obwohl Fumaderm aber 1994 in Deutschland zur Behandlung von Schuppenflechte zugelassen und in den Verkehr gebracht worden sei, habe Biogen Idec keine klinische Studie mit Fumaderm bei Patienten mit multipler Sklerose durchgeführt, was die Beurteilung erschwert habe.

263    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Berichterstatter, obwohl ihnen die Studien von Nieboer u. a. von 1989 und von 1990 vorlagen, in ihrem gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 18. Oktober 2013 ausgeführt haben, dass Biogen Idec die jeweilige pharmakologische Wirksamkeit von DMF und von MEF als Bestandteile des Erzeugnisses Fumaderm eingehender beschreiben müsse, um die Rolle von MEF in Fumaderm zu bestimmen. Daher befanden sie der Sache nach, dass Biogen Idec nur sehr wenige klinische Daten vorgelegt habe und dass sie die jeweilige Wirksamkeit von DMF und von MEF eingehender beschreiben müsse, um bei der Bestimmung der Rolle von MEF in Fumaderm zu helfen.

264    Viertens und vor allem ist hervorzuheben, dass die Berichterstatter in ihrem gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 11. November 2013 die Antworten von Biogen Idec analysiert und befunden haben, dass der in dem Arzneimittel Tecfidera enthaltene Wirkstoff DMF nicht als „neuer Wirkstoff“ eingestuft werden könne, weil aus den vorgelegten Daten nicht hervorgehe, dass sich die Eigenschaften von DMF im Hinblick auf Sicherheit und/oder Wirksamkeit signifikant von denen des Erzeugnisses Fumaderm unterschieden, für das gegenwärtig eine Zulassung bestehe und das eine Mischung aus DMF und MEF‑Salzen enthalte.

265    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die vom CHMP geprüften klinischen Studien nicht den Schluss zuließen, dass die Verabreichung von DMF in Kombination mit MEF zu anderen Ergebnissen führt als die Verabreichung von DMF allein. Die der EMA und der Kommission vorliegenden Informationen waren im Gegenteil geeignet, die Hypothese, dass MEF in Fumaderm eine therapeutische Rolle spielt, nicht plausibel erscheinen zu lassen.

266    Als Anlage zur Klagebeantwortung hat die EMA die Entscheidung zur Zulassung von Fumaderm und deren Anhänge von 1994 vorgelegt, darunter die SmPC für dieses Arzneimittel und die Bedingungen für sein Inverkehrbringen.

267    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die EMA und die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts angegeben haben, diese Unterlagen hätten ihnen zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 nicht vorgelegen.

268    Jedenfalls ist festzustellen, dass es in der SmPC für Fumaderm heißt, dass „der Wirkmechanismus der Fumarsäureester bei der Behandlung der Psoriasis vulgaris noch nicht geklärt ist“ und dass es „wegen des Fehlens geeigneter Tiermodelle keine vorklinische Studie gibt“.

269    Zudem stellen bestimmte Erläuterungen in den vorgelegten Unterlagen die Rolle von MEF in Fumaderm in Frage.

270    Wie nämlich bereits dargelegt, erteilte das BfArM zwei Zulassungen, die erste für Fumaderm prae oder Fumaderm initial, die zweite für Fumaderm. Eine Tablette Fumaderm prae enthält viermal weniger DMF als eine Tablette Fumaderm (siehe oben, Rn. 2).

271    In der Anlage betreffend die Bedingungen für die Zulassung von Fumaderm prae und Fumaderm erläutert das BfArM jedoch, dass Fumaderm prae keine Therapie für Schuppenflechte sein könne, weil seine klinische Wirksamkeit nicht dargetan sei. Es könne eingeräumt werden, dass eine dreiwöchige Vorbehandlung mit Fumaderm prae die Verträglichkeit der Behandlung mit Fumaderm verbessere. Es sei aber noch nicht möglich zu verstehen, warum das Mischungsverhältnis der drei Fumarsäurebestandteile in Fumaderm prae völlig anders sein müsse als in Fumaderm. Dies bedürfe einer eingehenderen Prüfung.

272    Es trifft zu, dass es in der SmPC für Fumaderm hinsichtlich der akuten Toxizität heißt, die Bestandteile der magensaftresistenten Fumaderm-Tabletten hätten sich in Kombination als weniger toxisch erwiesen als einzeln. Wie jedoch die EMA in der Klagebeantwortung ausgeführt hat, heißt es im gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 11. November 2013, dass „[DMF und MEF] … ein ähnliches nephrotoxisches Potential zu haben [scheinen], was zu den unerwünschten Vorkommnissen passt, die nach der Behandlung mit Fumaratestern bei Schuppenflechtepatienten beobachtet wurden“. Diesem Bericht zufolge genügt „[w]ie im Abschnitt betreffend die renale Toxizität dargelegt, … eine bestimmte Schwellendosis Fumaratester (unabhängig vom DMF‑ und vom MEF‑Gehalt) anscheinend, um [unerwünschte] gastrointestinale (und renale) [Wirkungen] auszulösen“. Zudem haben die Berichterstatter in ihrem gemeinsamen Beurteilungsbericht vom 11. November 2013 die Antworten von Biogen Idec analysiert und befunden, dass der in dem Arzneimittel Tecfidera enthaltene Wirkstoff DMF nicht als „neuer Wirkstoff“ eingestuft werden könne, weil aus den vorgelegten Daten nicht hervorgehe, dass sich die Eigenschaften von DMF im Hinblick auf Sicherheit und/oder Wirksamkeit signifikant von denen des Erzeugnisses Fumaderm unterschieden, das bereits zugelassen sei und eine Mischung aus DMF und MEF‑Salzen enthalte. Der EPAR zu Tecfidera enthält im Übrigen einige Hinweise zu der nach dem Inverkehrbringen von Fumaderm gesammelten Erfahrung in Bezug auf die Sicherheit.

273    Folglich verfügten die EMA und die Kommission bei Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 über Daten, die geeignet waren, die Hypothese, dass MEF in Fumaderm eine therapeutische Rolle spielt, nicht plausibel erscheinen zu lassen, oder konnten über solche Daten verfügen.

274    Es bestand somit eine Gefahr, dass Biogen Idec einen vollständigen und zusätzlichen Datenschutzzeitraum von acht Jahren allein deshalb erlangt hätte, weil sie zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen für eine andere als die von Fumaderm erfasste Indikation MEF, das ein Bestandteil der Zusammensetzung von Fumaderm war, jedoch klinisch nicht relevant war und in Fumaderm in einer zu geringen Dosierung vorlag, um irgendeine signifikante therapeutische Wirkung hervorzurufen, daraus entfernt hatte.

275    Unter solchen besonderen Umständen würde es den mit den Art. 6 und 10 der Richtlinie 2001/83 verfolgten Zielen (siehe oben, Rn. 174 bis 179) zuwiderlaufen, wenn Biogen Idec ein neuer Datenschutzzeitraum von acht Jahren für ein Arzneimittel zuerkannt würde, das eine neue therapeutische Indikation verbunden mit einer Änderung der Dosierung des Arzneimittels abdeckt. Ein derartiger Schutzzeitraum würde keinen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Interessen der innovativen Unternehmen und der Notwendigkeit, im Allgemeininteresse die Herstellung von Generika zu fördern, gewährleisten. Zudem liefe dieser Schutz dem Ziel des „abgekürzten“ Verfahrens zuwider, das die Zeit und die Kosten, die für die Sammlung der Ergebnisse der pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Versuche erforderlich sind, sparen und vermeiden soll, dass Versuche am Menschen oder am Tier wiederholt werden.

276    Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass, wie die EMA ausgeführt hat, der CHMP im EPAR auch Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 und die Bestimmungen ihres Anhangs I Teil II Nr. 3 berücksichtigt hat (siehe oben, Rn. 29).

277    Erstens ist nämlich festzustellen, dass diese Bestimmungen nur angewandt worden sind, um zu prüfen, ob MEF und DMF, je für sich genommen und nicht in einer Arzneimittelkombination, unterschiedliche Wirkstoffe darstellten. So hat der CHMP im EPAR festgestellt, dass MEF und DMF beide aktiv seien und nicht denselben Wirkstoff darstellten, da ihre therapeutisch wirksame Komponente nicht dieselbe sei. Wie er in seinem überarbeiteten Gutachten vom 21. November 2013 (siehe oben, Rn. 26) in Erinnerung gerufen hat, befand der CHMP im EPAR „auf der Grundlage einer Prüfung der wissenschaftlichen Beweise und entsprechend den von der Kommission in ihrem Schreiben vom 18. September 2013 gegebenen Erläuterungen“, dass sich DMF von dem aus DMF und MEF‑Salzen zusammengesetzten Fumaderm unterscheide. Diese Erläuterungen der Kommission bezogen sich indes auch darauf, dass DMF Bestandteil des Arzneimittels Fumaderm war, das 1994 in Deutschland zugelassen worden war.

278    Zweitens finden zum einen die Bestimmungen von Anhang I Teil II Nr. 3 der Richtlinie 2001/83 in dem Fall Anwendung, dass das Verhältnis zwischen einem im Wesentlichen gleichen Arzneimittel und einem bereits zugelassenen Erzeugnis zu prüfen ist, wenn der Wirkstoff des im Wesentlichen gleichen Arzneimittels die gleiche therapeutisch wirksame Komponente in Verbindung mit einem anderen Salz/Ester/Derivatkomplex enthält. Sie betreffen somit das Verhältnis zwischen einem potenziellen Generikum und dem Referenzarzneimittel. Diese Bestimmungen betreffen daher nicht wie im vorliegenden Fall die Prüfung des Verhältnisses zwischen zwei Referenzarzneimitteln, um zu bestimmen, ob sie unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fallen. Tatsächlich dienen die Bestimmungen von Anhang I Teil II Nr. 3 der Richtlinie 2001/83 dazu, zu beurteilen, ob der betreffende Wirkstoff ein „neuer Wirkstoff“ ist oder nicht. Wie sich aus den Rn. 26 bis 39 des vorliegenden Urteils ergibt, war der CHMP in seinem überarbeiteten Gutachten und im EPAR zunächst zu dem Schluss gelangt, dass DMF ein neuer Wirkstoff sei. Die Kommission hatte diese Schlussfolgerung in dem Entwurf des Durchführungsbeschlusses übernommen, den sie dem durch Art. 121 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 errichteten Ständigen Ausschuss für Humanarzneimittel vorgelegt hatte. Nachdem dagegen jedoch in diesem Ausschuss Einwände erhoben worden waren, wurde die Bezugnahme auf den Status von DMF als neuer Wirkstoff im dritten Erwägungsgrund dieses Durchführungsbeschlusses in der von der Kommission angenommenen Fassung gestrichen. Folglich wurde der EPAR durch die Aufnahme eines Vermerks geändert, wonach die abschließende Feststellung im Gutachten des CHMP zu diesem Status von DMF gegenstandslos sei.

279    Zum anderen ist auf die Definition eines Generikums in Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 hinzuweisen. Zwar fällt jedes Arzneimittel, für das gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 die Einstufung als Generikum eines bereits zugelassenen Arzneimittels beansprucht werden kann, notwendig unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen wie dieses Arzneimittel. Der Umstand, dass ein Arzneimittel nicht als Generikum im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 einzustufen ist, bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass es nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie ein bereits zugelassenes Arzneimittel. Der Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 ist somit weiter als die Definition des Generikums nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83.

280    Was das Verhältnis zwischen einer Arzneimittelkombination und den sie bildenden Stoffen angeht, steht fest, dass der dokumentierte therapeutische Beitrag jedes dieser Stoffe in dieser Kombination eine Voraussetzung für deren Zulassung als Kombination aus unterschiedlichen Wirkstoffen ist. In ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts hat die Kommission im Übrigen ausgeführt, dass „eine offensichtliche Wechselbeziehung zwischen der Feststellung des therapeutischen Beitrags jedes der verschiedenen Wirkstoffe in einer fixen Arzneimittelkombination und der Antwort auf die Frage [besteht], ob ein in einem anderen Arzneimittel enthaltener einziger Wirkstoff als identisch mit den in der fixen Kombination enthaltenen eingestuft werden kann“. Somit hängt die Beurteilung, ob zwischen einer Arzneimittelkombination und den sie bildenden Stoffen ein Unterschied besteht, davon ab, ob ein dokumentierter therapeutischer Beitrag jedes dieser Stoffe in dieser Kombination vorliegt. Folglich lässt die Feststellung, dass MEF und DMF zwei verschiedene Wirkstoffe sind, wenn sie jeder für sich nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/83 analysiert werden, nicht den Schluss zu, dass sich DMF allein von einer aus MEF und DMF zusammengesetzten Arzneimittelkombination unterscheidet und daher unter eine andere umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen als diese Kombination fällt. Um diesen Schluss zu ziehen, muss vielmehr festgestellt werden, dass MEF und DMF jeweils einen therapeutischen Beitrag in dieser Kombination erbringen.

281    Drittens geht aus dem dritten Erwägungsgrund des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 klar hervor, dass die Beurteilung, dass sich Tecfidera von Fumaderm unterscheidet und nicht unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie diese Arzneimittelkombination, auf zwei Feststellungen gestützt ist: die Feststellung des CHMP, dass MEF und DMF beide aktiv sind und nicht demselben Wirkstoff entsprechen, und die Feststellung, dass für Fumaderm als aus DMF und MEF zusammengesetzte Arzneimittelkombination bereits eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden war.

282    Im vorliegenden Fall reichten diese Feststellungen nicht für den Schluss aus, dass Tecfidera unter eine andere umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt als Fumaderm. Denn in Anbetracht der Ziele der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen, des 1994 für Arzneimittelkombinationen geltenden Unionsrechts und der Entwicklung der wissenschaftlichen Kenntnisse zwischen 1994 und 2014, der besonderen Funktion der EMA und der Kommission sowie der Daten, über die Letztere verfügten oder verfügen konnten und die geeignet waren, die Hypothese, dass MEF in Fumaderm eine Rolle spielt, nicht plausibel erscheinen zu lassen (siehe oben, Rn. 175 bis 275), ist festzustellen, dass die Kommission nicht zu dem Schluss berechtigt war, dass Tecfidera unter eine andere umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fiel als das bereits zugelassene Fumaderm, ohne geprüft oder den CHMP um die Prüfung ersucht zu haben, ob und gegebenenfalls wie das BfArM die Rolle von MEF in Fumaderm beurteilt hatte, und auch ohne den CHMP um die Prüfung der Rolle von MEF in Fumaderm ersucht zu haben.

283    Erstens ist festzustellen, dass, wie sich aus den schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts ergibt, weder dem EMA noch der Kommission vor dem Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 das Dossier vorlag, das zur Zulassung von Fumaderm geführt hat. Auch lagen der EMA zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Durchführungsbeschlusses nicht die als Anlagen zur Klagebeantwortung vorgelegten Unterlagen vor, nämlich die in deutscher Sprache abgefassten Entscheidungen zur Zulassung von Fumaderm prae und von Fumaderm mit ihren Anhängen (siehe oben, Rn. 266). Zum Vergleich kann darauf hingewiesen werden, dass nach Art. 28 der Richtlinie 2001/83, der das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren betrifft, alle Mitgliedstaaten Adressaten der Dossiers zu Anträgen auf Genehmigung für das Inverkehrbringen und der vom Referenzmitgliedstaat erstellten Beurteilungen sind (vgl. auch den oben in Rn. 229 erwähnten Art. 60 der Verordnung Nr. 726/2004).

284    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in Beantwortung einer Frage des Gerichts eine Entscheidung vorgelegt hat, mit der das BfArM ihren Antrag auf Zugang zu den Informationen betreffend die Zulassung von Fumaderm abgelehnt hat (siehe oben, Rn. 51). In dieser Entscheidung hat das BfArM ausgeführt, für Arzneimittel, deren Zulassung vor dem 6. September 2005 beantragt worden sei, bestehe keine Verpflichtung zur Erstellung oder Veröffentlichung eines öffentlichen Beurteilungsberichts, so dass die Informationen, zu denen die Klägerin Zugang beantragt habe, nicht öffentlich zugänglich seien.

285    Im Übrigen steht nicht fest, dass Biogen Idec im Lauf der Beurteilung von Tecfidera der EMA oder der Kommission die Daten übermittelt hätte, die zur Erlangung der Zulassung von Fumaderm vorgelegt worden waren. In ihren schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts hat die EMA hierzu erläutert, dass sich nicht mit Gewissheit bestimmen lasse, welches Dokument oder welche Dokumente und welche wissenschaftliche Literatur, die ihr im Lauf der Beurteilung von Tecfidera vorgelegen hätten, auch vom BfArM im Rahmen des Antrags auf Zulassung von Fumaderm geprüft worden seien.

286    Zudem geht aus den Akten, insbesondere den schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts, hervor, dass die EMA und die Kommission im Lauf des Verfahrens zum Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 keine Informationen beim BfArM angefordert haben. Sie haben auch nicht geprüft, ob Letzteres die Rolle von MEF in Fumaderm beurteilt hat, oder untersucht, wie das BfArM bei seiner Analyse vorgegangen ist.

287    Zweitens ergibt sich aus den Akten, dass sich der CHMP und sodann die Kommission in ihrem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 auf die Feststellung beschränkt haben, dass DMF Bestandteil einer bereits zugelassenen Arzneimittelkombination, nämlich von Fumaderm, sei und bisher in der Union noch nicht als Arzneimittel zugelassen worden sei.

288    Drittens steht fest, dass sich die EMA, genauer gesagt der CHMP, trotz der besonderen Umstände des vorliegenden Falles im EPAR zu Tecfidera auf die Beurteilung der Frage beschränkt hat, ob die MEF‑Salze für sich genommen pharmakologisch aktiv waren (siehe oben, Rn. 242). Gegenstand der vorgenommenen Prüfung war dagegen weder die Beurteilung der Rolle von MEF in Fumaderm noch ein entsprechendes Auskunftsersuchen an das BfArM.

289    In Anbetracht des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Kommission vor Erlass des Durchführungsbeschlusses vom 30. Januar 2014 nicht sämtliche relevanten Daten analysiert hat, die für die Schlussfolgerung zu berücksichtigen waren, dass Tecfidera und Fumaderm jeweils unter eine andere Genehmigung für das Inverkehrbringen fielen.

290    Diese Feststellung wird nicht durch die von der EMA angeführten Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in den verbundenen Rechtssachen Novartis Europharm/Kommission (C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2016:1003) in Frage gestellt.

291    In Nr. 43 seiner Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Novartis Europharm/Kommission (C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2016:1003) hat Generalanwalt Bobek zwar ausgeführt, dass das wichtigste konstitutive Element eines Arzneimittels sein Wirkstoff sei. Eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die für ein Arzneimittel erteilt werde, das auf einem anderen Wirkstoff als dem des Ursprungsarzneimittels basiere, könne angesichts des Wortlauts von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/83 nur schwerlich als eine Entwicklung angesehen werden. Wenn ein Unterschied beim Wirkstoff nicht zu einer anderen umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen führen würde, wäre kaum eine Innovation vorstellbar, die dem Antragsteller einen anderen Schutzzeitraum für die Daten verschaffen könnte. In Nr. 45 dieser Schlussanträge hat Generalanwalt Bobek weiter dargelegt, dass alle Beispiele, die die Kommission für Modifizierungen des Ursprungsarzneimittels anführe, die nicht derselben umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen unterfielen, Fälle beträfen, in denen eine Änderung des Wirkstoffs (oder der Wirkstoffzusammensetzung) im Ursprungsarzneimittel vorliege. Dies sei erstens der Fall bei fixen Arzneimittelkombinationen gemäß Art. 10b der Richtlinie 2001/83), zweitens bei der Abtrennung des Wirkstoffs von einer bestehenden Kombination von Wirkstoffen oder drittens bei einer Modifizierung einer bestehenden Kombination von Wirkstoffen, die als ein neuer Wirkstoff anzusehen sei. Daraus hat er in Nr. 46 seiner Schlussanträge abgeleitet, dass der Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen die Identität ihres Inhabers und die Identität des Wirkstoffs bzw. der Wirkstoffe beinhalte. Ändere sich der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder der Wirkstoff, gelte die betreffende umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht mehr.

292    Es ist jedoch festzustellen, dass das Urteil vom 28. Juni 2017, Novartis Europharm/Kommission (C‑629/15 P und C‑630/15 P, EU:C:2017:498), keinerlei Äußerung des Gerichtshofs in dem von Generalanwalt Bobek vorgeschlagenen Sinn enthält. Zudem war der Gerichtshof in der Rechtssache, in der diese Schlussanträge gestellt worden sind, nicht mit der Frage befasst, ob eine Genehmigung für das Inverkehrbringen, die auf Unionsebene für einen Bestandteil einer bereits von einer nationalen Behörde zugelassenen Arzneimittelkombination erteilt worden ist, unter dieselbe umfassende Genehmigung für das Inverkehrbringen fällt wie diese Kombination. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus den Rn. 150 bis 282 des vorliegenden Urteils ergibt, bei einem allein auf einen Unterschied der Wirkstoffe abstellenden Ansatz im vorliegenden Fall die Gefahr bestand, dass es zur Gewährung eines Datenschutzzeitraums gekommen wäre, der den mit dem Begriff der umfassenden Genehmigung für das Inverkehrbringen verfolgten Zielen zuwiderlief.

293    Nach alledem und insbesondere in Anbetracht dessen, dass weder der CHMP noch die Kommission trotz der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die Rolle von MEF in Fumaderm beurteilt oder dazu Informationen beim BfArM angefordert haben, ist dem einzigen Klagegrund zu folgen, mit dem die Klägerin geltend macht, dass der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet sei, weil die Kommission mit ihm befunden habe, dass sich Tecfidera und Fumaderm voneinander unterschieden und Tecfidera deshalb nicht Bestandteil derselben Zulassung sei wie Fumaderm.

294    Da dieser Schlussfolgerung weder eine Rüge der Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung noch der Inhalt der Anlagen C.1 und C.2 zu den Stellungnahmen der Klägerin zu den Streithilfeschriftsätzen, noch der Inhalt der Anlage R.8 zu den schriftlichen Antworten der Klägerin auf die Fragen des Gerichts zugrunde liegt, ist es nicht erforderlich, über die von der EMA bestrittene Zulässigkeit dieser Rüge und über die Zulässigkeit der Vorlage dieser Anlagen zu entscheiden.

295    Somit ist der von der Klägerin erhobenen Einrede der Rechtswidrigkeit stattzugeben und der Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 für nicht anwendbar zu erklären, soweit die Kommission mit diesem befunden hat, dass Tecfidera nicht Bestandteil derselben umfassenden Genehmigung sei wie Fumaderm.

296    Da dem angefochtenen Beschluss, der auf dem Durchführungsbeschluss vom 30. Januar 2014 beruht, damit die Grundlage entzogen ist, ist er für nichtig zu erklären.

 IV.      Kosten

297    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die EMA im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten und gemäß dem Antrag der Klägerin deren Kosten aufzuerlegen.

298    Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

299    Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt Biogen ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) vom 30. Juli 2018, mit dem die Validierung des Antrags der Pharmaceutical Works Polpharma S.A. auf Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Generikums des Arzneimittels Tecfidera abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Die EMA trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Pharmaceutical Works Polpharma.

4.      Die Biogen Netherlands BV und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

da Silva Passos

Valančius

Reine

Truchot

 

      Sampol Pucurull

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Mai 2021.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Englisch.


i      Die vorliegende Sprachfassung ist in Rn. 140 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden.